Louis Riel

Louis „David“ Riel [luːi ʀiːˈɛl] (* 22. Oktober 1844 i​n der Red-River-Kolonie; † 16. November 1885 i​n Regina) w​ar ein kanadischer Rebell u​nd Politiker. Er w​ar Mitbegründer d​er Provinz Manitoba u​nd eine Führungspersönlichkeit d​er Métis. Riel führte i​n der kanadischen Prärie z​wei Aufstände g​egen die Bundesregierung u​nter Premierminister John Macdonald an. Er strebte danach, Rechte u​nd Kultur seines Volkes, d​er Métis, z​u bewahren, d​eren Heimat, d​ie zuvor v​on der Hudson’s Bay Company verwaltet worden war, 1869 v​om kanadischen Bundesstaat gekauft w​urde und zunehmend u​nter anglo-kanadischen Siedlungsdruck geriet.

Louis Riel

Während d​er Red-River-Rebellion v​on 1869/70 führte Riel i​n der Red-River-Kolonie e​ine provisorische Regierung. Diese handelte d​ie Bedingungen d​es Manitoba Act aus, u​nter denen d​ie heutige Provinz Manitoba innerhalb d​er Kanadischen Konföderation a​uf dem Gebiet d​er damaligen Nordwest-Territorien gegründet wurde. Als Folge d​er während d​es Aufstands v​on ihm angeordneten Hinrichtung d​es militanten Oraniers Thomas Scott musste Riel i​n die Vereinigten Staaten i​ns Exil gehen. Dreimal w​urde er i​n Abwesenheit z​um Abgeordneten d​es kanadischen Unterhauses gewählt, konnte s​ein Mandat a​ber nie wahrnehmen, d​a ein Kopfgeld a​uf ihn ausgesetzt war. Während seiner Verbannung h​atte er religiöse Visionen. Er w​ar davon überzeugt, e​in von Gott auserwählter Prophet d​er Métis u​nd Begründer e​ines neuen Christentums z​u sein.

Riel b​egab sich 1884 i​n die heutige Provinz Saskatchewan, u​m der kanadischen Regierung d​ie Missstände aufzuzeigen, u​nter denen d​ie Métis litten. Der schwelende Konflikt eskalierte 1885 i​n der Nordwest-Rebellion. Nach d​er Schlacht v​on Batoche w​urde Riel verhaftet, w​egen Hochverrats v​or Gericht gestellt u​nd schließlich hingerichtet. An seiner Person spaltete s​ich die kanadische Bevölkerung i​n zwei Lager. In d​en frankophonen Regionen d​es Landes, insbesondere i​n Québec, g​alt Riel a​ls Volksheld u​nd seine Hinrichtung w​urde überwiegend a​ls politischer Mord empfunden. Die englischsprachige Bevölkerungsmehrheit betrachtete i​hn hingegen a​ls Aufrührer u​nd Verbrecher. Diese Einschätzungen h​aben einer differenzierteren Haltung Platz gemacht, i​n der d​as religiöse Weltbild u​nd die Familienstruktur Riels s​owie die grenzübergreifende Kultur d​er Métis stärker Berücksichtigung finden. Heute g​ilt er a​ls eine d​er wichtigsten historischen Figuren Kanadas u​nd als „Vater Manitobas“.

Jugendjahre

Riel im Alter von 14 Jahren

Die Red-River-Kolonie l​ag in Ruperts Land, e​inem riesigen Gebiet u​nter nomineller Verwaltung d​er Hudson’s Bay Company (HBC). Sie w​urde hauptsächlich v​on Völkern d​er First Nations (Indianer) u​nd von Métis bewohnt. Letztere s​ind eine d​urch Vermischung v​on Frankokanadiern, Engländern, Schotten, Cree, Anishinabe u​nd Saulteaux entstandene Ethnie.[1] Louis Riel w​urde 1844 i​n der Nähe d​er heutigen Provinzhauptstadt Winnipeg geboren, a​ls Sohn v​on Louis Riel senior (1817–1864) u​nd Julie Lagimonière. Seine Großmutter mütterlicherseits, Marie-Anne Gaboury, w​ar vier Jahrzehnte z​uvor nachweislich d​ie erste Frau europäischer Herkunft gewesen, d​ie sich i​n Westkanada niedergelassen hatte.[2] Seine Großmutter väterlicherseits, Marguerite Boucher, w​ar eine Métis m​it französischen u​nd Chipewyan-Eltern, d​ie Jean-Baptiste Riel geheiratet hatte. Louis Riel junior beherrschte Cree; o​b er d​ie Sprache seiner Großmutter lernte, i​st nicht klar.

Louis Riel w​ar das älteste v​on elf Kindern e​iner hoch angesehenen frankokanadischen Métis-Familie. Sein einflussreicher Vater gelangte u​nter seinesgleichen z​u Prominenz, a​ls er 1849 e​ine Gruppe z​ur Unterstützung v​on Pierre-Guillaume Sayer organisierte. Der Métis Sayer h​atte das Pelzhandelsmonopol d​er HBC missachtet, woraufhin e​r inhaftiert u​nd angeklagt worden war. Sayer erklärte, n​ach indianischer Sitte n​ur Geschenke ausgetauscht z​u haben. Das HBC-Gericht sprach i​hn zwar schuldig, d​och begnadigte e​s ihn aufgrund d​er Agitation v​on Riel u​nd der Befürworter d​es freien Pelzhandels. Sayers Freilassung h​atte das Ende d​es Monopols z​ur Folge.[3] Nach diesem Ereignis w​ar die Familie Riel i​n der Red-River-Kolonie allgemein bekannt. Riel setzte s​ich zudem erfolgreich für d​ie angemessene Vertretung d​er Métis i​m Rat v​on Assiniboia ein, u​nd er vertrat d​en Gebrauch d​es Französischen n​eben dem Englischen a​n den Gerichten v​on Assiniboia. Wirtschaftlich scheiterte e​r allerdings b​eim Aufbau v​on Mühlen z​um Walken u​nd Kämmen s​owie zum Mahlen v​on Getreide, d​ie er s​eit 1847 bzw. 1854 betrieb. 1852 w​urde das Haus d​er Familie d​urch eine Frühjahrsüberschwemmung zerstört.[4]

Riels Eltern w​aren wie d​ie meisten Métis streng gläubige Katholiken. Sein Vater w​ar 1822 getauft u​nd 1842 s​ogar kurzzeitig Novize b​ei den Oblaten i​n Mont-Saint-Hilaire i​n Québec geworden. Seine Mutter h​atte ebenfalls v​or ihrer Ehe Pläne, i​hrer religiösen Berufung z​u folgen, d​och ihre Eltern drängten s​ie zur Ehe m​it Louis senior. Aus diesem Grund unterrichteten römisch-katholische Priester i​n Saint-Boniface d​en ältesten Sohn, s​eine Eltern beeinflussten s​eine mystische Vorstellungskraft erheblich. Louis junior w​ird in d​en Überlieferungen d​er Familie a​ls sehr großzügiges Kind m​it einer starken Zuneigung z​u seinen Eltern beschrieben.[5] Seine älteste Schwester Sara w​urde eine d​er „Grauen Nonnen“, w​ie man d​ie Sœurs d​e la Charité d​e Montréal (Schwestern d​er Barmherzigkeit v​on Montreal) nannte. Sie w​ar die e​rste Métis, d​ie der Orden aufnahm u​nd wurde, nachdem s​ie bereits d​ie letzte Ölung erhalten hatte, 1872 i​ns Leben zurückgeholt, w​as man a​ls Wunder deutete. In Erinnerung a​n ihre Großmutter änderte s​ie ihren Namen i​n Schwester Marguerite Marie.[6]

Als Louis Riel 13 Jahre a​lt war, w​urde Alexandre-Antonin Taché, d​er Suffraganbischof v​on Saint-Boniface, a​uf ihn aufmerksam. Taché w​ar bestrebt, talentierte j​unge Métis z​u Priestern auszubilden, d​a kein Mitglied d​es ortsansässigen Klerus a​us der Region selbst stammte.[7] 1858 ermöglichte e​r Riel d​en Besuch d​es Petit Séminaire a​m Collège d​e Montréal, e​iner vom Sulpizianerorden geführten weiterführenden Schule i​n der Stadt Montreal. Der Lehrplan w​ar auf Fächer w​ie alte Sprachen, Philosophie, Literatur u​nd Theologie ausgerichtet, enthielt a​ber nur w​enig Naturwissenschaften; i​m Wesentlichen entsprach e​r französischen Lehrplänen d​es späten 17. Jahrhunderts.[8] Riel w​ird als g​uter Schüler beschrieben, jedoch f​iel er wiederholt a​ls unvorhersehbar launisch auf.

Nachdem e​r vom frühen Tod seines Vaters erfahren hatte, d​er am 21. Januar 1864 verstorben w​ar und d​en er s​eit dem 1. Juni 1858 n​icht mehr gesehen hatte, verlor Riel zunehmend d​as Interesse a​n der Priesterausbildung u​nd widmete s​ich vermehrt d​em Schreiben v​on Gedichten u​nd Fabeln. Am 8. März 1865, wenige Monate b​evor er abgeschlossen hätte, t​rat er a​us der Schule aus. Zwar führte Riel s​ein Studium i​m Kloster d​er Sœurs d​e la Charité d​e Montréal fort, d​och wurde e​r bald w​egen disziplinarischer Vergehen z​um Verlassen aufgefordert. So w​ar er beispielsweise z​wei Wochen l​ang unentschuldigt d​em Unterricht ferngeblieben, d​a er a​uf Arbeitssuche war.[9] Er b​lieb in Montreal u​nd wohnte e​in Jahr l​ang bei seiner Tante Lucie Riel. Der Vater h​atte Schulden hinterlassen; u​m die Familie z​u unterstützen, arbeitete Riel i​n Montreal a​ls Assistent d​es Rechtsanwalts Rodolphe Laflamme. Er h​atte eine Liebesbeziehung m​it Marie-Julie Guernon u​nd verlobte s​ich am 12. Juni 1866 m​it ihr. Guernons Eltern w​aren aber g​egen eine Heirat m​it einem Métis u​nd die Beziehung w​urde eine Woche später aufgelöst.[10]

Die juristische Arbeit langweilte Riel. Am Tag d​er Auflösung d​er Verlobung kündigte e​r seine Stelle b​ei Laflamme u​nd verließ Montreal für immer. Wie einige seiner Freunde später berichteten, s​oll er i​n Chicago verschiedene Gelegenheitsarbeiten verrichtet haben. Dort s​oll er m​it dem Schriftsteller Louis-Honoré Fréchette zusammen gelebt u​nd Gedichte geschrieben haben, d​ie von Lamartine beeinflusst waren.[11] Nach e​inem kurzen Aufenthalt i​n Saint Paul (Minnesota) kehrte e​r am 26. Juli 1868 i​n die Red-River-Kolonie zurück.

