Karlsbrücke
Die Karlsbrücke (tschechisch Karlův most) ist eine im 14. Jahrhundert errichtete, historisch bedeutsame Brücke über die Moldau in Prag, die die Prager Altstadt mit der Kleinseite verbindet. Sie ist die älteste erhaltene Brücke über den Fluss Moldau und eine der ältesten Steinbrücken Europas. Die Brücke erhielt ihren heutigen Namen erst im Jahr 1870, sie gilt als Wahrzeichen der Stadt und gehört zu den Nationalen Kulturdenkmälern. Über die Brücke führte der Krönungsweg der böhmischen Könige.
Karlsbrücke | ||
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Offizieller Name | Karlův most | |
Nutzung | Fußgänger und Sonderfahrzeuge | |
Überführt | Mostecká–Karlova ulice | |
Querung von | Smetanovo nábřeží | |
Unterführt | Moldau | |
Ort | Prag Ortsteil Prager Altstadt | |
Konstruktion | steinerne Bogenbrücke | |
Gesamtlänge | circa 516 m | |
Breite | 10 m | |
Längste Stützweite | zwischen 16,62 m und 23,38 m | |
Höhe | 13 m | |
Lichte Höhe | 4,30 m | |
Baubeginn | 1357 | |
Lage | ||
Koordinaten | 50° 5′ 11″ N, 14° 24′ 43″ O | |
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Geschichte
Vorläuferbauten und die Errichtung der heutigen Brücke
Als Übergang über die Moldau diente zunächst eine Furt, vermutlich seit dem 9. Jahrhundert ergänzt durch Floßverkehr. Eine hölzerne Brücke wurde erstmals im 10. Jahrhundert durch den Gesandten des Kalifen von Córdoba, Ibrahim ibn Yaqub, erwähnt. Die Holzbrücke wurde wiederholt beschädigt und 1157 oder 1158 endgültig durch ein Hochwasser zerstört. Zwischen 1158 und etwa 1170 entstand die erste Prager Steinbrücke im romanischen Stil, die Judithbrücke (Juditin most, benannt nach Judith von Thüringen, der Frau des Herzogs Vladislav II.).[1] 1342 wurde auch diese durch das Magdalenenhochwasser zerstört. Unzerstört blieben einer der beiden Brückentürme auf der Kleinseite, ein Torturm (der später in das Malteserkloster einbezogen wurde) sowie einige Pfeiler und Brückenbögen, die in Wohngebäude auf der Kleinseite integriert wurden.[2]
Die Grundsteinlegung der Karlsbrücke erfolgte 1357 durch Kaiser Karl IV. Nach unterschiedlichen Quellen war die Feier entweder am 15. Juni (Fest des Heiligen Vitus) oder am 9. Juli, dem neunten Tag des siebten Monats um 5:31 Uhr, so dass der Termin sich mit einer regelmäßigen Folge von ungeraden Zahlen wiedergeben lässt: 1-3-5-7-9-7-5-3-1.[3]
Kleinere und größere Flutwellen und schwerer Eisgang bedrohten die Brücke im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder, zuletzt im Jahr 1872/74, als fünf Pfeiler schwer beschädigt wurden.
1890 stürzten bei einer weiteren Flut zwei Pfeiler durch treibende Baumstämme ein. Die Reparaturen standen unter der Leitung von Josef Hlávka und dem Wiener Professor Franz von Rziha. Sie zogen sich über zwei Jahre hin.
Baumeister und Baumaterialien
Der Architekt der Karlsbrücke ist nicht sicher belegt. Lange wurde angenommen, sie sei ein Werk von Peter Parler. Doch eine neue Theorie aus dem Jahr 2007 besagt, der Architekt sei ein Prager Steinmetz namens Otto gewesen, auch Otlin genannt.[4] Die Arbeiten an der Brücke und an den Türmen standen jedoch unter Leitung von Parler.
