Kleiner Grenzverkehr
Als kleiner Grenzverkehr wird der besonderen Regeln unterworfene grenznahe Verkehr zwischen unterschiedlichen Staaten bezeichnet.
Allgemeines
Eine Legaldefinition sah § 64 Abs. 3 der „Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über Statistik des Warenverkehrs mit dem Ausland vom 9. August 1928“ vor, wonach als kleiner Grenzverkehr „der Warenverkehr in kleinen Mengen zwischen den Bewohnern des deutschen Grenzbezirks und den Bewohnern des benachbarten ausländischen Grenzbezirks für den Bedarf der Bewohner der Grenzbezirke“ galt.[1] Er wird in der Regel auf einen in festgelegten Grenzzonen wohnhaften Personenkreis beschränkt und unterliegt besonderen Einschränkungen bei der Mitführung von Waren und Gegenständen. Durch bilaterale Vereinbarungen wird der genaue Umfang des Grenzverkehrs festgelegt. Nach deutschem Recht werden Grenzübertritte, die nur für den kleinen Grenzverkehr zugelassen sind, ebenso wie grenzüberschreitende Wanderwege nicht als Grenzübergang bezeichnet.
Beispiele für den kleinen Grenzverkehr gibt es für das Deutsche Reich und Österreich (1933–1938) (vgl. Tausend-Mark-Sperre), die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, Österreich und Jugoslawien bzw. Slowenien (1953–1993)[2] sowie Polen und Tschechien.
Grenznaher Verkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik
1972 wurde zur Regelung der innerdeutschen Beziehungen ein Verkehrsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ratifiziert. Ein Zusatzprotokoll enthielt eine „Information der DDR zu Reiseerleichterungen“. Der am 26. Mai 1972 in Berlin unterzeichnete Vertrag trat am 17. Oktober 1972 in Kraft. Reiseberechtigt war jeder Einwohner der Bundesrepublik, der in den einzeln als „grenznah“ aufgeführten Städten und Landkreisen seine Hauptwohnung hatte. Besucht werden konnten nur die Gebiete der DDR, die als „grenznahe Kreise der DDR (Stadt- und Landkreise)“ einzeln aufgeführt waren (siehe unten), wobei bestimmte in Grenznähe gelegene Gemeinden und Ortsteile ausgenommen waren. Es waren jährlich 30 Tagesaufenthalte bei höchstens neun Besuchstagen im Vierteljahr erlaubt. Es konnten sowohl Verwandte als auch Bekannte besucht werden, aber auch Reisen aus rein touristischen Gründen waren erlaubt. Die Einreise musste grundsätzlich an dem Übergang erfolgen, der dem Besuchsort am nächsten lag. Das Einreisevisum wurde an der innerdeutschen Grenze erteilt. Der Reisepass und der „Mehrfach-Berechtigungsschein“, der vier bis sechs Wochen vorher beantragt werden musste, waren vorzuzeigen. Antragsformulare für Berechtigungsscheine erhielt der Einreisende bei seiner Kommunalbehörde. Jugendliche unter 16 Jahren durften grundsätzlich nur in Begleitung eines Erwachsenen einreisen. Für jeden Tagesaufenthalt wurde eine Visagebühr von 5,00 DM fällig. Zusätzlich war ein Mindestumtausch von 25,00 Deutsche Mark in 25,00 Mark der DDR (Stand 1980), der nicht rücktauschbar war, vorgeschrieben. Es durften bei der Ausreise lediglich Gegenstände im Wert von 20,00 Mark der DDR gebührenfrei mitgeführt werden.
Die Ausreise musste zunächst am selben Kalendertag wie die Einreise erfolgen, später waren auch 2-Tages-Besuche möglich.
Übergänge per Bahn
Übergänge für Kraftfahrzeuge
- Lübeck/Selmsdorf (B 104)
- Gudow/Zarrentin (A 24)
- Lauenburg/Horst (B 5)
- Bergen(Dumme)/Salzwedel (B 71)
- Helmstedt/Marienborn (A 2)
- Duderstadt/Worbis (B 247)
- Wartha/Herleshausen (A 4)
- Eußenhausen/Meiningen (B 19)
- Rottenbach/Eisfeld (B 4)
- Rudolphstein/Hirschberg (A 9)
Omnibuspendelverkehr
An den Straßenübergangsstellen für Kraftfahrzeuge (ausgenommen an den Autobahnübergängen Gudow/Zarrentin, Helmstedt/Marienborn und Rudolphstein/Hirschberg) war zusätzlich auf beiden Seiten der Grenze ein Omnibuspendelverkehr eingerichtet. Die Omnibusse der Verkehrsunternehmen aus dem Bundesgebiet durften nach Passieren der Grenze nur bis zur Wendeschleife bzw. Service-Station hinter der jeweiligen Grenzübergangsstelle in der DDR fahren. In den westdeutschen Bussen wurde auch die Abfertigung vorgenommen. Danach fuhren von hier die Pendelbusse der DDR weiter. Die Weiterfahrt vom Grenzübergang per Taxi oder die Abholung durch Verwandte oder Bekannte war ebenso möglich.