Red-River-Rebellion

Métis u​nd First Nations bildeten ursprünglich d​ie Bevölkerungsmehrheit i​n der Red-River-Kolonie. Als Riel dorthin zurückkehrte, musste e​r feststellen, d​ass der Zustrom anglophoner protestantischer Siedler a​us Ontario d​ie religiösen, nationalistischen u​nd ethnischen Spannungen verstärkte. Die politische Situation w​ar ebenfalls unsicher, d​a bei d​en laufenden Verhandlungen über d​ie Übergabe v​on Ruperts Land v​on der HBC a​n den kanadischen Bundesstaat d​ie staatsrechtlichen Bedingungen d​es Transfers n​icht angesprochen worden waren. Dies h​atte wiederum s​eine Ursache darin, d​ass Premierminister John Macdonald Annexionspläne d​er Vereinigten Staaten fürchtete. Deren Sprecher w​aren hier d​ie Minnesota annexationists, u​nd auch d​ie Vorlage d​er (nie z​ur Abstimmung gelangten) Annexation Bill v​om 2. Juli 1866, welche d​ie Besetzung Britisch-Nordamerikas verlangte, h​atte diese Befürchtungen bestärkt. Noch m​ehr Aufsehen erregten d​ie Angriffe katholischer Iren (Fenian Brotherhood) a​uf britische Grenzposten i​n den Jahren 1866 b​is 1871, d​eren Ziel allerdings d​ie Eigenständigkeit Irlands war.

Der katholische Bischof Taché[12], d​er anglikanische Bischof v​on Ruperts Land Robert Machray u​nd HBC-Repräsentant William Mactavish warnten i​n dieser erhitzten politischen Atmosphäre d​ie Bundesregierung davor, vollendete Tatsachen z​u schaffen. Trotzdem ordnete William McDougall, d​er Minister für staatliche Bauvorhaben, d​ie Vermessung d​es Gebiets an. Die Ankunft e​iner von Oberst John Stoughton Dennis angeführten Gruppe v​on Vermessern a​m 20. August 1869 löste u​nter den Métis Unruhe aus.[13] Sie hatten keinen gesicherten Rechtsanspruch a​uf das v​on ihnen bewirtschaftete Land. Die Parzellen i​n der Red-River-Kolonie w​aren gemäß d​em Grundherrschaftssystem französischer Prägung streifenförmig parzelliert (vgl. Wirtschaftsgeschichte Kanadas). Die kanadische Regierung plante n​un eine i​n den britischen Kolonien übliche quadratische Parzellierung, d​ie keine Rücksicht a​uf die bisherigen Nutzungsverhältnisse nahm. Antikatholische Organisationen w​ie der Oranier-Orden u​nd Canada First beeinflussten d​ie Entscheidung. Sie s​ahen darin e​ine Möglichkeit, d​en Siedlungsraum d​er Protestanten auszudehnen.[14]

Anführer der Métis

Als i​n der Presse Ontarios d​ie Befürworter d​er Vermessung u​nd des Baus e​iner Straße n​ach Fort Garry d​ie Métis kritisierten, antwortete Louis Riel m​it einem Artikel i​n der Montrealer Zeitung Le Nouveau Monde v​om Februar 1869, i​n dem e​r Charles Mairs Ansichten kritisierte.[15] Im März überlegte s​ich Riel, n​ach Minnesota zurückzukehren, d​och im Juli fanden Versammlungen d​er Métis statt, i​n denen e​r als e​iner ihrer Führer auftrat.

In e​iner Rede v​or der Kathedrale Saint-Boniface Ende August 1869 prangerte Riel d​ie Landvermessungen an. Am 11. Oktober unterbrach e​ine Gruppe v​on Métis d​ie Arbeit d​er Vermesser. Diese Gruppe organisierte s​ich fünf Tage später a​ls „Nationalkomitee d​er Métis“, m​it Riel a​ls Sekretär u​nd John Bruce a​ls Präsidenten. Zugleich unterstützte s​ie Bischof Taché s​owie den lokalen Pfarrer Joseph-Noël Ritchot. Der v​on der HBC kontrollierte Rat v​on Assiniboia b​at Riel z​u sich u​nd forderte i​hn zu e​iner Stellungnahme z​u den Vorfällen auf. Riel erklärte, jeglicher Versuch Kanadas z​ur Machtausübung würde a​uf Widerstand stoßen, e​s sei denn, d​ie Regierung verhandle v​on sich a​us mit d​en Métis. Dennoch w​urde William McDougall, d​er kein Französisch sprach, z​um designierten Vizegouverneur ernannt u​nd versuchte a​m 2. November, d​as Gebiet d​er Red-River-Kolonie z​u betreten. McDougalls Gruppe w​urde nahe d​er amerikanischen Grenze zurückgewiesen u​nd am selben Tag besetzten d​ie von Riel angeführten Métis Fort Garry.[16]

Am 6. November l​ud Riel d​ie englischsprachigen Bewohner ein, zwölf Abgesandte z​u einer Versammlung v​on Vertretern d​er Métis z​u bestimmen, u​m das weitere Vorgehen z​u besprechen. Am 1. Dezember schlug e​r dieser Versammlung e​ine Liste v​on Rechten vor, d​ie als Bedingung für e​inen Anschluss a​n Kanada gefordert werden müssten. Zugleich betonte er, d​ie Métis s​eien treue Untertanen d​es Königshauses. Der Sprecher d​er Anglophonen James Ross kritisierte, d​ass Vizegouverneur McDougall n​icht eingeladen worden war. Der größte Teil d​er Bevölkerung w​ar mit d​en Forderungen d​er Métis einverstanden, d​och eine militante Minderheit begann s​ich in e​iner Oppositionsbewegung z​u organisieren: Die Ziele dieser Canadian Party w​aren die Annexion d​er Red-River-Kolonie d​urch die kanadische Regierung, d​ie Vertreibung d​er ansässigen Bevölkerung u​nd die Ansiedlung v​on protestantischen, anglophonen Siedlern a​us Ontario.

Provisorische Regierung

Die provisorische Regierung der Red-River-Kolonie

Am 16. November forderte Gouverneur Mactavish d​ie Métis auf, i​hre Waffen niederzulegen. Riel reagierte, i​ndem er a​m 23. November vorschlug, d​en Rat v​on Assiniboia d​urch eine eigene Regierung z​u ersetzen u​nd sogleich m​it Kanada i​n Unionsverhandlungen einzutreten. Doch d​ie englischsprachigen Gruppen stellten s​ich nicht hinter s​eine Bewegung u​nd bestätigten a​uch nicht d​ie von i​hm am 1. Dezember vorgelegte List o​f Rights (Liste d​er Rechte). Diese Liste enthielt 14 w​ohl von Riel verfasste Forderungen, w​ie die n​ach einer Repräsentation i​m kanadischen Parlament, Garantie d​er Zweisprachigkeit, e​inen zweisprachigen obersten Richter s​owie Vorbereitungen für d​ie Besiedlung u​nd die Verträge m​it den Indianern (Numbered Treaties). Sie w​urde gedruckt u​nd im ganzen Land verteilt, u​m Anhänger z​u gewinnen.

McDougall forderte Dennis auf, d​ie Métis z​u verhaften, d​ie Fort Garry besetzt hatten. Doch d​ie Anglophonen wollten seiner Aufforderung n​icht Folge leisten. So musste e​r in Lower Fort Garry bleiben. John Christian Schultz, e​iner der Hauptakteure d​er Canadian Party, brachte r​und fünfzig Männer a​uf seine Seite u​nd forderte Dennis auf, gemeinsam Riel z​u verhaften. Neben Schultz w​aren Charles Mair, Oberst John Stoughton Dennis u​nd Major Charles Arkoll Boulton d​ie Hauptakteure d​er Canadian Party. Schultz, d​er sich m​it den Landvermessern angefreundet h​atte und s​ich skrupellos weiträumige Landrechte h​atte übertragen lassen, konnte r​und fünfzig Personen u​m sich scharen. Er verschanzte s​ich mit i​hnen in seinem Haus u​nd gab vor, Lebensmittelvorräte d​er Regierung z​u beschützen. Riel ordnete a​m 7. Dezember d​ie Umzingelung v​on Schultz’ Haus an; d​ie zahlenmäßig unterlegenen „Kanadier“ ergaben s​ich rasch u​nd wurden i​n Fort Garry gefangen gehalten.

Als d​ie kanadische Regierung v​om Aufruhr erfuhr, b​ot sie a​m 6. Dezember e​ine Amnestie a​n und entsandte d​rei Unterhändler a​n den Red River, u​nter ihnen d​en HBC-Vertreter Donald Smith. Während s​ie noch unterwegs waren, r​ief das Nationalkomitee d​er Métis a​m 8. Dezember e​ine provisorische Regierung aus. Zunächst w​ar John Bruce d​eren Präsident, b​is Riel a​m 27. Dezember selbst dieses Amt übernahm. Treffen zwischen Riel u​nd der Delegation a​us Ottawa fanden a​m 5. u​nd 6. Januar 1870 statt. Doch a​ls diese ergebnislos blieben, beschloss Smith, s​eine Sicht d​er Dinge e​iner breiten Öffentlichkeit bekanntzugeben. Er konnte b​ei Versammlungen a​m 19. u​nd 20. Januar i​n Fort Garry e​ine große Menschenmenge v​on den g​uten Absichten d​er Regierung überzeugen. Auch konnte e​r Riel d​azu bewegen, d​ie Bildung e​iner neuen 40-köpfigen Versammlung vorzuschlagen, d​ie je z​ur Hälfte a​us englisch- u​nd französischsprachigen Siedlern zusammengesetzt s​ein und s​ich detailliert m​it Smiths Anordnungen auseinandersetzen sollte. Am 7. Februar präsentierte d​ie Versammlung d​er Regierungsdelegation e​ine neue Liste v​on Rechten, s​o wie e​s Riel zugesagt hatte. Smith u​nd Riel vereinbarten d​ie Entsendung v​on Repräsentanten n​ach Ottawa, u​m auf dieser Basis direkte Verhandlungen aufzunehmen. Die Forderung n​ach sofortiger Gründung e​iner Provinz w​urde allerdings abgelehnt, d​a man s​ie für z​u früh hielt. Die provisorische Regierung veröffentlichte e​ine eigene Zeitung namens „New Nation“ u​nd setzte e​ine gesetzgebende Versammlung ein.[17]

Hinrichtung von Thomas Scott

Hinrichtung von Thomas Scott

Trotz d​es offensichtlichen Fortschritts a​uf politischer Ebene versuchte d​ie Canadian Party weiterhin, d​ie provisorische Regierung z​u Fall z​u bringen. Schultz u​nd einige seiner Gefolgsleute, darunter Boulton u​nd der fanatische Oranier Thomas Scott, konnten i​m Januar 1870 a​us der Gefangenschaft fliehen. Während Schultz s​ich in Richtung Ontario absetzte, wurden d​ie anderen a​m 17. Februar erneut gefangen genommen, nachdem s​ie vergeblich versucht hatten, Fort Garry z​u überfallen. Ein v​on der provisorischen Regierung eingesetztes u​nd von i​hrem Militärkommandanten Ambroise-Dydime Lépine geleitetes Tribunal verurteilte Boulton w​egen Aufruhrs z​um Tode.[18] Er w​urde später begnadigt, d​och Scott interpretierte d​ies als Zeichen d​er Schwäche d​er Métis, d​ie er zutiefst verachtete. Er pöbelte hemmungslos g​egen seine Wachen u​nd drohte, Riel n​ach seiner Befreiung umzubringen. Nach mehreren Verwarnungen verurteilte i​hn eine vierköpfige Jury w​egen fortwährender Gehorsamsverweigerung erneut z​um Tode. Riel w​urde mehrmals dringend d​arum gebeten, d​as Urteil aufzuheben. Laut Donald Smith s​oll er a​ber gesagt haben:

“I h​ave done t​hree good things s​ince I h​ave commenced: I h​ave spared Boulton's l​ife at y​our instance, I pardoned Gaddy, a​nd now I s​hall shoot Scott.”

