Latina (Schule)
Die Latina August Hermann Francke ist die älteste Schule der Franckeschen Stiftungen in Halle. Ursprünglich als lateinische Hauptschule konzipiert, besteht sie seit dem Ende des 17. Jahrhunderts. 1991 wurde sie als humanistisches Landesgymnasium in der Trägerschaft des Ministeriums für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt neu gegründet. Seit 1997 trägt sie den Titel „Europaschule“. 80 Lehrer unterrichten derzeit etwa 750 Schüler. Eine Besonderheit der Schule ist der seit 1993 integrierte musikalische Zweig.
Latina August Hermann Francke | |
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Schulform | Gymnasium |
Gründung | 1697, Neugründung: 1991 |
Adresse |
Latina August Hermann Francke, Franckeplatz 1, Haus 42 |
Ort | Halle (Saale) |
Land | Sachsen-Anhalt |
Staat | Deutschland |
Koordinaten | 51° 28′ 33″ N, 11° 58′ 22″ O |
Träger | Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt |
Schüler | ca. 800 |
Lehrkräfte | 80 |
Leitung | Dietmar Hoge, Claudia Schmidt |
Website | www.latina-halle.de |
Geschichte
Die Latina (früher auch: Lateinische Schule, Lateinische Hauptschule) wurde als eine der ersten Schulen der Franckeschen Stiftungen im Jahr 1697 gegründet. Sie war vorgesehen für Knaben bürgerlicher Familien, die vor hatten, sich mit akademischen Studien zu beschäftigen. In den ersten Jahrzehnten nach der Gründung fand der Unterricht durch Studenten der halleschen Universität statt, die als Gegenleistung einen freien Mittagstisch erhielten. Erster Sitz der Schule war der Gasthof Zum Raubschiff, ein Gebäude, in dem auch auswärtige Schüler untergebracht waren. Im Jahre 1709 betrug die Zahl der Schüler bereits 256, darunter befanden sich 64 Waisenkinder. Erster Inspektor der Schule war der Magister Justinus Töllner.
Die zunehmende Schülerzahl erforderte einen baldigen Umzug, im Jahr 1714 zogen die ersten Klassen in die beiden oberen Stockwerke des Hauptgebäudes des Waisenhauses, ab 1734 residierte die gesamte Latina dort. Die Zahl der Schüler wuchs in den folgenden Jahren weiter an, 1857 zählte man 640 Schüler.
Im Jahr 1873 wurde das Königliche Pädagogium der Franckeschen Stiftungen, das 1695 als Erziehungs- und Bildungsanstalt für Kinder aus dem Adel und dem reichen Bürgertum gegründet worden war, in die Latina integriert. Im Jahre 1906 bezog die Latina ein neu gebautes Schulgebäude (Haus 42 der Franckeschen Stiftungen). Die Schulstatistik von 1925 wies neun Klassen mit insgesamt 322 Schülern aus.
Von 1939 bis 1945 wurde die Latina auf Betreiben des damaligen Schulleiters Wilhelm Weise in Mackensen-Schule. Stiftische Oberschule für Jungen nach dem Generalfeldmarschall August von Mackensen umbenannt, der von 1865 bis 1868 die Realschule der Franckeschen Stiftungen besucht hatte.[1]
Am 31. März 1945 wurde das Schulgebäude der Latina bei einem Fliegerangriff getroffen und teilweise zerstört. Im Mai 1946 wurde die Rechtspersönlichkeit der Franckeschen Stiftungen durch das Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule aufgehoben. Durch eine Verordnung der Regierung des Präsidiums der Provinz Sachsen wurden das Schulgebäude sowie die Gebäude der Pensionsanstalt der Martin-Luther-Universität Halle übertragen.
