Jonas Gahr Støre
Jonas Gahr Støre (* 25. August 1960 in Oslo) ist ein norwegischer Politiker der sozialdemokratischen Arbeiderpartiet (Ap). Seit 2009 ist er Abgeordneter im Storting, seit 2014 fungiert er als Parteivorsitzender. Von Oktober 2005 bis September 2012 war er Außenminister seines Landes, danach bis Oktober 2013 der Gesundheits- und Fürsorgeminister. Seit dem 14. Oktober 2021 ist er norwegischer Statsminister (Regierungschef).
Leben
Jonas Gahr Støre kam 1960 als Sohn des Schiffsmaklers Ulf Jonas Støre und Unni Gahr zur Welt.[1] Er wuchs im wohlhabenden Viertel Ris im Westen der Stadt Oslo auf.[2] Støre ist Enkel des Industriellen Jonas Henry Støre und Urenkel des konservativen Politikers Paul Edvart Støre.[3] Nach dem Abschluss der weiterführenden Schule im Jahr 1979 besuchte er bis 1980 die Sjøkrigsskolen in Bergen, eine Hochschule der norwegischen Seestreitkräfte. Zwischen 1980 und 1981 war er Leutnant (fenrik) in der norwegischen Marine. Anschließend studierte Støre bis 1985 Staatswissenschaften am Institut d’études politiques de Paris.[4] Nach seinem Studium arbeitete er 1986 als Teaching Fellow an der Harvard Negotiation Project an der Harvard Law School[5] und von 1986 bis 1989 als Forscher bei der Bedriftsøkonomisk Institutt, am Projekt Scenarier 2000. 1988 bewarb er sich um eine Stelle als politischer Berater in der Parlamentsfraktion der Konservativen Partei, lehnte diese jedoch ab, als ihm die Stelle angeboten wurde.[6]
Tätigkeit in der Staatskanzlei und Staatssekretär
In den Jahren 1989 bis 1995 war Støre als Sonderbeauftragter im Statsministerens kontor, der norwegischen Staatskanzlei, tätig.[1] Dabei arbeitete er unter anderem mit der Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland zusammen. Während dieser Zeit war er unter anderem für Europafragen zuständig und wirkte an Verhandlungen zu einer potenziellen Mitgliedschaft Norwegens in der Europäischen Union (EU) oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) mit.[4] Im Jahr 1995 trat Støre schließlich der Arbeiderpartiet bei.[7] Ab 1995 arbeitete Støre als Abteilungsdirektor in der Staatskanzlei. Im Jahr 1998 war er unter Brundtland bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf tätig.[1][4]
Am 17. März 2000 wurde er unter dem neuen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg Stabschef und Staatssekretär im Statsministerens kontor. In dieser Position blieb er bis zum Rücktritt der Regierung am 19. Oktober 2001.[8] Die Regierung ließ sich von der New-Labour-Agenda der britischen Labour Party inspirieren und leitete die umfangreichste Privatisierung in der norwegischen Geschichte ein.[9][10]
Ab 2002 arbeitete er für Econ Analyse. Danach wurde er von 2003 bis 2005 Generalsekretär des Norwegischen Roten Kreuzes.[1]
Außen- und Gesundheitsminister
Am 17. Oktober 2005 wurde Jonas Gahr Støre zum Außenminister in der neu gebildeten Regierung Stoltenberg II ernannt.[8] Während eines Auslandsbesuchs in Afghanistan kam es am 14. Januar 2008 in dem Hotel, in dem Støre und seine Delegation übernachteten, zu einem Selbstmordattentat, bei dem sechs Menschen ihr Leben verloren. Støre überstand das Attentat unverletzt. Der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon sagte im Folgenden aus, dass der Außenminister das Ziel gewesen sei.[11] Als Außenminister arbeitete er unter anderem auf eine stärkere nordische Zusammenarbeit hin und baute die Zusammenarbeit mit Russland in der Barentssee aus.[4]
Bei der Parlamentswahl 2009 zog Støre erstmals in das norwegische Nationalparlament, das Storting, ein. Er wurde für den Wahlkreis Oslo ins Parlament gewählt, wegen seiner Regierungsmitgliedschaft musste er jedoch sein Mandat ruhen lassen. Er wurde für die gesamte Legislaturperiode von seinem Parteikollegen Truls Wickholm vertreten.[1] Am 21. September 2012 wurde Jonas Gahr Støre schließlich im Zuge einer Ministerposten-Rochade zum neuen Gesundheits- und Fürsorgeminister ernannt. Er behielt das Ministeramt bis zum 16. Oktober 2013, als nach der Stortingswahl 2013 die konservative Regierung Solberg übernahm.[8]
