Hauptzollamt (München)
Das ehemalige Hauptzollamt München ist ein Gebäudekomplex aus dem Jahr 1912 an der Landsberger Straße 122–132 im Münchner Stadtteil Schwanthalerhöhe. Von der Eröffnung bis 2004 war darin das Hauptzollamt München I untergebracht, seither wird es von einzelnen Abteilungen der Bundeszollverwaltung genutzt. Die Bauten wurden in einer Mischung aus spätem Jugendstil und Reformarchitektur errichtet.[1] Sie gelten als Beispiel der „monumentalen Bauweise der Prinzregentenzeit“ und „repräsentieren nach außen die Größe und Eigenständigkeit des bayerischen Königreiches“.[2] Markant ist das massive, 180 m lange ehemalige Lagerhaus mit einer gläsernen Kuppel. Ihre Spitze ist 45 m hoch und wirkt „wie ein Kristall“,[3] der aus der Mitte des Gebäudes herauswächst.
Durch seine Lage neben der Donnersbergerbrücke zwischen der Landsberger Straße und den Bahngleisen ist das Gebäude sehr präsent im Stadtbild und kann sowohl vom Mittleren Ring auf der Donnersbergerbrücke wie von allen in den Hauptbahnhof München einfahrenden oder ihn verlassenden Zügen aus gesehen werden.
Geschichte
Bereits seit 1807 gab es in Bayern eine moderne Finanzverwaltung mit einer General-Zoll- und Maut-Direktion.[4] 1819 wurde im Rahmen der Neuorganisation der königlichen Behörden unter der Verfassung des Königreichs Bayern von 1818 unter Maximilian von Montgelas eine dreigliedrige Struktur aus Direktion, Hauptzollämtern und nachgeordneten Zollämtern I. und II. Klasse eingerichtet.[5] 1874 wurde das Hauptzollamt München in einen Bau von Friedrich Bürklein an der Bayerstraße nahe dem Münchner Hauptbahnhof verlegt und 1880 wurde die Zoll- und Mautdirektion in die neue Königliche Generaldirektion für Zölle und indirekte Steuern integriert, womit den Hauptzollämtern auch Steuerämter und Steuerstellen nachgeordnet waren. Seit 1901 gab es zwei Hauptzollämter in München, als ein weiteres in Haidhausen am Bahnhof München Ost mit Zuständigkeiten im Osten Münchens bis zum damaligen Landgericht Schwaben eröffnet wurde.[6]
Durch einen Aufschwung des Fernhandels und besonders ein neues Zollgesetz von 1906 genügte das Hauptzollamt I nicht mehr dem Bedarf. Waren 1900 noch 24.000 Kolli trockene und 3560 Kolli flüssige Güter eingetroffen und verzollt worden, stieg der Umsatz bis 1911 auf 48.000 Kolli trockene und 7000 Kolli flüssige Waren.[7] Eine Erweiterung auf dem Grundstück war nicht möglich. Daher gab die Regierung 1908 einen Neubau für das Hauptzollamt München I in Auftrag. Dafür wurde das Grundstück des bisherigen forstärialischen Holzhofs der königlich bayerischen Forstverwaltung weiter westlich an der Landsberger Straße ausgewählt, die die Verlängerung der Bayerstraße stadtauswärts darstellt. Um den Zugang zum Grundstück zu ermöglichen, mussten neun Privathäuser entlang der Landsberger Straße aufgekauft und abgerissen werden. Weil auch die bis dahin zusammen mit der königlichen Generaldirektion für Zölle und indirekte Steuern im Alten Hof untergebrachte Technische Prüfungs- und Lehranstalt der Zollverwaltung dort ausziehen musste, sollte sie in den Neubau integriert werden.[8] Da der neue Standort am Rand der Stadt lag, wurden Dienstwohnungen vorgesehen.[9]
Entwurf und Bau
Entworfen wurde der Bau vom königlichen Regierungs- und Bauassessor Hugo Kaiser. Zusammen mit drei anderen Beamten der Bauverwaltung unternahm er eine Studienreise zu modernen Zollbauten, dem Hamburger Freihafen und diversen Industriebauten, die als Vorbilder in Frage kamen.[10] Die anschließend erstellten Pläne sahen einen großzügigen Entwurf vor, der real geschätzte Platzbedarf wurde als Reserve für die Zukunft um ein Drittel erhöht und ging so in die Anforderungen für den Bau ein. Der Entwurf und ein Modell wurden 1908 von Prinzregent Luitpold genehmigt. Von 1909 bis 1912 wurde der Gebäudekomplex errichtet, wobei Kaiser die Bauleitung innehatte und der königliche Ministerialrat Gustav Freiherr von Schacky auf Königsfeld aus dem Finanzministerium die Bauoberleitung wahrnahm.[11] Am 1. Juli 1912 wurde das neue Hauptzollamt durch Prinz Ludwig in Vertretung seines schon 91-jährigen Vaters eingeweiht.[12] Der bisherige Standort wurde von den Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen übernommen.