Die Latina wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst als Oberschule August Hermann Francke mit 25 Klassen fortgeführt. Diese nutzte das während des Krieges nicht beschädigte und direkt benachbarte Schulgebäude der früheren Oberrealschule (Haus 43) der Franckeschen Stiftungen. Das ehemalige Schulgebäude der Latina wurde nach dem Wiederaufbau ab 1950 von der neugegründeten Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, später auch von einer Kindertagesstätte genutzt.
Durch das Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik vom 2. Dezember 1959 wurde die Oberschule August Hermann Francke in die Konzeption einer Erweiterten Oberschule (EOS) überführt. Dabei behielt diese Schule den Namen August Hermann Francke weiter und dürfte damit zusammen mit der gleichnamigen und ebenfalls in den Franckeschen Stiftungen befindlichen Polytechnischen Oberschule eine der wenigen nach einem Theologen benannten Schulen der DDR gewesen sein.
Die Schule war eine von neun Schulen der DDR, die erweiterten altsprachlichen Unterricht anboten (Latein und Altgriechisch).[2]
Nach der Friedlichen Revolution wurde die EOS zum Schuljahr 1991/1992 in das Landesgymnasium August Hermann Francke umgewandelt. Zugleich wurde der alte Name Latina wieder angenommen. Wegen der steigenden Schülerzahl wurde in den folgenden Jahren zusätzlich das ehemalige und wieder zur Verfügung stehende Schulgebäude der Latina genutzt.
Die zur Latina gehörige Pensionsanstalt wurde 1697 gegründet und wird noch heute als Internat mit 94 Plätzen für weiter entfernt wohnende Schüler genutzt. Es befindet sich seit 1714 im Langen Haus der Franckeschen Stiftungen (Häuser 10 – 13), dem größten Fachwerkgebäude Deutschlands.
Ab dem Jahr 2010 ist mit einer umfassenden Sanierung beider historischen und von der Latina genutzten Schulgebäude (Haus 42 und 43) begonnen worden. Beide Schulgebäude sind dabei im Jahr 2013 durch einen Verbindungsbau vereinigt worden. Die erforderlichen Baumaßnahmen werden von Land und Bund (Konjunkturprogramm II), aus Eigenmitteln der Franckeschen Stiftungen sowie durch private Spenden getragen.
Sprachlicher Zweig
Nachdem die Schüler in der Grundschule ab der dritten Klasse Englisch lernen, wird an der Latina bereits ab der fünften Klasse die zweite Fremdsprache (Latein oder Französisch) eingeführt. Eine dritte Fremdsprache (Französisch, Russisch, Spanisch oder Altgriechisch) ist ab der achten Klasse obligatorisch. Hebräisch kann im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft ab Klasse 8 erlernt werden.
Musikalischer Zweig
Mit den Sängern des Stadtsingechors zu Halle bilden sie die Musikklassen. Die Instrumentalausbildung erfolgt im Einzel- und im Gruppenunterricht, in der Oberstufe im Profilkurs Musik. Die jahrgangsübergreifende Teilnahme an der Chor- und Orchesterarbeit ist verpflichtend. Die Gesangsausbildung im Stadtsingechor umfasst u. a. die stimmbildnerische Einzelschulung. Ziel ist eine optimale Stimmentwicklung jedes Sängers als Grundlage für die Realisierung eines anspruchsvollen Chorrepertoires.
Besonderheit der Schule
Der sprachliche und musische Zweig ermöglichen der Latina, ein reiches Kulturleben zu gestalten. So nimmt die Latina an verschiedenen Bildungsprojekten mit Partnerschulen in Frankreich, Italien, Russland, Argentinien, Israel, USA und Finnland teil. Schüleraustausche werden mit hohem Engagement der beteiligten Kollegen, Schüler und Gasteltern durchgeführt. Auch werden jedes Jahr Gastschüler aus anderen Ländern aufgenommen. Sie nehmen am Unterricht teil, werden in das schulische und außerschulische Leben einbezogen und kehren mit vielen neuen Eindrücken in ihre Länder zurück.
