Leonardo S.p.A.
Leonardo (ehemals Finmeccanica) mit Sitz in Rom ist ein italienischer Luft- und Raumfahrt- sowie Rüstungskonzern, der zu den größten Rüstungsunternehmen der Welt zählt. Der Konzern beschäftigte 2020 rund 50.000 Mitarbeiter, davon die Mehrheit in Italien. Weitere bedeutende Standorte befinden sich in den USA, in Großbritannien, Frankreich, Polen und Deutschland. Seit den 1990er Jahren kontrollierte die ehemalige Staatsholding Finmeccanica fast alle italienischen Rüstungs-, Luft- und Raumfahrtunternehmen.
Leonardo S.p.A. | |
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Rechtsform | Società per azioni |
ISIN | IT0003856405 |
Gründung | 1948 |
Sitz | Rom, Italien |
Leitung |
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Mitarbeiterzahl | 49.882[2] |
Umsatz | 13,41 Mrd. EUR[2] |
Branche | Luft- und Raumfahrttechnik, Rüstungsindustrie |
Website | leonardo.com |
Stand: 31. Dezember 2020 |
Geschichte
Finmeccanica
Finmeccanica wurde im Jahr 1948 als eine Unterholding der staatlichen IRI gegründet und kontrollierte zunächst Maschinen- und Fahrzeugbauunternehmen wie Alfa Romeo und Ansaldo. Im Luftfahrtsektor war Finmeccanica nur über Aeritalia vertreten, die anderen Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen wie Agusta, Aermacchi, Breda oder Selenia blieben privat oder gehörten zu anderen IRI-Holdings wie Efim oder Stet. Ende der 1980er Jahre leitete Finmeccanica eine Konzentration der verschiedenen Luft- und Raumfahrtunternehmen, der Elektronik- und Waffenhersteller ein, ein Prozess, der sich in den 1990er Jahren im Zug von Rationalisierungs- und Privatisierungsmaßnahmen in der staatlich kontrollierten Industrie noch wesentlich verstärkte. Finmeccanica war neben Fincantieri die einzige ehemalige Staatsholding, die aus den Wirtschafts- und Finanzkrisen der 1990er Jahre gestärkt hervorging und sich danach als bedeutendster italienischer Technologiekonzern auf dem Weltmarkt etablieren konnte. 2004 übernahm der Konzern den britischen Hubschrauberhersteller Westland, 2008 für über 5 Mrd. Dollar das US-Rüstungsunternehmen DRS Technologies.
2011 kündigte der italienische Ministerpräsident Mario Monti eine Intensivierung der seit einem Jahr laufenden Untersuchungen zu einer Korruptionsaffäre mit Finmeccanica im Zentrum an. In dem Zusammenhang wurden der Chef der italienischen Flugsicherung ENAV, Guido Pugliesi, der Verkaufsleiter der Finmeccanica-Tochter SELEX Sistemi Integrati, Manlio Fiore, und ein Buchhalter, Marco Iannilli, wegen Steuerbetrug und Geldwäsche festgenommen. Auch gegen den Anfang Dezember 2011 zurückgetretenen Präsidenten von Finmeccanica, Pier Francesco Guarguaglini, wurde ein Verfahren wegen Schwarzgeldkonten im Ausland und Bestechung eingeleitet.[3]
Im Mai 2012 wurde dem 59-jährigen Atommanager einer Tochterfirma der Finmeccanica, Roberto Adinolfi, ins rechte Knie geschossen, ein Bekennerschreiben wurde von der Zelle „Olga“ der Federazione Anarchica Informale veröffentlicht, die sieben weitere Anschläge auf Finmeccanica-Manager ankündigte.[4] Im Februar 2013 wurde Finmeccanica-Chef Giuseppe Orsi wegen Korruptionsverdacht festgenommen, Haftbefehl gegen den Chef von AgustaWestland, Bruno Spagnolini, erlassen und Auslieferungsersuchen gegen zwei in der Schweiz lebende Manager gestellt.[5] Die Leitung von Finmeccanica übernahm der ehemalige italienische Polizeichef Giovanni De Gennaro und der ehemalige Bahnchef Mauro Moretti.