Lagerhalle und Verwaltungsgebäude waren in Eisenbeton-Skelettbauweise errichtet und zählten damit zu den ersten Eisenbetonbauten dieser Größe in Europa.[13] Mit den Bauarbeiten wurden die führenden Unternehmen der Zeit aus ganz Süddeutschland beauftragt.[14] Die Eisenbetonkonstruktionen wurden von den Münchner Bauunternehmungen Gebr. Rank und Heilmann & Littmann ausgeführt, die Schmiedeeisenarbeiten kamen von F. F. Kustermann. Die Heizungsanlage stammte von den Eisenwerken Kaiserslautern, Kräne lieferten die Nürnberger Maschinenfabrik Wilhelm Spaeth und das Würzburger Unternehmen Georg Noell & Co., die Rohrpostanlage wurde von Alois Zettler erstellt, weitere technische Installationen stammten von den Siemens-Schuckertwerken. Die Kosten für das Hauptzollamt betrugen 1.760.000 Mark für das Grundstück und 8.170.500 Mark für die Bauten. Letzteres schließt allerdings die Baukosten von 485.000 Mark für die Zollanlagen am Bahnhof München Süd ein, die für die Verzollung von Obst und Gemüse auf dem Gelände der Großmarkthalle München errichtet wurden. Außerdem waren die Kosten für Grundstück und Bebauung des neuen Forsthofs in Haidhausen enthalten.[15]
Nutzung
In den ersten Jahren des Hauptzollamtes wurden die Lagerflächen bei weitem nicht ausgenutzt, so dass Teile an Münchner Unternehmen vermietet wurden. Während des Ersten Weltkriegs dienten große Teile der Lagerhalle, die Schalter- und die Revisionshallen als Hilfslazarett.[16] 1919 wurde ein Hauptzollamt München III eröffnet, das wieder im Bürkleinbau an der Bayerstraße untergebracht war. Das Hauptzollamt München I war nur noch für die Verzollung in München ohne den Ostbahnhof zuständig, während alle nachgeordneten Zollämter, Zollinspektionen, Steuerämter und Steuerstellen zwischen den beiden anderen Hauptzollämtern aufgeteilt wurden.[17]
Im Zweiten Weltkrieg nutzte die Wehrmacht rund ein Viertel der Lagerflächen als Depot. Bei Luftangriffen wurde das Gebäude teilweise durch Sprengbomben beschädigt und in der Nacht vor dem Eintreffen der US-Armee durch die Münchner Bevölkerung geplündert.[18] Die Amerikaner nutzten nach Ende des Krieges rund zwei Drittel der Lagerhalle als PX-Depot und bauten sie ihren Zwecken entsprechend um. Dabei gingen viele der künstlerischen und baulichen Details verloren. Im Rest der Halle und in den Verwaltungsbauten arbeitete weiterhin der Zoll. 1963 ging das Eigentum am Gebäude vom Freistaat Bayern auf die Bundesfinanzverwaltung über, 1969 gab die US-Army ihre Nutzung auf und die gesamte Anlage unterstand wieder deutscher Verwaltung.
