Hensoldt (Unternehmensgruppe)
Die Hensoldt AG ist ein börsennotierter Rüstungskonzern mit Sitz in Taufkirchen (bei München). Er entstand 2017 aus ehemaligen Geschäftsbereichen von Airbus Defence and Space für Sensortechnologie in den Bereichen Verteidigung, Sicherheit, Luft- und Raumfahrt. Hauptproduktbereiche sind Radare und optoelektronische Systeme, elektronische Kampfführung sowie Avionik. Standorte in Deutschland sind unter anderem Ulm, Oberkochen, Wetzlar, Immenstaad, Pforzheim sowie Kiel und in Südafrika in Irene und Pretoria. Von den rund 5600 Mitarbeitern sind etwa 4000 in Deutschland beschäftigt und rund 600 an den Standorten der Tochtergesellschaften in Südafrika.[1]
Hensoldt AG | |
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Rechtsform | AG |
ISIN | DE000HAG0005 |
Gründung | 28. Februar 2017 |
Sitz | Taufkirchen (bei München), Deutschland |
Leitung | Thomas Müller (CEO) Peter Fieser (Personal) Axel Salzmann (Finanzen) Peter Schlote (COO) |
Mitarbeiterzahl | 5.600[1] |
Umsatz | 1,2 Mrd. Euro (2020)[1] |
Branche | Luft- und Raumfahrttechnik Rüstungsindustrie |
Website | www.hensoldt.net |
Geschichte
Das Unternehmen ging aus der Elektroniksparte des Rüstungsgeschäftes des Airbus-Konzerns hervor. Ende Februar 2017 verkaufte Airbus genau 74,9 % der Anteile an diesem Geschäftsbereich an den US-amerikanischen Finanzinvestor KKR. Hensoldt übernahm selbst im Jahr 2018 den restlichen Anteil (25,1 %) von Airbus.[2] Das neu gegründete Unternehmen agiert seitdem unter dem Markennamen Hensoldt. Die Wurzeln des Unternehmens liegen in Vorgängerfirmen wie AEG, DASA, Dornier, Telefunken, Siemens Sicherungstechnik, Zeiss, Cassidian und Airbus.[1][3][4] Laut Medienberichten zieht KKR eine teilweise Desinvestition im Zuge eines Börsengangs von Hensoldt in Betracht.[5]
Der Name Hensoldt geht zurück auf Moritz Carl Hensoldt (1821–1903), einen deutschen Vorreiter der Optik und Feinmechanik des 19. Jahrhunderts. 1852 gründete er unter eigenem Namen eine optische Werkstatt für Fernrohre, astronomische Geräte und Mikroskope und schuf somit einen der optischen Großbetriebe in Wetzlar.[6] Nach Hensoldts Tod erwarb das Unternehmen Carl-Zeiss-Stiftung im Jahre 1928 die Hensoldt AG (Hauptanteilseigner). Aus dieser Gesellschaft entstanden später die Carl Zeiss Sports Optics, mit optischen Produkten für zivile und jagdliche Anwendungen, sowie die Carl Zeiss Optronics Wetzlar, die nun erneut Betriebsstätte von Hensoldt ist.[7]
Im Juni 2017 teilte Hensoldt mit, dass es einen Anteilskaufvertrag mit der Beteiligungsgesellschaft ECI über die britische Firma Kelvin Hughes abgeschlossen hat. Der Kauf unterliegt kartellrechtlichen Genehmigungen und soll bis Ende 2017 vollzogen sein.[8] Alleiniger Anteilshalter der Hensoldt Holding war bis zum Börsengang Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR).
