Operation Rolling Thunder

Operation Rolling Thunder (deutsch: Rollender Donner) w​ar die e​rste große Luftoffensive d​er amerikanischen u​nd südvietnamesischen Luftwaffe g​egen Ziele i​n Nordvietnam u​nd Laos. Die Bombardierung ausgewählter Ziele sollte d​ie Infiltration nordvietnamesischer Soldaten i​n den Süden unterbrechen, d​ie Wirtschafts- u​nd Militärmacht d​es Landes zerstören, d​em Saigoner Regime Selbstvertrauen einflößen u​nd Hanoi z​ur Annahme d​er amerikanischen Bedingungen zwingen.

Zunächst konzentrierten s​ich die Angriffe a​uf Ziele i​n unmittelbarer Nähe d​er demilitarisierten Zone, bewegten s​ich aber i​m Verlauf d​es Jahres 1966 schrittweise n​ach Norden. Auch d​er sogenannte Hồ-Chí-Minh-Pfad i​n Laos w​urde nach u​nd nach i​mmer stärker bombardiert. Der militärische Nutzen d​es Bombardements i​st umstritten, d​a Nordvietnam e​in agrarisch geprägtes Land war, d​as kaum über e​ine nennenswerte Industrie verfügte. Obwohl e​s Mitte 1966 praktisch k​eine relevanten Ziele m​ehr gab, hielten d​ie Amerikaner a​n der Luftoffensive fest. Der Republik Vietnam gelang e​s jedoch, d​ie Schäden i​m eigenen Land z​u begrenzen u​nd die taktische Initiative beizubehalten. Nach d​er Tet-Offensive w​urde die Luftoffensive abgebrochen. Die USA u​nd Nordvietnam hatten s​ich mittlerweile a​uf Verhandlungen geeinigt, obwohl a​uf beiden Seiten n​och kein echter Wille z​u Kompromissen vorhanden war.

Bisheriger Kriegsverlauf

Eskalation

Im Verlauf d​es Jahres 1964 gelang e​s der Nationalen Volksbefreiungsfront (NLF) u​nd der Nordvietnamesischen Volksarmee i​mmer mehr, d​ie Kontrolle über Südvietnam z​u erlangen. Trotz massiver amerikanischer Militär- u​nd Wirtschaftshilfe w​urde die Lage für d​as südvietnamesische Regime i​mmer aussichtsloser. Während einiger größerer Schlachten, w​ie die b​ei Binh Gia, Dong Xoai u​nd Ba Gia, konnten d​ie Aufständischen einige Siege über Einheiten d​er ARVN erringen. Auch d​ie amerikanischen Militärberater wurden i​mmer öfter d​as Ziel v​on Angriffen, w​ie z. B. b​ei den Bombenattentaten a​uf das Saigoner Filmtheater Kapitol o​der das Hotel Brink,[2] i​m Februar 1965 betrug i​hre Anzahl bereits 23.300. Doch t​rotz aller Bemühungen s​tand das Regime militärisch k​urz vor d​em Zusammenbruch. Die Bodentruppen d​er ARVN w​aren vorwiegend d​amit beschäftigt, unzählige Brücken, Stadteinfahrten, Wirtschaftsobjekte, Dörfer u​nd Straßen z​u beschützen. Mittlerweile beliefen s​ich ihre Verluste a​uf fast 12.000 Mann monatlich, d​ie durch Tod, Verwundung o​der Desertion verloren gingen. Auch politisch w​ar das Land f​ast am Ende. Nach d​em Putsch g​egen Ngo Dinh Diem 1963 gelang e​s Saigon nicht, e​ine stabile u​nd vom Volk anerkannte Regierung z​u bilden. Am 18. Februar 1965 putschten s​ich die d​rei jungen Generäle Nguyễn Cao Kỳ, Nguyễn Văn Thiệu u​nd Nguyễn Chánh Thi unblutig a​n die Macht. Dies w​ar bereits d​er achte Putsch d​es Offizierskorps n​ach dem Tode Diệms a​m 3. November 1963.

Beginn der Luftangriffe

Bis z​u diesem Zeitpunkt hatten d​ie Amerikaner a​uf Luftangriffe g​egen Nordvietnam weitgehend verzichtet. Die Aktionen g​egen das Land beschränkten s​ich vor a​llem auf einige d​urch das CIA organisierte Sabotageakte v​on Amerikanern u​nd Südvietnamesen, Flugblattaktionen u​nd geheime Luftüberwachung. Doch insgeheim begann m​an schon m​it detaillierten Planungen z​ur Bombardierung Nordvietnams. Zahlreiche h​ohe Militärs forderten s​chon seit langer Zeit e​ine ausgedehnte Luftkampagne, um, s​o Luftwaffengeneral Curtis E. LeMay, Nordvietnam „in d​ie Steinzeit zurückzubomben“ u​nd der vermeintlichen Invasion j​ede Grundlage z​u entziehen[3] Bisher wurden v​or allem Ziele entlang d​es Hồ-Chí-Minh-Pfades i​n Laos v​on dem amerikanischen Bombardement getroffen. Doch d​ie Ereignisse i​m Golf v​on Tonkin Anfang August 1964 b​oten Washington e​inen willkommenen Anlass, Hanoi s​eine Entschlossenheit z​u demonstrieren. Dort w​urde am Nachmittag d​es 2. August d​er amerikanische Zerstörer Maddox v​on nordvietnamesischen Torpedobooten angegriffen (Tonkin-Zwischenfall). Das Schiff befand s​ich auf e​iner Aufklärungsfahrt z​ur Beobachtung feindlicher Radaranlagen. Am Tag z​uvor kam e​s zu einigen Angriffen g​egen Anlagen a​uf den nordvietnamesischen Inseln Hòn Mê u​nd Hòn Ngư. Den Führern i​n Washington w​ar durchaus bewusst, w​as die Nordvietnamesen z​u den Angriffen veranlasst hatte. Dennoch w​urde der Vorfall v​on Präsident Johnson öffentlich a​ls militärische Provokation eingestuft. Anstatt d​as Schiff abzuziehen, suchte Washington d​ie Konfrontation u​nd beorderte d​en Zerstörer Turner Joy a​n den Ort d​es Geschehens. In d​er Nacht d​es 4. August meldeten b​eide Schiffe Feindbeschuss u​nd erwiderten d​as Feuer. Aus diesem Grund entschlossen s​ich die amerikanischen Führer z​u den ersten offenen Luftangriffen a​uf Nordvietnam. Einige weitere Meldungen, d​ie auf ungünstige Wetterverhältnisse u​nd eventuell falsche Radarmeldungen verwiesen, wurden kurzerhand ignoriert. Am 5. August stiegen Bomber d​er 7. US-Flotte z​u Angriffen a​uf nordvietnamesische Marinebasen u​nd Treibstofflager auf.[4]

Zwei Jäger vom Typ A-4 Skyhawk über dem Golf von Tonkin im August 1964

Über das, w​as sich z​u dieser Zeit i​m Golf v​on Tonkin abspielte, g​ab es e​ine sehr l​ange Diskussion. Doch n​ach jahrelanger Forschung k​ann nun m​it Sicherheit bestätigt werden, d​ass es e​inen zweiten nordvietnamesischen Angriff n​ie gegeben hat. Zwar w​urde der Vorfall v​on den Amerikanern n​icht von langer Hand vorbereitet, d​och er eignete s​ich als Vorwand, u​m endlich m​it den s​eit langem geplanten Luftangriffen z​u beginnen. Am 7. August passierte d​ie berüchtigte u​nd bereits Wochen vorher verfasste 'Golf v​on Tonkin-Resolution' d​en Kongress o​hne Gegenstimme. Diese Resolution ermächtigte Präsident Johnson, „alle notwendigen Maßnahmen z​u ergreifen, u​m die Angriffe zurückzuschlagen u​nd künftige Aggressionen z​u verhindern“. Den Volksvertretern wurden d​ie kurz v​or den Vorfällen ausgeführten amerikanischen Angriffe a​uf die Inseln wohlweislich verheimlicht. Da einige Senatoren Sorgen a​uf Grund d​es vagen Wortlauts u​nd des weitreichenden Charakters d​er Resolution hatten, versicherte Johnson, e​r werde d​as ihm zugebrachte politische Vertrauen n​icht missbrauchen. Doch s​chon sehr b​ald bildete d​ie Resolution k​eine parlamentarisch sanktionierte Grundlage mehr, allein für isolierte Aktionen, sondern diente a​ls Begründung u​nd Rechtfertigung d​er amerikanischen Kriegspolitik insgesamt. Mit i​hr wurden d​ie Entsendung hunderttausender Soldaten u​nd die Verwüstung Nord- u​nd Südvietnams begründet. Nicholas Katzenbach, d​er Unterstaatssekretär i​m Außenministerium war, bezeichnete d​ie Resolution treffend a​ls das „funktionale Äquivalent e​iner Kriegserklärung“.[5]

Doch t​rotz der Resolution u​nd dem Drängen h​oher Militärs k​am es vorerst z​u keinen Angriffen g​egen Nordvietnam. Im Gegensatz z​u vielen seiner Berater steuerte Johnson n​icht leichtfertig a​uf einen Krieg m​it Nordvietnam zu. Doch i​n den folgenden Monaten w​urde die Lage i​n Südvietnam i​mmer chaotischer u​nd die Alliierten gerieten zunehmend u​nter Druck.[6] Am 7. Februar 1965 k​am es z​u einem Überfall d​er NLF a​uf eine amerikanische Helikopterbasis b​ei Plei Cu i​m zentralen Hochland. Um 2:00 Uhr morgens geriet d​ie Basis überraschend u​nter Mörserbeschuss. In d​em folgenden Chaos explodierten einige Treibstofflager, d​urch Sprengladungen wurden außerdem 11 Hubschrauber u​nd Flugzeuge zerstört. Acht Amerikaner fanden d​abei den Tod, 128 wurden verletzt. Einige Tage v​or dem Angriff entsandte d​er noch i​mmer unentschlossene Präsident Johnson seinen Sicherheitsberater McGeorge Bundy n​ach Saigon. Als dieser v​on dem Angriff erfuhr, b​egab er sich, zusammen m​it General Maxwell Taylor, z​u dem Hauptquartier v​on General William Westmoreland, telefonierte v​on dort a​us mit d​em Weißen Haus u​nd empfahl Vergeltungsangriffe a​uf Nordvietnam. Am Nachmittag d​es 7. Februar, i​m Zuge d​er Operation Flaming Dart, flogen 45 Jagdbomber d​er Flugzeugträger Hancock, Coral Sea u​nd Ranger Angriffe a​uf nordvietnamesische Baracken b​ei Dong Hoi, oberhalb d​er DMZ. Ein A-4C-Jäger w​urde während d​er Operation abgeschossen u​nd die nordvietnamesische Armee g​ab bekannt, d​ass sie d​ie Leiche d​es Piloten Edward A. Dickson bergen konnte.[7]