Seit 1976 steht das Hauptzollamt unter Denkmalschutz.[1] Das Finanzbauamt München I unternahm ab 1977 eine abschnittsweise Renovierung und Rekonstruktion für rund 28 Mio. D-Mark,[19] die großteils zum 75-jährigen Jubiläum des Gebäudes 1987 abgeschlossen waren.[9] Zwischen 1994 und 2002 wurden die ehemals drei Hauptzollämter in München (West, Mitte und Flughafen) fusioniert, bis zum Jahr 2007 zogen die Dienststellenleitung und die meisten Abteilungen nach und nach in den Dienstsitz Sophienstraße am Alten Botanischen Garten um. Auch die Zollabfertigung in der Landsberger Straße endete, nachdem zuletzt nur noch Postsendungen bearbeitet wurden. Die freigewordenen Räume wurden von der Zollfahndung, der Kontrolleinheit Verkehrswege sowie 2004 von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit übernommen, weshalb aus Sicherheitsgründen kein öffentlicher Zugang zum Gebäude mehr besteht.
Das Hauptzollamt war auch Drehort für Fernsehproduktionen und Veranstaltungsort: Christian Dior stellte seine Herbst-/Winter-Kollektion 1999 in der Schalterhalle vor, das Tanzstudio der ZDF-Weihnachtsserie Anna wurde im Revisionssaal eingerichtet, zwei Folgen von Die Verbrechen des Professor Capellari und eine von Siska wurden maßgeblich im Gebäude gedreht. Auch für die Miniserie Der Wunschbaum wurde das Hauptzollamt genutzt.[20] Im Hauptzollamt wurden bis 1998 sowohl der Bestand an so genannter Deutscher Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus als auch Raubkunst verwahrt. Der Oberfinanzdirektion München unterstanden Kunstwerke unter der Verwaltung des Bundes,[21] die von staatlichen Sammlungen während des Dritten Reichs angekauft oder rechtswidrig aus ganz Europa zusammengeführt worden waren und nach dem Krieg von den Amerikanern im Central Collecting Point erfasst wurden.[22] Der fünfte Stock des Lagerhauses ist heute an das Deutsche Museum vermietet, das dort Teile seines Depots ausgelagert hat.[19] Seit 2015 hat auch das Landesamt für Denkmalpflege sein Depot für archäologische Funde im Hauptzollamt.[23]
Das Gebäude der zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt wurde von 2011 bis 2014 generalsaniert, nachdem die Labore der Prüfanstalt in einen Neubau in der Nähe des Münchner Flughafens gezogen sind.[24] Anschließend wurden in den Büros Zolldienststellen und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben angesiedelt. Die angegliederten Wohnhäuser werden durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vermietet, bevorzugt an Bundesbeamte.
Bauten
Das Hauptzollamt gehört zu den Großprojekten der Prinzregentenzeit zwischen 1886 und 1912.[25] Die großen Staatsbauten der Zeit, die „Bayerns Eigenständigkeit“ und „das Beharren auf Reservatsrechten“[26] gegenüber den anderen Ländern im seit 1871 geeinten Deutschen Reich veranschaulichen sollten, prägen bis heute das Erscheinungsbild der Stadt. Sie sind durch einen hohen Qualitätsanspruch gekennzeichnet und tragen maßgeblich dazu bei, dass die Kulturstadt München neben Kunst, Musik, Theater, Literatur und Wissenschaft auch in der Architektur zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert den „Höhepunkt der nationalen und europäischen Bedeutung“ Münchens erreichte.[27]