Anfang September 2020 kündigte Hensoldt seine Börseneinführung an.[9] Der Börsengang erfolgte am 25. September 2020; Hensoldt wurde mit einem Ausgabepreis von 12,00 Euro im Prime Standard der Frankfurter Börse notiert; die Marktkapitalisierung belief sich auf Basis des Ausgabepreises auf 1,26 Milliarden Euro.[10] Zum 21. Dezember 2020 stieg die Hensoldt-Aktie in den SDAX auf.[11] Im Dezember 2020 beschloss die Bundesregierung, aus sicherheitspolitischen Gründen eine Option zum Erwerb eines Anteils an Hensoldt durch die Bundesrepublik Deutschland in Höhe von 25,1 % (Sperrminorität) wahrzunehmen.[12] Im April 2021 erwarb der italienische Rüstungskonzern Leonardo eine Beteiligung in Höhe von 25,1 %, damit sinkt die Restbeteiligung von KKR auf 18 %.[13]
Unternehmensstruktur
Die Hensoldt Gruppe hat eine Holdingstruktur mit folgenden direkten und indirekten operativen Tochterunternehmen (Stand Januar 2021):
- Hensoldt Sensors GmbH, Taufkirchen, Deutschland
- Hensoldt Optronics GmbH, Oberkochen, Deutschland
- Hensoldt Analytics GmbH, Wien, Österreich
- Hensoldt UK Ltd., Enfield, England
- Hensoldt France SAS, Plaisir, Frankreich
- Hensoldt Australia Pty Ltd., Canberra, Australien
- Hensoldt Avionics GmbH, Pforzheim, Deutschland
Produktbereiche
Radar
Hensoldt entwickelt und fertigt Radare, die zur Überwachung, Aufklärung, Flugsicherung und Luftverteidigung eingesetzt werden. Diese Systeme werden auf Plattformen wie dem Eurofighter, der Fregatte 125 der deutschen Marine, den Littoral Combat Ships der US Navy sowie in bodengebundenen Systemen eingesetzt. Weiterhin hat das Unternehmen unter anderem das Flugverkehrskontrollnetzwerk der Deutschen Luftwaffe mit einer Flächenabdeckung von 1700 mal 1500 Kilometer aufgebaut, rüstet die Fliegerhorste der Bundeswehr mit dem Flugplatz-Überwachungsradar ASR-S aus und liefert ein komplettes Anflugleitsystem für die Militärflugplätze der Schweiz. Weitere Flugsicherungsradare von Hensoldt sind in Großbritannien, Australien und Kanada unter Vertrag. Zudem erhielt Hensoldt im April 2017 einen Auftrag der Deutschen Flugsicherung GmbH zur Modernisierung ihrer Radar-Infrastruktur.[14]
Produkte sind unter anderem Radargeräte, Freund-Feind-Erkennung, das Artillerieortungsradar COBRA, das Airport Surveillance Radar ASR-S und ASR-NG, EuroRADAR CAPTOR, MSSR 2000I, SPEXER, TRML-3D, TRS-3D und TRS-4D. Hensoldt hat im September 2019 bestätigt, dass das Hensoldt-Passivradarsystem TwInvis im April 2018 zwei F-35-Kampfflugzeuge detektierte, als diese nach der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung starteten und in die USA zurückflogen.[15]
Optronik
Hensoldt fertigt optische und optronische Geräte für militärische und zivile Sicherheitsanwendungen. Hauptkomponenten der Geräte sind Tagsichtkameras, Wärmebildgeräte, Restlichtverstärker und Laserentfernungsmesser. Die Systeme werden auf diversen Plattformen für Luft-, Land-, See- und Weltraummissionen und zur Infrastruktur- und Grenzraumsicherung eingesetzt. Die optronischen Systeme sind zum Beispiel auf dem Schützenpanzer Puma und dem Kampfpanzer Leopard 2, den U-Booten der Klassen 212 und 209, den Kampfflugzeugen Gripen und Rafale, dem Aufklärungsflugzeug Ahrlac, der Baykar TB2 Drohne, dem Camcopter, dem Diamond DA42 sowie dem EDRS-A Satellit im Einsatz. Zudem fertigt Hensoldt Visiere, Zieloptiken und optische Systeme für Handfeuerwaffen bis hin zu schweren Waffensystemen. Diese Systeme werden im Kampfpanzer Leopard 2, der Panzerhaubitze 2000, dem Transport- und Kampfhubschraubern NH90 und Tiger sowie im Modernisierungsprogramm Infanterist der Zukunft für die Infanterie und Panzergrenadiertruppe der deutschen Bundeswehr eingesetzt.
