Gruol & Blessing

Gruol & Blessing w​ar eine 1789 i​n Bissingen a​n der Teck gegründete Orgelbauwerkstätte. Noch h​eute existieren einige i​hrer romantischen Orgeln i​m Stil d​er Zeit v​or allem i​n Baden-Württemberg u​nd stehen z​um Teil u​nter Denkmalschutz. Der Betrieb w​urde 1863 aufgegeben.

Gruol & Blessing
Rechtsform Personengesellschaft
Gründung 1789
Auflösung 1870
Auflösungsgrund Aufgabe
Sitz Bissingen an der Teck Deutschland Deutschland
Branche Orgelbau

Werk

Zwischen 1789 und 1863 bauten Johann Viktor Gruol der Ältere und seine Söhne Johann Viktor der Jüngere und Johann Georg (1798–1833) zusammen mit einigen bekannten Schülern und Partnern wie zum Beispiel Christoph Ludwig Goll und Wilhelm Blessing (* 12. April 1832; † 26. Juni 1870) zwischen einer und drei Orgeln jährlich. Die Orgeln von Gruol zählen zu den bedeutendsten romantischen Orgeln im Südwesten Deutschlands, vor allem in Baden-Württemberg. Sie zeichnen sich durch einen besonders weichen Klang aus. Gestaltet sind die Prospekte überwiegend im Stil der Neugotik, des Barocks oder Rokokos. Die Kegelladen- und Schleifladenorgeln haben in der Regel ein bis zwei Manuale und bis zu 30 Register sowie Metall- als auch Holzpfeifen. Einige Gruol-Orgeln wurden aufwendig restauriert und stehen heute unter Denkmalschutz.[1][2][3]

Geschichte

Nach seiner Lehrzeit b​ei dem Orgelbauer Johann Andreas Goll i​n Weilheim a​n der Teck eröffnete Johann Viktor Gruol d​er Ältere 1789 i​n der Hinteren Straße 1 i​n Bissingen a​n der Teck e​ine Orgelwerkstätte.[4] Erste bekannte Arbeiten w​aren die 1793 durchgeführten umfangreichen Reparaturarbeiten a​n der Haußdörfer-Orgel i​n Oberlenningen s​owie die 1795 gebaute Orgel d​er Peterskirche i​n Weilheim.[5]

Zwei seiner Söhne, Johann Georg und Johann Viktor, erlernten ebenfalls den Beruf des Orgelbauers. Ab 1823 bauten sie zusammen die Orgel für die Marienkirche in Bissingen.[3] Nach dem Tod von Johann Georg Gruol 1833 und Johann Viktor Gruol d. Ä. 1836 führte Johann Viktor Gruol d. J. den Betrieb zusammen mit seinen Schülern Christoph Ludwig Goll und Wilhelm Blessing weiter. Zwischen 1841 und 1845 hatte Goll den Betrieb vorübergehend verlassen, um bei Schäfer in Heilbronn und Weigle in Echterdingen zu arbeiten. 1845 baute Victor Gruol d. J. seine erste Kegelladenorgel für die Gemeinde Rommelshausen. Aufgrund von Mängeln kam es zu einer Gewährleistungsklage. Nachdem ein Sachverständiger die Mängel bestätigt hatte, musste die Orgel von Gruol sowie den Orgelbaumeistern Schäfer und Weigle nachgebessert werden. Der Prozess schadeten Gruols fachlicher Reputation so, dass in Folge der Auftrag für die neue (II/P/37)-Orgel der Stadtkirche Giengen an die Gebrüder Link als Subunternehmer von Gruol abgegeben werden musste. So entstand die erste Link-Orgel.[6][7]

Ab 1850 w​ar Christoph Ludwig Goll a​ls Assessor a​n der Firma Gruol beteiligt, d​ie fortan u​nter Gruol & Goll firmierte. Goll schied 1854 a​us und übernahm i​n Kirchheim s​eine eigene Werkstatt. Für i​hn trat Wilhelm Blessing a​ls Kompagnon ein, u​nd man firmierte u​nter Gruol & Blessing. In dieser Zeit entstanden zusammen a​cht Orgeln.[6][1]

Nach d​em Ausscheiden v​on Viktor Gruol d. J. u​m 1863 z​og auch Wilhelm Blessing weg, e​r arbeitete a​b 1863 b​is zu seinem frühen Tod i​m Jahr 1870 a​ls Orgelbauer i​n seiner Geburtsstadt Esslingen a​m Neckar. Viktor Gruol d. J. verstarb 1871.[4][6][8]

Werkliste (Auswahl)