Das rund 35.000 m² große, annähernd rechteckige Grundstück wurde mit 14.000 m² Grundfläche zu etwa 40 % überbaut.[28] Der Gebäudekomplex umfasst den Verwaltungsbau im Kern des Geländes, das im Norden rechtwinklig anschließende und nach Westen verlaufende 180 m lange Lagergebäude, die im Osten abgesetzte Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt sowie im Süden an der Landsberger Straße drei Wohnblöcke für Angestellte. Er ist als vielflügelige Anlage mit gestuften Bauten unterschiedlicher Höhe mit mehreren Höfen und Grünflächen angelegt, die Straßenfassade ist durch Torbögen und Mauern geschlossen, so dass die Anlage „Züge einer autarken Arbeits- und Wohnfestung gewinnt“.[29] Die Errichtung der Anlage in einer einheitlichen Planung erlaubte die optimale Anpassung der Bauten an die Zollabläufe und die Trennung der Warenströme durch die Anordnung der Gebäude um mehrere Höfe.[30]
Die Münchner Neuesten Nachrichten kamen am Tag nach der Eröffnung zum Schluss:
Der ganze Baukomplex, „von außen gefällig, von innen zweckmäßig und mit allen Errungenschaften der Neuzeit ausgestattet, ist eine neue Zierde für München und zeigt, wie Geschmack und Brauchbarkeit, wie Komfort und technische Vollkommenheit auch bei Staatsbauten Hand in Hand gehen können. Und wenn auch kein Kaufmann gerne Zoll zahlt, fast glaube ich, daß er wenigstens den Neubau an der Landsberger Straße lieb gewinnen und gerne besuchen wird.“[31]
Architektur
Der Verwaltungsbau, das eigentliche Zollamt, ist in Nord-Süd-Richtung orientiert und weist eine Schaufassade mit konvex ausgebautem Giebel und Uhrenturm auf. Es ist gegenüber der Landsberger Straße zurückgesetzt und sein Eingangsbereich wird durch einen Ehrenhof erschlossen, der durch die Prüfanstalt im Osten und den Seitenflügel eines der Wohngebäude gebildet und eingerahmt wird. Die Schauseite des Gebäudes wird durch einen quergestellten Bürotrakt gebildet, hinter dem die zentrale Schalterhalle liegt. Sie ist 35 m lang, 14,5 m breit und reicht mit 14 m Höhe über drei Stockwerke.[32] Sie wird durch ein Tonnengewölbe mit gewaltigen Rahmenbindern aus Eisenbeton geprägt. Die Deckenflächen sind mit kassettenförmigem Stuck verziert. Parallel zur Schalterhalle liegt der niedrigere untere Revisionssaal, dazwischen befindet sich ein Lichthof, der bis zum Untergeschoss reicht und über eine Rampe den Zugang für Fahrzeuge zu den Kellern darstellt.
Hinter dem Verwaltungsbau, quer dazu an den Eisenbahngleisen, liegt der Lagertrakt. Er hat vier Hauptgeschosse und einschließlich Dach und Kellern insgesamt neun Etagen mit zusammen rund 30.000 m² Lagerfläche.[33] Das Erdgeschoss diente zur Zollabfertigung, die Obergeschosse wurden als Zollfreilager verwendet.[34] Für besondere Warengattungen standen eigene Lagerräume zur Verfügung: Feuergefährliche Güter hatten eine eigene kleine Halle im Hof, Kraftfahrzeuge wurden in einem geschlossenen Unterstand verwahrt, für übelriechende Waren gab es gesonderte Lagerflächen am Ende der Halle und eine überdachte, aber ansonsten weitgehend offene Veranda. Fette und Öle, sowie Schaumwein wurden im Kellergeschoss gelagert. Außerdem standen Räume für die Fleischbeschau durch einen Tierarzt zur Verfügung.[11] Im östlichen Drittel unterbricht die Kuppel des 45 m hohen Lichtschachts das massive Satteldach. Sie überragt den First des Lagerhauses um 18 m und besteht aus einem „langgestreckten Zehneck, das kuppelförmig auf zwei Firstpunkte zuläuft.“ Ihre Rippen mit drei Umgängen gelten als „Prototyp des Eisenbetonfachwerks“.[35] Zum Wetterschutz ist der Beton mit Kupfer verkleidet, das eine Patina angesetzt hat, die bei der Renovierung sorgfältig restauriert wurde. Der durch alle Etagen geführte Lichtschacht war früher zu den Lagerflächen offen. Nach den Umbauten wurden in den Lagerhaus-Etagen überwiegend Büros eingerichtet, der Lichtschacht wurde zu diesen hin weitgehend geschlossen.