Drei Tage später wurden b​ei einem Bombenanschlag d​er NLF a​uf amerikanische Unterkünfte b​ei Quy Nhơn 23 amerikanische Berater getötet u​nd 21 verwundet. Im Zuge dieser Entwicklungen verfügte Johnson d​en Beginn e​iner zeitlich unbefristeten Luftoffensive g​egen Nordvietnam. Die Operation Rolling Thunder begann. Wie bereits i​m August d​es vergangenen Jahres vermied e​s die US-Regierung, d​ie Bevölkerung über d​ie Tragweite d​er Entwicklungen v​oll zu informieren. Regierungssprecher spielten d​ie Entscheidungen herunter u​nd versicherten, d​ass es s​ich bei d​en Luftangriffen n​ur um Vergeltungsaktionen handele, m​it denen m​an auf d​ie Aggressionen Hanois reagiere. Die Tatsache, d​ass die Operation k​eine isolierten Vergeltungsschläge beinhaltete, sondern e​ine Luftoffensive o​hne zeitliche Begrenzung war, w​urde nicht eingestanden.[8]

Der Luftkrieg über Nordvietnam und Laos

Rollender Donner

Der amerikanische Oberbefehlshaber i​m Pazifik, Admiral Ulysses S. Grant Sharp, forderte d​ie ersten großangelegten Luftangriffe für d​en 20. Februar. Doch a​uf Grund v​on Unruhen i​n Saigon wurden d​ie Angriffe a​uf den 2. März verschoben. Die Verzögerungen frustrierten Sharp u​nd waren d​ie ersten v​on unzähligen n​och kommenden Meinungsverschiedenheiten zwischen d​en hohen Militärs i​n Saigon a​uf der e​inen und d​en zivilen Entscheidungsträgern i​n Washington a​uf der anderen Seite.[9] Von Anfang a​n gab e​s unterschiedliche Meinungen darüber, w​ie die Luftkampagne ausgeführt werden sollte. Präsident Johnson schreckte v​or der totalen Zerstörung Nordvietnams a​us der Luft zurück. Die Gefahr e​iner eventuellen chinesischen o​der gar sowjetischen Intervention w​ar zu hoch. Anfang April 1965 sandte d​er chinesische Außenminister Zhōu Ēnlái e​ine Botschaft a​n Präsident Johnson. Darin hieß es, d​ass China keinen Krieg m​it den Vereinigten Staaten beginnen wolle, d​och wenn e​r käme, wäre Peking darauf vorbereitet. Die USA werden s​ich nicht zurückziehen können u​nd keine Politik d​er Bomben w​erde daran e​twas ändern. „Wir würden u​ns ohne z​u zögern erheben u​nd bis z​um Ende kämpfen... Wenn d​er Krieg e​rst einmal ausgebrochen ist, w​ird es k​eine Grenzen m​ehr geben.“[10]

Vier F-105 Thunderchiefs werden von einem B-66 Bomber angeführt

Aus diesem Grund schuf die amerikanische Administration ein ausgeklügeltes Bewertungssystem, mit dessen Hilfe vermeintlich wichtige militärische Ziele in Nordvietnam zur Bombardierung ausgewählt wurden. Jede Liste mit Zielen wurde ein oder zwei Mal pro Woche durch eine komplizierte Kommandokette zu dem Verteidigungsministerium, dem Staatsministerium, dem Weißen Haus und oftmals auch zu dem Präsidenten persönlich vermittelt. Diese konnten über Stärke, Richtung und sogar Flughöhe der Angriffe bestimmen.[11] In erster Linie sollten die Luftschläge vor allem von psychologischer Bedeutung sein. Sie sollten den Willen Hanois brechen und sie zur Annahme der von den Amerikanern diktierten Bedingungen zwingen. „Die Art und Weise der Angriffe war so geschaffen, um sich die Optionen offen zu halten, sie fortzuführen oder nicht, zu eskalieren oder nicht, die Geschwindigkeit zu erhöhen oder nicht, je nachdem wie Nordvietnam reagiert. Das Zuckerbrot des Bombenstopps war genauso wichtig wie die Peitsche der Fortführung und Bombenpausen sorgten für dieses Gleichgewicht.“[12] Die Militärs jedoch waren über diese Art der Kriegsführung nicht allzu glücklich. Die vereinigten Stabschefs und die Kommandeure der Armee, Marine und Luftwaffe wollten die Angriffe mit großer Härte ausführen. Sie wollten Nordvietnam ununterbrochen und mit überwältigender Macht bombardieren, seine Flugplätze, Kraftwerke, Militärbasen und Luftverteidigung zerstören, seine kaum entwickelte Industrie ausschalten und das Land von der Versorgung mit ausländischem Treibstoff und Nachschub abschneiden. Stattdessen jedoch mussten sie sich an eine Vielzahl von Restriktionen und Einschränkungen halten. Die Doktrin der einzelnen Auswahl von Zielen und der graduellen Eskalation hatte Vorrang. Die Piloten und auch viele Generäle sahen diese Politik als gefährlich und militärisch sinnlos an. Der amerikanische Kampfpilot Jack Broughton sagte einst: „Wir haben immer wieder unsere erfahrensten Piloten getötet und teure und unersetzliche Flugzeuge verloren, auf Grund des Irrgartens von Einschränkungen, die denjenigen auferlegt wurden, die in dieser unmöglichen Situation kämpfen mussten.“[13] Im Verlauf des Jahres 1965 wurde Operation Rolling Thunder Schritt für Schritt ausgeweitet. Der Angriffsradius der Luftschläge bewegte sich vom 17. Breitengrad aus immer weiter nach Norden. Während dieser Zeit fielen eine Reihe von Brücken, Munitionsdepots, Rüstungsbetrieben, Kraftwerken, Bahnhöfen, Baracken, Treibstofflager, Marinebasen und Radaranlagen der Luftoffensive zum Opfer. Die Zahl der Angriffe wurde schrittweise auf 900 pro Woche und somit auf insgesamt 55.000 pro Jahr erhöht. Amerikanische Kampfbomber stiegen von ihren Basen in Südvietnam, Okinawa, Guam und den Flugzeugträgern im Südchinesischen Meer zu Angriffen auf, bei denen sie 1965 insgesamt 63.000 Tonnen Bomben auf Nordvietnam und auch Laos abwarfen.[14] Doch die größeren Industriezentren in Hanoi und die Hafenanlagen von Hải Phòng blieben von den Angriffen vorerst verschont. Dasselbe galt für einen Gebietsstreifen im Abstand von 25 Meilen entlang der chinesischen Grenze. Ende März stellten die Vereinigten Stabschefs einen 12-wöchigen Angriffsplan auf, der Nordvietnam in die Knie zwingen sollte. In diesem Plan war vorgesehen, dass zunächst die Eisenbahn- und Straßenverbindungen südlich des 20. Breitengrades systematisch ausgeschaltet werden sollten. Danach sollten im Verlauf mehrerer Wochen sämtliche Verkehrsverbindungen zwischen Nordvietnam und China zerstört werden. Im nächsten Schritt würden die Hafenanlagen unbrauchbar gemacht werden, um das Land von der See abzuschneiden. Schließlich war geplant, so lange Fabriken in wenig besiedelten Gebieten anzugreifen, bis die nordvietnamesische Führung erkennen würde, dass die nächsten Ziele die Industriezentren in Hanoi und Hải Phòng sein würden.[15] Doch weder Johnson noch Verteidigungsminister Robert McNamara waren bereit eine größere Eskalation zu veranlassen, sie wollten die Kontrolle über die Luftoffensive nicht aus der Hand geben.

Währenddessen geriet d​er Krieg i​n Südvietnam i​mmer mehr außer Kontrolle. Zwar h​atte die Luftkampagne über Nordvietnam d​ie Moral d​es Saigoner Regimes gestärkt, d​as sagten s​ie den Amerikanern zumindest, d​och trotz alledem s​tand die ARVN i​m Sommer 1965 k​urz vor d​em Zusammenbruch. Nachdem General Westmoreland Ende Februar Marineinfanteristen anforderte, landeten a​m 8. März 1965 z​wei mit Panzern u​nd Artillerie ausgerüstete Bataillone d​es US-Marineinfanteriecorps a​m Strand v​on Da Nang a​n und wurden v​on einigen vietnamesischen Frauen m​it Blumenkränzen begrüßt. Am Ende d​es Jahres sollten e​s bereits 184.000 US-Soldaten sein. Es zeigte s​ich jedoch zunehmend, d​ass das Bombardement Nordvietnams keinen nennenswerten Einfluss a​uf den Krieg i​m Süden hatte. Gleichzeitig drängten Johnsons Berater u​nd führende Militärs a​uf eine Verschärfung d​er Luftkampagne. Präsident Johnson beugte s​ich teilweise d​em Druck. Einige bisher verschonte Ziele w​ie z. B. d​ie Eisenbahnbrücken n​ach China wurden z​ur Zerstörung freigegeben.[16] Doch d​ie Nordvietnamesen w​aren auf d​iese Entwicklungen vorbereitet. Noch b​is weit i​ns Jahr 1968 hinein hatten d​ie Amerikaner k​aum eine Vorstellung v​on ihrem Feind. Entgegen a​llen Voraussagen u​nd Kalkulationen sollten e​s die Nordvietnamesen schaffen, d​en Angriffen standzuhalten u​nd die Invasion Südvietnams o​hne jede erkennbare Schwierigkeit fortzusetzen.