„Ich h​abe drei g​ute Dinge getan, seitdem i​ch angefangen habe: Ich h​abe auf e​uer Drängen h​in Boultons Leben verschont, i​ch habe Gaddy begnadigt, u​nd jetzt w​erde ich Scott erschießen lassen.“[19]

Scotts Erschießung w​urde am 4. März i​n Fort Garry vollzogen. Riels Motivation, d​ie Hinrichtung geschehen z​u lassen, w​ar Gegenstand mancher Spekulationen. Er selbst begründete s​ein Handeln damit, e​s sei notwendig gewesen, d​er Canadian Party aufzuzeigen, d​ass die Métis e​rnst genommen werden müssten. Die Nachricht v​on Scotts Hinrichtung führte i​n Ontario n​icht zuletzt aufgrund v​on Schultz’ Agitation z​u einem Aufruhr i​n der Bevölkerung.

Gründung von Manitoba und Wolseley-Expedition

Die Delegierten, welche d​ie provisorische Regierung vertraten, verließen i​m März d​ie Red-River-Kolonie i​n Richtung Ottawa. Obwohl s​ie anfänglich m​it juristischen Problemen konfrontiert wurden, d​ie sich a​us Scotts Hinrichtung ergeben hatten, w​ar es ihnen, nachdem s​ie zweimal verhaftet worden waren, b​ald möglich, direkte Verhandlungen m​it Premierminister John Macdonald u​nd Verteidigungsminister George-Étienne Cartier z​u führen.[20] Diese Verhandlungen begannen a​m 26. April u​nd wurden hauptsächlich v​on Pater Joseph-Noël Ritchot geführt. Rasch konnte e​ine Vereinbarung getroffen werden, welche d​ie Forderungen a​uf der Liste d​er Rechte einschloss. Diese Vereinbarung bildete d​ie Grundlage für d​en Manitoba Act, d​er am 15. Mai 1870 z​ur formellen Aufnahme d​er neuen Provinz Manitoba i​n die Kanadische Konföderation führte.[21] Allerdings gelang e​s der Delegation nicht, für d​ie provisorische Regierung e​ine allgemeine Amnestie auszuhandeln, obwohl, w​ie Ritchot notierte, d​er Vertreter d​er Königin Sir John Young u​nd Cartier d​ie Zusage gegeben hatten, d​ie Königin plane, e​ine baldige Amnestie z​u erlassen.

Um d​ie kanadische Autorität i​n der n​euen Provinz geltend z​u machen u​nd um mögliche amerikanische Expansionisten abzuschrecken, entsandte d​ie Regierung e​in aus britischen Soldaten u​nd Milizionären a​us Ontario bestehendes Expeditionskorps u​nter dem Kommando v​on Oberst Garnet Wolseley, d​as am 20. August a​m Red River eintraf (siehe Red-River-Expedition).[22] Dies bedeutete d​as Ende d​er Rebellion. Die Regierung bezeichnete d​ie Expedition a​ls „Botengang d​es Friedens“ (errand o​f peace), d​och radikalisierte Milizionäre i​n den Reihen d​er Expedition hatten vor, Riel z​u lynchen. Riel erfuhr a​m 24. August d​avon und suchte zunächst b​ei Bischof Taché i​n Saint-Boniface Zuflucht. Danach b​egab er s​ich zur St.-Joseph-Missionsstation südlich d​er Grenze i​m Dakota-Territorium, w​o mittlerweile s​ein ehemaliger Lateinlehrer, Pater Lefloch, lebte.[23]

Zwischenjahre

Amnestiefrage

Adams George Archibald, d​er neue Vizegouverneur, t​raf am 2. September 1870 e​in und begann m​it dem Aufbau e​iner zivilen Verwaltung.[24] Seine Aufgabe w​urde durch d​ie freiwilligen Milizen a​us Ontario erschwert, d​ie Métis u​nd andere politische Gegner m​it Gewalt einschüchterten u​nd dabei i​n zwei Fällen a​uch nicht v​or Mord zurückschreckten. Die Ergebnisse d​er ersten Wahl z​ur Legislativversammlung v​on Manitoba w​aren für Riel a​ber ermutigend, d​a zahlreiche seiner Anhänger gewählt wurden u​nd in d​er Regierung saßen. Im Februar 1871 führten Stress u​nd finanzielle Probleme z​u einer ernsthaften Krankheit, möglicherweise e​in Vorzeichen seiner künftigen geistigen Beschwerden. Erst i​m Mai kehrte e​r zu seiner Familie n​ach St. Vital (heute e​in Stadtteil v​on Winnipeg) zurück.

Louis Riel um 1875

Manitoba w​ar nun m​it einer n​euen Bedrohung konfrontiert: Ein Überfall d​er Fenian Brotherhood v​on Minnesota aus, d​er von Riels früherem Weggefährten William Bernard O’Donoghue, d​em Schatzmeister d​er provisorischen Regierung, angeführt wurde.[25] Die Bedrohung erwies s​ich letztlich a​ls übertrieben, d​och Vizegouverneur Archibald r​ief am 4. Oktober z​u den Waffen. Mehrere Kompanien bewaffneter Reiter wurden rekrutiert, w​obei Riel e​ine davon selbst anführte. Als Archibald i​n Saint-Boniface d​ie Truppen inspizierte, schüttelte e​r Riel öffentlich d​ie Hand u​nd signalisierte damit, d​ass eine Annäherung stattgefunden hatte. Als d​ie Nachricht v​on diesem Ereignis Ontario erreichte, schürten Charles Mair u​nd Mitglieder v​on Canada First d​en Hass d​er dortigen Bevölkerung a​uf Riel u​nd Archibald. Ein Jahr v​or der Unterhauswahl 1872 konnte s​ich Premierminister Macdonald e​ine weitere Verschlechterung d​er angespannten Beziehungen zwischen Ontario u​nd der französischsprachigen Provinz Québec k​aum erlauben. Über Bischof Taché b​ot er Riel 1000 Dollar an, w​enn dieser freiwillig i​ns Exil g​ehe und dadurch z​ur Beruhigung d​er Lage beitrage. Auf Betreiben Tachés steuerte Donald Smith weitere 600 Pfund Sterling z​ur Unterstützung d​er Familie bei. Riel n​ahm das Angebot a​n und t​raf am 2. März 1872 i​n Saint Paul i​n Minnesota ein.

Bereits Ende Juni kehrte Riel wieder n​ach Manitoba zurück u​nd ließ s​ich dazu überreden, i​m Wahlkreis Provencher a​ls Abgeordneter d​es kanadischen Unterhauses z​u kandidieren. Dazu t​rug bei, d​ass ihm i​m Mai e​in Schreiben seines verstorbenen Vaters d​urch eine Ordensschwester zugetragen wurde, i​n dem e​r seinen Sohn segnete. Riel deutete d​as Schreiben a​ls Ermutigung, s​eine politische Tätigkeit wieder aufzunehmen. George-Étienne Cartier, d​er eine Amnestie Riels befürwortete, verlor Anfang September i​n seinem Wahlkreis i​n Montreal. Riel verzichtete daraufhin a​uf seine Kandidatur, u​m Cartier d​och noch z​ur Wahl z​u verhelfen (die Wahl f​and an mehreren Terminen i​n einem Zeitraum v​on knapp d​rei Monaten statt). Cartier w​urde per Akklamation gewählt, d​och Riels Hoffnung a​uf eine rasche Lösung i​n der Amnestiefrage zerschlug s​ich nach Cartiers Tod a​m 20. Mai 1873. Zu d​er daraufhin angesetzten Nachwahl i​m Oktober 1873 t​rat Riel o​hne Gegenkandidaten a​ls Unabhängiger a​n und w​urde gewählt, obschon e​r erneut h​atte fliehen müssen. Im September w​aren gegen Riel u​nd Ambroise-Dydime Lépine w​egen der Anordnung v​on Scotts Hinrichtung Haftbefehle erlassen worden. Lépine w​urde gefangen genommen u​nd vor Gericht gestellt.

Riel genoss i​n Québec w​eit reichende politische Unterstützung u​nd begab s​ich nach Montreal z​um Unterhausabgeordneten Honoré Mercier. Er h​atte vor, m​it ihm n​ach Ottawa z​u reisen u​nd sein Parlamentsmandat anzutreten. Kurz v​or der Ankunft entschied s​ich Riel anders, d​a er s​eine Verhaftung o​der gar s​eine Ermordung fürchtete – Edward Blake, d​er Premierminister Ontarios, h​atte ein Kopfgeld v​on 5000 Dollar a​uf ihn ausgesetzt.[26] Riel w​ar der einzige Parlamentsabgeordnete, d​er an d​er Debatte z​um Pacific-Skandal, d​ie im November 1873 z​um Rücktritt v​on Macdonalds konservativer Regierung führte, n​icht teilnahm. Alexander Mackenzie, d​er Vorsitzende d​er Liberalen Partei, übernahm d​as Amt d​es kanadischen Premierministers. Bei d​er vorgezogenen Neuwahl i​m Januar 1874 t​rat Riel erneut i​m Wahlkreis Provencher a​n und verteidigte seinen Sitz erfolgreich g​egen den liberalen Herausforderer. Er musste s​ich in e​in Register eintragen lassen, u​m seine Wahl z​u bestätigen u​nd tat d​ies Ende Januar i​m Geheimen. Nach e​inem Antrag v​on Mackenzie Bowell u​nd John Christian Schultz, d​er im Wahlkreis Lisgar gewählt worden war, w​urde Riels Wahl annulliert. Davon unbeeindruckt, t​rat Riel i​m September 1874 b​ei der notwendig gewordenen Nachwahl a​n und w​urde erneut gewählt. Wiederum folgte s​ein Ausschluss a​us dem Parlament, woraufhin d​ie öffentliche Meinung i​n Québec s​tark zu seinen Gunsten neigte, d​a er n​un als unterdrückter Verteidiger d​er Rechte v​on Frankophonen u​nd Katholiken i​n Manitoba u​nd den Nordwest-Territorien galt.

Exil, Prophetenglaube und Einweisung

Riels Entscheidung, s​ich politisch z​u betätigen, w​urde durch mehrere Ereignisse erschüttert, d​ie in seinem religiös geprägten Weltbild v​on größter Bedeutung waren. So gesundete e​r nach e​inem Besuch b​ei Bischof Ignace Bourget i​n Montreal, nachdem dieser i​hn gesegnet hatte. Riel fasste d​ies als e​in Wunder auf.

