Theater Lübeck
Das Theater Lübeck (früher: Bühnen der Hansestadt Lübeck oder kurz Stadttheater) wird von der Lübecker Theater gGmbH, einer Gesellschaft der Hansestadt Lübeck betrieben. Das Theater arbeitet mit festem Ensemble für Sprechtheater und Musiktheater, dem Philharmonischen Orchester, dem Theaterchor sowie mit Gästen.
Geschichte des Theaters
Das Interesse an Schauspiel und Oper erwachte auch in Lübeck erst im Zuge der Aufklärung. Die erste Oper wurde am 2. Juni 1746 im Hause des Zimmermeisters Schröder Ecke Königstraße/Wahmstraße aufgeführt. Ab 1799 hatte das Theater unter der Leitung von Leopold Löwe erstmals ein ständiges Ensemble. Der Vorgängerbau des heutigen Theaters von 1752 und das Verhältnis des Ensembles zum städtischen Großbürgertum im 19. Jahrhundert wird ausführlich von Thomas Mann in seinen Buddenbrooks sowie von Ludwig Ewers in seiner Großvaterstadt beschrieben.
Zum Neubau des Theaters wurde 1905/06 eine Theaterneubaukommission gebildet. In die Kommission wurden vom Lübecker Senat die Senatoren Johann Hermann Eschenburg, Eugen Emil Arthur Kulenkamp und Julius Vermehren und aus dem Bürgerausschuss Johannes Daniel Benda, August Sartori, Erich Blunck, Heinrich Görtz, H. W. Behn, H. L. Fr. Stender und Hermann Otte gewählt. Außerdem waren Baudirektor Johannes Baltzer und Baurat Eugen Deditius in der Kommission.[1] Die neuen Baugesetze des Jahres 1919, deren Vorarbeit bis in das Jahr 1906 zurückgingen, waren Deditius’ Hauptarbeit der späteren Zeit.
Martin Dülfer, der Sieger der Ausschreibung, hatte einst im Atelier eines der Preisrichter, Carl von Großheim, gearbeitet.[2] Er entwarf und realisierte außerdem Theaterbauten in Meran, Duisburg und Sofia.
Das Theater in der Lübecker Altstadt wurde mithilfe von Grundstücks-Spenden des Mäzens Emil Possehl durch den Dresdner Architekten Prof. Martin Dülfer sowie dessen örtlichen Bauleiter Max Baudrexel in der Beckergrube 10–14 neu im Jugendstil errichtet, und am 1. Oktober 1908 eröffnet. In der eng bebauten Altstadt hätte ein frei stehendes Gebäude nicht verwirklicht werden können, auf einen Bauplatz außerhalb der Altstadt konnte man sich nicht einigen. Es ersetzte damit den Vorgängerbau aus dem Jahr 1859, das sogenannte Casino-Theater.
Das heutige Große Haus verfügte ursprünglich über 970 Sitzplätze und bis zu 78 Stehplätze (siehe Abbildungen). Die Reliefs im Hauptgesims der Sandsteinfassade sind eine Arbeit des Bildhauers Georg Roemer. Das Mittelfeld stellt Apollo und die neun Musen dar, jeweils seitlich Komödie und Tragödie. Die das Giebeldreieck tragende Gruppe von Karyatiden und Atlanten ist eine Arbeit des Bauplastikers Karl Weinberger.
Von 1918 bis 1933 wurde in der Bürgerschaft die Schließung des Theaters und im Zusammenhang damit die Fusion mit Kiel, Rostock oder Schwerin diskutiert. Da die Fusion mit Kiel keine Einsparungen ergab und mit Rostock sich wegen der Eisenbahntarife als zu teuer erwies, wurden diese zu den Akten gelegt.[3]
1925 wurde der Festsaal in der 1. Etage des Theaters umgebaut. Seither befinden sich dort die Kammerspiele.