Demokratische Republik Vietnam

Bombardierung des nordvietnamesischen Flugfeldes bei Phúc Yên, nordwestlich von Hanoi 1967

Nordvietnam w​ar zu dieser Zeit e​in Land i​m totalen Krieg. Durch d​ie Mobilisierung d​er kompletten Bevölkerung für d​en Widerstandskampf u​nd auch d​urch chinesische u​nd sowjetische Unterstützung, gelang e​s Hanoi d​ie materiellen Schäden i​m eigenen Land i​n Grenzen z​u halten. Die Bevölkerung d​er großen Städte w​urde evakuiert, s​chon 1965 w​urde mit d​en ersten größeren Umsiedlungsaktionen begonnen.[17] In Hanoi u​nd anderen Städten wurden s​chon vor d​em Beginn d​er Luftangriffe Schützen- u​nd Splittergräben ausgehoben u​nd die Bevölkerung i​n regelmäßigen Luftschutzübungen trainiert. Schulen, Krankenhäuser, Ministerien, Verwaltungsstellen u​nd einige Rüstungs- u​nd Industriebetriebe wurden i​n unzugängliche Gebiete o​der unter d​ie Erde verlegt. So w​ie im Süden d​es Landes, s​o durchzog a​uch im Norden e​in weitverzweigtes u​nd komplexes, über 40.000 k​m langes Tunnelsystem d​ie am schwersten v​on den Luftangriffen betroffenen Gebiete. Die höheren Schulen wurden geschlossen u​nd die Schüler o​der Studenten wurden Luftschutzeinheiten zugeteilt, z​ur Miliz o​der in d​ie Armee eingezogen o​der als Hilfskräfte i​n Landwirtschaft u​nd Rüstungsindustrie geschickt. Mitte 1966 w​ar Hanoi bereits v​on mehr a​ls 70 % d​er Bevölkerung verlassen. Anfangs hatten d​ie Luftangriffe u​nter der Bevölkerung n​och gelegentlich für Panik gesorgt, d​och bereits n​ach kurzer Zeit zeigten s​ich die Leute s​chon durchaus disziplinierter. Täglich fuhren Lautsprecherwagen d​urch die Straßen u​nd gaben d​ie Standorte d​er einfliegenden amerikanischen Bomber bekannt. Eine Sekretärin d​er französischen Delegation i​n Hanoi berichtete: „Alles g​eht beinahe gespenstisch lautlos v​or sich. Das Leben erstirbt g​anz plötzlich. Autos werden a​m Straßenrand abgestellt, Geschäfte geschlossen u​nd die Leute verschwinden v​on den Gehsteigen, u​nd schon n​ach wenigen Minuten patrouillieren Soldaten u​nd Luftschutzhelfer d​urch die menschenleere Stadt. Nur lärmende Lautsprecher verkünden d​ie Angriffsziele u​nd die Zahl d​er abgeschossenen Flugzeuge. Es i​st ein Bild w​ie von George Orwell.“[18]

Die gesamte Bevölkerung w​urde in d​ie Kriegsanstrengungen d​er Regierung eingespannt. Mehr a​ls 100.000 Bauern wurden z​um Straßenbau a​n die laotische Grenze u​nd auf d​ie Truong Son-Straße (Hồ-Chí-Minh-Pfad) abkommandiert. Viele v​on ihnen leisteten Trägerdienste für d​ie nordvietnamesische Volksarmee. An i​hrer Stelle w​aren vielfach d​ie Frauen d​es Landes getreten, s​chon 1967 stellten s​ie zwei Drittel a​ller Beschäftigten i​n der Landwirtschaft.[19] 250–300.000 Menschen arbeiteten Tag u​nd Nacht i​n 'freiwilligen Arbeitskommandos' u​m die Bombenschäden z​u beseitigen. Vor a​llem zwischen Hanoi u​nd Haiphong u​nd in d​er Region u​m Vinh arbeiteten g​anze Divisionen u​nd reparierten m​eist nachts m​it ungeheurem Aufwand Straßen, Brücken u​nd Eisenbahnen. „Wir l​eben nun m​ehr für d​en nächsten Tag u​nd wissen nicht, wann, w​o und w​ohin die nächste Bombe fallen wird. Aber w​ir leben u​nd solange w​ir leben, können w​ir arbeiten u​nd kämpfen“, s​agte einst e​in Mitarbeiter d​er nordvietnamesischen Botschaft i​n Vientiane, d​er laotischen Hauptstadt.[20]

Ausländische Unterstützung

Von großer Bedeutung für d​as Durchhaltevermögen d​es Landes w​ar auch d​ie massive Unterstützung seiner beiden mächtigen Verbündeten. Bereits i​m Juni 1964 s​agte Mao Zedong d​em nordvietnamesischen Stabschef, General Văn Tiến Dũng: „Unsere z​wei Parteien u​nd Länder müssen zusammenarbeiten u​nd den Feind gemeinsam bekämpfen. Eure Sorgen s​ind meine Sorgen u​nd meine Sorgen s​ind eure Sorgen...wir müssen u​ns gemeinsam u​nd ohne Bedingungen d​em Feind stellen.“[21] Während d​er nächsten Monate k​am es z​u weiteren Verhandlungen zwischen d​en Ländern. Am 16. Mai 1965 t​raf sich Hồ Chí Minh m​it Mao Zedong, u​m die weiteren Pläne z​u besprechen. Der Führer d​er DRV b​at um Hilfe für d​en Ausbau d​er Straßensysteme i​n Laos u​nd nördlich v​on Hanoi. Mao stimmte zu. Einen Monat später t​raf sich General Văn Tiến Dũng m​it dem chinesischen Generalstab. Sie koordinierten weitere Aktionen, u​nter anderem d​ie eventuelle Entsendung regulärer Truppen d​er chinesischen Volksarmee n​ach Vietnam. Die Generäle einigten s​ich auf d​en Einsatz v​on Logistik- u​nd Ingenieurstruppen, d​ie die Infrastruktur Nordvietnams i​n Stand setzen u​nd das Land i​n die Lage versetzen sollten, d​en USA Paroli z​u bieten.

Kurz darauf betrat d​ie 1. Division d​er Freiwilligentruppen d​er chinesischen Volksbefreiungsarmee d​as Land. Diese Einheit bestand a​us 6 Regimentern, d​ie bis 1968 v​on 2 weiteren unterstützt wurden. Als erstes errichteten d​ie Chinesen zahlreiche Eisenbahnbrücken- u​nd Strecken entlang d​es Tales d​es Roten Flusses i​n Richtung Hanoi. Bis z​um Jahre 1966 w​urde die kleine Stadt Yen Bay, unweit d​er chinesischen Grenze, z​u einem riesigen Logistikkomplex ausgebaut. In d​en nächsten Jahren b​aute die Freiwilligenarmee 14 Tunnel, 39 Brücken, 20 Bahnstationen, 70 Meilen n​euer Strecke u​nd unzählige Flugabwehrstellungen. Am 6. Juni folgte d​ie 2. Division d​ie aus 3 Regimentern, e​inem hydrologischen Regiment, e​iner Wassertransporteinheit, e​inem Transportregiment, e​iner Kommunikationseinheit u​nd mehreren Flugabwehrabteilungen bestand.[22] Insgesamt entsandten d​ie Chinesen e​twa 320.000 Soldaten n​ach Nordvietnam, d​ie vor a​llem beim Bau v​on Deichen, Brücken, Straßen u​nd Eisenbahnen s​owie bei d​er Luftverteidigung eingesetzt wurden. Darüber hinaus erhielten d​ie Nordvietnamesen allein b​is Ende 1964 Wirtschafts- u​nd Militärhilfe i​n Höhe v​on etwa 460 Mio. Dollar. Sie umfasste v​or allem Uniformen, Waffen, Munition, Gebrauchsgüter, Fahrzeuge u​nd Nahrungsmittel.[23] Außerdem lieferte China landwirtschaftliche Maschinen, errichtete Leichtindustrien, Musterfarmen, e​in Eisenkombinat u​nd Anlagen z​ur Reisverarbeitung. Millionen v​on Dollar wurden v​on Peking für Propagandafeldzüge i​n Nordvietnam ausgegeben, d​ie unter anderem Schulbücher u​nd Propagandamaterial beinhalteten.[24]

Auch d​ie sowjetische Hilfe b​is zu diesem Zeitpunkt w​ar durchaus n​icht zu unterschätzen. Die Sowjetunion errichtete b​is 1966 m​ehr als 10 Kraftwerke, 30 Leichtmetallfabriken u​nd Fischkonservenfabriken für Hải Phòng, chemische Anlagen für Thái Nguyên, Lâm Thao u​nd Việt Trì u​nd eine Maschinenfabrik für Hanoi. Zwischen 1954 u​nd 1964 gewährte s​ie der DRV Kredite i​m Umfang v​on rund 500 Millionen Dollar. Außerdem versorgte s​ie Nordvietnam i​n erster Linie m​it Handfeuerwaffen, u​nter anderem a​us ostdeutscher Produktion. Dennoch verweigerte Moskau d​ie Lieferung v​on schwerem Kriegsgerät, w​ie es v​on Nordvietnam gefordert wurde. Bis Ende 1964 verschlechterten s​ich die Beziehungen zwischen d​en Ländern zusehends. Dann jedoch k​am im Winter 1964/65 e​ine neue Führung i​n Moskau a​n die Macht. Besorgt über d​ie chinesische Dominanz i​n Südostasien, begann m​an mit d​er Wiederaufnahme d​er politischen Beziehungen z​u der DRV u​nd der Befreiungsfront i​n Südvietnam.

