Milan Rastislav Štefánik
Milan Rastislav Štefánik (* 21. Juli 1880 in Košariská; † 4. Mai 1919 in Ivanka pri Dunaji) war ein slowakischer Politiker, Astronom, Diplomat, Offizier, französischer Militärpilot, General, Gründer der Tschechoslowakischen Legionen[1] im Ersten Weltkrieg und gilt neben Tomáš Garrigue Masaryk und Edvard Beneš als einer der drei Gründerväter der Tschechoslowakei. Von 1918 bis 1919 war er der erste tschechoslowakische Kriegsministera) in der Vorläufigen tschecho-slowakischen Regierung (14. Oktober 1918 bis 14. November 1918).
Leben
Štefánik kam als eines von 13 Geschwistern einer lutherisch-slowakischen Pastorenfamilie im damaligen Königreich Ungarn zur Welt. Er besuchte das evangelische Lyzeum in Preßburg und Ödenburg. Er studierte Astronomie an der Karls-Universität Prag und lernte als Student den tschechischen Politiker Tomáš Garrigue Masaryk kennen. Dadurch fand er Eingang in die tschecho-slowakische Politik und schloss sich der liberalen slowakischen Studentenbewegung Detvan an, die gegen die ungarische Herrschaft und die russophilen Positionen der Slovenská národná strana (Slowakische Nationalpartei von 1871) auftrat.[2][3]
Nach der Promotion 1904 ging er 1906 an das bedeutende Pariser Observatorium und nahm an Forschungsreisen für astronomische Beobachtungen, vor allem Sonnenfinsternisse, etwa nach Brasilien, Neuseeland, Tonga, Tahiti oder die Galapagosinseln teil.[3]
Štefánik war ein Mitglied im Bund der Freimaurer.[4]
Erster Weltkrieg
1912 wurde Štefánik französischer Staatsbürger, nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges diente er als Kampfpilot der französischen Armee vor allem in Serbien.[5] Ab 1915 widmete er sich ganz der Politik und propagierte mit tschechischen Exilpolitikern die Auflösung Österreich-Ungarns und die Gründung der Tschechoslowakei. Im Februar 1916 war er Mitbegründer des Tschechoslowakischen Nationalausschusses. Er reiste erfolgreich durch die wichtigsten Staaten der Entente und in die USA, um diese für die tschechoslowakische Sache zu gewinnen.[6]
Der Nationalausschuss beauftragte ihn mit der Errichtung einer eigenen Armee, bestehend aus den tschechischen und slowakischen Kriegsgefangenen der Entente. Finanzielle Unterstützung erhielt das Vorhaben vor allem vom französischen Staat sowie von in die USA ausgewanderten Slowaken. Zu seinen erfolgreichsten diplomatischen Erfolgen gehört das Dekret über die Schaffung der tschechoslowakischen Armee in Frankreich, welches die französische Regierung im Dezember 1917 erließ. 1918 wurde er zum General der Tschechoslowakischen Legionen.[2][3][7] Er baute die Legionen in Russland, Frankreich und Italien mit auf. Im Mai 1918 versuchte er vergebens, die Hauptkräfte der Legionen in Sibirien zum Aufbau einer neuen Ostfront einzusetzen und entschloss sich, die tschechoslowakischen Einheiten zum Schutz der Transsibirischen Magistrale einzusetzen.[3]
Am 14. Oktober 1918 wurde er – zusammen mit Masaryk und Beneš – Mitglied der ersten tschechoslowakischen Regierung, der Vorläufigen tschecho-slowakischen Regierung, in der er dem Ministerium für das Militärwesena) vorstand; in diesem Amt blieb er bis zu seinem Tod am 4. Mai 1919.[7][8]
Tod
Štefánik starb kurz nach der Entstehung der ČSR am 4. Mai 1919 beim Absturz seines dreimotorigen Doppeldeckers vom Typ Caproni Ca.33 (Nummer 11495) in Vajnory nahe Bratislava. Die Ursachen des Vorgangs wurden nie vollständig geklärt. Eine verbreitete Erklärung war, eine tschechoslowakische Flugabwehrkanone hätte das von Štefánik gelenkte Flugzeug irrtümlich abgeschossen.[9] Vermutlich wurde das grün-weiß-rote italienische Hoheitszeichen des Flugzeugs mit dem ähnlich aussehenden ungarischen Hoheitszeichen verwechselt. Mit Ungarn lag die Tschechoslowakei wegen des Konflikts um die Slowakei faktisch im Kriegszustand. In der Slowakei fand auch die Sichtweise teilweise Verbreitung, der populäre Štefánik sei Opfer eines Anschlags geworden,[10] um der Slowakei eine wirklich gleichberechtigte Stellung in der Tschechoslowakei – die sie in den Folgejahren tatsächlich nicht erhielt – vorenthalten zu können.
Ehrungen
1907 erhielt er den Jules-Janssen-Preis. Ab 1909 war er Mitglied der Royal Astronomical Society.[11] Er wurde 1914 für seine wissenschaftliche Tätigkeit zum Offizier der Ehrenlegion ernannt.