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1795 Weilheim an der Teck Peterskirche II/P 23 Gruol d. Ä.; mechanische Schleifladen[5]
um 1800 Wimsheim Michaelskirche I/P 10 Gruol d. Ä.; ursprünglich für eine Kirche in Mönsheim gebaut. Später wurde sie von der Kirchengemeinde Wimsheim für die alte Michaelskirche erworben und 1883 in den Kirchenneubau übernommen. Restauriert 1977.[9][10]
1803 Ochsenwang Mörikekirche I/P 6 Gruol d. Ä.; heute Orgelneubau im alten Gehäuse durch die Firma Weigle (1927, I/P/6, pneumatische Kegelladen)[5]
1809 Schopfloch (Lenningen) Johanneskirche I/P 14 Gruol d. Ä.; mechanische Schleifladen. Restauriert 2004, denkmalgeschützt.[5][11]
1809 Hofen Ottiliakirche I/P 6 Gruol d. Ä.; seit 1974 Kilianskirche in Mundelsheim[12]
1824 Bissingen an der Teck Marienkirche II/P 20 Johann Viktor, Johann Georg, und Johann Viktor Gruol; mechanische Schleifladen.[3][5][10]
1825 Klingenberg (Heilbronn) Evangelische Kirche I/P 8 Gruol d. Ä.; mechanische Schleifladen, 1975 restauriert[10]
1829 Rommelsbach Martin-Luther-Kirche I/P 14 Gruol d. Ä.; 1929 wurde in das Gehäuse eine Weigle-Orgel eingebaut.[13]
1832 Tübingen-Derendingen St.-Gallus-Kirche I/P 14 1981 restauriert und auf II/P/21 erweitert
1834 Reutlingen-Sondelfingen Stephanuskirche I/P 12 Gruol d. J.; 1962 ersetzt; Teile wurden 1979 zu Restaurierung der Orgel in Beuren verwendet.[2]
1836 Bolheim Evangelische Kirche Gruol d. Ä.; 1890 wurde von Link ein komplett neues Spielwerk eingebaut[14]
1839 Beuren (bei Nürtingen) Nikolauskirche II/P 23 Gruol d. J.; mechanische Schleifladen. Restauriert 1979.[2]
1840 Riederich Ev. Auferstehungskirche Gruol d. J.[15]
1841 Berkheim Michaelskirche I/P 9
1842 Gechingen Martinskirche
I/P 6 Gruol d. J. Die Orgel befindet sich heute in der Musikhistorischen Sammlung Jehle in Albstadt-Lautlingen und steht unter Denkmalschutz.[16]
1842 Lontal St. Ulrich I/P 6 Gruol d. J.; 1985 restauriert von Link[17][18]
1843 Heidenheim an der Brenz-Mergelstetten Ev. Kirche Die alten Holzpfeifen wurden 1967 weitgehend in die neue Link-Orgel eingebaut.[19]
1844 Donnstetten St. Georgskirche I/P 9 1982 Erweiterung um zweites Manual, 2006 Restaurierung
1845 Rommelshausen Mauritiuskirche I/P 14 Gruol d. J.; mechanische Kegelladen im Manual, Schleiflade im Pedal; 1853/1854 Revision durch Weigle; 1937 Erweiterungsumbau durch Walcker; 1993 restauriert.[20]
1846 Münsingen-Rietheim Ev. Kirche I/P 9
1851 Gutenberg (Lenningen) Nikolauskirche I/P 10 Gruol & Goll; 1954 auf zwei Manuale erweitert[5]
1853 Seeburg (Bad Urach) Johanneskirche
I/P 7 Gruol & Goll; mechanische Kegelladen, denkmalgeschützt[21][22]
1853 Klingenberg (Heilbronn) Evangelische Kirche Klingenberg I/P 8 1975 Restaurierung durch Rensch
1853 Dapfen Dorfkirche I/P 12
1853 Enzklösterle Ev. Kirche
1858 Hepsisau Ev. Kirche I/P 7 Gruol & Blessing; mechanische Kegelladen[5]
1862 Kleinengstingen Blasiuskirche II/P 13 Gruol & Blessing; mechanische Kegelladen, denkmalgeschützt[23][1][24]
1866 Dettingen an der Erms Ev. Stiftskirche Dettingen an der Erms II/P 30 Blessing; Kegelladenorgel, denkmalgeschützt, größte erhaltene Blessing-Orgel
1869 Böhmenkirch Sankt Hippolyt II/P 17 Blessing; mechanische Kegelladen[25]

Trivia

  • Die 1862 von Gruol & Blessing für die Evangelische Kirche in Kleinengstingen gebaute Orgel (Werknummer 80) mit zwei Manualen und 13 Registern kostete damals 1489 Gulden. Sie hatte 10 Jahre Garantie und wurde am 21. Juli 1862 mittels drei zweispännigen Fuhrwerken geliefert.[23]
  • Eine Orgelpfeife aus der um 1803 in Ochsenwang erbauten Gruol-Orgel wurde mit Datum vom 17. September 1833 von Eduard Mörike signiert und ist heute im Mörikehaus Ochsenwang ausgestellt.[26]
  • Seit 2014 gibt es Klingeltöne von der 1809 gebauten Gruol-Orgel in Schopfloch zum Download.[27]

Literatur

  • Ernst Leuze: Orgeln unter Teck. In: Schriftenreihe Stadtarchiv Kirchheim unter Teck. Band 36. Eigenverlag, Kirchheim unter Teck 2013, ISBN 978-3-925589-61-4.
  • Manfred Keller, Alfred Hub: Bissingen – Heimat zwischen Teck und Breitenstein. Eigenverlag, Kirchheim unter Teck 1972.
  • Hermann Fischer, Theodor Wohnhaas: Lexikon süddeutscher Orgelbauer. Florian Noetzel Verlag, Wilhelmshaven 1994, ISBN 3-7959-0598-2, S. 128.