Bundesrepublik
- Bad Kissingen
- Stadt und Landkreis Bamberg
- Stadt und Landkreis Bayreuth
- Stadt Braunschweig
- Celle
- Stadt und Landkreis Coburg
- Forchheim
- Fulda
- Gifhorn
- Göttingen
- Goslar
- Hamburg
- Landkreis Hannover
- aus der Stadt Hannover: Gemeindeteil Isernhagen-NB-Süd
- Landkreis Harburg
- Haßberge
- Helmstedt
- Hersfeld-Rotenburg
- Herzogtum Lauenburg
- Hildesheim
- Stadt und Landkreis Hof
- Holzminden
- Stadt und Landkreis Kassel
- Kiel
- Kronach
- Kulmbach
- Lichtenfels
- Hansestadt Lübeck
- Lüchow-Dannenberg
- Lüneburg
- Main-Kinzig-Kreis
- Marburg-Biedenkopf
- Stadt Neumünster
- Northeim
- Osterode im Harz
- Ostholstein
- Peine
- Plön
- Rhön-Grabfeld
- Stadt Salzgitter
- Schwalm-Eder-Kreis
- Stadt und Landkreis Schweinfurt
- Segeberg
- Soltau-Fallingbostel
- Stormarn
- Tirschenreuth
- Uelzen
- Vogelsbergkreis
- Werra-Meißner-Kreis
- Wolfenbüttel
- Stadt Wolfsburg
- Wunsiedel im Fichtelgebirge
DDR
- Wismar (Stadt und Landkreis)
- Grevesmühlen
- Gadebusch
- Schwerin (Stadt und Landkreis)
- Hagenow
- Ludwigslust
- Parchim
- Perleberg
- Seehausen
- Salzwedel
- Osterburg
- Kalbe
- Klötze
- Stendal
- Gardelegen
- Tangerhütte
- Haldensleben
- Wolmirstedt
- Wanzleben
- Oschersleben
- Staßfurt
- Halberstadt
- Aschersleben
- Wernigerode
- Quedlinburg
- Nordhausen
- Sangerhausen
- Worbis
- Heiligenstadt
- Sondershausen
- Mühlhausen
- Langensalza
- Eisenach
- Gotha
- Bad Salzungen
- Schmalkalden
- Meiningen
- Suhl
- Hildburghausen
- Ilmenau
- Neuhaus
- Sonneberg
- Rudolstadt
- Saalfeld
- Pößneck
- Lobenstein
- Schleiz
- Zeulenroda
- Greiz
- Plauen (Stadt und Landkreis)
- Oelsnitz
- Reichenbach
- Auerbach
- Klingenthal
(Stand: März 1989)
Die Großstädte Hamburg und Hannover wurden erst später in den kleinen Grenzverkehr einbezogen, da die DDR offensichtlich einen zu starken Besucherandrang befürchtete.
Die Landkreise Seehausen, Kalbe und Tangerhütte gehörten zum grenznahen Gebiet, existierten aber im Jahr 1989 bereits nicht mehr.
Kleiner Grenzverkehr zwischen Polen und Russland
Es existierte ein kleiner Grenzverkehr zwischen einigen Landkreisen der polnischen Woiwodschaften Ermland-Masuren und Pommern und der russischen Oblast Kaliningrad. Die Regelung trat am 27. Juli 2012 in Kraft.[3] Nach knapp 4 Jahren wurde er am 4. Juli 2016 durch das polnische Außenministerium bis auf Weiteres ausgesetzt. Es wurde kein Enddatum für die Aussetzung des Kleinen Grenzverkehrs bekannt gegeben.[4]
Ein Visum ist dort für den Grenzübertritt nicht erforderlich. Es genügt ein Dokument, das dessen Besitzer die Teilnahme am kleinen Grenzverkehr ermöglicht. Erlaubt ist ein bis zu 30 Tagen dauernder Aufenthalt im Nachbarstaat. Innerhalb eines halben Jahres, gezählt ab dem ersten Tag der Einreise, darf man sich höchstens 90 Tage lang im zum kleinen Grenzverkehr zählenden Gebiet aufhalten.[3]
Polen
- Stadt Elbląg
- Stadt Gdańsk
- Stadt Gdynia
- Stadt Olsztyn
- Stadt Soppot
- Powiat Bartoszycki
- Powiat Braniewski
- Powiat Elbląski
- Powiat Giżycki
- Powiat Gdański
- Powiat Gołdapski
- Powiat Kętrzyński
- Powiat Lidzbarski
- Powiat Malborski
- Powiat Mrągowski
- Powiat Nowodworski
- Powiat Olecki
- Powiat Olsztyński
- Powiat Pucki
- Powiat Węgorzewski
Russland
- Oblast Kaliningrad
Weblinks
- 13. Braunauer Zeitgeschichte-Tage Kleiner Grenzverkehr 2004 (Memento vom 31. März 2016 im Internet Archive)
- Informationen und Zeitzeugeninterviews zum Thema Kleiner Grenzverkehr (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Otto Anselmino/Adolf Hamburger, Kommentar zu dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, 1931, S. 337
- BGBl. Nr. 177/1993
- Kleiner Grenzverkehr zwischen Polen und der Oblast Kaliningrad
- Kleiner Grenzverkehr mit Kaliningrad seit Montag ausgesetzt | Ermland-Masuren Journal. In: ermland-masuren-journal.de. Abgerufen am 18. Dezember 2016.