Würdigungen
Štefánik ist seit 1921 in einem großen Grabmal auf dem Berg Bradlo, dem Hausberg von Brezová pod Bradlom im Gebirge Myjavská pahorkatina, begraben. Viele Straßen wurden nach ihm benannt. Statuen von ihm gibt es in Prag, Bratislava und Paulhan (Frankreich), ein Denkmal in Košice (Slowakei). Auch der Flughafen Bratislava ist nach ihm benannt. Die Tschechoslowakei brachte 1991 und 1993 eine 10-Kronen-Münze mit seinem Porträt in Umlauf und er war auch auf dem ehemaligen slowakischen 5000-Kronen-Schein zu sehen. Weiterhin ist er Namensgeber für den Asteroiden (3571) Milanštefánik, eine Prager Sternwarte und einen Eisenbahntunnel auf der Bahnstrecke Nové Mesto nad Váhom–Veselí nad Moravou. Auch das Luftwaffengeschwader in Malacky trägt seinen Namen. 2019 würdigte die Slowakei seinen 100. Todestag mit einer 2-Euro-Gedenkmünze.
Anmerkungen
- a) In der Vorläufigen Regierung wurde Štefánik das Ministerium für das Militärwesen (ministerstvo vojenství) anvertraut (in seltenen Fällen auch als "Kriegsministerium" – ministerstvo války – bezeichnet). Dieses Ministerium leitete Štefánik auch nach der Gründung der Tschechoslowakei (am 28. Oktober 1918) in der Regierung Karel Kramář (verantwortlich für die tschechoslowakischen Armeeeinheiten im Ausland, d. h. für die Tschechoslowakischen Legionen), wobei es daneben auch ein Ministerium für die nationale Verteidigung, geleitet von Václav Klofáč, gab (verantwortlich für die neu gegründete Tschechoslowakische Armee im Inland). Danach hieß das Ministerium meist Verteidigungsministerium (oder ähnlich)[3][12]
Einzelnachweise
- Roland Schönfeld: Slowakei. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart Pustet, München 2000, ISBN 3-7917-1723-5, S. 272.
- Renata SakoHoess: Slowakei. DuMont Reiseverlag, 2004, ISBN 3-770-16057-6, S. 27.
- PhDr. Milan Rastislav Štefánik, Lebenslauf auf dem Portal der Regierung der Tschechischen Republik, online auf: vlada.cz/...
- Tajné společenství v Čechách – zednáři(Geheimgesellschaften in Böhmen-Freimaurer) (Czech) Homepage des Sender ČT24. Abgerufen am 18. November 2012.
- Stanislav J. Kirschbaum: A history of Slovakia. The struggle for survival. St. Martin's Press, New York 1996, ISBN 0-312-16125-5, S. 149f.
- Iván T. Berend: Central and Eastern Europe before World War II. University of California Press, Berkeley 1998, ISBN 0-520-20617-7, S. 164f.
- Období první republiky 1918 - 1938 [Periode der ersten Republik 1918–1938], Material der Regierung der Tschechischen Republik, online auf: vlada.cz (PDF; 98 kB)
- První československý voják - Milan Rastislav Štefánik, ein Gespräch von 23. März 2013 (moderiert durch Vladimír Kučera) mit den Historikern Michal Kšiňan, Jiří Rajlich und Ivan Šedivý, Fernsehsender Česká televize ČT24, online auf: ct24.ceskatelevize.cz/...
- Josef Kalvoda: The genesis of Czechoslovakia. Columbia University Press, New York 1986, ISBN 0880331062, S. 458; und Joseph A. Mikuš: Slovakia. A political history: 1918–1950. Marquette University Press, Milwaukee 1963, S. 15.
- Herbert Michaelis (Hrsg.): Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Band 12: Das Dritte Reich. Das sudetendeutsche Problem. Das Abkommen von München und die Haltung der Großmächte. Wendler, Berlin 1979, S. 395.
- Zlatá Praha: Založení první hvězdárny ...; Jahrgang 23 (1910–1911); Nr. 28, S. 280.
- Vláda Karla Kramáře (14.11.1918 - 08.07.1919), Portal der Regierung der Tschechischen Republik, online auf: www.vlada.cz/...
Literatur
- Roland Schönfeld: Slowakei. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart Pustet, München 2000, ISBN 3-7917-1723-5.
- Dušan Kováč: Milan Rastislav Štefánik. Rak, Budmerice 1996, ISBN 8-085-50110-4. (Slowakisch)
- Ján Juríček: General Milan Rastislav Štefánik. July 21, 1880–May 4, 1919. Nas̆e Snaky, Elmhurst 1980. (Englisch)
- I. Chalupecký: Štefánik Milan Rastislav. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 13, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2010, ISBN 978-3-7001-6963-5, S. 133 f. (Direktlinks auf S. 133, S. 134).
Weblinks
- Biografie mit zahlreichen Bildern (Englisch)