Die östlich des Ehrenhofs liegende Technische Prüfungs- und Lehranstalt der Zollverwaltung wies Büro- und Geschäftsräume sowie mehrere Labors auf, daneben einen zentralen Hörsaal mit modernen Diaprojektoren und eine umfangreiche Sammlung an Warenmustern. An Laboratorien gab es eines für amtliche Untersuchungen im Allgemeinen und zu Studienzwecken, ein weiteres besonders für Bier- und Weinuntersuchungen, ein Übungslaboratorium für die Abhaltung praktischer Anleitungen der Kursteilnehmer in der Ausführung chemischer Untersuchungen, ein Zimmer für die Präzisionswaagen, ein Mikroskopierzimmer und einen Raum für Brennversuche im Keller. Außerdem waren in diesem Gebäude drei Dienstwohnungen eingerichtet.[36]
Die viergeschossigen Wohntrakte an der Landsberger Straße enthielten 47 Wohnungen für Mitarbeiter des Zollamtes. Sie waren je nach Dienstrang gestaffelt zwischen sieben Zimmern für den Amtsleiter, Vier- bis Fünf-Zimmerwohnungen für Zollinspektoren und Drei-Zimmerwohnungen für sonstige Beamte, Aufseher und Maschinisten. Alle Wohnungen hatten Küchen mit Gasherden und Zentralheizung und waren daher auch für die einfachen Mitarbeiter von erstklassigem Standard. Die gehobenen Wohnungen verfügten über eigene Bäder und Elektrizität. Der Hof zwischen den Wohngebäuden war begrünt und mit einem Kinderspielplatz ausgestattet.[22]
Zum Gesamteindruck des Komplexes tragen die unterschiedlichen Gebäudehöhen und die vielfach gegliederten Dachlandschaften mit Gauben und Zwerchhäusern bei. Die Versuchsanstalt und die Wohnhäuser weisen Walmdächer auf, der Verwaltungstrakt und das Lagerhaus ein Satteldach. Die Grundrisse und Bauformen sind der Reformarchitektur zuzuordnen, die Fassaden aller Bauten sind, gemäß dem späten Jugendstil, durch plastischen Bildschmuck aus Muschelkalk und gestocktem Beton bereichert. Während die der Bahn zugewandte Seite eher nüchtern wirkt, so „ist das Erscheinungsbild auf den anderen Seiten einladend und vielgestaltig“ und sind die Verwaltungs- und Lehrbereiche „repräsentativ“ gehalten.[3]
Gebäudetechnik
Die Ausstattung der Behörde nutzte alle Techniken der Zeit: Im Inneren gab es Luftbefeuchtungsanlagen, sowie Luftentstaubungsfilter und eine Einrichtung zur Frischluftzuführung. Das kontrollierte Klima in den Lagerräumen war besonders wichtig, weil über München die gesamte Tabakeinfuhr aus Griechenland in das Deutsche Reich abgewickelt wurde.[10] Die Lagerhalle hatte einen direkten Gleisanschluss mit Seilzug zum Verschieben von Wagen, so dass per Eisenbahn ankommende Waren im Inneren des Zollamtes entladen werden konnten. Laufkräne mit einer Tragkraft zwischen 4 und 25 Tonnen und vier Lastenaufzüge mit je 1,5 Tonnen zulässiger Beladung sorgten für den Transport der Güter.[11]
Zur Staubvermeidung wurde die Abluft aus den Untersuchungsräumen gefiltert, und die anschließenden Büros wurden konstant unter leichtem Überdruck gehalten. Verpackungen und Abfälle konnten aus den beiden Revisionssälen durch Schächte direkt in luftdichte Abfallbehälter geworfen werden.[37] Im Keller waren Waschräume für Mitarbeiter eingerichtet. Im Zollhof stand ein Brunnenbecken als Pferdetränke zur Verfügung. Für die elektrische Ausstattung besaß das Zollamt einen eigenen Transformator, der den Strom vom E-Werk des Hauptbahnhofs auf die benötigten Werte umwandelte. Die beiden Abfertigungshöfe konnten mit Bogenlampen beleuchtet werden. Alle Gebäude hatten Zentralheizung oder einen Fernwärmeanschluss, es gab eine Haustelefonanlage, eine elektrische Uhrenanlage, die zentral vom Büro des Behördenleiters gesteuert wurde, und ein Rohrpostsystem.[22]
Künstlerische Ausstattung
Die Bildhauerarbeiten an den Fassaden und im Inneren des Verwaltungsgebäudes stammten von Georg Albertshofer und Julius Seidler sowie eine Portalplastik von Wilhelm Riedisser. Das Vestibül und die Schalterhalle erhielten geschmiedete Ziergitter, geschnitzte Treppengeländerstützen und Schalterfronten aus poliertem Muschelkalk. Andere Bereiche waren mit Wanddekorationen in Schablonenmalerei verziert, die mit Palmettenfriesen, Perlschnüren und Kassetten die Wände gliederten. Große Teil der Ausstattung sind erhalten. Viele Türen und Geländer sind original, im Treppenhaus des Verwaltungstraktes sind eine Plastik und mehrere Kapitelle erhalten, das Direktionsbüro weist die ursprüngliche Holzvertäfelung und Möblierung auf.[9]