Entstehung von Leonardo
De Gennaro und Moretti leiteten eine umfassende Neuordnung und Rationalisierung ein, in deren Zug verschiedene Geschäftsfelder aufgegeben wurden und die verbliebenen Tochterunternehmen, darunter der Hubschrauberhersteller AgustaWestland, das Flugzeugbauunternehmen Alenia Aermacchi, das Rüstungs- und Elektronikunternehmen Selex ES sowie die Rüstungsunternehmen Oto Melara und Whitehead Alenia Sistemi Subacquei in der sogenannten One Company mit dem alten Holdingnamen Finmeccanica aufgingen und dort zunächst sieben Abteilungen bildeten. 2016 trug das restrukturierte Unternehmen übergangsweise den Namen „Leonardo-Finmeccanica“, Anfang Januar 2017 wurde der Name in Leonardo geändert und das Unternehmen somit nach dem Universalgelehrten Leonardo da Vinci benannt, der unter anderem Entwürfe für verschiedene Flug- und Kriegsgeräte vorlegte, darunter Luftschrauben, U-Boote, Belagerungsgeräte und Panzer.[6][7] Im Mai 2017 ernannte der Verwaltungsrat Alessandro Profumo zum neuen Chief Executive Officer.[8] Ende 2018 wurde im Zug einer Neuordnung die Anzahl der Abteilungen von sieben auf fünf reduziert, indem man die drei früheren Abteilungen Rüstung, Rüstungselektronik sowie Avionik und Raumfahrt fusionierte.[9]
Geschäftsfelder und Organisation
Leonardo entwickelt und baut Flugzeuge, Hubschrauber, Satelliten, Raketen und Raumfahrtkomponenten, Geräte für die Kommunikations- und Informationstechnik, Panzerfahrzeuge, Torpedos und Schiffsgeschütze. Den Bau von Hochgeschwindigkeitszügen, U-Bahn-Fahrzeugen, Trambahnwagen und Omnibussen gab man im Zug der Neuordnung auf; die in diesen Bereichen aktiven Unternehmen AnsaldoBreda, Ansaldo STS und BredaMenarinibus wurden 2015 veräußert (an Hitachi Transportation Systems bzw. Industria Italiana Autobus). Mit dem Verkauf von Ansaldo Energia zog man sich auch aus dem Energiebereich zurück.
Nach der Eingliederung der weiter oben genannten Unternehmen besteht Leonardo aus fünf Divisionen oder Abteilungen:
Die Abteilung Hubschrauber hat das Programm von AgustaWestland übernommen. Dazu gehören die Modelle AW101, AW109, AW139 mit seinen Varianten und AW169 sowie das Kipprotor-Wandelflugzeug AW609. Zu dieser Abteilung gehört auch der polnische Hubschrauberhersteller PZL Świdnik, welcher seit 2010 zu AgustaWestland gehörte. Im Januar 2020 wurde zudem der Kauf des Schweizerischen Hubschrauberprojekts Kopter bekannt gegeben, welches als Kompetenzzentrum für einmotorige Hubschrauber in den Konzern eingegliedert werde.[10]
Die Abteilung Flugzeugbau steht in der Nachfolge von Unternehmen, die im Lauf der Zeit in Alenia Aermacchi aufgingen. Sie produziert heute die Schulflugzeuge M-346, M-345 und SF-260 sowie das Transportflugzeug C-27J. Leonardo ist an der Produktion der Regionalflugzeuge ATR 42 und ATR 72 beteiligt, wobei die Abteilung Flugzeugbau für die militärischen Varianten der beiden Flugzeugtypen verantwortlich ist. Sie ist auch an der Produktion der Kampfflugzeuge Eurofighter Typhoon und Lockheed Martin F-35 beteiligt. Darüber hinaus stellt sie Unbemannte Luftfahrzeuge her oder ist an deren Entwicklung und Bau beteiligt.