Einzelnachweise

  1. Christine Dewald: Orgel der Blasiuskirche: Romantischer Klang. Gemeinde Riederich, 6. Oktober 2010, abgerufen am 11. Februar 2017.
  2. Klaus Rensch: Die Orgel der evang. Nikolauskirche Beuren von Johann Victor Gruol 1839. Abgerufen am 10. Februar 2017.
  3. Helmut Völkl, Wolfram Rehfeldt, Gerhard Rehm, Eugen Gröner: Orgeln in Württemberg. Carus-Verlag, 1986, ISBN 3-923053-36-3, S. 204 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. ehem. Gasthaus Krone. In: Datenbank Bauforschung. Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, abgerufen am 21. Mai 2020.
  5. Orgeln im Kirchenbezirk Kirchheim. (Nicht mehr online verfügbar.) Evangelische Kirche Kirchheim u. Teck, archiviert vom Original am 8. Februar 2017; abgerufen am 8. Februar 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.evangelische-kirche-kirchheim-teck.de
  6. Hermann Fischer: 100 Jahre Bund Deutscher Orgelbaumeister. Orgelbau-Fachverlag, 1991, ISBN 3-921848-18-0, S. 195 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Thomas Haller: Spätromantisches Referenzinstrument erster Güte. In: Organ – Journal für die Orgel. Nr. 4, 2016, ISSN 1435-7941, S. 11 ff. (Leseprobe [PDF]).
  8. Stadtarchiv Esslingen, Familienregister
  9. 120 Jahre Michaelskirche. Kirchengemeinde Wimsheim, abgerufen am 10. Februar 2017.
  10. Klaus Rensch: Opusverzeichnis. Abgerufen am 10. Februar 2017.
  11. Volker Lutz: Abnahmegutachten. (PDF) 11. August 2005, abgerufen am 9. Februar 2017.
  12. Angelika Fink: Die Geschichte Mundelsheims – ein Überblick. In: Mundelsheim. Weinort am Neckar. Gemeinde Mundelsheim, 1995, ISBN 3-9804177-0-0, S. 8 ff.
  13. Gemeindeleitungsbericht zur Hauptvisitation 2006. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) In: S. 28. Evangelische Kirchengemeinde Rommelsbach, archiviert vom Original am 11. Februar 2017; abgerufen am 10. Februar 2017.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kirche-rommelsbach.de
  14. Stiftung Orgeltest (12): Die olympische Posaune von Bolheim. In: Heidenheimer Zeitung. 8. Juli 2016, abgerufen am 10. Februar 2017.
  15. Evangelische Auferstehungskirche. Gemeinde Riederich, abgerufen am 11. Februar 2017.
  16. Volker Jehle: Bestandsverzeichnis. (PDF) In: Vierte, korrigierte und ergänzte Auflage S. 54. Musikhistorische Sammlung Jehle, April 2015, abgerufen am 10. Februar 2017.
  17. Stiftung Orgeltest (9): Lontals großartige Miniatur ohne Beispiel. In: Heidenheimer Zeitung. 28. Juni 2016, abgerufen am 10. Februar 2017.
  18. Niederstotzingen/Lontal, St. Ulrich – Organ index, die freie Orgeldatenbank. Abgerufen am 4. April 2021.
  19. Neugotik an der Brenz. (PDF) In: Schloßblick 3 / 10. Abgerufen am 10. Februar 2017.
  20. Klaus Könner: Die Orgel als Klang-, Technik- und Kunstdenkmal. Eine besondere Herausforderung in der konservatorischen Praxis. In: Nachrichtenblatt der Denkmalpflege in Baden-Württemberg (1958–1970). Band 32, Nr. 1, 2003, ISSN 0342-0027, S. 98 ff. (online verfügbar).
  21. Andreas Schmutz: Projekt Seeburg. as-orgelbau, abgerufen am 9. Februar 2017.
  22. Bad Urach/Seeburg, Johanneskirche – Organ index, die freie Orgeldatenbank. Abgerufen am 4. April 2021.
  23. Unsere Gruol-Blessing-Kegelladenorgel. Evangelische Kirchengemeinde Kleinengstingen, 1. Oktober 2012, abgerufen am 9. Februar 2017.
  24. Engstingen/Kleinengstingen, Blasiuskirche – Organ index, die freie Orgeldatenbank. Abgerufen am 4. April 2021.
  25. Böhmenkirch, St. Hippolyt – Organ index, die freie Orgeldatenbank. Abgerufen am 4. April 2021.
  26. Kirchengemeinde. Mörikehaus Ochsenwang, abgerufen am 10. Februar 2017.
  27. Jedes Handy klingelt gleich. In: Magazin Lebensraum Schwäbische Alb. 25. Februar 2015, abgerufen am 10. Februar 2017.
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