Produkte sind unter anderem EOTS, BAA, Spectus, NightOwl-Kamerafamilie, Sparrowhawk, PERI R17, PERI RTWL, ARGOS, GOSHAWK, SERO- und die OMS-Produktfamilie sowie MEOS, die Zieloptik (ZO) 4x30, das Reflexvisier RSA-S, IRV 600 und IRV 900.
Avionik
Hensoldt bietet militärische und zivile Avioniksysteme. Im militärischen Bereich bietet das Unternehmen zum Beispiel Lageerfassungssysteme, militärische Missionscomputer und Flugschreiber für Hubschrauber und Kampfflugzeuge an. Kernprodukt ist das Piloten-Assistenzsystem Sferion, das einen sicheren Flugbetrieb bei schlechter Sicht ermöglicht.[16] Verschiedene Plattformen sind mit Avionik-Produkten von Hensoldt ausgestattet, u. a. die Kampfflugzeuge Eurofighter und Tornado, das Transportflugzeug Airbus A400M sowie diverse Hubschraubertypen wie etwa NH90 und Tiger. Im August 2017 hat Hensoldt die EuroAvionics GmbH, einen Anbieter ziviler Avionik für Hubschrauber und Drohnen, übernommen. Diese bietet zivil zertifizierte Avionikausrüstung für Hubschrauber mit Schnittstellen zu Avionik- und Sensorsystemen von Drittanbietern an. Zu den Produkten gehören Flugmanagementsysteme sowie Avionikcomputer und Autopilotsysteme, vor allem für Drohnen.[17][18]
Produkte sind unter anderem die Sferion-Produktfamilie, EuroNav7, EuroNav5, EuroNavNG, EasyTask, EasyWeigh und das Enhanced Reality System (ERS).
Elektronische Kampfführung
Zum Produktportfolio von Hensoldt für die elektronische Kampfführung zählen Systeme zur Erfassung und Auswertung von Radar- und Funksignalen sowie Störsysteme (sogenannte Jammer), die u. a. dem Schutz von Konvois oder einzelnen Fahrzeugen gegen improvisierte Bomben (IED) dienen. Hensoldt bietet zudem elektronische Selbstschutzsysteme von Flugzeugen und Hubschraubern gegen Raketenangriffe an. Das Unternehmen hat MUSS, ein einsatzfähiges, elektronisches Schutzsystem für Panzerfahrzeuge entwickelt. Mit diesem wird zum Beispiel der Schützenpanzer Puma der Bundeswehr ausgerüstet.[19]
Produkte sind unter anderem Sensoren und Systeme für die elektronische Kampfführung, wie zum Beispiel ALTAS-2QB, EuroDASS Praetorian, MILDS und MUSS.
Standorte
Deutschland:
- Taufkirchen (Bayern)
- Oberkochen (Baden-Württemberg)
- Friedrichshafen (Baden-Württemberg)
- Immenstaad (Baden-Württemberg)
- Ulm (Baden-Württemberg)
- Aalen (Baden-Württemberg)
- Pforzheim (Baden-Württemberg)
- Köln (NRW)
- Berlin (Berlin)
- Wetzlar (Hessen)
- Kiel (Schleswig-Holstein)
Weltweit:
- Enfield (England)
- Wien (Österreich)
- Madrid (Spanien)
- Tampere (Finnland)
- Massy (Frankreich)
- Toulouse (Frankreich)
- Plaisir (Frankreich)
- Vienna (Virginia) (USA)
- Santiago de Chile (Chile)
- São Paulo (Brasilien)
- Pretoria (Südafrika)
- Kapstadt (Südafrika)
- Irene (Südafrika)
- Ankara (Türkei)
- Riad (Saudi-Arabien)
- Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate)
- Bengaluru (Indien)
- Singapur
- Seoul (Südkorea)
- Canberra (Australien)
- Williamtown (Australien)[20]
Einzelnachweise
- Hensoldt: Our Company. Hensoldt Holding, abgerufen am 28. April 2021 (englisch).
