Nancy Pelosi
Nancy Patricia D’Alesandro Pelosi (* 26. März 1940 in Baltimore, Maryland) ist eine US-amerikanische Politikerin der Demokratischen Partei. Seit 1987 vertritt sie einen großen Teil der Stadt San Francisco im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten und ist seit dem 3. Januar 2019 dessen Sprecherin. Dieselbe Funktion hatte sie bereits von 2007 bis 2011 inne und war von 2003 bis 2007 sowie zwischenzeitlich Vorsitzende der demokratischen Minderheitsfraktion (Minority Leader).
Familie und Ausbildung
Nancy Pelosi ist Italoamerikanerin. Die Vorfahren des Vaters Thomas D’Alesandro waren aus den Abruzzen in die USA eingewandert; ihre Mutter Annunciata Maria „Nancy“ (geborene Lombardi)[1] wurde in Italien geboren. Aufgewachsen als jüngstes von sechs Geschwistern und einzige Tochter im Little Italy Baltimores, wo ihr Vater eine prägende Figur der Lokalpolitik war, kam sie früh mit Politik in Berührung. Ihr Vater, ein Unterstützer der New-Deal-Politik, wurde drei Mal zum Bürgermeister Baltimores gewählt und gehörte von 1939 bis 1947 dem US-Repräsentantenhaus an. Ihr Bruder Thomas war ebenfalls Bürgermeister der Stadt. Ihre erste Democratic National Convention besuchte sie mit zwölf Jahren; bei der Amtseinführung John F. Kennedys 1961 war sie Gast beim Abendball.
Sie studierte Politikwissenschaft am katholischen Trinity College in Washington, D. C., und schloss ihr Studium dort 1962 mit dem Bachelor ab.[2] Anschließend war sie Praktikantin beim demokratischen US-Senator Daniel Brewster.
Im Jahr 1963 heiratete sie den Investmentbanker Paul Pelosi, den sie beim Studium kennengelernt hatte. Mit ihm hat sie fünf Kinder und zog mit der Familie 1969 von New York City in seine kalifornische Heimat nach San Francisco. Dort zog sie die Kinder auf und gründete einen Club für lokale Anhänger der Demokratischen Partei.[3][4]
Politische Karriere
Pelosi war ihr Leben lang politisch engagiert, unter anderem als Fundraiserin und in der Präsidentschaftskampagne 1976 des damaligen kalifornischen Gouverneurs Jerry Brown. Sie hatte von 1981 bis 1983 den Vorsitz der Demokratischen Partei in Kalifornien inne und wirkte an der Kandidatenrekrutierung und Spendensammlung mit. Bei der Democratic National Convention 1984 in Los Angeles war Pelosi Vorsitzende des Organisationskomitees.[3][4] Zwischen 1985 und 1986 war sie Finanzchefin des Democratic Senatorial Campaign Committee, des Wahlkampfarms der Demokraten im Senat der Vereinigten Staaten.
Pelosi freundete sich mit dem Abgeordneten Phillip Burton an, der San Francisco im US-Repräsentantenhaus vertrat, und mit dessen Witwe Sala Burton, die diesen Sitz nach seinem Tod 1983 einnahm. Todkrank bat Sala Burton Pelosi, für diesen Sitz zu kandidieren, was Pelosi nach Sala Burtons Tod 1987 tat. Sie wurde in einer knapp gewonnenen Nachwahl für den 5. Kongresswahlbezirk Kaliforniens ins Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten gewählt (erster Wahlgang 7. April 1987, Stichwahl 2. Juni 1987). Sie wurde 1988 mit 76,4 % und 1990 mit 77,2 % wiedergewählt. Im 8. kalifornischen Distrikt wurde sie 1992 bis 2010 zehn Mal gewählt (1992: 82,5 %, 1994: 81,9 %, 1996: 84,3 %, 1998: 85,5 %, 2000: 84,4 %, 2002: 79,6 %, 2004: 83,0 %, 2006: 80,4 %, 2008: 71,9 %, 2010: 80,1 %).[5] Ab 1993 vertrat sie im Repräsentantenhaus den 8. Kongresswahlbezirk ihres Staates, seit 2013 den 12., der den Großteil San Franciscos umfasst. 2012 erhielt sie 74,9 % der Stimmen, 2014 73,6 %, 2016 78,1 % und 2018 68,5 %.[6] Die unterschiedliche Nummerierung der geografisch weitgehend identischen Gebiete ergab sich durch Umstrukturierungen nach dem jeweiligen United States Census.
