Otmar Suitner
Otmar Suitner (* 16. Mai 1922 in Innsbruck, Tirol; † 8. Januar 2010 in Berlin) war ein österreichischer Konzert- und Operndirigent.
Biografie
Otmar Suitner studierte am Konservatorium in Innsbruck Klavier bei Fritz Weidlich und 1940 bis 1942 am Mozarteum in Salzburg ebenfalls Klavier bei Franz Ledwinka und Dirigieren bei Clemens Krauss. 1942 bis 1944 war er Ballettrepetitor mit Dirigierverpflichtung am Tiroler Landestheater in Innsbruck. Danach gab er vor allem Konzerte als Pianist, unter anderem in Wien, Rom, München sowie in der Schweiz. 1952 war Suitner Musikdirektor in Remscheid. 1957 wurde er Generalmusikdirektor des Pfalzorchesters, der heutigen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz in Ludwigshafen am Rhein, mit der er in Berlin, München, Hamburg sowie in Italien und Griechenland gastierte.[A 1] Seine GMD-Stelle hatte Suitner dort bis 1960 inne.
1960 bis 1964 war Suitner Chefdirigent der Staatskapelle Dresden. 1964 bis 1967 dirigierte er den Fliegenden Holländer, Tannhäuser und den Ring des Nibelungen bei den Bayreuther Festspielen. 1964 bis 1971 und wiederum 1974 bis 1991 war Suitner Generalmusikdirektor an der Deutschen Staatsoper in Ost-Berlin. Suitner gastierte in fast allen europäischen Ländern, vor allem in Schweden, Italien, der Schweiz und an der Wiener Staatsoper, aber auch in den USA (San Francisco Opera), Lateinamerika und Japan. Er wurde zum Ehrendirigenten des NHK-Sinfonieorchesters Tokio ernannt. In der Bundesrepublik Deutschland nahm man ihm, vor allem von Seiten der CDU, seinen Wohn- und Arbeitsplatz in Ost-Berlin übel, und auch seine Rehabilitierung durch Helmut Kohl, der ihn noch aus Ludwigshafen kannte, half ihm wenig, so dass sich seine Auslandsgastspiele meist in anderen Ländern abspielten.[1]
Otmar Suitner war mit dem Komponisten Paul Dessau eng verbunden. Er dirigierte die Uraufführungen von Dessaus Opern Puntila (1966), Einstein (1974) und Leonce und Lena (1979) an der Deutschen Staatsoper Berlin.
Von 1977 bis 1990 war Suitner auch Professor für Dirigieren an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien.
Im Laufe der 1980er-Jahre bekam Suitner immer größere gesundheitliche Probleme, die dazu führten, dass er aufgrund einer Parkinson-Erkrankung 1990 mit dem Dirigieren aufhören musste.
Er ist auf dem Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden in Berlin-Mitte bestattet.
Familie
Otmar Suitner hatte zwei Familien. Er war mit seiner Frau Marita (1924–2008), der Tochter des Komponisten Friedrich Wilckens, verheiratet, mit der er schon 1960 in die DDR kam und später in Ost-Berlin lebte. Daneben hatte er in West-Berlin eine Geliebte, die er am Wochenende besuchte. 1965 hatte er die westdeutsche Studentin Renate Heitzmann in Bayreuth kennengelernt, die 1971 den Sohn Igor Heitzmann gebar. So wurde sein Leben ein Balanceakt im geteilten Berlin, dessen Grenze er mit seinem österreichischen Pass jederzeit überschreiten konnte. Nach der Wende änderte sich sein Familienleben, indem beide Familien sich öfter trafen.
In dem Dokumentarfilm Nach der Musik erzählt sein Sohn Igor Heitzmann die Geschichte einer Annäherung: an den Vater, den fernen Dirigenten, an das verschwundene Land DDR, die ungewöhnlichen Lebenswege der Eltern – und an die Musik. In Gesprächen und Bildern rekonstruiert er die Familiengeschichte zwischen Ost und West und verbindet sie mit den eigenen, bruchstückhaften Erinnerungen an die Begegnungen mit dem Vater.[2]
Auszeichnungen
Suitner erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem
- 1963 Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur
- 1973 von Papst Paul VI. den Gregoriusorden
- 1982 Nationalpreis der DDR I. Klasse für Kunst und Literatur und
- 2004 Tiroler Landespreis für Kunst. Suitner war diesem österreichischen Bundesland seit seiner frühen Jugend eng verbunden. Bereits im Januar 1944 hatte er am Innsbrucker Theater eine Aufführung des Rigoletto geleitet.