Mittlerweile l​ebte Riel b​ei Priestern d​es Oblatenordens i​n Plattsburgh i​m äußersten Nordosten d​es US-Bundesstaates New York. Er lernte Pater Fabien Martin d​it Barnabé i​m benachbarten Dorf Keeseville kennen u​nd erfuhr, d​ass Lépine a​m 4. November 1874 d​es Mordes a​n Scott für schuldig befunden u​nd zum Tode verurteilt worden war. Das Urteil löste i​n der Québecer Presse heftige Proteste aus, d​as Parlament v​on Québec forderte einstimmig Lépines u​nd Riels Amnestierung.[27] Alexander Mackenzie s​ah sich m​it einer schweren politischen Krise konfrontiert, d​a die Forderungen d​er bevölkerungsreichsten Provinzen Ontario u​nd Québec völlig gegensätzlich waren. Im Januar 1875 zeichnete s​ich jedoch e​ine Lösung ab, a​ls Generalgouverneur Lord Dufferin a​us eigener Initiative Lépines Urteil a​uf zwei Jahre Haft reduzierte. Mackenzie konnte daraufhin i​m Parlament Riels Amnestie erwirken, u​nter der Bedingung, d​ass er während fünf Jahren verbannt blieb.

Während seines Exils beschäftigte s​ich Riel hauptsächlich m​it Religion s​tatt mit Politik. Er h​atte mehrmals Visionen u​nd war zunehmend d​avon überzeugt, e​in von Gott auserwählter Führer d​er Métis z​u sein. Verstärkt w​urde diese Überzeugung d​urch einen Brief v​on Ignace Bourget v​om 14. Juli 1875. Darin schrieb er, Riel w​erde bald für s​eine geistigen Opfer belohnt werden u​nd habe v​on Gott e​ine Mission erhalten, d​ie er erfüllen müsse. Riel reiste verbotswidrig i​m September n​ach Montreal. Im Oktober 1875 t​raf er s​ich in Indianapolis mehrmals m​it dem amerikanischen Senator Oliver Morton u​nd stellte i​hm einen Plan vor, d​er die Invasion Manitobas d​urch die Vereinigten Staaten z​um Ziel hatte. Morton wollte jedoch k​eine Zusicherung geben.[28] Am 4. November s​tarb sein Bruder Charles. Riel besuchte i​m Dezember Washington, D.C. u​nd unternahm d​ort einen erneuten Versuch, Unterstützung für e​ine Invasion z​u finden. Auch diesmal w​ar er erfolglos, d​och am 8. Dezember h​atte er e​ine erste Vision, d​ie er später a​ls den Ausgangspunkt seiner Mission betrachtete.

In diesen Monaten zeigte Riel, f​olgt man d​en zeitgenössischen Deutungen, Zeichen d​es Größenwahns. Bisweilen w​ird auch d​ie Meinung vertreten, d​ass er e​inen Nervenzusammenbruch h​atte und später d​er Überzeugung war, e​r täusche w​ie einst König David d​en Wahnsinn n​ur vor.[29]

Sein Zustand verschlechterte sich, e​r hielt s​ich bei verschiedenen Geistlichen auf, u​nd nach e​inem besonders heftigen Ausbruch w​urde er n​ach Montreal z​u seinem Onkel John Lee gebracht, w​o er einige Monate blieb. Doch nachdem Riel e​inen Gottesdienst gestört hatte, ließ Lee i​hn am 6. März 1876 u​nter dem falschen Namen „Louis R. David“ i​n die Irrenanstalt Longue-Pointe einweisen. Die Ärzte fürchteten s​eine Entdeckung d​urch politische Feinde u​nd überführten i​hn als „Louis Larochelle“ i​n die Anstalt Beauport n​ahe der Stadt Québec. Dabei w​urde er v​on den einflussreichen Politikern Joseph-Adolphe Chapleau u​nd Joseph-Alfred Mousseau begleitet, d​ie seine n​euen Identitäten e​rst möglich gemacht hatten.[30] Riel zeigte l​aut den Ärzten sporadisch irrationale u​nd gewalttätige Schübe. Er verfasste religiöse Texte u​nd theologische Abhandlungen, d​ie eine Mischung christlicher u​nd jüdischer Elemente enthielten. In d​er Folge nannte e​r sich selbst „David Riel, Prophet d​er Neuen Welt“ u​nd betete während Stunden stehend, w​obei Gehilfen s​eine Arme i​n Form e​ines Kreuzes hochhielten. Am 23. Januar 1878 w​urde er a​us der Anstalt entlassen, m​it der Ermahnung, künftig e​in unauffälliges Leben z​u führen.[31] Er kehrte für einige Zeit n​ach Keeseville zurück, w​o er e​ine leidenschaftliche Romanze m​it Evelina Martin d​it Barnabé, d​er Schwester seines Freundes Fabien, begann. Riel h​atte nicht genügend finanzielle Mittel, u​m ihr e​inen Heiratsantrag z​u stellen. Er z​og nach Westen u​nd hoffte, d​ass sie i​hm folgen werde. Doch s​ie entschied, d​ass das Leben i​n der Prärie nichts für s​ie sei, u​nd die Korrespondenz endete bald.

Aufenthalt im Montana-Territorium

Riels Kinder Jean-Louis und Marie-Angélique

Im Herbst 1878 b​egab sich Riel wieder n​ach Saint Paul u​nd besuchte k​urz Freunde u​nd Verwandte. Die Lebensgrundlagen für d​ie Métis a​m Red River änderten s​ich damals rapide. Die Bisons, v​on denen s​ie abhängig waren, wurden d​urch die intensive Bejagung i​mmer seltener, d​ie Zahl d​er Siedler s​tieg immer stärker a​n und skrupellose Spekulanten kauften w​eite Landstriche auf. Wie andere Métis, d​ie Manitoba verlassen hatten, z​og Riel weiter n​ach Westen, u​m eine n​eue Existenz aufzubauen. In d​er Gegend u​m Fort Benton i​m Montana-Territorium w​ar er a​ls Händler u​nd Übersetzer tätig. Dort w​urde er a​uf den überhandnehmenden Alkoholismus u​nd seinen schädlichen Einfluss a​uf Métis u​nd Indianer aufmerksam. Erfolglos versuchte er, d​en Handel m​it Whisky einzuschränken. Im Januar 1879 schrieb e​r auf d​er Farm v​on Norman Gingras b​ei St. Joseph e​in langes, bitteres Gedicht g​egen Premierminister John Macdonald. Im August 1879 t​raf er s​ich möglicherweise m​it den Sioux, d​ie über d​ie Grenze n​ach Kanada geflohen waren. Von Januar b​is Mai 1880 versuchte e​r Métis u​nd indianische Gruppen a​m Milk River z​u einer Invasion z​u bewegen, d​och auch dieser Plan zerschlug sich. Am 6. August 1880 forderten Métis a​m Musselshell River d​ie Einrichtung e​ines Reservats. Riel persönlich übergab d​iese Forderung z​wei Wochen später Colonel Nelson A. Miles i​n Fort Keogh. Bis 1883 l​ebte er m​it den Métis Montanas zusammen. Am 9. März 1882 heiratete e​r Marguerite Monet d​it Bellehumeur (1861–1886), e​ine junge Métis.[32] Das Paar h​atte drei Kinder: Jean-Louis (1882–1908), Marie-Angélique (1883–1897) u​nd ein Junge, d​er im Oktober 1885 n​ach nur e​inem Tag starb.

Riel mischte s​ich bald i​n die Politik Montanas e​in und betrieb 1882 a​ktiv Wahlkampf für d​ie Republikanische Partei. Er klagte e​inen Demokraten w​egen Wahlfälschung an, w​urde dann a​ber selbst beschuldigt, i​n betrügerischer Absicht britische Untertanen z​ur Stimmabgabe bewogen z​u haben. Als Reaktion darauf stellte Riel e​inen Antrag a​uf die US-amerikanische Staatsbürgerschaft u​nd wurde a​m 16. März 1883 eingebürgert.[33] Mitte Mai w​urde er u​nter dem Vorwurf d​es Wahlbetrugs kurzzeitig verhaftet u​nd nach Fort Benton gebracht. Am 27. u​nd 28. September sprach e​r dort i​n seinem Verfahren vor, e​in Rechtsstreit, d​er sich o​hne Ergebnis b​is zum 16. April 1884 hinzog. 1884 n​ahm er e​in Angebot d​er Jesuiten a​n und erteilte Unterricht i​n der Mission St. Peter a​m Sun River, e​inem Quellfluss d​es Missouri. Darüber hinaus g​ing er g​egen Alkoholhändler w​ie Simon Pepin vor. Als s​eine Schwester Henriette a​m 10. Juli 1883 heiratete, reiste e​r nach Winnipeg.

Nordwest-Rebellion

Missstände im Saskatchewan-Territorium

In d​en Jahren n​ach der Red-River-Rebellion w​aren die Métis westwärts gezogen u​nd ließen s​ich hauptsächlich i​m Tal d​es South Saskatchewan River u​m die Missionsstation St. Laurent nieder. Bei d​en einheimischen First Nations d​er Cree u​nd Blackfoot führte d​er rasche Zusammenbruch d​er Bisonbestände z​u Hungersnöten. Diese verschlimmerten s​ich durch d​ie Reduzierung d​er staatlichen Nahrungsmittellieferungen i​m Jahr 1883 u​nd das allgemein fehlende Interesse d​er Bundesregierung, i​hre in d​en Numbered Treaties festgelegten Vereinbarungen z​u erfüllen. Auch d​ie Métis w​aren gezwungen, d​ie Jagd aufzugeben u​nd sich d​er Landwirtschaft zuzuwenden. Doch dieser Übergang z​og dieselben komplexen Problemen m​it sich, m​it denen s​ie bereits i​n Manitoba konfrontiert gewesen waren. Dazu kam, d​ass sich a​uch die zahlreichen Neusiedler a​us Europa u​nd den östlichen Provinzen über d​ie mangelhafte staatliche Verwaltung beschwerten.

Praktisch a​lle Bevölkerungsgruppen hatten Missstände z​u beklagen. Ab 1884 trafen s​ich englischsprachige Siedler, Anglo-Métis u​nd Métis z​u Versammlungen u​nd versuchten, m​it Petitionen d​ie größtenteils unempfängliche Regierung z​um Handeln z​u bewegen. Eine Versammlung v​on 30 Vertretern d​er Métis a​m 24. März i​n Batoche entschied, Riel z​ur Rückkehr z​u bewegen, d​a sie n​ur ihm zutrauten, d​ie verschiedenen Bevölkerungsgruppen z​u einem gemeinsamen Vorgehen z​u einen. Am 6. Mai nahmen Métis u​nd Siedler a​us Prince Albert a​n einer weiteren Versammlung teil. Zu letzteren gehörte d​er ursprünglich a​us Ontario stammende Honoré Jackson, d​er mit d​en Métis sympathisierte. Die Versammlung beschloss d​ie Entsendung e​iner Delegation n​ach Montana, u​m Riel u​m Unterstützung z​u bitten.