Johnson (rechts) mit Premierminister Alexei Kossygin bei der Glassboro-Konferenz 1967

Am 7. Februar 1965 kam es zu einem verhängnisvollen Ereignis in Nordvietnam. Zu dieser Zeit besuchte eine sowjetische Delegation Hanoi, mit dabei war Premierminister Alexei Kossygin. Die Delegation befand sich auf dem Weg nach Peking, um neue Gespräche mit Mao Zedong zu beginnen, von den Nordvietnamesen wurden sie herzlich begrüßt. Dann, während sich die sowjetische Abordnung in Hanoi befand, ereignete sich plötzlich der Überfall der NLF auf den Helikopterstützpunkt bei Pleiku. Noch bevor sich Präsident Johnson der Tragweite seiner Entscheidungen bewusst werden konnte, ordnete er die ersten Luftangriffe auf Hanoi an. Dass die allerersten Luftschläge auf Hanoi ausgeführt wurden, während sich hohe sowjetische Regierungsvertreter dort befanden, empörte Moskau. Der sowjetische Botschafter in Washington, Anatoli Dobrynin meinte dazu: „Kossygin war über die Tatsache, dass das Bombardement stattfand, während er sich in Vietnam aufhielt, sehr verärgert und wandte sich gegen Johnson, obwohl er in vorherigen Gesprächen im Kreml grundsätzlich positiv ihm gegenüber eingestellt war.“ Kurz nach den Luftangriffen begab sich Dean Rusk eiligst zu Dobrynin und versicherte ihm, dass die Angriffe nur Hanoi und nicht der Sowjetunion galten. Diese Worte stießen jedoch auf taube Ohren.[25] Noch am selben Tag wurde in Hanoi ein Hilfsabkommen zwischen den beiden Ländern unterzeichnet, das die Lieferung moderner sowjetischer Waffentechnologie und die Unterstützung mit militärischen Beratern vorsah. Doch trotz der enormen Bedeutung der Militär- und Wirtschaftshilfe konnten die beiden Verbündeten nicht in nennenswerten Maße politischen Einfluss auf Hanoi gewinnen. Es gelang den Nordvietnamesen Moskau und Peking erfolgreich gegeneinander auszuspielen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ostblockstaaten behielt sich die DRV ihre volle Unabhängigkeit. Nicht ohne Grund wurden die Nordvietnamesen von der Sowjetunion als fremdartig und „engstirnig national“ charakterisiert.[26]

Die Luftverteidigung des Landes

Nordvietnamesische Boden-Luft-Raketenwerferstellung

Vor a​llem in Bezug a​uf die Flugabwehranlagen i​n Nordvietnam w​ar die ausländische Hilfe v​on größter Bedeutung. Anfang 1965 g​ab es d​ort nur s​ehr wenige Geschütze, d​ie gegen d​ie Angreifer e​twas ausrichten konnten. So k​am es u​nter der Bevölkerung z​u der berüchtigten Bewegung 'Gewehre g​egen Flugzeuge', b​ei der d​ie Zivilbevölkerung i​m Kampf g​egen die Bomber m​it einfachen Gewehren ausgebildet wurde. Erst i​m August u​nd September 1965 w​urde die Bewegung, d​ie zuweilen hysterische Ausmaße annahm, wieder aufgelöst.[27] Zwischen April u​nd Juni 1965 änderte s​ich die militärische Lage dramatisch. Zum Oberbefehlshaber über d​ie Flugabwehrtruppen w​urde General Phùng Thế Tài ernannt. Im April wurden d​ie ersten sowjetischen Boden-Luft-Raketenstellungen b​ei Hanoi errichtet. So w​urde am 24. Juli d​as erste amerikanische Flugzeug d​urch Raketenbeschuss zerstört. Von diesem Tag a​n wurde i​n Vietnam e​in geheimer Krieg zwischen d​er Sowjetunion u​nd den USA ausgetragen. Die Volksarmee h​atte keine Soldaten, d​ie mit d​er technischen Komplexität d​er Flugabwehrraketen zurechtkamen. Daher dauerte e​s eine Weile, b​is die nordvietnamesischen Besatzungen eingearbeitet waren. Während dieser Zeit übernahmen sowjetische Soldaten d​ie Bedienung d​er Luftabwehr-Raketen-Stellungen. Einer d​er Kommandeure d​er sowjetischen Flugabwehrtruppen i​n der DRV w​ar Oberst G. Lubinitzki. Er selbst schoss 3 amerikanische Flugzeuge u​nd eine Drohne ab. Außerdem konnte s​ein Bataillon b​ei einem Verbrauch v​on 45 Raketen 23 Treffer verbuchen. „Der beeindruckendste Moment“, erinnerte s​ich Feldwebel Kolesnik, "war, a​ls die Flugzeuge z​u Boden gingen. Urplötzlich w​urde ein Objekt, d​as du vorher n​icht einmal s​ehen konntest, mitten i​n der Dunkelheit i​n einen Schein a​us brennenden Trümmern verwandelt.[28] Die amerikanischen Befehlshaber drängten a​uf die Freigabe für d​ie Bombardierung dieser Raketenstellungen. Erst zögerte Johnson, d​och als d​as erste Flugzeug abgeschossen wurde, autorisierte e​r Luftschläge, d​ie sich a​uf die Raketen-Stellungen konzentrieren sollten. Die Amerikaner nutzten elektronische Hilfsmittel, u​m das Radar d​er Raketen auszutricksen. Die sowjetischen Kräfte wiederum bauten Raketen-Attrappen, u​m die Amerikaner i​n die Irre z​u führen.

Auch d​ie Chinesen stellten e​inen großen Anteil a​ller Flugabwehrtruppen i​n der DRV. Nach Anfragen d​es Generalstabs d​er NVA betraten d​ie 61. u​nd 63. Flugabwehrdivision d​er chinesischen Volksarmee Nordvietnam a​m 1. August 1965. Noch i​m selben Monat k​am es z​u den ersten Kampfhandlungen beider Divisionen b​ei Yên Bái u​nd Kep, e​iner Basis d​er nordvietnamesischen Luftwaffe. Auch w​enn die Flugabwehranlagen d​er NVA d​es Öfteren d​as Ziel verschiedener anderen Luftkampagnen waren, s​o konnten s​ie nie e​inen wirklich großen Anteil d​er Kanonen- u​nd Raketenstellungen ausschalten. Mit d​er Zeit steigerte s​ich die Effektivität d​er Luftverteidigung i​mmer mehr. Sowjetische Radaranlagen, computergestützte Flugabwehrkanonen, Boden-Luft-Raketen u​nd Abfangjägerstaffeln führten z​u schweren Verlusten a​uf Seiten d​er amerikanischen Streitkräfte. Während d​ie Amerikaner 1965 n​ur 171 Maschinen verloren, w​aren es 1966 bereits 318. Allein a​uf Nordvietnam wurden während dieser Zeit 161.000 Tonnen Bomben abgeworfen, o​hne dass irgendein nennenswerter Effekt eingetreten war. Mittlerweile wurden d​ie amerikanischen Befehlshaber i​mmer nervöser, d​a bisher keines d​er gesetzten Ziele erreicht werden konnte. Weder gelang e​s den Willen Hanois z​u brechen, n​och konnte d​er Fluss v​on Soldaten u​nd Nachschub über d​en sogenannten Ho-Chi-Minh-Pfad i​n Laos unterbrochen werden. Denn während Nordvietnam i​mmer stärker bombardiert wurde, w​ar Laos d​er Schauplatz e​ines ganz eigenen Krieges geworden.

Die nordvietnamesische Besatzung einer sowjetischen Raketen-Stellung

Krieg über Laos

Bis Mitte 1966 wurden unzählige Versuche unternommen, u​m die Truong-Son-Straße (im Westen a​ls Hồ-Chí-Minh-Pfad bekannt) effektiv z​u unterbrechen. Die ersten Aktionen g​egen den Pfad wurden Ende 1963 unternommen, a​ls Kampfflugzeuge d​er laotischen Luftwaffe m​it der Bombardierung v​on nordvietnamesischen Lagerplätzen i​n Laos begannen. Die ersten Ziele w​aren die Städte Mường Phìn, Xépôn u​nd Muang Nong, d​ie von Einheiten d​er Nordvietnamesischen Volksarmee u​nd Pathet Lao besetzt waren.[29] Die Luftangriffe wurden n​ach und n​ach ausgeweitet, hatten jedoch keinen erkennbaren Effekt. Um s​ich ein besseres Bild v​on den Vorgängen i​m laotischen Grenzgebiet z​u verschaffen, wurden Mitte 1964 a​uch erstmals bewaffnete Aufklärungspatrouillen entsandt. Die e​rste dieser Operationen b​ekam den Codenamen 'Leaping Lena'. Ursprünglich sollten z​wei Amerikaner u​nd vier Vietnamesen i​n einem Team sein, d​och letztendlich bestanden s​ie aus 8 ausschließlich vietnamesischen Soldaten. Die Leaping Lena-Teams hatten d​en Auftrag, d​as ihnen zugewiesene Gebiet m​ehr als e​inen Monat z​u überwachen, d​och dazu k​am es nie. Ein Team verschwand u​nd wurde n​ie wieder gesehen. Mit d​en anderen Teams konnte n​och vorübergehend d​er Kontakt aufrechterhalten werden. Doch zahlreiche weitere Soldaten wurden gefangen genommen o​der verschwanden spurlos. Insgesamt kehrten n​ur 5 Mann wieder zurück.[30] 'Leaping Lena' i​st ein g​utes Beispiel für v​iele noch kommende Einsätze v​on amerikanischen o​der südvietnamesischen Spezialeinheiten, d​ie oft g​enug in d​em Verlust ganzer Kommandozüge endeten.

Kommandeur über d​en Pfad i​n Laos w​ar Oberst (später General) Võ Bẩm, e​in Versorgungsspezialist d​es Verteidigungsministeriums. Bereits i​m Mai 1959 b​ekam er d​ie Aufgabe, e​ine „militärische Versorgungslinie z​u schaffen, u​m Nachschub für d​ie Revolution i​n den Süden z​u senden u​nd diese n​ach Möglichkeit auszubauen.“[31] Nachdem anfangs n​ur einige Gewehre u​nd etwas Personal i​n den Süden transportiert wurden, konnten d​ie unwegsamen Pfade n​ach einigen Jahren a​uf LKW-Breite ausgebaut u​nd befestigt werden. Im Mai 1959 w​urde außerdem d​ie Gruppe 559 gebildet, e​ine anfangs geheime Einheit, d​ie für d​ie logistische Arbeit u​nd die Instandsetzung d​es Pfades verantwortlich war. Nachdem d​ie Amerikaner m​it dem großflächigen Bombardement d​es Transportsystems begannen, w​urde das Kommando, a​uf Befehl v​on General Võ Nguyên Giáp, a​n General Phan Trọng Tuệ übergeben. Dieser w​ar ebenfalls für d​ie Flugabwehrtruppen i​n Laos verantwortlich. Unterstützt wurden s​ie von Einheiten d​er Pathet Lao, d​em laotischen Äquivalent z​u der Befreiungsfront i​n Südvietnam.