Mehrfach wurde ihm der Professorentitel verliehen (zum Beispiel 1965 in Berlin).
1975 und 1976 leitete er den Dirigentenkurs der Sommerakademie Salzburg.
Bedeutung
„Otmar Suitner repräsentiert den aussterbenden Typus des soliden ‚deutschen‘, spätromantisch geprägten Kapellmeisters. Mit klarer, effektiver Dirigierweise, bemüht um zügiges, plastisches Musizieren, stellte er seine Person nie in den Vordergrund und zielte nicht primär auf Erfolg, sondern auf kontinuierliches, gewissenhaftes Arbeiten.“
Diskografie
(Auswahl, alphabetisch nach Komponisten)
- Beethoven: Die neun Sinfonien / Staatskapelle Berlin / 1980–1983 / Solisten bei Sinfonie Nr. 9 Magdalena Hajossyova, Uta Priew, Eberhard Büchner und Manfred Schenk.
- Beethoven: Ouvertüren zu Egmont, Coriolan und Fidelio / Staatskapelle Berlin / 1984
- Beethoven: Ouvertüren Leonore III, Die Geschöpfe des Prometheus / Staatskapelle Berlin / 1984
- Bizet: Sinfonie Nr. 1 (C-Dur) / Staatskapelle Dresden
- Brahms: Sinfonien 1–4 / Staatskapelle Berlin / 1984–1986
- Bruckner: Sinfonien Nr. 1, 4, 5, 7, 8 / Staatskapelle Berlin / 1987–1990
- Debussy: Prélude a l'aprèsmidi d'un faune / Staatskapelle Dresden
- Dessau: Einstein / Operngesamtaufnahme / Schreier, Adam, Büchner und andere / Staatskapelle Berlin / 1977
- Dessau: Leonce und Lena / Gesamtaufnahme / Süß, Büchner, Nossek, Menzel, Schaller, Leib, Eisenfeld, Garduhn / Chor der Deutschen Staatsoper Berlin / Staatskapelle Berlin / 1980
- Dvořák: Die neun Sinfonien / Staatskapelle Berlin / 1977–1981
- Eisler: Ernste Gesänge / Günter Leib / Staatskapelle Dresden
- Grieg: Drei Orchesterstücke op. 56 (zu „Sigurd Jorsalfar“) / Staatskapelle Berlin / 1976
- Grieg: Suite „Aus Holbergs Zeit“ op. 40 / Staatskapelle Berlin / 1976
- Grieg: Peer-Gynt-Suite Nr. 1 op. 46 / Bamberger Symphoniker / 1959
- Grieg: Peer-Gynt-Suite Nr. 2 op. 55 / Bamberger Symphoniker / 1959
- Händel: Acis und Galathea / Kunitachi College of Music / 1980
- Haydn: Sinfonie Nr. 100 („Militär-Sinfonie“) / Gewandhausorchester Leipzig / 1950er?
- Humperdinck: Hänsel und Gretel / Gesamtaufnahme/ Springer, Hoff, Adam, Schreier / Staatskapelle Dresden / 1969
- Lanner: Waltzer, Hofball- und Steyrische Tänze und Die Schönbrunner / Staatskapelle Dresden / 1970
- Liszt: Orpheus Sinfonische Dichtung Nr. 4 / Bamberger Symphoniker / 1957
- Liszt: Mazeppa Sinfonische Dichtung Nr. 6 / Bamberger Symphoniker / 1957
- Lortzing: Die Opernprobe / Gesamtaufnahme / Litz, Hirte, Lövaas, Marheineke, Gedda / Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper / 1974
- Mahler: Sinfonie Nr. 1 / Staatskapelle Dresden / 1962
- Mahler: Sinfonie Nr. 2 / Hajossyova, Priew / Staatskapelle Berlin / 1983
- Mahler: Sinfonie Nr. 5 / Staatskapelle Berlin / 1984
- Mozart: Die Hochzeit des Figaro / Gesamtaufnahme / Prey, Güden, Rothenberger, Berry, Mathis, Schreier, Vogel / Staatskapelle Dresden / 1964
- Meyer: Violinkonzert / David Oistrach / Staatskapelle Berlin
- Mozart: Così fan tutte / Gesamtaufnahme / Casapietra, Burmeister, Leib, Schreier, Geszty, Adam / Chor der Deutschen Staatsoper Berlin / Staatskapelle Berlin / 1969
- Mozart: Die Zauberflöte / Gesamtaufnahme / Adam, Schreier, Geszty, Donath, Leib, Hoff, Kuhse, Vogel / Staatskapelle Dresden / 1970