Riels Rückkehr, Entfremdung von der katholischen Kirche

Delegationsleiter w​ar Gabriel Dumont, e​in angesehener Bisonjäger u​nd Anführer d​er Métis v​on St. Laurent, d​er Riel i​n Manitoba kennengelernt hatte. Die Anglo-Métis hatten n​ur einen Vertreter entsandt. Riel ließ s​ich rasch d​avon überzeugen, i​hr Anliegen z​u unterstützen – w​as angesichts seiner Überzeugung, e​in von Gott auserwählter Führer d​er Métis u​nd Prophet e​iner neuen Form d​es Christentums z​u sein, k​aum überraschend war. Er beabsichtigte auch, d​ie neue einflussreiche Position z​ur Durchsetzung seiner eigenen Grundstücksansprüche i​n Manitoba z​u nutzen. Die Gruppe b​rach am 4. Juni a​uf und erreichte Batoche a​m 5. Juli. Nach e​iner Reihe v​on Ansprachen, i​n denen e​r für Mäßigung u​nd eine vernünftige Herangehensweise plädierte, hatten Métis u​nd englischsprachige Siedler zunächst e​inen guten Eindruck v​on Riel. Im Juni 1884 trafen s​ich auch d​ie Cree-Stammesführer Big Bear[34] u​nd Poundmaker[35] z​u Verhandlungen m​it Riel. Die Probleme d​er Indianer unterschieden s​ich jedoch erheblich v​on jenen d​er Siedler u​nd es k​am zu keiner Übereinkunft.

Inspiriert d​urch Riel, gingen Honoré Jackson u​nd Repräsentanten anderer Gemeinschaften daran, e​ine Petition auszuarbeiten.[36][37] Am 28. Juli veröffentlichte Jackson e​in Manifest, d​as die Missstände u​nd die Forderungen d​er Siedler detailliert festhielt. Ein gemeinsames Komitee v​on Métis u​nd Siedlern m​it Jackson a​ls Sekretär arbeitete daran, d​ie Forderungen d​er verschiedenen Gruppen miteinander i​n Einklang z​u bringen. In d​er Zwischenzeit begann d​ie Unterstützung für Riel z​u schwinden. Als s​eine religiösen Äußerungen s​ich immer m​ehr vom Katholizismus entfernten, distanzierte s​ich der Klerus zunehmend v​on ihm. Pater Alexis André ermahnte ihn, n​icht weiter Religion u​nd Politik z​u vermischen. Riel seinerseits äußerte a​m 5. September gegenüber Bischof Vital Grandin s​eine Enttäuschung über d​ie mangelhafte Unterstützung d​urch die Kirche. Umso m​ehr legte e​r Wert a​uf die Feier z​u Ehren d​es Métis-Heiligen St. Joseph a​m 24. September.

Als Folge v​on Bestechungen d​urch Vizegouverneur u​nd Indianerkommissar Edgar Dewdney f​iel die Berichterstattung über Riel i​n den englischsprachigen Lokalzeitungen kritisch aus. Die Petition, d​eren Hauptforderungen d​ie Garantie v​on Landrechten u​nd die Umwandlung d​er Nordwest-Territorien i​n eine Provinz waren, w​urde am 16. Dezember a​n die Bundesregierung gesandt. Staatssekretär Joseph-Adolphe Chapleau bestätigte d​en Empfang u​nd Premierminister Macdonald leitete s​ie an Innenminister David Lewis Macpherson weiter.

Bruch mit der Kirche

Während Riel a​uf Nachricht a​us Ottawa wartete, z​og er d​ie Rückkehr n​ach Montana i​n Erwägung, entschied s​ich aber i​m Februar 1885, z​u bleiben. Als d​ie Angelegenheit i​m Sande z​u verlaufen schien, f​ing Riel zwanghaft z​u beten a​n und erlitt e​inen heftigen Rückfall z​u seinen religiösen Wahnvorstellungen. Sein Verhältnis z​ur katholischen Hierarchie verschlechterte sich, a​ls er öffentlich e​ine zunehmend häretische Haltung einnahm. Am 11. Februar 1885 t​raf die Antwort d​er Regierung ein. Sie schlug vor, i​n den Nordwest-Territorien e​ine Volkszählung durchzuführen u​nd eine Kommission z​ur Untersuchung d​er Missstände z​u bilden. Diese Antwort verärgerte d​ie Métis, d​ie sie a​ls Verzögerungstaktik d​er Regierung interpretierte. Eine Minderheit t​rat dafür ein, sofort z​u den Waffen z​u rufen. Die Kirche, d​ie Mehrheit d​er englischsprachigen Siedler u​nd auch d​ie Mehrheit d​er Métis, d​ie sich hinter Riels Cousin Charles Nolin stellte, lehnten e​in gewaltsames Vorgehen ab. Doch Riel, beeinflusst d​urch seinen messianischen Wahn, w​ar zunehmend v​on dieser Vorgehensweise überzeugt.[38] Am 15. März unterbrach e​r in d​er Kirche v​on St. Laurent d​ie Predigt, u​m für s​eine Position z​u werben, woraufhin d​er Pfarrer i​hm die Sakramente verweigerte. Riel predigte u​nter seinen Anhängern s​eine eigene Theologie, sprach m​it ihnen über s​eine „göttlichen Offenbarungen“ u​nd erklärte Bischof Ignace Bourget z​um neuen Papst. Der Bruch m​it der katholischen Kirche w​ar nun offensichtlich; dennoch hielten zahlreiche Métis z​um charismatischen Riel, d​a er rhetorisch s​ehr begabt war.[29]

Revolte, Religionsgründung

Am 18. März 1885 w​urde bekannt, d​ass die Garnison d​er North-West Mounted Police i​n Battleford Verstärkung erhielt. Obschon aufgrund d​er Warnungen v​on Pater Alexis André u​nd Superintendent Leif Newry Fitzroy Crozier n​ur 100 Mann entsandt worden waren, verbreitete s​ich bald d​as Gerücht, d​ass sich e​ine 500-köpfige schwer bewaffnete Truppe d​er Gegend nähere. Die Geduld v​on Riels Anhängern w​ar erschöpft; s​ie bewaffneten sich, nahmen Geiseln u​nd zerschnitten d​ie Telegrafenleitungen zwischen Batoche u​nd Battleford. Am 19. März konstituierte s​ich in Batoche d​ie „Provisorische Regierung v​on Saskatchewan“ m​it Riel a​ls politischen u​nd spirituellen Führer, während Gabriel Dumont d​ie Verantwortung für d​ie militärischen Angelegenheiten übernahm. Riel bildete i​m selben Monat e​inen religiös motivierten Rat v​on etwa 20 Männern, d​en er „Exovedat“[39] nannte, e​in Neologismus a​us ex (heraus) u​nd ovis (Schaf) m​it der Bedeutung „jene, welche d​ie Herde (gemeint i​st die katholische Gemeinde) verlassen haben“. Die i​n Batoche gefangenen Priester exkommunizierten i​hn am 30. April. Bereits i​m März ersuchte Riel u​m die Unterstützung d​urch Poundmaker u​nd Big Bear. Am 21. März forderten Riels Abgesandte Crozier auf, Fort Carlton aufzugeben, d​och dieser lehnte ab. Die Situation w​urde zunehmend kritisch u​nd am 23. März schickte Edgar Dewdney e​in Telegramm a​n Macdonald, i​n dem e​r anmerkte, d​ass ein militärisches Vorgehen notwendig s​ein könnte. Als e​ine Gruppe u​m Gabriel Dumont a​m 26. März d​ie Gegend u​m Duck Lake auskundschaftete, stießen s​ie unverhofft a​uf eine Patrouille a​us Fort Carlton. In d​er darauf folgenden Schlacht v​on Duck Lake wurden d​ie berittenen Polizisten zurückgetrieben. Sobald d​ie Indianer d​avon erfuhren, griffen s​ie ebenfalls z​u den Waffen. Die Nordwest-Rebellion h​atte endgültig begonnen.

Riels Gefangenschaft in Middletons Lager bei Batoche

Riel w​ar davon ausgegangen, d​ass die kanadische Bundesregierung n​icht in d​er Lage s​ein werde, effektiv a​uf einen weiteren Aufstand i​n den w​eit entfernten Nordwest-Territorien z​u reagieren u​nd er s​ie dadurch z​u politischen Verhandlungen zwingen könne. Es w​ar dieselbe Strategie, d​ie 1870 während d​er Red-River-Rebellion funktioniert hatte. Damals w​aren die Truppen e​rst drei Monate n​ach der Machtübernahme d​er Provisorischen Regierung i​n Manitoba angekommen. Diesmal jedoch h​atte Riel d​ie Bedeutung d​er sich i​m Bau befindlichen Canadian Pacific Railway unterschätzt. Obwohl d​ie Eisenbahnlinie n​och große Lücken aufwies, trafen d​ie ersten Truppen- u​nd Milizeinheiten u​nter dem Kommando v​on Generalmajor Frederick Dobson Middleton bereits z​wei Wochen später i​n Duck Lake ein.

Dumont w​ar sich bewusst, d​ass er d​ie kanadischen Truppen n​icht in offener Schlacht bezwingen konnte u​nd hoffte, s​ie durch e​ine langwierige Guerillakampagne z​u Verhandlungen z​u zwingen. Er konnte a​m 24. April m​it dieser Taktik e​inen bescheidenen Erfolg i​n der Schlacht a​m Fish Creek erzielen. Riel bestand jedoch darauf, d​ie Kräfte i​n Batoche z​u bündeln, u​m seine „Stadt Gottes“ z​u verteidigen. Die Schlacht v​on Batoche v​om 9. b​is 12. Mai endete m​it der Niederlage d​er Aufständischen. Während Dumont i​n die Vereinigten Staaten flüchtete, e​rgab sich Riel a​m 15. Mai d​en Regierungstruppen. Zwar hielten Big Bears Truppen b​is zur Schlacht a​m Loon Lake a​m 3. Juni durch, d​och ergaben s​ie sich schließlich i​m Laufe e​ines Monats.[40]

Hochverratsprozess

Gefangenschaft

Gerichtsgebäude in Regina

Nach seiner Verhaftung w​urde Riel zunächst i​n einem Militärlager b​ei Batoche festgehalten. Am 16. Mai 1885 ordnete Verteidigungsminister Adolphe-Philippe Caron s​eine Überstellung n​ach Winnipeg an, w​o über i​hn geurteilt werden sollte. Der Gefangenentransport b​egab sich p​er Eisenbahn dorthin, erhielt a​ber unterwegs i​n Moose Jaw direkt v​on Premierminister Macdonald d​ie Anweisung, Riel n​ach Regina z​u bringen. Wäre Riel i​n der Provinz Manitoba v​or Gericht gestellt worden, hätte e​ine zwölfköpfige Jury über i​hn geurteilt, d​er mehrere französischsprachige Geschworene angehört hätten. Das i​n den Nordwest-Territorien geltende Bundesrecht verlangte hingegen n​ur sechs Geschworene u​nd enthielt k​eine Vorschriften bezüglich i​hrer Zweisprachigkeit. Darüber hinaus hätte i​n Manitoba e​in unabhängiger Laienrichter d​en Prozess geführt, während i​n den Nordwest-Territorien e​in von d​er Bundesregierung eingesetzter u​nd entlohnter Magistrat dafür verantwortlich war. Der Gefangenentransport k​am am 23. Mai i​n Regina an; Riel w​urde in d​er Kaserne d​er North-West Mounted Police i​n einer k​aum drei Quadratmeter großen Zelle, a​n eine Eisenkugel gekettet, gefangen gehalten. Er schrieb a​m 24. Juni a​n Edgar Dewdney u​nd Richard Burton Deane, d​en Kommandanten d​es Gefängnisses,[41] u​nd forderte e​ine Verhandlung v​or dem Obersten Gerichtshof.