In der Schalterhalle mussten vor der Restaurierung zwischen 1977 und 1987 erst Deckenrisse durch Kriegseinflüsse fachgerecht saniert werden, bevor die zwischenzeitlich mit Putz verschlossenen Kassetten in den Gurtbögen freigelegt und die Stuckprofile und die Schablonenmalerei nach Farbresten und Fotos rekonstruiert werden konnten. Die originale Front einer Stirnwand aus Muschelkalk-Platten und -Säulen konnte unter Putzschichten gefunden und freigelegt werden. Ziergitter waren zum Teil nicht erhalten und mussten nach Fotos neu geschmiedet werden. Die ehemaligen Holzeinbauten in den Sockelzonen waren verloren gegangen und für eine Rekonstruktion standen keine Mittel zur Verfügung. Daher wurden sie durch einen gemalten Sockel mit Kammzugmuster und einem Schablonenfries darüber ersetzt, wie er ursprünglich in den benachbarten Fluren existierte.[38]
Im dem oberen Revisionssaal zugehörigen Büro wurde die Schablonenmalerei nach Funden von Farbresten unter späterer Übermalung und Fotos aus der Bauzeit durch den Kirchenmaler Peter Hippelein[39] rekonstruiert. Nach Rücksprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege wurde der Eindruck der zwischenzeitlich verschlossenen Verglasung des Lichtschachts durch aufgemalte Glasbausteine angedeutet. Eine Reihe von Kassettenfüllungen in intensiven, frischen Farbtönen vermittelt wieder den ursprünglichen Charakter eines „gehobenen Bureaus“.[40]
Im Vestibül sind Stuck und ein Deckenfresko erhalten. Es zeigt die Patrona Bavariae umgeben von Putten, die mit ihren Aktivitäten Handel und damit die Grundlage des Zolls symbolisieren. Die Verkleidungen von Wänden und Säulen aus Muschelkalk waren jedoch bis auf einen kleinen Teil verloren. Sie wurden im Rahmen der Renovierung durch einen den Kalkplatten ähnlichen Anstrich ersetzt.[41]
Literatur
- o. V.: Die Zollneubauten in München. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, Jahrgang 1912, Ausgabe 83 vom 12. Oktober 1912 und Ausgabe 84 vom 16. Oktober 1912
- o. V.: Die Zollanlagen an der Landsberger Straße in München. In: Der Industriebau, 5. Jahrgang, Ausgabe 7 (15. Juli 1914), Seiten 151–172
- Wolfgang Läpke: Das Hauptzollamt an der Landsberger Straße. In: Monika Müller-Rieger (Hrsg.): Westend – Von der Sendlinger Haid' zum Münchner Stadtteil. Buchendorfer Verlag, 1995, ISBN 3-927984-29-9, Seiten 111–123
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. Artikelserie in Die Mappe – Deutsche Malerzeitschrift, Callway Verlag, Ausgaben 7–9, 1987
- Siglinde Franke-Fuchs: 100 Jahre Zoll-Dienstgebäude Landsberger Straße 124, München. Hauptzollamt München, 2012
- Denis A. Chevalley, Timm Weski: Landeshauptstadt München – Südwest (= Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]: Denkmäler in Bayern. Band I.2/2). Karl M. Lipp Verlag, München 2004, ISBN 3-87490-584-5, S. 375–377.
Weblinks
- Bernd Raschert: Zur Baugeschichte des Hauptzollamtes München-West. In: www.baufachinformation.de. Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau IRB in Stuttgart, abgerufen am 4. Juli 2011.
Einzelnachweise
- Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: D-1-62-000-3763
- Läpke 1995, Seite 111
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. In: Die Mappe – Deutsche Malerzeitschrift, Ausgabe 7/87, Seite 9
- Walter Wilhelm: Maut – Zoll 1834–1984, Oberfinanzdirektion München 1984, Seite 9
- Walter Wilhelm: Maut – Zoll 1834–1984, Oberfinanzdirektion München 1984, Seite 22
- Münchener Jahrbuch 1901, Carl Gerber, München 1901, Seiten 400, 448
- Zollanlagen, Industriebau 1914, Seite 154
- o. V.: Die Zollneubauten an der Landsbergerstrasse in München. In: Süddeutsche Bauzeitung, Jahrgang 22 (1912), Nr. 44, Seiten 349–354, 350
- Denkmäler in Bayern, München-Südwest, Halbband 2 Seiten 375–377
- Läpke 1995, Seite 112
- Zollneubauten, Zentralblatt 1912, Ausgabe 84, Seite 542–544
- Franke-Fuchs 2012, Seite 13
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. In: Die Mappe, Deutsche Malerzeitschrift, Ausgabe 7/1987, Seiten 9–12.