- Mozart: Sinfonie Nr. 29, A-Dur, KV 201 / Staatskapelle Dresden
- Mozart: Sinfonie Nr. 31, D-Dur, KV 297 (Pariser) / Staatskapelle Dresden / 1968
- Mozart: Sinfonie Nr. 32, G-Dur, KV 318 / Staatskapelle Dresden / 1974
- Mozart: Sinfonie Nr. 33, B-Dur, KV 319 / Staatskapelle Dresden / 1974
- Mozart: Sinfonie Nr. 34, C-Dur, KV 338 / Staatskapelle Dresden / 1974
- Mozart: Sinfonie Nr. 39, Es-Dur, KV 543 / Staatskapelle Dresden / 1976
- Mozart: Sinfonie Nr. 40, g-Moll, KV 550 / Staatskapelle Dresden / 1976
- Mozart: Sinfonie Nr. 41, C-Dur, KV 551 (Jupiter) / Staatskapelle Dresden / 1974
- Mozart: Sinfonie Nr. 41, C-Dur, KV 551 (Jupiter) / NHK-SO Live in Tokio / 1982
- Pfitzner: Palestrina / Gesamtaufnahme / Schreier, Lorenz, Nossek, Lang, Polster, Ketelsen, Garduhn, Trekel, Bär, Priew / Chor der Deutschen Staatsoper Berlin / Staatskapelle Berlin / 1986–1988
- Schubert: Alfonso und Estrella / Gesamtaufnahme / Mathis, Schreier, Fischer-Dieskau, Prey, Adam / Rundfunkchor Berlin / Staatskapelle Berlin / 1978
- Schubert: Sinfonie Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9 / Staatskapelle Berlin / 1983–1986
- Schumann: Die vier Sinfonien / Staatskapelle Berlin / 1986–1987
- Smetana: Die verkaufte Braut / Gesamtaufnahme / Burmeister, Schlemm, Lange, Leib, Teschler, Adam / Staatskapelle Dresden / 1962
- Strauss: Salome / Gesamtaufnahme San Francisco House of Opera Live / Rysanek, Varnay, Nimsgern, Hopf / Orchester der Oper San Francisco / 1974
- Suppé: Die schönsten Ouvertüren / Staatskapelle Dresden / 1969
- Wagner: Tannhäuser / Gesamtaufnahme San Francisco House of Opera Live / Thomas, Rysanek, Napier, Stewart und andere / Orchester der Oper San Francisco / 1973
Berlin / Staatskapelle Berlin 1974
Film
- 2007 – Nach der Musik. Otmar Suitner. Regie: Igor Heitzmann
Literatur
- Dirk Stöve: Meine herrliche Kapelle. Otmar Suitner und die Staatskapelle Berlin. Henschel-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-89487-424-4.
- Thomas Brezinka: Zeuge einer vergangenen Ära. Ein Portrait des Dirigenten Otmar Suitner. In: Das Orchester 6/1997, S. 16–20.
- Christian Krause: Suitner, Otmar. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Bernhold Schmid: Suitner, Otmar. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 694 (Digitalisat).
Weblinks
- Tonträger von Otmar Suitner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Website zum Film Nach der Musik über Suitner unter der Regie seines Sohnes (Adobe Flash erforderlich)
- Zum Tod des Dirigenten Otmar Suitner – Ein Anwalt des Schönklangs in Ost und West Gerhard Rohde in FAZ.NET vom 11. Januar 2010 abgerufen am 14. Oktober 2010
- Dirigent Otmar Suitner stirbt mit 87 Jahren Nachruf in welt.de vom 11. Januar 2010 abgerufen am 14. Oktober 2010
Anmerkung
- In Suitners Amtszeit begleitete das Pfalzorchester ein Konzert von Maria Callas in Wiesbaden (Mai 1959) auf deren Europatournee, allerdings dirigierte nicht Suitner, sondern der damalige Tourneedirigent Nicola Rescigno – vgl. hierzu Hessisches Staatsarchiv und Callas-Doku 2019.
Einzelnachweise
- Spiel ohne Grenzen. Frank Kallensee. In: Märkische Allgemeine vom 12. Januar 2010. Abgerufen am 7. August 2012.
- Website zum Film Nach der Musik (Memento vom 20. April 2009 im Internet Archive)