Am 18. September 1927 fand zeitgleich mit der Einweihung des Tannenberg-Denkmals der Stahlhelm- und Treubundtag des Bundes der Frontsoldaten, Paul von Hindenburg war Ehrenmitglied des Bundes, in der Hansestadt statt. Sein Festmarsch bestand aus über 5000 Teilnehmern mit mindestens 100 Fahnen und mehreren Musikkapellen ehemaliger Kriegsteilnehmer. Vor dem Theater nahm Franz Seldte (Bundesführer) den Marsch ab. Das ursprüngliche Vorhaben, dies vom Balkon aus zu machen, wurde von der Stadt nicht genehmigt.[4][5]
1937/38 erfolgte ein weiterer Innenumbau, bei dem ein Großteil der dekorativen Jugendstilelemente verloren ging.[6] Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude unbeschädigt.
1965 wurde im ehemaligen Speisesaal des Theaters eine Studiobühne für das Kinder- und Jugendtheater geschaffen.
In den Jahren 1992 bis 1996 wurde das Gebäude „generalsaniert“. Dabei wurden die Jugendstilornamente im Inneren des Gebäudes rekonstruiert, insbesondere die Saaldecke des Großen Hauses. Zugunsten des Brandschutzes und moderner Technik wurde dabei auf etwa 170 Sitzplätze verzichtet. Das Gebäude präsentiert sich seitdem als ein klarer Theaterbau der Jugendstilzeit.
- Altes Casino Theater in der Beckergrube von 1859
- Neues Stadttheater mit Saalbau von 1908
- Grundrisse des heutigen Gebäudes
- Blick vom zweiten Rang zur Bühne
- Blick von der Bühne in das Zuschauerhaus
Heutiges Theater
Das Theater Lübeck vereint heute drei Bühnen in einem Gebäude. Im Großen Haus (rund 800 Plätze) werden 400 m² Bühnenfläche (einschließlich der Hinterbühne, zuzüglich der Orchesterpodien) mit umfangreicher Bühnenmaschinerie bespielt. In den Kammerspielen (rund 320 Plätze) steht eine Bühne mit 150 m² Szenenfläche zur Verfügung. Im Studio (130 m2 Raumfläche) gibt es bis zu 99 variable Plätze.
Das Angebot umfasste ursprünglich die drei klassischen Sparten. Nach Einstellung des eigenen Tanztheaters (Ballett) aufgrund von Sparmaßnahmen bietet das Theater Lübeck im Großen Haus, in den Kammerspielen und im Jungen Studio Musiktheater und Schauspiel sowie Konzerte der Lübecker Philharmoniker. Für das Tanztheater gastiert in Kooperation das Ballett Kiel. Henry Vahl, Horst Frank oder Joachim Hermann Luger gehörten zum Ensemble des Theaters. Es gibt regelmäßig Aufführungen des Kinder- und Jugendtheaters, der Niederdeutschen Bühne, der Taschenoper Lübeck sowie Projekte im Bereich Theaterpädagogik. Außerdem gibt es in Lübeck das traditionsreiche eigenständige Figurentheater am Kolk.[7]
Orchester und Chor
Das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck (auch Lübecker Philharmoniker) wurde 1897 durch den Verein der Musikfreunde Lübeck gegründet. Neben den jährlich neun Sinfoniekonzerten sowie mehreren Kammerkonzerten, Sonder- und Extrakonzerten bestimmen die Lübecker Philharmoniker sowie der 30-stimmige Chor plus Extrachor des Theaters Lübeck seit 1908 maßgeblich das Klangprofil des Musiktheaters am Lübecker Stadttheater, dem sie organisatorisch zugeordnet sind. Mittlerweile werden die Konzerte des Orchesters als „neue“ dritte Sparte des Hauses wahrgenommen. Das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck als B-Orchester mit 72 Mitgliedern ist ein mit Lübeck, und mittlerweile der Hamburger Metropolregion, vielfältig verbundener Klangkörper. Die Orchesterakademie und das Opernelitestudio ermöglichen, dank der Possehl-Stiftung, eine enge Kooperation mit der Musikhochschule Lübeck, indem für jeweils eine Spielzeit junge Gesangssolisten neben dem Studium in den Spielbetrieb integriert werden.