Stortingsabgeordneter und Parteivorsitzender
Støre übernahm ab Oktober 2013 sein Parlamentsmandat erstmals selbst und wurde zunächst stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses. Im Juni 2014 wechselte er während der laufenden Legislaturperiode in den Außen- und Verteidigungsausschuss. Zudem wurde er im Juni 2014 neuer Fraktionsvorsitzender der Arbeiderpartiet-Fraktion.[1]
Am 14. Juni 2014 löste er Jens Stoltenberg, nachdem dieser zum NATO-Generalsekretär berufen worden war, als Parteivorsitzender der Arbeiterpartei ab. Støre erklärte zu Beginn seiner Amtszeit, die Klimapolitik seiner Partei ändern zu wollen und sich nun mehr auf den Umweltschutz in Norwegen konzentrieren zu wollen, statt wie sein Vorgänger Stoltenberg vor allem tropischen Regenwald und Emissionsgutschriften aufzukaufen.[12]
Bei der Parlamentswahl im September 2017 war Støre Spitzenkandidat seiner Partei und somit potenzieller Anwärter für das Amt des Ministerpräsidenten in einer linken Koalition. Die Arbeiderpartiet erzielte bei der Wahl zwar trotz eines Rückgangs die meisten Stimmen, das Ergebnis reichte allerdings nicht zur Bildung einer linken Regierung.[4] Somit blieb die konservative Ministerpräsidentin Erna Solberg in ihrem Amt.[13][14] Støre wurde für die Legislaturperiode 2017–2021 im Storting erneut Fraktionsvorsitzender und er verblieb im Außen- und Verteidigungsausschuss.[1]
Statsminister
Bei der Parlamentswahl im September 2021 war Støre erneut Spitzenkandidat seiner Partei. Die Arbeiderpartiet erzielte bei der Wahl zwar trotz eines erneuten kleinen Rückgangs und dem zweitschlechtesten Ergebnis in 100 Jahren wiederum die meisten Stimmen.[15] Støre begann daraufhin mit der Regierungsbildung und wurde am 14. Oktober 2021 neuer Statsminister seines Landes ernannt. Die Regierung Støre ist eine Minderheitsregierung mit Beteiligung der Arbeiderpartiet und der Senterpartiet.
Politische Positionen
Støre wird dem rechten Flügel der Arbeiderpartiet zugeordnet. Als er 2005 in das Kabinett von Jens Stoltenberg eintrat, wurde er als Teil einer Gruppe von „Managern aus dem (Osloer) West End“ wahrgenommen.[16]
Kontroversen
Umstritten war während seiner Amtszeit als Außenminister unter anderem die Entscheidung, 2007 die Hamasregierung in Palästina anzuerkennen.[2] Im Jahr 2011 wurde bekannt, dass Støre in jener Zeit telefonischen Kontakt zum Hamasanführer Chalid Maschal hatte. Jonas Gahr Støre bestätigte später, dass dieser Kontakt tatsächlich bestand.[17][18]
Während des Wahlkampfes 2017 wurde er von manchen Seiten kritisiert, als bekannt wurde, dass 2011 bei Renovierungen auf Støres Grundstück Schwarzarbeiter tätig gewesen waren. Er verteidigte sich unter anderem damit, dass einer seiner Mitarbeiter den Vertrag mit den Handwerkern schloss und dabei Steuerzahlungen vereinbart wurden.[19]
Privates
Støre ist mit der lutherischen Pastorin,[20] Soziologin und Gestalttherapeutin Marit Slagsvold verheiratet und hat drei Söhne, die die Osloer Waldorfschule besucht haben.[21][22] Er gilt mit einem Vermögen von etwa 64 Millionen Norwegischen Kronen (umgerechnet rund 6 Millionen Euro) als wohlhabend, der Großteil seines Vermögens stammt aus dem Verkauf einer Firma seines Großvaters.[23][24] Seine soziale Herkunft führte zu Beginn seiner politischen Karriere in der Partei sowie in der Arbeiterbewegung teilweise zu Zweifeln an seiner sozialdemokratischen Einstellung.[4][2]
Werke
- 1987: Scenarier 2000. Universitetsforlaget, Oslo
- 2003: Human Security. Harvard, Boston
- 2003: Norge, en reise verdt?. Kagge, Oslo
- 2004: Barents 2015. Econ, Oslo
- 2008: Å gjøre en forskjell: refleksjoner fra en norsk utenriksminister. Cappelen Damm, Oslo
- 2014: I bevegelse. Cappelen Damm, Oslo
Weblinks
- Jonas Gahr Støre beim Storting (norwegisch, englisch)
- Jonas Gahr Støre im Store norske leksikon (norwegisch)
- Jonas Gahr Støre in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- Biografi: Støre, Jonas Gahr. 9. März 2008, abgerufen am 12. September 2021 (norwegisch).