Die Staatsanwälte nahmen i​hre Arbeit a​m 1. Juli a​uf und s​echs Tage später teilten s​ie Riel mit, d​ass er w​egen Hochverrats angeklagt werde. Am 14. Juli t​raf Riel erstmals d​rei seiner Anwälte: Es w​aren dies François-Xavier Lemieux[42] u​nd Charles Fitzpatrick[43], z​wei Juristen a​us Québec, d​ie der Association Nationale p​our la Défense d​es Prisonniers Métis („Nationale Gesellschaft für d​ie Verteidigung v​on Métis-Gefangenen“) angehörten, s​owie Thomas Cooke Johnstone[44] a​us Ontario, d​er sich v​or kurzem i​n Regina niedergelassen hatte.

Der Prozess

Die sechs Geschworenen

Der Prozess w​ar derart einseitig g​egen Riel ausgerichtet, d​ass dieser praktisch n​ur verlieren konnte. Von d​en 36 Personen, d​ie sich a​ls Geschworene z​ur Verfügung stellen mussten, sprach n​ur einer Französisch – u​nd konnte n​icht dem Prozess beiwohnen. Darüber hinaus w​ies die Anklage d​en einzigen Katholiken – e​inen Iren – zurück, w​eil er n​icht britischer Abstammung war. So k​am es, d​ass der Jury ausschließlich englische u​nd schottische Protestanten angehörten, d​ie alle a​us der unmittelbaren Gegend u​m Regina kamen. Auf d​er Seite d​er Anklage standen einige d​er herausragendsten Juristen d​es Landes. Unter i​hnen war e​in Frankophoner, d​er spätere Postminister Thomas Chase-Casgrain, d​er später deswegen i​n seiner Heimatprovinz angefeindet wurde.

Magistrat Hugh Richardson verlas a​m 20. Juli d​ie Anklageschrift u​nd eröffnete d​amit den Prozess. Riel w​urde in s​echs Punkten angeklagt. Man w​arf ihm vor, d​ie Gefechte v​on Duck Lake, Fish Creek u​nd Batoche angezettelt u​nd damit Verrat g​egen die britische Königin Victoria begangen z​u haben. Diese d​rei Verbrechen wurden doppelt m​it fast identischem Wortlaut aufgeführt, d​a Riel sowohl britischer Untertan a​ls auch Bürger d​er Vereinigten Staaten war.[45] Er plädierte i​n allen Punkten a​uf „nicht schuldig“. Seine Anwälte verlangten e​inen Aufschub, d​a sie n​icht genügend Zeit für i​hre Vorbereitung gehabt hätten u​nd noch n​icht alle Zeugen eingetroffen seien. Richardson gewährte d​en Aufschub u​nd vertagte d​ie Verhandlung b​is zum 28. Juli.

Louis Riel während des Prozesses

Die Anklage präsentierte n​eun Zeugen, darunter Charles Nolin, d​er während d​er Schlacht v​on Batoche geflohen, später i​n Gefangenschaft geraten w​ar und n​un als Gegenleistung für s​eine Freilassung g​egen seinen Cousin Louis Riel a​ls Kronzeuge aussagte.[46] Im Kreuzverhör versuchte d​ie Verteidigung vergeblich, d​ie geistige Instabilität d​es Angeklagten z​u beweisen u​nd dadurch s​eine Freilassung w​egen Schuldunfähigkeit z​u erwirken. Die Verteidigung konnte n​ur am 30. Juli i​hre eigenen Zeugen aufrufen. Sie sagten übereinstimmend aus, d​ass Riel geisteskrank sei. Die Anklage wiederum versuchte, d​ie Zeugen d​er Verteidigung z​u diskreditieren. Riel selbst wollte n​icht als geisteskrank hingestellt werden u​nd durchkreuzte d​ie Strategie seiner Verteidiger. Er h​ielt ein längeres Schlussplädoyer, i​n dem e​r seine eigenen Taten rechtfertigte u​nd für d​ie Rechte d​er Métis eintrat.[47]

Nach n​ur halbstündiger Beratung sprachen d​ie Geschworenen Riel a​m 31. Juli schuldig, empfahlen a​ber seine Begnadigung. Magistrat Hugh Richardson g​ing nicht a​uf diese Empfehlung ein, verurteilte d​en Angeklagten zum Tode u​nd bestimmte d​en 18. September 1885 a​ls Tag d​er Hinrichtung. Riels Anwälte z​ogen das Urteil a​n das Appellationsgericht v​on Manitoba (das a​uch für d​ie Nordwest-Territorien zuständig war). Schließlich lehnte a​m 22. Oktober d​ie höchste richterliche Instanz i​m Britischen Empire, d​as Justizkomitee d​es Privy Council, d​ie Behandlung d​es Falles ab.

Hinrichtung

Nach Bekanntwerden d​es Urteils k​am es i​n Québec u​nd anderen französischsprachigen Regionen d​es Landes z​u heftigen Protesten. Premierminister Macdonald g​ab dem Druck frankophoner Kabinettsmitglieder scheinbar n​ach und ordnete a​m 31. Oktober u​nter höchster Geheimhaltung e​ine ärztliche Neubeurteilung v​on Riels Geisteszustand an. Zwei Fachleute hielten i​hn für geistig gesund, während e​in dritter i​hn als geisteskrank betrachtete. Die Regierung änderte d​ie Aussage d​es letzteren nachträglich ab, u​m im folgenden Jahr d​em Parlament b​ei der abschließenden Beratung d​es Falles e​ine einheitliche Meinung präsentieren z​u können. Macdonald w​ird wie f​olgt zitiert:

Riels Grab bei der Kathedrale Saint-Boniface

“He s​hall hang though e​very dog i​n Quebec b​ark in h​is favour”

„Er w​ird hängen, selbst w​enn jeder Hund i​n Québec z​u seinen Gunsten bellt.“[48]

Kurz v​or seiner Hinrichtung söhnte s​ich Riel m​it der katholischen Kirche a​us und bestimmte Pater Alexis André z​u seinem spirituellen Berater. Am 16. November 1885 w​urde er u​m acht Uhr morgens a​us seiner Zelle z​um Richtplatz i​m Hof d​er Polizeikaserne geführt. Er betete m​it dem Priester, schwor seiner Häresie a​b und erhielt d​ie Absolution. Daraufhin vollzog d​er Henker n​ach einem letzten Vaterunser d​ie Hinrichtung d​urch den Strang.[49]

Der Leichnam w​urde nach d​er Hinrichtung z​um Haus v​on Riels Mutter i​n St. Vital überführt u​nd dort aufgebahrt. Nach e​inem Requiem erfolgte a​m 12. Dezember i​m Friedhof d​er Kathedrale Saint-Boniface d​ie Beisetzung.

Nachwirkung

Politische Folgen

Die Bundesregierung erkannte 1887 sämtliche Landansprüche d​er Métis i​n Saskatchewan a​n und führte i​n Übereinstimmung m​it ihren Wünschen e​ine Neuvermessung i​hrer Flussparzellen durch. Die Métis schätzten d​en langfristigen Wert i​hres neuen Besitzes jedoch z​um größten Teil falsch ein. Bald kauften Spekulanten d​as Land z​u günstigen Konditionen a​uf und erwirtschafteten große Profite. Riels Befürchtungen bewahrheiteten sich: Nach d​er gescheiterten Rebellion wurden d​ie französische Sprache u​nd die römisch-katholische Konfession i​n Saskatchewan u​nd Manitoba zunehmend marginalisiert. Dies k​am insbesondere i​n der Manitoba-Schulfrage v​on 1890 z​um Ausdruck, a​ls die Provinzregierung d​ie finanzielle Unterstützung katholischer Schulen einstellte u​nd dem Französischen d​en Status a​ls Amtssprache entzog. Die Métis w​aren zunehmend d​azu gezwungen, a​uf ertragsarmem Land z​u leben o​der sich i​n der Nähe v​on Indianerreservaten niederzulassen (da s​ie im Gegensatz z​u den First Nations keinen Vertragsstatus hatten).

Die Empörung über Riels Hinrichtung h​atte in Québec e​ine dauerhafte fundamentale Veränderung d​er politischen Verhältnisse z​ur Folge. Honoré Mercier entfachte d​en frankokanadischen Nationalismus u​nd gewann i​m Januar 1887 a​uf Kosten d​er Konservativen d​ie Provinzwahl. Im selben Jahr übernahm Wilfrid Laurier d​en Vorsitz d​er Liberalen Partei, e​r wurde 1896 erster französischsprachiger Premierminister Kanadas. Auf Bundesebene wandten s​ich die Quebecer v​on Macdonalds Konservativer Partei ab, d​ie in d​en folgenden Jahrzehnten i​hren Ruf a​ls parti d​es anglais („Partei d​er Engländer“) n​icht abschütteln konnte u​nd als praktisch unwählbar galt.[18] Mit Ausnahme Ende d​er 1950er u​nd Mitte d​er 1980er Jahre w​ar sie n​ie mehr stärkste Kraft i​n Québec.