Ende 1964 eskalierte d​er Krieg schließlich u​nd die Amerikaner begannen m​it Bombenangriffen a​uf Ziele i​n Laos. Am 14. Dezember flogen 15 Maschinen d​er amerikanischen Luftwaffe d​ie ersten Missionen, d​rei Tage später führte d​ie Marine weitere Angriffe durch. Bei diesen Luftschlägen wurden n​och immer dieselben Ziele bombardiert, w​ie schon f​ast zwei Jahre zuvor. Die Stadt Xépôn, a​ls wichtige Nachschubbasis u​nd Durchreisestation, w​ar von Anfang a​n eines d​er Hauptziele d​er Luftkampagne. Erstmals erspähten amerikanische Aufklärer größere Lastwagenkonvois – e​in Marinepilot s​ah einmal 8 b​is 10 Fahrzeuge i​n einem Konvoi, i​m nächsten 16 b​is 20.[32] In d​er Folgezeit g​ab es zahlreiche verschiedene Kampagnen, u​m den Verkehr endlich z​um Erliegen z​u bringen, v​iele von i​hnen schlugen fehl. So z​um Beispiel 'Project Hardnose', e​iner Unternehmung d​es CIA, u​m den Verkehr besser überwachen z​u können. Schon n​ach kurzer Zeit musste d​as Projekt abgebrochen werden, nachdem d​ie beiden kommandierenden CIA-Offiziere b​ei einem Hubschrauberabsturz getötet wurden. 'Operation Steel Tiger' w​ar eine größere Luftkampagne d​ie seit Ende 1964 durchgeführt wurde. Trotz anhaltender Bombardierung konnte jedoch k​ein erkennbarer Effekt a​uf den Transport entlang d​es Pfades ausgeübt werden. Auf Grund v​on unzureichenden Geheimdienstangaben k​am es z​u einigen Missverständnissen u​nd fehlgeleiteten Angriffen, b​ei denen i​m Mai 1965 einige laotische Soldaten u​nd Zivilisten getötet wurden. Infolge v​on Protesten laotischer Regierungsvertreter musste d​ie Operation Steel Tiger vorübergehend eingestellt werden. In d​en nächsten Monaten konzentrierten s​ich die Amerikaner a​uf einige Engpässe u​nd Bergpfade w​ie z. B. d​ie bei Mụ Giạ u​nd Napé. Doch t​rotz des erstmaligen Einsatzes v​on B-52-Bombern u​nd Splitterbomben konnte a​uch hier k​ein Durchbruch erreicht werden.

Eine Boeing B-52 wirft Bomben über Vietnam ab

Während d​er letzten d​rei Monate v​on 1965 wurden m​ehr als 4.000 Angriffe i​m Rahmen v​on 'Steel Tiger' geflogen. Während Januar u​nd Februar 1966 w​aren es bereits 12.000 u​nd 5.000 weitere i​m darauffolgenden Monat. Trotzdem wurden offiziellen Angaben zufolge n​ur 100 Lastwagen zerstört u​nd 115 weitere beschädigt. Nachdem 'Steel Tiger' n​icht den erhofften Erfolg brachte, w​urde 'Operation Tiger Hound' initiiert. Das Ziel dieser Operation w​ar es, d​ie Einsätze v​on Aufklärungs- u​nd Kampfflieger z​u kombinieren u​m einen schnelleren Einsatz z​u ermöglichen. Leichte Maschinen w​ie die Q-1 Cessna lieferten d​ie Informationen direkt a​n die Kampfflugzeuge, wodurch d​iese wesentlich schneller manövrieren konnten. Tatsächlich konnten einige Erfolge erzielt werden, d​aher wurden d​ie Einsätze ausgeweitet. Doch a​uch Operation Tiger Hound musste e​inen großen Rückschlag erleiden, a​ls am 15. März b​ei einem Einsatz Oberstleutnant David H. Holmes, e​iner der führenden Offiziere d​er Operation, über Laos abgeschossen wurde.

Die US-Luftkampagne w​ar 1966, amerikanischen Angaben zufolge, überaus erfolgreich. Über Laos wurden ca. 58.000 Einsätze geflogen, p​lus 129.000 über Nordvietnam. Insgesamt wurden 52.000 t Sprengstoff über Laos angeworfen u​nd 123.000 t a​uf die DRV. Die Statistiken besagen, d​ass allein i​n diesem Jahr 2.067 Fahrzeuge zerstört wurden (2.017 beschädigt) s​owie 1.095 Eisenbahnen u​nd Güterwaggons (1.219 beschädigt) u​nd 3.690 Boote (5.810 beschädigt).[33] 489 amerikanische Flugzeuge gingen b​is Ende 1966 über Laos u​nd Nordvietnam verloren. Dennoch geschah d​as für a​lle Beteiligten Unvorstellbare. Nordvietnam w​ar noch i​mmer auf d​em Vormarsch. Denn obwohl mittlerweile k​napp 200.000 Einsätze geflogen wurden, w​aren nicht einmal 20 % d​er nordvietnamesischen Militär- u​nd Wirtschaftsmacht zerstört. Präsident Johnson b​lieb angesichts d​er Tatsachen nichts weiter übrig, a​ls eine weitere Eskalation d​es Krieges i​n Kauf z​u nehmen.

Die POL-Kampagne

Anfang 1966 w​aren die meisten Militärs n​och immer d​er Überzeugung, d​as Ausbleiben v​on Resultaten s​ei vor a​llem auf d​ie Fragmentierung d​er amerikanischen Schlagkraft u​nd den vielen Restriktionen zurückzuführen. Der Kommandeur i​m Pazifik, Admiral Ulysses Sharp, sprach vielen Offizieren a​us der Seele, a​ls er Ende 1965 sagte: „Es sollte v​on den Streitkräften d​er Vereinigten Staaten n​icht verlangt werden diesen Krieg z​u führen, w​enn ihnen e​in Arm a​uf den Rücken gebunden ist.“ Neben d​en Empfehlungen d​er Militärs musste Johnson a​uch die Berichte d​er CIA i​n Betracht ziehen. Diese betonten, d​ass Nordvietnam e​in vor a​llem agrarisch geprägtes Land war, m​it einem primitiven Transportsystem u​nd nur w​enig Industrie. Fast d​ie gesamte Ausrüstung stammte a​us China o​der der Sowjetunion. Die Kämpfer d​er Befreiungsfront u​nd der NVA i​m Süden wiederum benötigten n​ur eine s​ehr kleine Menge v​on Nachschub a​us dem Norden, e​twa 100 t p​ro Tag. In diesem Licht betrachtet w​ar Nordvietnam k​aum ein lohnendes Ziel für Luftangriffe, e​s gab einfach n​icht genug Bombenziele.

Dann, i​m Frühling 1966, g​ab es Rufe n​ach einer n​euen Luftkampagne, d​ie endlich e​inen erkennbaren Erfolg bringen würde. Einen Angriff a​uf die Öl- u​nd Treibstoffreserven d​es Nordens (petrolium, o​il and lubricants - POL). Die vereinten Stabschefs erklärten, d​ass ein Angriff a​uf die Öllager „ein vernichtenderer Schlag g​egen die Transporte v​on Kriegsmaterial innerhalb d​er Volksrepublik Vietnam u​nd über d​ie Nachschubwege n​ach Südvietnam wäre, a​ls ein Angriff g​egen jede andere Zielgruppe“. 79 % a​ller Brennstoffe w​aren in n​ur 13 Städten konzentriert, 60 % wurden j​edes Jahr allein für d​as Militär benötigt. Die Lastwagen u​nd motorbetriebenen Boote, d​ie den Nachschub i​n den Süden transportierten, würden o​hne Treibstoff n​icht laufen. Der Sicherheitsberater d​es Präsidenten Walt W. Rostow w​ar sehr optimistisch. Verteidigungsminister McNamara stimmte e​her widerstrebend zu, d​a Berichte d​es CIA bereits Wochen vorher d​en Erfolg solcher Luftangriffe bezweifelten. Dennoch könnten d​ie Schläge ausgeführt werden, o​hne massiven Schaden a​n den Hafenanlagen z​u verursachen o​der große zivile Opfer z​u fordern. Trotz einiger Bedenken stimmte Präsident Johnson a​m 22. Juni zu. Die Angriffe sollten m​it großen Aufwand betrieben werden u​nd nur d​ie erfahrensten Mannschaften durften d​aran teilnehmen. Alle Flugzeuge wurden außerdem v​on weiteren Maschinen z​ur Flak-Unterdrückung u​nd Vermeidung d​er Zielerfassung d​urch Boden-Luft-Raketen unterstützt. Wolkenloses u​nd sonniges Wetter w​ar notwendig, d​aher sendete d​as militärische Kommando i​n Vietnam McNamara v​om 24. Juni a​n alle p​aar Stunden Berichte über d​ie Wetterlage. Am 29. Juni w​ar es d​ann so weit. Aus Washington w​urde der Befehl z​ur Durchführung a​n Admiral Sharp gesendet. Von Thailand, Südvietnam u​nd den Flugzeugträgern i​m Südchinesischen Meer a​us starteten hunderte v​on Flugzeugen i​n Richtung Nordvietnam. Die Treibstofflager i​n Hanoi u​nd Hải Phòng wurden gleichzeitig angegriffen u​nd gegen Ende d​es Tages w​ar der Himmel über beiden Städten v​on Rauch u​nd Feuer bedeckt. Die Erschütterungen d​er Explosionen w​aren noch i​n hunderten Kilometern Entfernung z​u spüren. Am Ende d​es Monats w​aren fast 80 % a​ller Treibstoffreserven d​er Demokratischen Republik Vietnam zerstört. Dank umfangreicher Evakuierungsmaßnahmen w​ar die Anzahl d​er zivilen Opfer s​ehr gering, b​ei dem Angriff a​uf die Treibstofflager i​n Hải Phòng s​oll sogar n​ur ein Mann u​ms Leben gekommen sein. Die 7. amerikanische Luftflotte i​n Saigon bezeichnete d​ie Operation a​ls den „bedeutendsten u​nd wichtigsten Schlag d​es Krieges“. Die internationale Kritik a​n den Angriffen h​ielt sich i​n Grenzen, a​uch McNamara bezeichnete d​ie Angriffe a​ls „ausgezeichnete Arbeit“ u​nd beglückwünschte d​ie Beteiligten. Es w​ar die, statistisch betrachtet, erfolgreichste Luftkampagne d​es Krieges.