Nach dem Vorbild der Steinernen Brücke in Regensburg wurde sie als Bogenbrücke mit 16 Bögen errichtet. Ihre Länge beträgt 516 Meter, ihre Breite rund 10 Meter. Die Bögen sind fast symmetrisch über die gesamte Brückenkonstruktion angeordnet. Als Baumaterial kamen alte Mühlsteine, Granit aus dem Flussbett sowie Sandstein (aus den Steinbrüchen der Kreuzherren mit dem roten Stern bei Hloubětín[5]) zur Anwendung. Die Überlieferung, der Mörtel sei mit Eiern angereichert worden, um die Stabilität zu erhöhen, wurde nach wissenschaftlichen Materialanalysen anlässlich der Rekonstruktion im Jahr 2008 widersprüchlich beantwortet. Die Beimischung von Quark und Wein als „römischer Mörtel“ konnte jedoch nachgewiesen werden.[6]
Bedeutung der Brücke, Schäden und Umbauten
In der Folgezeit trug die Steinbrücke (Kamenný most) oder Prager Brücke (Pražský most) wesentlich dazu bei, Prag zu einer bedeutenden Station im Handel zwischen West- und Osteuropa zu machen. Für den Schutz der Brücke waren zunächst die Kreuzherren mit dem Roten Stern verantwortlich.
1432 wurden drei Pfeiler der Brücke durch eine Flut beschädigt. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war die Brücke 1648 Schauplatz heftiger Kämpfe, als die schwedischen Truppen vom Westufer der Moldau aus Prag belagerten.
Um 1700 erhielt die Brücke im Wesentlichen ihre heutige Gestalt mit den dreißig barocken Skulpturen symmetrisch zu beiden Seiten. Genau über jedem Bogenpfeiler wurde eine symbolträchtige Figur errichtet.[2]
Erst 1870 wurde die Brücke offiziell in Karlsbrücke umbenannt. Ab 1883 führte eine Pferdebahn darüber. 1905 wurde die Pferdebahn durch eine Straßenbahn ersetzt, die drei Jahre später Omnibussen wich. Sie war jahrhundertelang eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen den Prager Stadtteilen.
Die Karlsbrücke seit der Mitte des 20. Jahrhunderts
Von 1965 bis 1978 erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten, nachdem bei genaueren Untersuchungen zahlreiche Risse, vor allem hervorgerufen durch Regenwasser und das im Winterdienst eingesetzte Streusalz, festgestellt worden waren. Die Reparaturkosten beliefen sich auf insgesamt rund 50 Millionen Euro: Sandsteinquader und Granitblöcke mussten ersetzt werden. Anschließend wurde das Brückenbauwerk für jeglichen Fahrzeugverkehr gesperrt. Sie wird von Fußgängern frequentiert, Künstler und Souvenirhändler bieten ihre Produkte hier an, und eine Brücken-Band lässt mehrfach täglich Musik erklingen.
Ab dem Jahr 2007 fanden etappenweise neuere umfangreiche Restaurierungsarbeiten statt, die sich bis nach 2011 hinziehen sollten. Diese Maßnahmen wurden heftig kritisiert, da ein angeblich unqualifiziertes Bauunternehmen beauftragt wurde. 2010 verhängte die Denkmalschutzbehörde der tschechischen Republik gegen die Stadt Prag eine Geldbuße in Höhe von rund 130.000 Euro, weil bei der Renovierung schwere Fehler gemacht worden seien. Unter anderem wurde reklamiert, dass historische Steinquader unnötigerweise zerstört und durch unpassende Nachbildungen ersetzt worden seien.[7] Auch die UNESCO begann, Erkundigungen einzuziehen, da die Karlsbrücke als Teil der Prager Altstadt zum Weltkulturerbe gehört.[8] Eine im Oktober 2009 gestartete Petition zur Rettung der Karlsbrücke, in der die Einstellung der Rekonstruktion in ihrer derzeitigen Form gefordert wird, wurde von über 43.135 Menschen unterzeichnet (Stand: März 2011).[9]
Bei den Bemühungen, die Brücke in ein angemessenes Licht zu rücken, greift man auf alte Technik zurück: Die elektrische Beleuchtung für die historisierenden Laternen wurde mit Berliner Technik auf Gas umgerüstet und ist seit 11. November 2010 in Betrieb. In Zukunft werden wieder Nachtwächter wie in alten Zeiten auf der Karlsbrücke Gaslaternen ein- und ausschalten.[10]