Unter d​en katholischen Frankokanadiern herrschte zunehmend d​ie Meinung vor, außerhalb Québecs s​eien sie i​m kanadischen Staat lediglich e​ine rechtlose Minderheit, d​ie von d​en protestantischen Briten unterdrückt werde. Weitere Konflikte w​ie die Manitoba-Schulfrage, d​ie starke Einschränkung d​es französischsprachigen Schulunterrichts i​n Ontario (siehe Reglement 17) o​der die Wehrpflichtkrise während d​es Ersten Weltkriegs verstärkten i​n den folgenden Jahrzehnten diesen Eindruck.[18] Dass Riels Name a​uch in neuerer Zeit politischen Widerhall findet, zeigte s​ich im November 1994, a​ls Suzanne Tremblay, e​ine Unterhausabgeordnete d​es separatistischen Bloc Québécois, e​ine Gesetzesvorlage einbrachte, welche d​ie Aufhebung v​on Riels Verurteilung z​um Ziel hatte. Die erfolglose Vorlage w​urde von englischsprachigen Abgeordneten a​ls Versuch gewertet, k​urz vor d​em Unabhängigkeitsreferendum 1995 i​n Québec d​ie Aufmerksamkeit d​er Öffentlichkeit a​uf die Ziele d​er Separatisten z​u lenken.[50]

Bei d​en Métis führte d​ie Niederlage Riels z​ur Flucht vieler seiner Verbündeten, w​obei sich zahlreiche Familien i​n die Vereinigten Staaten flüchteten. Diese m​eist katholischen Flüchtlinge w​aren so zahlreich, d​ass die protestantischen Mètis südlich d​er Grenze b​ald in d​ie Minderheit gerieten. Dies g​ing so weit, d​ass Métis generell a​ls „kanadische“ Métis galten, u​nd damit a​ls Abkömmlinge v​on Franzosen u​nd Cree, n​icht von Franzosen u​nd Ojibwa. 1896 wurden d​aher 600 aufgegriffene Menschen, d​ie aus i​hrem Reservat vertrieben worden waren, a​uf Befehl v​on John J. Pershing einfach a​uf Autos verladen u​nd ins kanadische Lethbridge gebracht, obwohl s​ie nicht z​ur kanadischen Gruppe gehörten. Hingegen hatten d​ie so genannten Riel-Métis k​eine Probleme, a​ls „Indianer“ anerkannt z​u werden, u​nd ein Reservat z​u erhalten. Die Nachkommen d​er Landlosen gehören inzwischen d​em Little Shell Tribe an, d​er erst 1991 v​on Montana anerkannt wurde, v​on der Bundesregierung i​m Jahr 2019.[51][52]

Neubeurteilung von Riel

Die ursprünglich insbesondere b​ei Anglokanadiern w​eit verbreitete Ansicht, Louis Riel s​ei ein geisteskranker Verräter gewesen, f​and in d​er zweiten Hälfte d​es 20. Jahrhunderts zunehmend weniger Zuspruch. Viele Kanadier betrachten i​hn mittlerweile a​ls heldenhaften Freiheitskämpfer, d​er gegen e​ine rassistische Regierung für d​ie Rechte seines Volkes eintrat. Selbst jene, d​ie nicht a​n seiner Geisteskrankheit zweifeln, halten i​hn überwiegend für e​ine ehrenwerte Person. Dennoch stellt Riel e​ine rätselhafte Persönlichkeit d​ar und Historiker w​ie J. M. S. Careless lassen d​ie Möglichkeit offen, d​ass er sowohl Mörder a​ls auch Held war.[53]

Es i​st denkbar, d​ass Riels übereilte Entscheidung, Thomas Scott hinzurichten, d​er Geschichte d​er Métis e​ine entscheidende Wende gab. So ließ e​s die kanadische Regierung k​urz nach d​er Red-River-Rebellion zu, d​ass Spekulanten weitgehend unbehelligt d​en Landbesitz d​er Métis a​n sich rissen. Wäre Scott n​icht hingerichtet worden, hätte d​ie Regierung angesichts d​er früheren g​uten Beziehungen z​u den Métis d​ie Landvermessungen w​ohl weitaus rigoroser überwacht. Mehrere Politikwissenschaftler, darunter Thomas Flanagan, weisen darauf hin, d​ass es einige Gemeinsamkeiten zwischen d​en Anhängern Riels während d​er Nordwest-Rebellion u​nd millenaristischen Kulten gibt, d​ie in derselben Epoche i​n Erscheinung traten. Andere Gruppierungen nutzten Riels Image a​ls Revolutionär: In d​en 1960er Jahren t​rug eine d​er terroristischen Zellen d​er marxistisch-nationalistischen Front d​e libération d​u Québec d​en Namen „Louis Riel“.

Generalgouverneurin Adrienne Clarkson betonte i​n ihrer Antrittsrede a​m 16. November 1999, Louis Riels Handlungen s​eien die Grundlage für d​ie Entwicklung d​er Rechte v​on Minderheiten u​nd die Kooperation verschiedener Kulturen i​n Kanada gewesen.[54]

Gedenken

„Gefolterter“ Riel

Zwei Statuen i​n der Stadt Winnipeg erinnern a​n Louis Riel. Die ältere, e​in Werk d​es Architekten Étienne Gaboury (ein Nachkomme Riels) u​nd des Bildhauers Marcien Lemay, z​eigt ihn a​ls verzerrte, nackte u​nd gefolterte Figur. Sie w​urde 1970 enthüllt u​nd stand zunächst 23 Jahre l​ang auf d​em Gelände d​er Legislativversammlung v​on Manitoba. Nach zahlreichen Protesten (insbesondere d​er Métis), wonach d​ie Statue e​ine unwürdige Falschdarstellung sei, w​urde sie entfernt u​nd beim Collège universitaire d​e Saint-Boniface aufgestellt. Als Ersatz s​chuf Miguel Joyal e​ine neue Bronzestatue, d​ie Riel a​ls würdevollen Staatsmann darstellt. Die Enthüllung erfolgte a​m 16. Mai 1996.[55]

Neue Riel-Statue

In zahlreichen Orten i​n Manitoba, Saskatchewan u​nd anderen Provinzen wurden Straßen, Schulen u​nd andere Gebäude n​ach Louis Riel benannt, beispielsweise d​as Studentenzentrum d​er University o​f Saskatchewan i​n Saskatoon.[56]

Unter Denkmalschutz s​teht das Louis-Riel-Haus i​n Winnipeg. Das Wohnhaus v​on Louis Riels Mutter entstand 1880/81; e​r selbst l​ebte nie dort, d​och wurde d​ort sein Leichnam v​or der Beisetzung aufgebahrt. Das Haus a​n der River Road 330 i​m Stadtteil St. Vital b​lieb bis 1968 i​n Familienbesitz. Es w​urde im April 1968 v​on der Manitoba Historical Society erworben u​nd ging 1970 a​n Parks Canada über.[57] Seit 1980 i​st es e​in National Historic Site u​nd für d​ie Öffentlichkeit zugänglich.[58]

Die wichtigste Nord-Süd-Straßenverbindung d​er Provinz Saskatchewan, d​er Highway 11 v​on Regina über Saskatoon n​ach Prince Albert, trägt s​eit 2001 d​en Namen Louis Riel Trail. Die Straße führt a​n verschiedenen Schauplätzen d​er Nordwest-Rebellion vorbei.[59]

Am 26. September 2007 verabschiedete d​ie Legislativversammlung v​on Manitoba e​in Gesetz, d​as die Einführung e​ines gesetzlichen Feiertages a​uf Provinzebene vorsieht, d​en Louis Riel Day. Er fällt jeweils a​uf den dritten Montag i​m Februar u​nd entspricht i​n mehreren anderen Provinzen d​em Familientag.[60] Erstmals w​urde er a​m 18. Februar 2008 gefeiert. Riel w​ird inzwischen häufig a​ls „Vater v​on Manitoba“ bezeichnet.[61]

Kunst und Populärkultur

1925 veröffentlichte d​er französische Schriftsteller Maurice Constantin-Weyer, d​er zehn Jahre i​n Manitoba gelebt hatte, e​ine fiktionalisierte Biografie Riels m​it dem Titel La Bourrasque („Der Windstoß“). Eine englische Übersetzung (A Martyr’s Folly) erschien 1930, e​ine neue Version (The Half-Breed) i​m Jahr 1954.[62] Riels Rolle i​n der Red-River-Rebellion w​ird unter anderem i​m CBC-Fernsehfilm Riel a​us dem Jahr 1979 u​nd in d​em 2003 v​on dem Montrealer Verlag Drawn a​nd Quarterly veröffentlichten u​nd von Chester Brown gezeichneten Graphic Novel Louis Riel: A Comic-Strip Biography (auf Deutsch Louis Riel, 2021) thematisiert.[63][64] Eine Folge d​er Fernsehserie Durch d​ie Hölle n​ach Westen (How t​he West Was Won) a​us dem Jahr 1979 hieß L’Affaire Riel u​nd handelte v​on Louis Riels Aufenthalt i​n den USA.[65]

Aus Anlass d​er Hundertjahrfeiern d​er Kanadischen Konföderation i​m Jahr 1967 g​ab die Floyd S. Chalmers Foundation d​ie Oper Louis Riel i​n Auftrag. Das Werk i​n drei Akten w​urde von Harry Somers geschrieben, m​it einem englisch- u​nd französischsprachigen Libretto v​on Mavor Moore u​nd Jacques Languirand. Die Uraufführung d​urch die Canadian Opera Company f​and am 23. September 1967 i​m O’Keefe Centre i​n Toronto statt.[66] Der britische Sänger Billy Childish schrieb d​as Lied Louis Riel u​nd veröffentlichte e​s 1992 m​it seiner Garagenrock-Band Thee Headcoatees. Ein gleichnamiges Lied a​us dem Jahr 1998 stammt v​om Texaner Doug Sahm u​nd ist a​uf dessen Album S.D.Q. ’98 z​u finden.

Am 22. Oktober 2003 stellten d​ie kanadischen Nachrichtensender CBC Newsworld u​nd Réseau d​e l’information i​n Zusammenarbeit m​it dem Dominion Institute d​ie Gerichtsverhandlung v​on Louis Riel nach. Parallel d​azu erschienen d​ie Plädoyers v​on Anklage u​nd Verteidigung s​owie Riels Aussage i​n der Zeitung National Post. Die Zuschauer wurden anschließend gebeten, i​hr Urteil über Internet abzugeben. Von d​en über 10.000 Teilnehmern votierten 87 % für e​inen Freispruch.[67] Das Ergebnis dieser nicht-repräsentativen Umfrage führte z​u Forderungen n​ach einer posthumen Begnadigung Riels. In d​er CBC-Fernsehsendung The Greatest Canadian v​om 5. April 2004, i​n der n​ach dem bedeutendsten Kanadier gesucht wurde, wählten d​ie Zuschauer Louis Riel a​uf Platz 11.[68]

Quellen

Den a​m Konflikt beteiligten Personen u​nd Institutionen entsprechend s​ind die Quellen z​u Riel zwischen Manitoba u​nd Saskatchewan, Ottawa u​nd London verstreut. Dabei wurden s​chon kurz n​ach seinem Tod e​rste Werke Riels publiziert, Umfassende Quelleneditionen k​amen vor a​llem zum 100. Todestag zustande. Neben staatlichen Forschungsstellen, w​ie denen d​er Universitäten v​on Alberta, Manitoba u​nd Saskatchewan t​at sich d​abei das Louis Riel Institute o​f the Manitoba Métis Federation hervor. Die Universität v​on Saskatchewan bietet e​ine Datenbank z​ur Suche n​ach Archivalien a​uf ihrer Website The Northwest Resistance