Die Abteilung Flugzeugkomponenten ist als Zulieferer für Avions de Transport Régional, Boeing, Airbus, Dassault Aviation, Embraer und Suchoi tätig. Der Rumpf der ATR 42 und der ATR 72 wird in Pomigliano d’Arco gebaut, Rumpfsegmente und andere Teile der Boeing 787 werden in Foggia und Grottaglie produziert, eine Rumpfsektion des Airbus A380 und Bauteile der Airbus-A320-Familie kommen ebenfalls von Leonardo. Für alle genannten Flugzeugbauer stellt diese Abteilung von Leonardo insbesondere Triebwerksgondeln her.
Die Rüstungs- und Elektronikabteilung steht in der Nachfolge von Selex ES, Oto Melara und WASS und ist zuständig für C⁴ISR- oder ISTAR-Systeme, Avionik, Bordradar-Anlagen, Flugsicherungssysteme, Luftraumaufklärungsradargeräte mit großer Reichweite wie das Selex RAT 31DL, das Multifunktionsradar Kronos, Future-Soldier-Systeme und eine Reihe weiterer Sensoren sowie Komponenten für Raumfahrtmissionen. Darüber hinaus stellt diese Abteilung Schiffsgeschütze her, darunter die bekannten 76/62 Compact und 127/64 Lightweight, die Munitionsfamilie Vulcano, die Radpanzer Freccia und Centauro 2, unbemannte See- und Landfahrzeuge sowie die Torpedos Black Shark, MU90 und A244/S. Hinzu kommen Postsortieranlagen und Gepäckförderanlagen.
Die Produkte der Abteilung für Sicherheits- und Informationssysteme sind vorwiegend auf den Bedarf von Sicherheits- und Polizeibehörden ausgerichtet. Schwerpunkte sind die Informationssicherheit und Überwachungssysteme.
Aktionäre
(Stand: Februar 2021)[11]
- Italienischer Staat über das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen: 30,2 %
- Institutionelle Anleger: 48,8 %
- Private Anleger: 17,5 %
- Eigene Aktien: 0,5 %
Beteiligungen
Leonardo gehört das US-amerikanische Unternehmen Leonardo DRS (ehemals DRS Technologies)[12], die polnische Firma PZL Świdnik und Kopter in der Schweiz sowie das in Rom ansässige Technologieunternehmen Vitrociset.[13] Das Satellitenunternehmen Telespazio gehört Leonardo zu zwei Dritteln, Avions de Transport Régional zur Hälfte, an dem Raumfahrttechnik-Unternehmen Thales Alenia Space ist man zu einem Drittel beteiligt, an Avio zu rund 30 Prozent und an dem europäischen Rüstungsunternehmen MBDA zu einem Viertel. Im April 2021 wurde bekannt gegeben, dass eine 25,1 % Beteiligung an dem deutschen Rüstungsunternehmen Hensoldt erworben werden soll.[14]
Weblinks
- Website der Leonardo S.p.A. (italienisch, englisch)
Einzelnachweise
- leonardocompany.com – Board of Directors
- leonardocompany.com – Integrated Annual Report 2020
- Ermittlungen beim Rüstungskonzern Finmeccanica. In: Neue Zürcher Zeitung. 24. November 2011, abgerufen am 24. November 2011.
- Italian anarchists kneecap nuclear executive and threaten more shootings. In: The Guardian. 11. Mai 2012 (englisch).
- Italienischer Rüstungsboss festgenommen. In: Spiegel Online. 12. Februar 2013.
- New Company's Name … In: leonardocompany.com, Rom, 4. Mai 2016, abgerufen 22. Januar 2017.
- Arrivederci, Finmeccanica: Italian Defense Giant Rebrands as Leonardo. In: defensenews.com, 16. März 2016.
- Leonardo: the Board of Directors appoints Alessandro Profumo Chief Executive Officer – DETAIL – Leonardo – Aerospace, Defence and Security. Abgerufen am 17. Mai 2017 (britisches Englisch).
- Leonardo: nasce la Divisione Electronics, affidata a Norman Bone. reportdifesa.it 14. Dezember 2018
- Kopter wird an Leonardo verkauft, skynews, 28. Januar 2020.
- leonardocompany.com – Shareholders base
- Internetauftritt von Leonardo DRS
- Internetauftritt von Vitrociset
- Hensoldt: HENSOLDT AG welcomes LEONARDO as a new major shareholder. Pressemitteilung. 24. April 2021, abgerufen am 24. April 2021.