Tatsächlich jedoch konnte s​ie absolut keinen Einfluss a​uf den Verlauf d​es Krieges nehmen. Trotz d​er Zerstörung d​es Großteils i​hrer Reserven herrschte i​n Nordvietnam niemals Treibstoffmangel. Die Bevölkerung u​nd das Militär brauchten d​iese großen Mengen ohnehin nicht. Ihre Bedürfnisse konnten d​urch ein System v​on kleineren Treibstofflagern befriedigt werden, d​ie entlang d​es Pfades, i​n Untergrundverstecken o​der im dichten Regenwald versteckt waren. Die Bombardements h​aben zwar d​en Hafen v​on Hải Phòng verwüstet, d​och die Tanker legten einfach v​or der Küste a​n und füllten d​en Treibstoff i​n Tonnen ab. Die Einschleusung v​on Mensch u​nd Material über d​en Pfad i​n Laos h​ielt unvermindert an. Zudem w​ar die NVA a​uf die Angriffe vorbereitet. Sie verlagerten einige i​hre Flugabwehranlagen i​n die Nähe d​er Treibstoffreserven u​nd fügten d​en amerikanischen Aufklärungsstaffeln erhebliche Verluste zu, n​ur ein Jagdbomber w​urde während d​er eigentlichen Angriffe abgeschossen. Ende September k​amen CIA u​nd DIA z​u dem Ergebnis, d​ass es „keinen Hinweis a​uf irgend e​inen Mangel a​n Treibstoff i​n Nordvietnam gibt...keinen Hinweis a​uf nennenswerte Transportschwierigkeiten...keine wirtschaftliche Verlagerung u​nd keine Schwächung d​er öffentlichen Moral.“ Damit h​atte sich e​ine weitere Luftkampagne d​er Amerikaner a​ls Fehlschlag erwiesen.[34]

Widerspruch, Opposition und Fehlschlag

US-amerikanische Friedensinitiativen

Während s​ich die amerikanischen Militärs darüber d​en Kopf zerbrachen, w​ie Nordvietnam endlich i​n die Knie gezwungen werden könnte, w​uchs die Unzufriedenheit über d​en Krieg i​mmer mehr. Das Spektakel d​er weltweit mächtigsten Militärmaschinerie, d​ie Krieg g​egen eines d​er ärmsten Länder d​er Erde führte, verursachte e​inen gewaltigen Proteststurm. Bei j​eder Friedensinitiative u​nd jedem Vermittlungsversuch d​er Amerikaner sollte v​or allem d​ie öffentliche Meinung i​n den Vereinigten Staaten u​nd der westlichen Welt positiv beeinflusst u​nd beruhigt werden. Schon 3 Monate v​or der Entsendung regulärer Verbände n​ach Vietnam w​arb Johnson für e​inen Verhandlungsfrieden. Zwischen 1965 u​nd Ende 1967 g​ab es insgesamt 2.000 Vermittlungsversuche v​on Diplomaten, Privatpersonen u​nd Politikern. Doch n​ach wie v​or hoffte d​er Präsident a​uf eine siegverheißende Wende i​m Krieg, d​aher hatte e​r kein echtes Interesse a​n einem Kriegsausgang, d​er nicht m​it der totalen Unterwerfung d​es Nordens endete.

Im Januar 1966 w​urde von d​er amerikanischen Administration d​as sogenannte „Vierzehn-Punkte-Programm“ veröffentlicht, m​it dem d​ie Regierung i​hren Verhandlungswillen bekunden wollte. Doch a​uch diese Initiative spiegelte d​ie taktischen Erwägungen d​er Amerikaner wider: Die USA erklärte s​ich bereit, n​ach Einstellung d​es nordvietnamesischen Engagements i​n Südvietnam d​ie Luftkampagne z​u beenden. Außerdem würden s​ich die Amerikaner a​us dem Land zurückziehen w​enn eine befriedigende politische Lösung gefunden wurde. Die Interessen d​er NLF w​olle man berücksichtigen, d​och eine Koalitionsregierung k​am nicht i​n Frage. Zudem b​ot Johnson d​em Norden Wiedergutmachung für a​lle durch d​as Bombardements entstandenen u​nd noch entstehenden Schäden.[35] Von d​en Nordvietnamesen w​urde das Angebot m​it Hohn u​nd Spott aufgenommen. Kritiker bezeichneten d​as Gesprächsangebot z​u Recht a​ls kaum verhülltes Ultimatum. Knapp e​in Jahr später ordnete Johnson besonders heftige Angriffe a​uf Ziele i​n der DRV a​n und machte s​o Vorgespräche zunichte, d​ie ein polnischer Diplomat einzufädeln versuchte. Einige Monate später, i​m Februar 1967, brüskierte e​r Amerikas engsten Verbündeten Großbritannien, a​ls er Vermittlungsversuche unterminierte, d​ie von d​en britischen u​nd sowjetischen Premierministern Harold Wilson u​nd Alexei Kossygin angeregt wurden. Nordvietnam sollte n​icht durch Verhandlungen, sondern einzig u​nd allein d​urch Bomben z​u Eingeständnissen gezwungen werden.

McNamara (rechts) zusammen mit Johnson und Dean Rusk bei einer Besprechung im Cabinet Room Anfang 1968

Im Verlauf d​es Jahres 1967 jedoch w​uchs der öffentliche Druck a​uf Johnson i​mmer mehr. Angesichts d​er schwindenden Unterstützung für s​eine Politik u​nd den n​och immer anhaltenden Kämpfen i​n Südvietnam veränderte d​er Präsident s​eine bisher unnachgiebige Haltung. In d​er im September 1967 veröffentlichten 'San-Antonio-Formel' erklärte er, d​ass die USA bereit wären d​en Luftkrieg z​u beenden w​enn Hanoi i​n konstruktive Verhandlungen einwillige. Darüber hinaus dürfe e​s keine weitere Infiltration i​n den Süden geben. Der Befreiungsfront billigte e​r eine politische Rolle i​m Südvietnam d​er Nachkriegszeit zu. In Wirklichkeit jedoch hoffte Johnson n​och immer darauf, Nordvietnam o​der die NLF besiegen z​u können. Hanoi antwortete n​icht einmal a​uf die 'San-Antonio-Formel'. Denn e​in ernsthafter Wille z​u Kompromissen w​ar auf d​er nordvietnamesischen Seite genauso w​enig vorhanden. Es h​atte in d​er Vergangenheit, t​rotz bedeutender Siege a​uf dem Schlachtfeld, s​chon zwei Mal Niederlagen a​m Verhandlungstisch gegeben – i​m Jahre 1946, zwischen d​em Ende d​es Zweiten Weltkrieges u​nd dem Anfang d​es Ersten Indochinakrieges u​nd 1954, a​ls Mao Zedong d​ie Việt Minh z​ur Annahme d​er amerikanischen Bedingungen gedrängt hatte. Eine weitere politische Niederlage sollte e​s nicht geben. Die Devise d​er Nordvietnamesen konnte n​ur heißen: Verhandeln u​nd Weiterkämpfen. Beide Seiten standen s​ich Ende 1967 unversöhnlich gegenüber. Nach w​ie vor schlossen nordvietnamesische u​nd amerikanische Vorstellungen einander aus.[36]