Pelosi erarbeitete sich den Ruf einer gewieften Politikerin und stieg in der Führungsriege der Demokraten im Repräsentantenhaus auf; 2002 wurde sie zum Minority Whip, also zur Geschäftsführerin der Minderheitsfraktion, gewählt. 2003 wurde sie als Nachfolgerin Dick Gephardts demokratische Fraktionsvorsitzende und somit House Minority Leader, da die Demokraten sich zu dieser Zeit in der Minderheit befanden. Sie bemühte sich um die Einigkeit der verschiedenen Strömungen innerhalb ihrer Fraktion.[2] Mit Konstituierung des am 7. November 2006 gewählten 110. Kongresses am 3. Januar 2007 übernahm sie als erste Frau in der Geschichte der Vereinigten Staaten als Sprecherin die Führung des Repräsentantenhauses. Nach der Halbzeitwahl in der ersten Amtszeit Präsident Obamas 2010, bei der Pelosi sich in ihrem Wahlkreis mit 78 % der Stimmen durchsetzte, ihre Partei aber die Mehrheit verlor, musste sie ihr Amt als Sprecherin im Januar 2011 an den Republikaner John Boehner abgeben. Sie übernahm erneut den Vorsitz der demokratischen Minderheitsfraktion, den sie auch nach der Wahl 2016 behielt, obwohl sie von ihrem Kollegen Tim Ryan herausgefordert worden war. Nach der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2016 insbesondere durch den Verlust vieler weißer Wähler aus der Arbeiterschaft hatten einige Demokraten Unzufriedenheit mit Pelosi geäußert.[2]
Nach dem Sieg der Demokraten bei der Repräsentantenhauswahl im November 2018 forderten einige, insbesondere neu gewählte, Abgeordnete ihrer Fraktion eine jüngere Führung. Dennoch nominierte die Fraktion bei ihrer internen Abstimmung am 28. November 2018 Pelosi wieder als Sprecherin für die kommende Legislaturperiode.[7] Am 3. Januar 2019 wurde sie erneut mit 220 von 430 Stimmen zur Sprecherin des Repräsentantenhauses gewählt. Alle Republikaner und 15 Demokraten, vor allem neu gewählte und jüngere, zentristische Politiker, stimmten für andere Kandidaten oder mit present (anwesend).[8] Nach einer Periode in der Minderheit zum zweiten Mal als Sprecher gewählt zu werden, hatte zuletzt über 60 Jahre zuvor Sam Rayburn geschafft.
Am 3. Januar 2021 wurde Pelosi erneut mit 216:209 Stimmen gegen den Republikaner Kevin McCarthy zur Vorsitzenden des Repräsentantenhauses gewählt.[9][10]
Positionen und Initiativen
Pelosi stimmte gegen die Autorisierung des Irakkriegs und kritisierte Präsident George W. Bush deutlich; unter anderem bezeichnete sie ihn als inkompetenten Anführer (incompetent leader). Sie engagiert sich für Umweltschutz sowie gegen einen Abbau der Sozialleistungen. Die praktizierende Katholikin unterstützt die Gleichstellung von Homosexuellen, Beschränkungen des Waffenbesitzes und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, weshalb sie in den USA als „liberal“ angesehen wird (zu Deutsch etwa: „linksliberal“). Innerhalb der demokratischen Fraktion war sie am Anfang Teil des linken Flügels, als sie Mitglied im Congressional Progressive Caucus war, doch mit dem Linksruck der Demokraten rückte sie immer mehr in die Mitte der Demokraten, weswegen sie oft von Mitgliedern des Congressional Progressive Caucus und linken Aktivisten kritisiert wird. So besetzten z. B. linke Aktivisten 2018 ihr Büro für den Green New Deal.[11]