- finance-magazin.de: KKR kauft Airbus bei Hensoldt heraus, abgerufen am 25. Februar 2019
- Gerhard Hegmann: Die Geburt eines neuen Milliardenkonzerns. In: WELT und N24. WeltN24 GmbH, 5. Juni 2016, abgerufen am 18. September 2017.
- Oliver Helmstädter: Aus Airbus wird Hensoldt. In: Augsburger Allgemeine. Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 2. März 2017, abgerufen am 19. September 2017.
- FAZ.net: Hensoldt macht Börsengang offiziell. In: FAZ.net. 8. September 2020, abgerufen am 8. September 2020.
- Karsten Porezag: Hensoldt. Geschichte eines optischen Werkes in Wetzlar. Band 1: Familien- und Gründungsgeschichte bis 1903. Hrsg.: Karsten Porezag. 1. Auflage. Band 1. Wetzlar 2001.
- Winfried Hofele: In Oberkochen taucht wieder „Hensoldt“ auf. In: Wirtschaft Regional. SDZ Druck und Medien GmbH, 2. März 2017, abgerufen am 19. September 2017.
- Elektronische Augen aus Ulm – Radarspezialist Hensoldt plant Großes. In: n-tv.de. n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH, 29. Juni 2017, abgerufen am 19. September 2017.
- Hensoldt-Börsengang ist der Startschuss für weitere IPOs. Handelsblatt, 8. September 2020, abgerufen am 14. September 2020.
- tagesschau.de: Rüstungskonzern Hensoldt geht an die Börse. Abgerufen am 30. September 2020.
- Siemens Energy AG to be included in MDAX. 3. Dezember 2020, abgerufen am 4. Dezember 2020 (amerikanisches Englisch).
- Bund kauft sich bei Rüstungskonzern ein, auf sueddeutsche.de, 16. Dezember 2020
- HENSOLDT AG welcomes LEONARDO as a new major shareholder. Pressemitteilung. Hensoldt AG, 24. April 2021, abgerufen am 24. April 2021 (englisch).
- Klaus Karteusch: Hensoldt rüstet DFS Deutsche Flugsicherung GmbH mit neuester Radartechnik aus. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Hardthöhen-Kurier Online. K&K Medienverlag-Hardthöhe GmbH, 26. April 2017, archiviert vom Original am 22. September 2017; abgerufen am 19. September 2017. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- spiegel.de 30. September 2019: Deutsche Techniker sollen US-Kampfjet enttarnt haben
- Airbus evaluates Sferion helicopter pilot assistance system. In: army-technology.com. Kable Intelligence Limited, 15. August 2015, abgerufen am 19. September 2017.
- Jakob Sutter: HENSOLDT übernimmt EuroAvionics. In: fliegerweb.com. Hobby Verlag AG, 17. August 2017, abgerufen am 19. September 2017.
- Guy Anderson: Hensoldt completes EuroAvionics deal. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Jane's 360. IHS Markit, 17. August 2017, archiviert vom Original am 22. September 2017; abgerufen am 19. September 2017 (englisch).
- Lothar Belz: “Puma” self-protection equipment on track. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Hensoldt Pressemitteilung. Hensoldt Holding GmbH, 11. Juli 2017, ehemals im Original; abgerufen am 19. September 2017 (englisch). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Globale Standorte. In: Hensoldt Homepage. Hensoldt Holding GmbH, abgerufen am 10. Mai 2018 (englisch).