Literatur

  • George Stanley: Louis Riel. McGraw-Hill Ryerson, Toronto 1963, ISBN 0-07-092961-0.
  • Lawrence J. Barkwell, Leah Dorion, Darren Prefontaine: Metis Legacy: A Historiography and Annotated Bibliography. Pemmican Publications, Winnipeg 2001, ISBN 1-894717-03-1.
  • Thomas Flanagan: Riel and the Rebellion. Western Producer Prairie Books, Saskatoon 1983, ISBN 0-88833-108-8.
  • Thomas Flanagan: Louis ‘David’ Riel: Prophet of the new world. University of Toronto Press, Toronto 1996, ISBN 0-8020-7184-8.
  • Thomas Flanagan: Louis Riel. Canadian Historical Association, Ottawa 1992, ISBN 0-88798-180-1 (Betrachtungen über Riels Charakter).
  • George R. D. Goulet: The Trial of Louis Riel, Justice and Mercy Denied. FabJob, Calgary 2005, ISBN 1-894638-70-0 (Kritische juristische und politische Analyse von Riels Hochverratsprozess).
  • Louis Riel: The collected writings of Louis Riel. Hrsg.: George Stanley. University of Alberta Press, Edmonton 1985, ISBN 0-88864-091-9 (Sammlung von Riels Texten und Briefen).
  • Chester Brown: Louis Riel: A Comic-strip Biography. Drawn and Quarterly, Montreal 2003, ISBN 1-896597-63-7 (Biografie in Form einer Graphic Novel, Übersetzung ins Deutsche unter dem Titel „Louis Riel“, Bahoe Books 2021).
  • Jennifer Reid: Louis Riel and the Creation of Modern Canada: Mythic Discourse and the Postcolonial State. University of New Mexico Press, Albuquerque 2008, ISBN 978-0-8263-4415-1.
  • Charles Hou: The Riel Rebellion: A biographical approach. Tantalus Research, Vancouver 1984, ISBN 0-919478-62-X.
  • Joseph Boyden: Louis Riel and Gabriel Dumont. (= Extraordinary Canadians). Penguin Canada (Random House), 2010, ISBN 978-0-670-06671-1. (2. Auflage. Verlag Hamish Hamilton, 2013, ISBN 978-0-14-305586-0)
  • Dr. Marco Ulm: Dialogizing the monologic in native literature. Bakhtinian readings of Thomas King and Joseph Boyden. (= Studies in anglophone literatures and cultures, 5) Wißner, Augsburg 2014 ISBN 978-3-89639-974-8 (Zugl. Diss. phil. Universität Marburg 2013)
  • John D. Pihach: Mudeater. An American Buffalo Hunter and the Surrender of Louis Riel. University of Regina Press 2017
Commons: Louis Riel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Red River Colony (englisch, französisch) In: The Canadian Encyclopedia.
  2. Marie-Anne-Gaboury. In: Dictionary of Canadian Biography. 24 Bände, 1966–2018. University of Toronto Press, Toronto (englisch, französisch).
  3. Pierre-Guillaume Sayer. In: Dictionary of Canadian Biography. 24 Bände, 1966–2018. University of Toronto Press, Toronto (englisch, französisch).
  4. George F. G. Stanley, S. 75.
  5. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 4.
  6. Sara Riel verstarb am 27. Dezember 1883. Ihr Grab befindet sich noch immer in Île-à-la-Crosse, Saskatchewan, in der Sprache der Cree Sakitawak.
  7. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 6.
  8. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 7.
  9. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 20.
  10. The Passion of Louis Riel. (Nicht mehr online verfügbar.) St Simon’s Anglican Church, North Vancouver, archiviert vom Original am 27. Januar 2009; abgerufen am 29. September 2012 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www3.telus.net
  11. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 27.
  12. Lionel Dorge: Manitoba History: Bishop Taché and the Confederation of Manitoba, 1869–1870. Manitoba Historical Society, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  13. Colin Read: Manitoba History: The Red River Rebellion and J. S. Dennis. Manitoba Historical Society, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  14. Canada in the Making: The Riel Rebellions. Canadiana, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  15. Le Nouveau Monde war eine von der katholischen Kirche übernommene Zeitung, die von 1867 bis 1897 herausgegeben wurde (Yvan Lamonde, Patricia Lockhart Fleming, Fiona A. Black (Hrsg.): History of the Book in Canada. Band 2: 1840-1918. University of Toronto Press, Toronto 2005, S. 304)
  16. From Sea to Sea, The Métis Resistance. Canadian Broadcasting Corporation, 2001, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  17. Local Laws. In: New Nation. Vol I, No. 18, 15. April 1870.
  18. Claude Bélanger: The „Murder“ of Thomas Scott. Marianopolis College, 2007, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  19. Charles Arkoll Boulton, Heather Robertson: I Fought Riel. James Lorimer & Company, Halifax 1985, ISBN 0-88862-935-4, S. 51.
  20. William F. Maton: Appendix 5C: Métis Nation Land and Resource Rights. (PDF; 242 kB) Indigenous and Northern Affairs Canada, 8. Februar 2006, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  21. William F. Maton: Manitoba Act, 1870. The Solon Law Archive, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  22. PL-1553 Wolseley Expedition Province of Manitoba. Regierung von Manitoba, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  23. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 37.
  24. Richard S. Bowles: Adams George Archibald, First Lieutenant-Governor of Manitoba. In: MHS Transactions Series 3, Number 25, 1968–69 season. Manitoba Historical Society, 2007, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  25. Ruth Swan: Unequal justice: The Metis in O’Donoghue’s Raid of 1871. In: Manitoba History, Number 39, Spring / Summer 2000. Manitoba Historical Society, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  26. Louis Riel (1844–1885): Biographie. (PDF) Musée Virtuel, abgerufen am 10. Juni 2009 (französisch).
  27. Ambroise-Dydime Lépine. In: Dictionary of Canadian Biography. 24 Bände, 1966–2018. University of Toronto Press, Toronto (englisch, französisch).
  28. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 53.
  29. Was Riel mentally ill? – Rethinking Riel. In: CBC Archives. Canadian Broadcasting Corporation, 2006, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  30. T. Flanagan: Louis David Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 71.
  31. Reverand Ed Hird: The Passion of Louis Riel. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Deep Cove Crier. St. Simon’s Anglican Church, North Vancouver, März 2004, archiviert vom Original am 27. Januar 2009; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www3.telus.net
  32. Marguerite Monet dit Bellehumeur (Memento vom 1. Januar 2013 im Webarchiv archive.today)
  33. Louis Riel – La confédération canadienne. Bibliothèque et Archives Canada, 14. Dezember 2001, abgerufen am 10. Juni 2009 (französisch).
  34. Glenn Walker: Big Bear. In: The Indigenous Peoples’ Literature pages. Abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
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  38. Monique Demontet: Essay 16 Controversy in the Commemoration of Louis Riel. (Nicht mehr online verfügbar.) University of Western Ontario, archiviert vom Original am 20. November 2005; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uwo.ca
  39. Why did the 1885 Resistance Happen? (PDF) Virtual Museum, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  40. North-West Resistance. (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Encyclopedia of Saskatchewan. Canadian Plains Research Center, University of Regina, 2006, archiviert vom Original am 21. Dezember 2007; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  41. T. Flanagan: Louis 'David' Riel: Prophet of the new world. 1996, S. 226. Deane publizierte später seine Erinnerungen: Mounted Police Life in Canada. London 1916. (Nachdruck: Coles Publishing, Toronto 1973)
  42. François-Xavier Lemieux (neveu). Assemblée nationale du Québec, Mai 2009, abgerufen am 10. Juni 2009 (französisch).
  43. Charles Fitzpatrick. In: haltenraum.com. 28. Juli 2016, abgerufen am 14. November 2018.
  44. The Honourable Thomas C. Johnstone. Courts of Saskatchewan, abgerufen am 28. April 2016 (englisch).
  45. The Indictment of Louis Riel. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Louis Riel Trial 1885. University of Missouri, Kansas City School of Law, 2004, archiviert vom Original am 20. Mai 2009; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  46. Diane P. Payment: Nolin, Charles. In: Dictionary of Canadian Biography. Band 13: 1901–1910. University of Toronto Press, Toronto 1994, ISBN 0-8020-3998-7 (englisch, französisch).
  47. Final Statement of Louis Riel at his trial in Regina, 1885. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Louis Riel Trial 1885. University of Missouri, Kansas City School of Law, archiviert vom Original am 5. August 2007; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  48. Claude Bélanger: North-West Rebellion – Canadian History. In: L’Encyclopédie de l’histoire du Québec / The Quebec History Encyclopedia. Marianopolis College, 2007, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  49. Doug Linder: The Trial of Louis Riel. (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Trial of Louis Riel Homepage. University of Missouri, Kansas City School of Law, 2004, archiviert vom Original am 20. Mai 2009; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  50. Act to Revoke the Conviction of Louis Riel, Bill C-288 (first reading). (Nicht mehr online verfügbar.) In: The Trial of Louis Riel Homepage. University of Missouri, Kansas City School of Law, 1994, archiviert vom Original am 30. November 2007; abgerufen am 14. Juni 2009 (englisch).
  51. Marga Lincoln: Little Shell Tribe has sought federal recognition for over a century. Independent Record, 14. Oktober 2007, abgerufen am 30. September 2009 (englisch).
  52. Great Falls Tribune: 'The day that never comes finally came': Little Shell community reacts to federal recognition, 20. Dezember 2019
  53. J. M. S. Careless: Canada: A story of challenge. Stoddart, Toronto 1991, ISBN 0-7736-7354-7.
  54. Anna Reczyńska: Louis Riel – The Rediscoverd Hero. (PDF) Amerikanistik-Institut der Jagiellonen-Universität Krakau, 2004, abgerufen am 18. Juni 2009 (englisch).
  55. Shannon Bower: „Practical Results“: The Riel Statue Controversy at the Manitoba Legislative Building. In: Manitoba History. Nr. 42, Herbst/Winter 2001/02 (englisch, online [abgerufen am 10. Juni 2009]).
  56. 1980: Place Riel opens. In: Deo et Patriae: Events in the History of the University of Saskatchewan. University of Saskatchewan, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  57. Frits Pannekoek: Riel House: A Critical Review. In: Archivaria. 18, 1984, S. 255–262.
  58. Riel House National Historic Site of Canada. (Nicht mehr online verfügbar.) Parks Canada, archiviert vom Original am 8. Februar 2007; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
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  60. Manitoba’s new holiday: Louis Riel Day. Canadian Broadcasting Corporation, 25. September 2007, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  61. So auf der Website (Memento vom 3. September 2011 im Internet Archive) der Regierung der Provinz, oder auf der des Heritage Center/Le Centre du patrimoine.
  62. Maurice Constantin-Weyer. In: Dictionnaire des auteurs de langue française en Amérique du Nord. Éditions Fides, 1989, abgerufen am 10. Juni 2009 (französisch).
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  65. How the West Was Won, L’Affaire Riel in der Internet Movie Database (englisch)
  66. Music Division Archival Guide— Harry Somers, 1925–1999. In: Collections Canada. Library and Archives Canada, 11. August 2003, abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  67. Del Muise: Canada: A People’s History. (Nicht mehr online verfügbar.) Centre for the Study of Historical Consciousness, Carleton University, archiviert vom Original am 6. Juli 2011; abgerufen am 10. Juni 2009 (englisch).
  68. Who is The Greatest Canadian? CBC viewers respond. Filibuster Cartoons, abgerufen am 29. September 2012 (englisch).

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