Dirigenten der frühen Zeit des Orchesters waren Hermann Abendroth (1905–1911), Wilhelm Furtwängler (1911–1915) und Eugen Jochum (1928/29). Von 1933 bis 1945 sollten sich Furtwängler und Abendroth andernorts immer wieder mit der nationalsozialistischen Herrschaft arrangieren. Auch in Lübeck gab es von 1933 bis 1945, ebenso wie an anderen Orten, die Ächtung und das Vergessen von Menschen und Werken.
In der Nachkriegszeit prägten das Philharmonische Orchester in Lübeck die Dirigenten Christoph von Dohnányi (1957–1963), Gerd Albrecht (1963–1966) oder Bernhard Klee (1966–1973). In der jüngeren und jüngsten Vergangenheit beförderten Erich Wächter (1989–2001), Roman Brogli-Sacher (2001–2012), Ryusuke Numajiri (2013–2017) und Andreas Wolf (2017–2019 kommissarischer GMD) die Entwicklung und Wertschätzung des Philharmonischen Orchesters der Hansestadt.
Mit Stefan Vladar trat 2019 ein österreichischer Dirigent und Pianist das Amt des Generalmusikdirektors an, der mit den Musikern des Orchesters und den Sängern der Chöre in der Konzerthalle sein Antrittskonzert gegeben hat.
Seit der Gründung des Orchesters durch den Verein der Musikfreunde wurden zunächst der ehemalige Saalbau Fünfhausen und das ehemalige Casino-Theater, dann das Große Haus im heutigen Theaterbau, nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst auch der Saal im Kolosseum für Konzerte genutzt.
1994 bezog das Philharmonische Orchester als neues Konzerthaus die vom Architekten Meinhard von Gerkan entworfene Musik- und Kongresshalle Lübeck. Der Konzertsaal der Halle verfügt über bis zu 1900 Plätze und bietet eine hervorragende Akustik. Die Mitglieder des Philharmonischen Orchesters und Besucher machen heute in unterschiedlichen Konzerten an unterschiedlichen Orten der Stadt in Freiheit und Vielfalt gemeinsame Klangerfahrungen: Während der Konzerte in der Musik- und Kongresshalle, im Großen Haus während der Aufführungen des Musiktheaters, während der Kammerkonzerte z. B. in den Museen, im Bibliothekssaal, im Rathaus sowie in den Kirchen der Altstadt.
Organisation des Theaters
Ein prägender Direktor des Lübecker Stadttheaters der Anfangszeit war der Schauspieler Stanislaus Fuchs von 1911–1918.
Intendanten nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren Friedrich Siems (1945–1947), Hans Schüler (1947–1951), Christian Mettin (1951–1959), Arno Wüstenhöfer (1959–1964), Walter Heidrich (1964–1968),[8] Karl Vibach (1968–1978), Hans Thoenies (1978–1991), Dietrich von Oertzen (1991–2000) und Marc Adam (2000–2007).
Im Jahr 2007 wurde die Leitungsstruktur des Theaters verändert, und durch künstlerische Spartenleitungen zu einem Direktorium erweitert. Mitglieder waren seither Roman Brogli-Sacher, Ryusuke Numajiri, Christian Schwandt und Dr.Katharina Kost-Tolmein.
Im August 2021 bestand das Leitungsgremium des Hauses aus: Caspar Sawade (Geschäftsführender Theaterdirektor), Stefan Vladar (Generalmusikdirektor und Operndirektor), Pit Holzwarth (Schauspieldirektor), Knut Winkmann (Direktor JungPlusX), Luise Weidner (Technische Direktorin) und Angela Kalms (kommiss. Verwaltungsdirektorin).