Sie galt als treibende Kraft vieler Initiativen Präsident Barack Obamas, darunter des Investitionsprogramms American Recovery and Reinvestment Act 2009 und der 2010 durchgesetzten Gesundheitsreform Patient Protection and Affordable Care Act (Obamacare). Ihre Beliebtheit sank, als sich die wirtschaftliche Stimmung eintrübte und Gesetze wie Obamacare starke Opposition insbesondere unter Konservativen hervorriefen (siehe Tea-Party-Bewegung). In Donald Trumps Präsidentschaft wurde parteiintern ihre unnachgiebige Haltung gegen den Präsidenten beim Government Shutdown über den Jahreswechsel 2018/2019 gelobt, bei dem sie ihre Fraktion geschlossen hielt und erreichte, dass Trump einlenken musste.[2] Nachdem Pelosi den parteiinternen Rufen nach einem Amtsenthebungsverfahren gegen Trump entgegengetreten war, leitete sie am 24. September 2019 eine offizielle Untersuchung des Repräsentantenhauses zur Amtsenthebung des Präsidenten ein. Trump hatte zuvor eingeräumt, in einem Telefonat den ukrainischen Präsidenten darum gebeten zu haben, Ermittlungen gegen Trumps politischen Konkurrenten Joe Biden aufzunehmen.[12][13] Das Verfahren endete am 5. Februar 2020 mit einem Freispruch Trumps im mehrheitlich republikanisch besetzten Senat des Kongresses.[14] Als Präsident Trump am 5. Februar 2020 seine State of the Union Address vor dem Kongress ablieferte, war die hinter ihm im Präsidium sitzende Pelosi zu sehen, wie sie am Ende der Rede vor laufenden Kameras demonstrativ wortlos das ihr vorliegende Redemanuskript zerriss.[15]
Auszeichnungen
Weblinks
- Nancy Pelosi im Biographical Directory of the United States Congress (englisch)
- Webpräsenz beim Kongress (englisch)
- Amy Tikkanen: Nancy Pelosi. In: Encyclopedia Britannica, 19. Januar 2007 (englisch, mehrfach aktualisiert)
- Pelosi, Nancy. In: Our Campaigns (englisch)
Einzelnachweise
- Ron Cassie: The Gavel Goes Back to Nancy D’Alesandro Pelosi of Little Italy. In: Baltimore Magazine. 4. Januar 2019.
- Amy Tikkanen: Nancy Pelosi. In: Encyclopedia Britannica, 19. Januar 2007.
- Stephanie Salmon: 10 Things You Didn’t Know About Nancy Pelosi. In: U.S. News & World Report, 7. November 2006
- Walt Hickey, Mariana Alfaro: How Nancy Pelosi went from San Francisco housewife to the most powerful woman in US politics. In: Business Insider, 3. Januar 2019.
- Pelosi, Nancy. In: Our Campaigns.
- elections.cdn.sos.ca.gov (S. 21, pdf)
- Ted Johnson: Democrats Nominate Nancy Pelosi as Next Speaker, but 32 Members Vote No. In: Variety, 28. November 2018.
- Lindsey McPherson: Pelosi elected speaker with 15 Democratic defections. In: Roll Call, 3. Januar 2019.
- Neuer US-Kongress tritt nach Wahl erstmals zusammen, 3. Januar 2021, Süddeutsche Zeitung
- Nancy Pelosi als Vorsitzende des Repräsentantenhauses wiedergewählt, 3. Januar 2021, Die Zeit
- Emily Witt: The Optimistic Activists for a Green New Deal: Inside the Youth-Led Singing Sunrise Movement. Abgerufen am 22. April 2021 (amerikanisches Englisch).
- Trump impeachment: Pelosi launches inquiry into Ukraine claims. In: BBC World, 25. September 2019.
- Trumps Affären: Demokraten leiten Amtsenthebungsverfahren ein. In: Spiegel Online. 5. Dezember 2019 (spiegel.de [abgerufen am 5. Dezember 2019]).
- Impeachment-Verfahren endet mit Trumps Freispruch. Zeit.de. 6. Februar 2020, abgerufen am 6. Februar 2020.
- Joan E Greve, Ed Pilkington: Nancy Pelosi rips up Trump's speech after divisive State of the Union address. The Guardian, 5. Februar 2020, abgerufen am 4. Januar 2021 (englisch).
- Eintrag in der Datenbank aller Ehrenzeichen, Internetseite des Präsidenten der Italienischen Republik
- 2015 Spring Conferment of Decorations on Foreign Nationals, Internetseite des japanischen Außenministeriums (englisch)