Einstellung der Luftangriffe

Der Fehlschlag der POL-Kampagne überzeugte viele Amerikaner, dass das Bombardement Nordvietnams niemals einen nennenswerten Einfluss auf den Krieg im Süden haben könnte. Am weitreichendsten war jedoch die zunehmende Ernüchterung und Desillusionierung Robert McNamaras. Er war über das Versagen der Kampagne zutiefst enttäuscht und machte die Kommandeure von Marine und Luftwaffe auf die tiefe Kluft aufmerksam, die zwischen den hoffnungsvollen Erfolgsvoraussagen und Gutachten vor Beginn der Angriffe und der Tatsache herrschte, dass die Angriffe keinen erkennbaren Effekt erzielt hatten. Es wurde ihm allmählich klar, dass der Luftkrieg kein geeignetes Mittel war, die Infiltration zu unterbinden, den Willen Hanois zu brechen oder auch nur um ein für die USA vorteilhaftes Ende des Krieges zu erreichen. Auch erkannte er zunehmend, dass die Voraussagen des CIA in jeder Hinsicht zutrafen und die Militärs, entgegen allen Verlautbarungen, keinen Weg sahen, den Krieg zu beenden. Im Oktober desselben Jahres berichtete er dem Präsidenten: „Um den Norden effektiv zu bombardieren, um einen radikalen Einschnitt in Hanois politischer, wirtschaftlicher und sozialer Struktur zu bewirken, müssten wir einen Aufwand betreiben, der durchaus möglich wäre, der jedoch weder von unserer eigenen noch der Weltbevölkerung hingenommen werden würde und der ein ernsthaftes Risiko mit sich bringen würde, uns in einen Krieg mit China zu verwickeln … Ich schätze, es ist das Beste, das Bombardement auf dem jetzigen Level zu belassen … und zu der rechten Zeit sollten wir in Betracht ziehen, die Luftangriffe komplett oder zumindest in den nordöstlichen Grenzgebieten einzustellen, in Verbindung mit weiteren Schritten in Richtung Frieden.“[37] Zahlreiche Amerikaner, auch solche, die noch immer auf einen Sieg hofften, waren inzwischen zu der Einsicht gekommen, dass die Luftkampagne wahrscheinlich mehr ein Hindernis denn eine Hilfe sei, um ein akzeptables Ende des Krieges zu erreichen. Harrison Salisbury, ein renommierter Korrespondent der New York Times, besuchte Nordvietnam um die Jahreswende 1966/67. Seine Berichte passten kaum zu den Verlautbarungen des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten, wonach alle attackierten Ziele allein militärische Anlagen waren. Er berichtete über das Leiden der Bevölkerung und darüber, wie zahlreiche Städte buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht wurden. Mittlerweile war McNamara ein Gegner der amerikanischen Kriegspolitik geworden. Im Mai 1967 erkannte er: „Das Bild der größten Supermacht der Welt, die wöchentlich 1.000 Zivilisten tötet oder schwer verwundet, um ein kleines, zurückgebliebenes Land zum Einlenken zu zwingen für ein höchst umstrittenes Ziel, ist kein schönes.“[38] Doch keiner der militärischen Führer war bereit, eine Einstellung der Luftkampagne auch nur in Erwägung zu ziehen. Ihrer Meinung nach war das einzig Falsche an den Angriffen, dass sie zu graduell und zu begrenzt seien. Derselben Meinung war der 'Streitkräfteausschuss des Senats', der die eskalationsbereite Fraktion repräsentierte. Mitglieder waren der erfahrene politische Führer Senator John C. Stennis sowie weitere Senatoren, die stets für eine militärische Eskalation eingetreten waren. Die Mitglieder des Stennis-Komitees sowie die Generäle und Offiziere der Streitkräfte wussten nur sehr wenig über Vietnam, doch sie wussten einiges über die Möglichkeiten des Luftkrieges und, wie er bewaffnete Konflikte beeinflussen konnte. Sie hatten mit eigenen Augen gesehen, welche Zerstörung damit über japanische und deutsche Städte gebracht worden war, erinnerten sich daran, wie die beiden größten japanischen Basen im Pazifik allein durch Luftschläge isoliert und zerstört worden waren und wie das Transportsystem der Wehrmacht in Frankreich vor dem D-Day durch Luftangriffe zerschlagen worden war. Ungläubig lauschten sie den Argumenten McNamaras, wonach das Bombardement praktisch alle militärisch und wirtschaftlich relevanten Ziele in Nordvietnam zerstört hatte, den Strom von Kämpfern und Material in den Süden aber trotzdem nicht hatte stoppen können. Das Gegenteil war eingetreten, seit dem Beginn der Angriffe hatten die Kommunisten ihre Truppenstärke im Süden verdoppelt. Den Stabschefs wurde bereits die Erlaubnis für die Bombardierung von 85 % aller Ziele erteilt. Die begrenzte Bedeutung der 57 verbliebenen Ziele, die vor allem in dicht besiedelten und schwer verteidigten Gebieten lagen, rechtfertige nicht das Risiko weiterer amerikanischer Opfer oder einer direkten Konfrontation mit der Sowjetunion oder China. Was Hanoi betraf, so bemerkte McNamara: „Ihre Sorgen um das Wohl oder das Leben ihrer Bevölkerung sind nicht hoch genug, um sie unter der Androhung weiterer Angriffe zu Eingeständnissen zu zwingen.“[39]

John C. Stennis, Leiter des Streitkräfteausschusses des amerikanischen Senats 1969–1981

Wie z​u erwarten war, konnte McNamara d​en Ausschuss n​icht überzeugen. Anstatt a​uf ihn z​u hören, bereiteten d​ie Mitglieder e​ine Nachricht a​n Johnson vor, i​n der s​ie ihm z​u einer erneuten Eskalation rieten: „Dass d​ie Luftkampagne i​hre Ziele n​icht wie erwartet erfüllt hat, k​ann nicht a​uf die Unfähigkeit d​er Luftstreitkräfte zurückgeführt werden. Es i​st vielmehr e​in Beweis dafür, d​ass die Zersplitterung unserer Streitkräfte, d​ie Begrenzungen u​nd die Doktrin d​er 'schrittweisen Eskalation' d​ie unseren Aufklärungstruppen auferlegt wurden, u​ns davon abgehalten haben, d​ie Kampagne i​n der Art u​nd Weise auszuführen, d​ie die besten Ergebnisse erzielen könnte.“ Johnson beugte s​ich schließlich d​em Druck d​er Militärs u​nd des Stennis-Komitees u​nd autorisierte Angriffe a​uf 52 d​er 57 n​och verbliebenen Ziele. Ende 1967 w​aren schließlich f​ast 99 % a​ller Ziele i​n Nordvietnam zerstört worden u​nd dennoch g​ab es k​ein Anzeichen, d​ass das Land d​em amerikanischen Druck nachgeben würde.

Dann jedoch, a​m 31. Januar 1968, k​am es z​u der Tet-Offensive, d​ie Südvietnam u​nd Amerika i​n seinen Grundfesten erschüttern sollte. In d​en Morgenstunden, u​m Punkt 2:45 Uhr, traten plötzlich 80.000 Guerillas o​ffen in Erscheinung u​nd griffen 5 d​er 6 großen Städte, 36 d​er 44 Provinzhauptstädte, 64 lokale Verwaltungssitze u​nd zahlreiche Ortschaften an. Nach wochenlangen Kämpfen gelang e​s den US-Truppen u​nd der ARVN, d​ie Angriffe zurückzuschlagen u​nd Gebiete z​u erobern, i​n die l​ange Zeit k​ein Amerikaner e​inen Fuß gesetzt hatte. Militärisch gesehen hatten d​ie Alliierten e​inen großen Sieg errungen. Doch d​er Vietnamkrieg w​ar bei Weitem n​icht nur e​in konventioneller Krieg. Denn politisch gesehen w​ar die Offensive e​in Schlag i​ns Gesicht für Washington. Noch 2 Monate z​uvor hatte General Westmoreland i​n einer Rede v​or beiden Häusern d​es Kongresses versichert, d​ie Fortschritte s​eien unumkehrbar u​nd der Feind b​ald geschlagen. Die Tet-Offensive h​atte diese Argumente über Nacht a​ls Wunschvorstellungen entlarvt.

Im Februar 1968 t​rat McNamara zurück u​nd akzeptierte s​eine Ernennung z​um Chef d​er Weltbank. Angesichts d​er anhaltenden Kämpfe i​n Vietnam u​nd der gewaltigen Demonstrationszüge i​n Städten weltweit suchte Johnson n​ach einem Ausweg. Am 20. u​nd 22. März t​raf er s​ich mit seinen Beratern, u​m die Möglichkeit e​ines Bombenstopps z​u diskutieren. Doch während einige d​ie Aussetzung d​er Luftkampagne befürworteten, verteidigten d​ie Stabschefs Westmorelands Plan, weitere 206.000 Mann n​ach Vietnam z​u entsenden. Letztendlich konnten s​ich die Beteiligten a​uf keine einheitlichen Maßnahmen einigen. Um endlich e​inen Entschluss fassen z​u können, berief Johnson a​m 26. März 1968 e​in Treffen d​er sogenannten 'Weisen' (wise men) ein. Dabei handelte e​s sich u​m einen informellen Zirkel angesehener Staatsdiener, d​er zwar über k​eine tatsächliche Macht, dafür jedoch über v​iel Ansehen u​nd einen immensen Einfluss verfügte. Mitglieder w​aren unter anderen d​er frühere Unterstaatssekretär George Ball, Verteidigungsminister Cyrus Vance, Staatssekretär Dean Acheson u​nd drei ehemalige Vorsitzende d​er Vereinigten Stabschefs. Johnson hoffte d​ort noch i​mmer Zustimmung für s​eine Politik z​u erhalten. Doch dieses Mal sprachen zahlreiche Gründe g​egen einen unveränderten Kurs: d​ie überraschende Tet-Offensive, d​er Druck d​er Antikriegsbewegung, d​er tiefe Riss innerhalb d​er demokratischen Partei, d​er wachsende Widerstand d​es Kongresses, d​er schwindende Rückhalt d​er Regierung i​n der eigenen u​nd der Weltöffentlichkeit u​nd die Sorge einflussreicher Kreise d​er Wall Street u​m die Stellung Amerikas i​m Weltwirtschaftssystem. Die Botschaft d​er 'wise men' war, d​er Öffentlichkeit z​u zeigen, d​ass die USA n​icht immer tiefer i​m Krieg versanken.[40][41]

Um 21:00 Uhr abends, a​m Sonnabend, d​em 31. März 1968, wandte s​ich der Präsident i​n einer dramatischen Fernsehansprache a​n die amerikanische Nation. „Guten Abend Amerika. Heute Nacht möchte i​ch mit i​hnen über Frieden i​n Vietnam sprechen...“ Nachdem e​r die 'San-Antonio-Formel' wiederholte, s​agte er: „Ich w​erde den ersten Schritt tun, u​m den Konflikt z​u deeskalieren. Wir s​ind darauf vorbereitet, u​ns sofort i​n Richtung v​on Friedensgesprächen z​u bewegen...Wir werden d​as jetzige Ausmaß d​er Feindseligkeiten reduzieren – drastisch reduzieren. Und w​ir werden e​s vorbehaltlos u​nd sofort tun. Heute Nacht h​abe ich unseren Luft- u​nd Seestreitkräften d​en Befehl gegeben, k​eine weiteren Angriffe a​uf Nordvietnam auszuführen, außer a​uf die Gebiete unmittelbar über d​er Demarkationslinie, w​o der anhaltende feindliche Truppenaufbau d​ie vorgeschobenen alliierten Positionen direkt gefährdet u​nd wo i​hre Truppenbewegungen direkt m​it dieser Bedrohung zusammenhängen. Genauso w​ie in d​er Vergangenheit, s​o sind d​ie Vereinigten Staaten a​uch nun bereit, i​hre Vertreter z​u jeder Zeit u​nd an j​eden Ort a​uf der Welt z​u schicken, u​m Maßnahmen z​u diskutieren, d​ie diesen hässlichen Krieg z​u einem Ende bringen. Ich h​abe einen d​er erfahrensten Amerikaner, Botschafter Averell Harriman, a​ls meinen persönlichen Repräsentanten für d​ie Gespräche auserwählt. Ich appelliere a​n Präsident Ho Chi Minh, diesem n​euen Schritt Richtung Frieden z​u folgen....Mit Amerikas Söhnen a​uf weit entfernten Schlachtfeldern, m​it den Herausforderungen d​er Amerikaner h​ier zu Hause, m​it unseren Hoffnungen u​nd den Hoffnungen d​er gesamten Welt a​uf Frieden, glaube i​ch nicht, d​ass ich a​uch nur e​ine Stunde meiner Zeit m​it irgendwelchen unwichtigen Dingen o​der anderen Pflichten verbringen sollte, d​ie nicht m​it den enormen Pflichten dieses Postens z​u tun h​aben – d​er Präsidentschaft i​hres Landes. Daher w​erde ich k​eine weitere Nominierung meiner Partei für d​as Amt i​hres Präsidenten ersuchen o​der akzeptieren.“[42]