Die drei öffentlichen Theaterbetriebe in Schleswig-Holstein werden von den jeweiligen Städten und Kreisen getragen und finanziert. Darüber hinaus erhalten sie als Umlandfinanzierung, neben eigenen Erlösen und Zuwendungen, aus dem kommunalen Finanzausgleich des Landes geregelte hohe Zuschüsse.[9] 62,5 Prozent der Anteile der Theater Lübeck gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung hält die Hansestadt Lübeck, die übrigen Anteile halten der Landkreis Nordwestmecklenburg, die Kaufmannschaft zu Lübeck und die Gesellschaft der Theaterfreunde e. V. Lübeck.[10]
Die Besucherzahlen des Lübecker Theaters lagen zuletzt bei über 180.000 in der Spielzeit 2018/19.
Die DVD-Edition einer Neuinszenierung des Ring des Nibelungen am Theater Lübeck wurde mit dem ECHO Klassik 2012 als DVD-Musikproduktion des Jahres ausgezeichnet.[11]
Literatur
- Heinrich Asmus: Die dramatische Kunst und Das Theater zu Lübeck. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Theaters. Von Rohden, Lübeck 1862.
- Friedrich Bruns, Hugo Rahtgens, Lutz Wilde: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck. Band I, 2. Teil: Rathaus und öffentliche Gebäude der Stadt. Max Schmidt-Römhild, Lübeck 1974, S. 379–385, ISBN 978-3-7950-0034-9.
- Klaus Matthias: Grossbauten der Lübecker Innenstadt nach 1900. Von der Überwindung des Historismus zum Jugendstil. In: Der Wagen. 1992, S. 182–205 (S. 193 ff. zu Architektur und Bildprogramm der Fassade).
- Carl Stiehl: Geschichte des Theaters in Lübeck. Borchers, Lübeck 1902.
- Sidney Smith, Katharina Kost: Theater Lübeck. Geschichte, Räume, Höhepunkte, Menschen. Die 100. Spielzeit in Martin Dülfers Jugendstilbau. Hrsg.: Theater Lübeck. Schmidt-Römhild, Lübeck 2008, ISBN 978-3-7950-1288-5.
- Günter Zschacke: Klingende Jahrzehnte – Die Lübecker Philharmoniker 1997-2017, Schmidt-Römhild, Lübeck 2017
Siehe auch
Weblinks
Belege
- Lokale Notizen., in: Lübeckische Blätter, 48. Jahrgang, Nr. 1, Ausgabe vom 7. Januar 1906, S. 12.
- Geheimer Baurat Prof. Carl von Groszheim. In: Vaterstädtische Blätter. Jg. 1910, Nr. 44, Ausgabe vom 23. Oktober 1910.
- 100 Jahre Stadttheater – Der Opernliebhaber
- Aufmarsch des Stahlhelms. In: Lübeckische Anzeigen, 176. Jahrgang, Ausgabe vom 17. September 1927.
- Stahlhelm- und Treubundtag in Lübeck. In: Vaterstädtische Blätter, Jahrgang 1927/28, Nr. 1, Ausgabe vom 2. Oktober 1927, S. 1–2.
- Helmut Weihsmann: Bauen unterm Hakenkreuz: Architektur des Untergangs. Promedia, Wien 1998, ISBN 3-85371-113-8, S. 621
- http://www.kolk17.de
- Wolfgang Tschechne: Lübeck und sein Theater. Die Geschichte einer großen Liebe. Reinbek 1996, S. 99.
- Vgl. Gutachten für den Schleswig-Holsteinischen Landtag: http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0600/drucksache-18-0698.pdf
- Gesellschaften der Hansestadt Lübeck (städtischer Anteil mindestens 50 %) In: Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck – Aufgaben, Organisation, Kontakte Hansestadt Lübeck, Büro der Bürgerschaft, März 2006, S. 40.
- Auszeichnung für Der Ring des Nibelungen (Memento vom 14. Juli 2012 im Internet Archive) auf echoklassik.de