Die Statuen auf der Brücke
Bei der Einweihung der Karlsbrücke trug diese noch keinerlei Brückenschmuck. Erst nach und nach wurden über den Brückenpfeilern Skulpturen von Heiligen und Patronen aufgestellt, beginnend im Jahre 1629 und vorwiegend im frühen 18. Jahrhundert. Diese stammen aus verschiedenen Bildhauerwerkstätten und sind überwiegend im barocken Stil gehalten. Dazu gehört z. B. die heilige Lutgard von Tongern. Wohl am bekanntesten ist die von Matthias Gottfried Freiherrn von Wunschwitz gestiftete, vom Bildhauer Johann Brokoff um 1683 als Holzmodell geschaffene, von Wolf Hieronymus Herold in Nürnberg gegossene und am 31. August 1693 aufgestellte[11] Bronze-Statue des heiligen Johannes von Nepomuk, der in der Nacht vom 20. auf den 21. März 1393 von der Karlsbrücke gestürzt und in der Moldau ertränkt worden war. Die metallenen Reliefs rechts und links der Statue wurden ebenfalls in Nürnberg gefertigt.[12]
Seit 1965 werden die steinernen Figuren schrittweise durch Repliken ersetzt; die Originale gelangen in das Lapidarium des Nationalmuseums.
Die folgenden Tabellen listen die insgesamt 30 Figuren auf.[2][13]
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Bauwerke zu beiden Seiten
Markant sind die Türme zu beiden Seiten der Brücke, die zu unterschiedlichen Zeiten fertiggestellt wurden.
Altstädter Brückenturm
Auf der Altstädter Seite entstand zwischen 1370 und 1380 genau über dem ersten Brückenpfeiler im gotischen Stil der Altstädter Brückenturm, dessen Ostfassade über die Jahrhunderte erhalten blieb. Hier sind die Wappen aller Länder, die zur Zeit des Brückenbaus zum Böhmischen Königreich gehörten, das Wappen des römischen Kaisers, das Wappen des böhmischen Königs sowie ein von einem Schleier umrahmter Eisvogel (ein Symbol für Wenzel IV.) in Sandstein gearbeitet. In Höhe der zweiten Etage des Turmes sind zwei Brückenbögen reliefartig gestaltet, auf denen in der Mitte als Brückenpatron der Heilige Wenzel abgebildet ist. Beidseitig befinden sich die Statuen von Karl IV. in Kaiserwürde und Wenzel IV. mit der Krone eines römischen Königs. In der folgenden Etage findet man ein Schild mit Adler sowie einen (nicht heraldischen) Löwen. Den oberen Abschluss der Fassade bilden Statuen des Heiligen Adalbert und des Heiligen Siegmund.[2]
Der Turm kann bestiegen und in einer Aussichtsetage umrundet werden. Häufig unterhält ein historisch gewandeter Trompeter von dort oben die Touristen.
In den Türmen und in der Durchfahrt schmücken Gemälde die Wände und Decken, die Ende des 19. Jahrhunderts in ihrer ursprünglichen gotischen Fassung wiederhergestellt wurden. Das Netzgewölbe des Tordurchgangs ist mit einem als Königskrone gestalteten Schlusssteins versehen. Die Arbeiten an diesem Turm werden Peter Parler zugeschrieben.[2]
Der Schmuck auf der Westfassade ist bei der Beschießung durch die schwedischen Truppen vernichtet und nicht wiederhergestellt worden.[2] Der Turm diente auch als Politikum: Die Köpfe von 27 hingerichteten Teilnehmern des Aufstandes von 1618 gegen die Habsburger wurden zehn Jahre lang (1621–1631) dort außen zur Abschreckung an Stangen aufgesteckt. Eine 1650 angebrachte Gedenktafel erinnert an die Teilnehmer der Befreiungskämpfe gegen die Schweden aus dem Jahr 1648.[2]
Kleinseitner Brückentürme
Der niedrigere der beiden Türme ist der leicht modifizierte unversehrte Turm der Judithbrücke. Er ist im romanischen Stil auf rechteckigem Grundriss errichtet. Erhaltene Ausschmückungen aus dieser Zeit sind Reste von Sgraffito, Fenster, Giebel und das Dach. Im Jahr 1591 wurde er im Renaissancestil umgebaut.