- Lise Merete Olaussen: Jonas Gahr Støre. In: Norsk biografisk leksikon. 8. September 2021 (norwegisch, snl.no [abgerufen am 12. September 2021]).
- Støre, Paul Edvart. Levanger kommune. Abgerufen am 14. September 2021.
- Olav Garvik: Jonas Gahr Støre. In: Store norske leksikon. 8. September 2021 (norwegisch, snl.no [abgerufen am 12. September 2021]).
- Jonas Gahr Støre, Europaparlament
- Jonas Gahr Støre var Høyre-mann. 17. September 2008.
- Hanne Mauno: Jonas Sjef Støre. In: Dagsavisen. 14. Juni 2014, abgerufen am 21. Februar 2019 (norwegisch).
- Jonas Gahr Støre. In: regjeringen.no. Abgerufen am 12. September 2021 (norwegisch).
- Har solgt ut mest. In: Aftenposten. Abgerufen im 14. September 2021.
- Jagland mener Ap nå slår inn på en riktig politisk linje: Mer stat og styring. In: Aftenposten, 28. Oktober 2020.
- Gjermund Glesnes: FN: Støre var målet. In: Verdens Gang. 14. Januar 2008, abgerufen am 21. Februar 2019 (norwegisch).
- Alf Bjarne Johnsen, Kyrre Lien, Cato Husabø Fossen: Støre: Jeg gleder meg. In: Verdens Gang. 14. Juni 2014, abgerufen am 21. Februar 2019 (norwegisch).
- Valgresultat for Norge. Abgerufen am 6. Februar 2019 (norwegisch (Bokmål)).
- Reinhard Wolff: Neue Regierung in Norwegen: Drei Frauen sind am Ruder. In: Die Tageszeitung: taz. 15. Januar 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 6. Februar 2019]).
- Slik stemte vi. In: NRK. 14. September 2021, abgerufen am 14. September 2021 (norwegisch (Bokmål)).
- Jens måtte droppe«direktørvennene». In: Dagsavisen. Abgerufen im 14. September 2021. „På rekke og rad advarte talerne Jens Stoltenberg mot å velge «blåruss» og «vestkantdirektører» som ikke hadde deltatt i valgkampen og partiarbeidet. Kritikken var rettet mot Grete Faremo Hanne Harlem og Jonas Gahr Støre og den bunnet i en frykt for at de skulle lede partiets kurs til høyre.“
- Støre har hatt hemmelige samtaler med Hamas. 27. Januar 2011, abgerufen am 21. Februar 2019 (norwegisch).
- Snakket direkte med Hamas-leder. In: NRK. 27. Januar 2011, abgerufen am 12. September 2021 (norwegisch (Bokmål)).
- Finansavisen: Jobbet svart på Jonas Gahr Støres brygge. Abgerufen am 21. Februar 2019 (norwegisch).
- Jonas Gahr Støres kone ordineres til prest
- Elisabeth Skarsbø Moen: Støres verdivalg. In: VG. Abgerufen im 14. September 2021.
- Har Jens, Jonas og kongefamilien blitt hjernevasket av okkultisme?. In: Dagbladet. Abgerufen im 13. September 2021.
- Alexander Klanderud: Erna tjener mest og er rikest i regjeringen. In: TV 2. 14. Oktober 2016, abgerufen am 14. September 2021 (norwegisch).
- Støres reelle formue: Minst 85 millioner. Abgerufen am 21. Februar 2019 (norwegisch).