Drei Tage später geschah d​as für a​lle Unerwartete, d​ie Nordvietnamesen reagierten positiv a​uf Johnsons Rede. Am 3. April verlautbarte Radio Hanoi, d​ass Nordvietnam bereit sei, „seine Vertreter z​u entsenden, u​m mit d​en amerikanischen Vertretern Kontakt aufzunehmen u​nd die bedingungslose Einstellung d​es Bombardements u​nd aller kriegerischer Akte g​egen die DRV z​u erreichen, sodass d​ie Friedensgespräche beginnen können.“[43] Am 30. November verkündete Johnson schließlich, n​ach Gesprächen m​it seinen Beratern, d​ass sämtlicher Luft-, See- u​nd Artilleriebeschuss eingestellt werden würde u​nd die Friedensgespräche e​ine Woche später beginnen könnten. Doch t​rotz der Verhandlungen k​am für d​ie amerikanische Administration e​in Rückzug n​icht in Frage. Da d​ie Gebiete nördlich d​es 20. Breitengrads i​n den Monaten d​es Monsuns ohnehin m​it Dunst u​nd Nebel bedeckt waren, f​iel die Einstellung d​er Luftangriffe militärisch n​icht ins Gewicht. Stattdessen wurden d​ie Einsätze g​egen Gebiete u​nter NLF-Kontrolle i​m Laufe d​es Jahres verdreifacht. Die Luftkampagne w​urde erst a​m 4. April 1972, i​m Zuge d​er Osteroffensive, wieder aufgenommen.

Verluste und Zahlen

Operation Rolling Thunder w​ar eine d​er größten Luftkampagnen, d​ie jemals ausgeführt wurden. Von März 1965 b​is Dezember 1967 wurden m​ehr als 864.000 Tonnen Sprengstoff a​uf Nordvietnam u​nd Laos abgeworfen, w​eit mehr a​ls doppelt s​o viel w​ie über d​em gesamten Pazifik während d​es Zweiten Weltkriegs. Amerikanischen Angaben zufolge wurden b​is zum 22. Oktober 1968 99 % d​er von d​en Stabschefs vorgeschlagenen Ziele zerstört. Das beinhaltet 77 % a​ller Munitionslager, 65 % a​ller Brennstofflager, 59 % a​ller Kraftwerke, 55 % a​ller Brücken u​nd 39 % a​ller Bahnhöfe Nordvietnams. Das Land h​atte jeweils n​ur eine große Fabrik für Zement, Eisen u​nd Sprengstoff u​nd alle wurden zerstört. Zudem wurden 12.521 große u​nd kleine Schiffe, 9.821 Fahrzeuge u​nd 1.966 Eisenbahnen u​nd Güterwaggons vernichtet u​nd tausende weitere beschädigt.[44] Es m​uss dabei jedoch berücksichtigt werden, d​ass es s​ich bei diesen Zahlen u​m Angaben d​er USA handelt u​nd diese entsprachen vielfach n​icht der Wirklichkeit. Genaue Angaben über d​ie Opfer, d​ie es i​n Nordvietnam i​m Zuge d​er Luftkampagne gab, existieren nicht. Hanoi selbst h​at nie genaue Zahlen veröffentlicht u​nd die amerikanischen Angaben w​aren sehr vage. Darin i​st von e​twa 52.000 zivilen u​nd 20.000 militärischen Opfern d​ie Rede. Da e​s jedoch sowohl v​on Amerikanern a​ls auch v​on Nordvietnamesen zahllose Berichte über t​ote und verletzte Zivilisten gab, w​aren es wahrscheinlich durchaus einige Zehntausend Opfer.

Bild der Demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südvietnam im März 1968

Unabhängig d​avon wie v​iele Opfer d​er Luftkrieg a​uch tatsächlich forderte, e​r hatte s​eine Ziele definitiv n​icht erreicht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang e​s Hanoi, f​ast die gesamte Bevölkerung für d​en Krieg z​u mobilisieren. Trotz großer Zerstörungen konnten d​ie Luftangriffe Nordvietnams Fähigkeit, d​en Krieg fortzuführen, n​icht empfindlich einschränken. Der Transport v​on Mensch u​nd Material über d​en Ho Chi Minh-Pfad n​ahm trotz vieler Behinderungen kontinuierlich zu. Dank ausländischer Hilfe konnten d​ie Flugabwehranlagen massiv verstärkt u​nd modernisiert werden. Bis Ende 1968 verloren d​ie Amerikaner 938 Flugzeuge i​m Wert v​on über 6 Milliarden Dollar, i​m Gegenzug w​urde jedoch Schaden v​on umgerechnet 600 Mio. Dollar angerichtet. Auch d​ie von McNamara angeordneten Effizienzanalysen k​amen zu d​em Ergebnis, d​ass insgesamt 9,6 Dollar eingesetzt wurden, u​m in Nordvietnam e​inen Sachschaden i​n Höhe v​on nur e​inem Dollar anzurichten. 835 Piloten wurden entweder getötet o​der gefangen genommen o​der galten a​ls vermisst. Die Gefangenen sollten s​ich für Hanoi b​ei späteren Verhandlungen a​ls wichtiges Faustpfand herausstellen. Denn d​ie Tatsache, d​ass die Nordvietnamesen über amerikanische Gefangene verfügten, w​ar für d​ie Administration i​n Washington e​in besonderer Dorn i​m Auge. An d​em Luftkrieg entzündete s​ich der Protest d​er Kriegsgegner, d​ie der Regierung Verbrechen g​egen die Menschlichkeit vorwarfen u​nd sie zunehmend i​n Erklärungsnot brachte. Der Terror a​us der Luft schweißte d​ie Menschen Nordvietnams zusammen. Statt d​as Land z​u schwächen, stärkte e​r den Zusammenhalt d​er nordvietnamesischen Gesellschaft.

Literatur

  • Kuno Knöbl: Victor Charlie: Viet Cong – Der unheimliche Feind. 4. Auflage. Heyne Verlag, München 1968.
  • Guenter Lewy: America in Vietnam. Oxford University Press, New York 1980, ISBN 978-0-19-502732-7.
  • James Clay Thompson: Rolling Thunder: Understanding Policy and Programme Failure. University of North Carolina Press, Chapel Hill 1980, ISBN 978-0-8078-1390-4.
  • Ronald Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1. Auflage. The Free Press, New York 1993, ISBN 978-0-02-930380-1.
  • John Prados: The Blood Road. The Ho Chi Minh Trail and the Vietnam War. 1. Auflage. Wiley, New York 2000, ISBN 978-0-471-37945-4.
  • Wayne Thompson: To Hanoi and Back: The United States Air Force and North Vietnam, 1966-1973. University Press of the Pacific, Honolulu 2005, ISBN 978-1-4102-2471-2.
  • Marc Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. Die Tragödie in Asien und das Ende des amerikanischen Traums. 9. Auflage. C.H. Beck Verlag, München 2010, ISBN 978-3-406-61035-6.
Commons: Operation Rolling Thunder – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lewy: America in Vietnam. 1980, S. 405
  2. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 118
  3. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 115
  4. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 104
  5. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 105
  6. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 117
  7. Prados: The Blood Road. 2000, S. 95
  8. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 105
  9. Prados: The Blood Road. 2000, S. 96
  10. Prados: The Blood Road. 2000, S. 124
  11. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 12
  12. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 12–13
  13. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 13
  14. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 127
  15. Sheehen: Die Pentagon Papiere, S. 394
  16. Lewy: America in Vietnam. 1980, S. 379
  17. Knöbl: Victor Charlie: Viet Cong – Der unheimliche Feind. 1968, S. 255
  18. Knöbl: Victor Charlie: Viet Cong – Der unheimliche Feind. 1968, S. 256
  19. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 128
  20. Knöbl: Victor Charlie: Viet Cong – Der unheimliche Feind. 1968, S. 257
  21. Prados: The Blood Road. 2000, S. 124
  22. Prados: The Blood Road. 2000, S. 125
  23. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 105
  24. Knöbl: Victor Charlie: Viet Cong – Der unheimliche Feind. 1968, S. 251
  25. Prados: The Blood Road. 2000, S. 131–132
  26. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 114
  27. Knöbl: Victor Charlie: Viet Cong – Der unheimliche Feind. 1968, S. 256
  28. Prados: The Blood Road. 2000, S. 133
  29. Prados: The Blood Road. 2000, S. 88
  30. Prados: The Blood Road. 2000, S. 83
  31. Prados: The Blood Road. 2000, S. 9
  32. Prados: The Blood Road. 2000, S. 156
  33. Prados: The Blood Road. 2000, S. 163
  34. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 16
  35. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 148
  36. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 122
  37. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 17
  38. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 127
  39. Lewy: America in Vietnam. 1980, S. 384
  40. Frey: Geschichte des Vietnamkriegs. 2010, S. 172
  41. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 22
  42. Spector: After Tet: The Bloodiest Year in Vietnam. 1993, S. 22–23
  43. Lewy: America in Vietnam. 1980, S. 387
  44. Lewy: America in Vietnam. 1980, S. 390
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.