Zur Schule gehört eine große und gut ausgestattete Schulbibliothek, die nicht nur mit ca. 35.000 Büchern, sondern auch mit Plätzen zur Internetrecherche ausgerüstet ist. Die Schulbibliothek der Latina wird von einem hauptamtlichen Bibliothekar betreut.
In ihrer Freizeit haben die Schüler der Latina die Möglichkeit, an diversen deutsch- und fremdsprachigen Theatergruppen, in gemischten Chören und Orchestern mitzuwirken und die Kulturarbeit der Franckeschen Stiftungen zu unterstützen. Dies geschieht zum Beispiel im Juniorenkreis und bei Führungen durch das Stiftungsgelände. Es bestehen zahlreiche Arbeitsgemeinschaften z. B. im Bereich des Sports, der Informatik, der Kunst und der Naturwissenschaften.
Die intensive Zusammenarbeit der Latina mit den Franckeschen Stiftungen, den in Halle angesiedelten pädagogischen, sozialen, wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen der Stadt bzw. mit vielen weiteren Institutionen innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen von Sachsen-Anhalt (z. B. der Studienstiftung des deutschen Volkes Bonn und der Elisabeth-Lebek-Stiftung für lebendiges Latein in Pullach) stellt eine weitere Besonderheit dar im deutschen Schulwesen.
Lehrer
- Benjamin Friedrich Schmieder (1736–1813)
- Christian David Jani (1743–1790)
- David Gottlieb Niemeyer (1745–1788)
- Christian Gottlieb Friedrich Stöwe (1756–1824)
- Christian Gottlieb Konopack (1767–1841)
- Wilhelm Lange (1767–1831)
- Johann Heinrich Krause (1800–1882)
- Karl Ludwig Peter (1808–1893)
- Friedrich August Eckstein (1810–1885)
- Friedrich August Arnold (1812–1869)
- Theodor Bergk (1812–1881)
- Karl Friedrich Scheibe (1812–1869)
- Christian Scherling (1812–1903)
- Bernhard Todt (1829–1891)
- Albert Ludwig Ewald (1832–1903)
- Bernhard Ludwig Suphan (1845–1911)
- Hugo Johannes Bestmann (1854–1925)
- Friedrich Neubauer (1861–1953)
- Gottfried Brunner (1880–nach 1942)
- Hans Osterwald (1889–1967)
- Willi Vogl (1961)
Schüler der Latina
- Friedemann Andreas Zülich, deutscher evangelischer Geistlicher und Hochschullehrer
- Johann Christoph von Dreyhaupt (ab 1706), deutscher Jurist und Historiker
- Christian Friedrich Völkner (1728–1796), deutscher Historiker, Konferenzssekretär an der Russischen Akademie der Wissenschaften und Begründer der Bergbau-Dynastie Völkner
- Friedrich Nicolai (ab 1745), deutscher Schriftsteller, Verlagsbuchhändler, Kritiker, Hauptvertreter der Berliner Aufklärung
- Johann Friedrich Struensee (ab 1746), deutscher Arzt und Minister am dänischen Hof
- Salomon Friedrich Merkel (1760–1823), Jurist in Kassel
- Johann Christian Wilhelm Juncker (1761–1800), deutscher Mediziner und Universitätsprofessor
- Wilhelm Lange (1767–1831), klassischer Philologe, später Lehrer an der Schule
- Ludwig Dankegott Cramer (1791–1824), Hochschullehrer in Wittenberg, Rostock und Leipzig
- Carl Loewe (1796–1869), deutscher Komponist
- Johann Friedrich Naue (ca. 1799–1806), deutscher Komponist, Organist, Chorleiter und Herausgeber
- Wilhelm Eduard Weber (ab 1816), deutscher Physiker
- Friedrich August Eckstein (ab 1822), deutscher Altphilologe und Pädagoge
- Oswald Bertram (1827–1876), deutscher Buchhändler und Verleger
- Robert Franz (Knauth) (ab 1828), deutscher Komponist, Universitätsmusikdirektor, Chorleiter und Organist