- Zollanlagen. In: Der Industriebau, Jahrgang 1914, Seite 172.
- Zollanlagen. In: Der Industriebau, Jahrgang 1914, Seite 171.
- Das Reservelazarett D im Hauptzollamtsgebäude an der Landsbergerstrasse. In: Feldärztliche Beilage zur Münchner Medizinischen Wochenschrift, 15. Dezember 1914, Seite 2395 f.
- Münchener Jahrbuch 1919, Carl Gerber, München 1919, Seiten 359, 422
- Eduard Zitzelsberger: Die Nacht im Zollamt. In: Marita Kraus (Hrsg.): Verdunkeltes München, Buchendorfer Verlag, 1995, ISBN 3-927984-41-8, Seiten 196–200
- Süddeutsche Zeitung: Ein Prachtbau für Zöllner, 27. Juni 2012, Seite R5
- Franke-Fuchs 2012, Seite 39
- Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen: Central Collecting Point (Memento des Originals vom 22. Januar 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Martin Reindl: Das Hauptzollamt – fortschrittliche Technik hinter historischen Fassaden. In: Friederike Meier, Serge Perouansky, Jürgen Stintzig (Hrsg.): Das Westend – Geschichte und Geschichten eines Münchner Stadtteils, StattPlan Verlag, München, 2005, ISBN 3-9801647-6-4, Seiten 46–49
- Stephanie Gasteiger: Großer Umzug – Archäologische Funde ziehen ins Hauptzollamt München. In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: Denkmalpflege Informationen Nr. 160 (PDF; 9,8 MB), März 2015, S. 35–38.
- Franke-Fuchs 2012, Seite 36 f.
- Diese Einordnung stützt sich auf: Heinrich Habel: München – ein entwicklungs- und kulturgeschichtlicher Überblick. In: Heinrich Habel, Johannes Hallinger, Timm Weski: Landeshauptstadt München – Mitte (= Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Hrsg.]: Denkmäler in Bayern. Band I.2/1). Karl M. Lipp Verlag, München 2009, ISBN 978-3-87490-586-2. Teilband 1, Seiten LIX–CXVI, LXXIV ff.
- Habel, Seite LXXVI
- Habel, Seite LXXVII
- Zollanlagen, Industriebau 1914, Seite 163
- Denkmäler in Bayern, München-Südwest, Halbband 2, Seite 376
- Zollneubauten, Zentralblatt 1912, Ausgabe 83, Seite 536
- Die neuen Zollbauten In: General Anzeiger, Beilage der Münchner Neueste Nachrichten, 2. Juli 1912, Seite 1
- Zollanlagen, Industriebau 1914, Seite 165
- Bayerischer Architekten- und Ingenieursverein: München und seine Bauten, F. Bruckmann, 1912 – Nachdruck von 1978, ISBN 3-7654-1747-5, Seiten 517–519
- Zollneubauten, Zentralblatt 1912, Ausgabe 83, Seite 538
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. In: Die Mappe – Deutsche Malerzeitschrift, Ausgabe 9/87, Seite 17
- o. V.: Die Zollneubauten an der Landsbergerstrasse in München. In: Süddeutsche Bauzeitung Jahrgang 22, Nr. 45, Seiten 357–361, 360
- Zollanlagen, Industriebau 1914, Seite 169
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. In: Die Mappe – Deutsche Malerzeitschrift, Ausgabe 8/87, Seiten 15–18
- Läpke 1995, Seite 121
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. In: Die Mappe – Deutsche Malerzeitschrift, Ausgabe 7/87, Seite 11
- Bernd Raschert: Instandsetzung des Hauptzollamts München-West. In: Die Mappe – Deutsche Malerzeitschrift, Ausgabe 9/87, Seiten 15–18