1464 wurde im Auftrag von König Georg von Podiebrad, wahrscheinlich an der Stelle eines älteren romanischen Turms, der höhere Kleinseitner Brückenturm errichtet. Die Gestaltung lehnte sich an den am östlichen Ufer stehenden Altstädter Brückenturm an. Die Türme sind im 15. Jahrhundert mit einem zinnenbesetzten Torbogen verbunden worden.
Siehe auch
- Brücken in Prag
- Steinerne Brücke (Písek), älteste Brücke in Tschechien
Literatur
- Joseph Rudl: Die berühmte Prager Karls-Brücke und ihre Statuen, mit einem kurzen Anhange: Die Franzens-Ketten-Brücke. Prag: Landau, 1846
- Václav František Veleba: Die berühmte Prager Brücke und ihre Statuen in 37 Kupfern dargestellt, mit Beschreibungen und Legenden. Prag: Rudl, 1827
- Michael Flegl: Prag, Reiseführer Olympia, Olympia-Verlag, Prag, 1988, Reg.-Nr. 322 356 2
- Jakub Malina: Karlsbrücke. Eminent Verlag, Prag 2007; ISBN 978-80-7281-306-3.
- Charles Plicka, Emanuel Poche: Sieben Spaziergänge durch Prag. Prag: Orbis, 1966. S. 185, 188, 195, 229–245, 443, 462.
Weblinks
Einzelnachweise
- V ledové Vltavě se fotí nejlépe. Podívejte se na první fotografie Juditina mostu – Zeitungsartikel über die archäologische Untersuchung der Judithbrücke vom 3. Februar 2010.; Historie Karlova mostu
- Reiseführer Olympia. Prag. Seiten 37–42
- Zdeněk Horský: Založení Karlova mostu a kosmologická symbolika Staroměstské mostecké věže, Praha 1979
- Martina Klapalová: Pilířů bylo asi více (Es gab wahrscheinlich mehr Pfeiler) (Memento vom 5. Mai 2009 im Internet Archive) In: Lidové noviny (Volkszeitung), 10. September 2007.
- Praha.eu (Memento vom 7. April 2013 im Internet Archive), abgerufen 19. Januar 2013
- Susan Raušová: Karlsbrücke ist nicht aus Eiern gebaut, wie Wissenschaftler festgestellt haben. Hospodářské noviny vom 15. Oktober 2008 (tschechisch)
- Klaus Brill: Karlsbrücke in Prag – Ein Mythos wird verschandelt. (Memento vom 21. Mai 2010 im Internet Archive) In: Süddeutsche Zeitung. 14. April 2010
- Tom Clifford: UNESCO looks at bridge work. In: The Prague Post. 3. Februar 2010
- Petition zur Rettung der Karlsbrücke in Prag, zachrante-karluv-most.cz, 1. Oktober 2009
- Berliner Gasleuchten-Technik für Prag. In: Berliner Morgenpost vom 28. November 2010
- Isabel Heitjan: Das „Wunder“ Johanns von Nepomuk 1744 zu Prag. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe. Nr. 89, 5. November 1968 (= Archiv für Geschichte des Buchwesens. Band 62), S. 2863–2868, hier: S. 2866 f.
- Gottfried Fehr: Die Karlsbrücke zu Prag. Berlin 1944 (= Führer zu großen Baudenkmälern. Band 25), S. 12.
- Eine Liste aller Statuen auf der Karlsbrücke auf einer privaten Website