- Armin Stein (1840–1929), deutscher Schriftsteller und Komponist
- Rudolf Ernst Weise (1844–1935), deutscher Maschinenbauer und Unternehmer
- Gustav Warneck (ab 1850), ev. Theologe und Begründer der systematischen protestantischen Missionswissenschaft
- Adolf Frantz (1851–1908), deutscher Rechtswissenschaftler und Hochschullehrer
- Heinrich Hitzigrath (ab 1865), Gymnasiallehrer in Hamburg
- Rudolf Disselhorst (1885), deutscher Arzt, Tierarzt und Universitätsprofessor
- Oswald Spengler (ab 1891), deutscher Geschichtsphilosoph, Kulturhistoriker und politischer Schriftsteller
- Walther Vetter (1891–1967), deutscher Musikwissenschaftler
- Hans Herzfeld (1892–1982), deutscher Historiker
- Otto Haußleiter (1896–?), Staatswissenschaftler und Verwaltungsbeamter
- Walter Serauky (1903–1959), deutscher Musikwissenschaftler
- Kurt Hübenthal (1918–2007), deutscher Sänger, Regisseur und Musikpädagoge
- Günter Mühlpfordt (1921–2017), deutscher Historiker
- Joachim Latacz (* 1934), deutscher Altphilologe
- Wolfgang Kirsch (1938–2010), deutscher Altphilologe[3]
- Gerhard Feige (* 1951), römisch-katholischer Bischof von Magdeburg
- Jonathan Hutter (* 1989), deutsch-schweizerischer Schauspieler
- Saskia Rosendahl (* 1993), deutsche Filmschauspielerin
Partnerschulen
- 636. Mittelschule Sankt Petersburg, Russland (für Sprachzweig)
- Spezialschule für Musik des Konservatoriums Rimski-Korsakow Sankt Petersburg, Russland (für Musikzweig)
- Liceo Classico e Scientifico "Galileo Galilei" Tarquinia, Italien
- Liceo Scientifico Statale "Paolo Ruffini" Viterbo, Italien
- Lycée Racine Paris, Frankreich (für Musikzweig)
- Lycée Paul-Louis Courier Tours, Frankreich (für Sprachzweig)
- Pöllönkankaan Yläaste Oulu, Finnland
- Instituto Schiller A-643, Buenos Aires
Literatur
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Gustav Friedrich Hertzberg: August Hermann Francke und sein hallisches Waisenhaus. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, Halle an der Saale 1898.
- Armin Stein: Arnold Strahl – ein Schülerleben. Verlag Kempe, Leipzig 1903.
- Helmut Obst, Paul Raabe: Die Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). Geschichte und Gegenwart. fliegenkopf Verlag, Halle 2000, ISBN 3-930195-35-6.
- Penelope Willard (Hrsg.): Jahresprogramm 2009 der Franckeschen Stiftungen. Verlag der Franckeschen Stiftungen, Halle/Saale 2009, ISBN 978-3-939922-13-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Helmut Obst und Paul Raabe: Die Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). Geschichte und Gegenwart, fliegenkopf Verlag, Halle 2000. ISBN 3-930195-35-6, Seite 184.
- Das waren DDR-weit diese neun Erweiterten Oberschulen: Heinrich-Schliemann-Schule in Berlin, Humboldt-Schule in Potsdam, Kreuzschule in Dresden, Thomasschule zu Leipzig, Gerhart-Hauptmann-Schule in Zwickau, Ernst-Abbe-Schule in Eisenach, August-Hermann-Francke-Schule in Halle, Humboldt-Schule in Magdeburg und Herder-Schule in Rostock. Quelle: Markus Gruber: Statistische Informationen zur Lage des Altgriechisch-Unterrichts in der Bundesrepublik Deutschland (2009/10) (Memento vom 8. Mai 2015 im Internet Archive).
- Nachruf: „Wolfgang Kirsch (1938–2010)“.