Evangelische Stadtkirche (Giengen)
Die Evangelische Stadtkirche ist ein protestantisches Kirchengebäude in Giengen an der Brenz und mit ihren beiden ungleichen Türmen ein Wahrzeichen der Stadt. Die Kirche weist Stil- und Bauelemente von der Romanik über Gotik, Renaissance und Barock bis zum Jugendstil auf.
Geschichte
Bei einer Renovierung der Kirche brachte 1986 die Freilegung von Fundamenten unter dem Fußboden Aufschluss über den romanischen Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert. Diese wesentlich kleinere stauferzeitliche dreischiffige Pfeilerbasilika war 7,50 Meter breit und hatte drei Apsiden. Von ihr stammen noch die sechs Pfeiler und Rundbogen der südlichen Mittelschiffwand und das bei der Vergrößerung der Kirche im 15. Jahrhundert nach Norden verschobene Hauptportal im Westen. Das südliche Seitenschiff stimmt mit dem romanischen Bau überein, wurde aber später erhöht.[1]
1374 wurde die Kirche Unserer Lieben Frau erstmals erwähnt.[2]
Der gotische gewölbte Chor und die Sakristei wurden zwischen 1356 und 1402 errichtet. Vor 1432 verbreiterte man das Kirchenschiff im Norden auf mehr als die doppelte Breite. Dadurch entstand ein außerordentlich breites und verhältnismäßig niedriges Mittelschiff mit einer neuen Nordseite. Von diesem Umbau stammen die fünf gotischen Spitzbögen an der nördlichen Mittelschiffwand.[1]
Der nördliche Bläserturm, an dessen romanischem unteren Teil noch Buckelquader aus der Stauferzeit zu sehen sind, war ursprünglich ein Wachturm an der Stadtmauer und kein Bestandteil der Kirche. Ein Rest dieser mittelalterlichen Stadtmauer steht noch wenige Meter nördlich der Kirche sowie hundert Meter östlich davon als Nordfassade der Planiestraße 18. Bei der Vergrößerung der Kirche im 15. Jahrhundert wurde der Bläserturm als Nordwestturm integriert. Parallel dazu wurde ein gotischer Südwestturm erbaut, der die Glocken beherbergte. In der Renaissancezeit wurde der obere Teil des Bläserturms 1579 umgestaltet. Auf diesem Turm, unter dessen ziegelgedeckter Turmhaube mit Laterne eine Galerie verläuft, wohnte einst der Turmbläser, der die Stadt bewachte, die Stunden schlug und bei Gefahr die Sturmglocke läutete.[1] Traditionsgemäß sind vom Bläserturm am Sonntag um 9:15 Uhr und am Mittwoch um 12 Uhr Turmbläser zu hören.[3]
Im Zuge der Reformation berief der Rat der Stadt im Jahre 1531 Martin Rauber als Prediger. Er kam aus dem Ulmer Gebiet, wo sich die Bürger schon 1530 für den evangelischen Glauben entschieden hatten, und gilt als der Reformator Giengens. 1537 wurde die württembergische Kirchenordnung eingeführt, und 1556 die Reformation endgültig besiegelt. Danach war Giengen über Jahrhunderte eine überwiegend protestantische Stadt. Ein Bildersturm fand in Giengen nicht statt, da sich der Rat gegen eine Zerstörung der Bilder und Altäre wehrte.[1]
Beim großen Stadtbrand im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 bis auf Mauerreste zerstört. Einzig die gotische Sakristei blieb unversehrt. Beim Wiederaufbau von 1650 bis 1655 entstand die Oberwand mit frühbarocken Pilastern und Ochsenaugenfenstern. Das Mittelschiff bekam eine flache Muldendecke mit Stichkappen, die Seitenschiffe wurden flachgedeckt mit Gurtbögen. Das mächtige Dach wurde auf der Nordseite über das Seitenschiff geführt und auf der Südseite basilikal umgestaltet. Der nördliche Bläserturm konnte nach dem Stadtbrand repariert werden. Beim schwer beschädigten südlichen gotischen Glockenturm blieb nur der Abbruch. Er wurde 1710 im Stil des Barock in seiner heutigen Form neu errichtet.[2][4]
Die spätgotische heraldische Platte der Gebrüder Ramminger entstand um 1475. Die frühbarocke Innenausstattung ist für eine evangelische Kirche ungewöhnlich umfangreich. Die Kanzel von 1654 stammt von Hans Nübling aus Ulm. Der Hochaltar ist von 1659 Altartisch ist von 1677. Das Abendmahlsgemälde ist von Andreas Schuch nach Rubens, das Triumphbogen-Kruzifix von dem Ulmer Bildhauer Braun (1661). Die gemalten Epitaphe in geschnitzten Rahmen stammen aus dem 17./18. Jahrhundert, teilweise mit Reliefs. In der Sakristei befinden sich Predigerbildnisse aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.[2]
Bei der Erneuerung von 1821 erhielt der Chor eine flache Gipsdecke und das Schiff ein Flachtonnengewölbe mit Stichkappen. Die Renovierung von 1904 bis 1906 stellte die Wölbung des Chors wieder her und führte mit Orgelprospekt, Ausmalung des Chors, farbigen Glasfenstern rechts und links vom Altar, zwei Radleuchtern und neuem Gestühl Jugendstilelemente hinzu.
Es ist eine Besonderheit dieser Kirche, dass verschiedene Stilrichtungen außen und innen in einem Nord-Süd-Kontrast kombiniert sind und mit der vorwiegend barocken und Jugendstilausstattung, dem gotischen Chor und der Jugendstilorgel dennoch zu einem harmonischen Gesamteindruck führen:
- Türme: Im Norden Romanik/Renaissance, im Süden Barock
- Mittelschiffwände: Im Norden Gotik, im Süden Romanik
- Außenfront: Im Norden Staffelhalle, im Süden Basilika
Die Kirche und die Stadtmauerreste sind seit 1997 Sehenswürdigkeiten an der Straße der Staufer.[5]
Galerie
- Südlicher damals gotischer Glockenturm (vorne) und nördlicher Bläserturm im Renaissancestil (1585)
- Stadtkirche bei Matthäus Merian (vor 1634)
- Heutiger barocker Glockenturm (vorne) und Bläserturm
- Romanische südliche Mittelschiffwand
- Gotischer Chor, Jugendstil-Radleuchter
- Gotische nördliche Mittelschiffwand
- Orgelempore mit Jugendstil-Orgel
- Ansichtskarte (1905) mit der basilikalen Südseite
Orgel
Die Kirche verfügt über eine bedeutende Orgel. Das Jugendstil-Instrument steht auf der Westempore und wurde im Jahre 1906 von der Giengener Orgelmanufaktur Gebr. Link erbaut. Das Instrument steht unter Denkmalschutz. Es ist bis heute weitgehend unverändert erhalten und ist die einzige große Orgel Süddeutschlands aus der Zeit der Spätromantik. Die Orgel hat einen orchestralen Klang und verfügt über Vielzahl verschiedener Flötenregister und Streicher (z. B. Gambe, Violone, Aeoline).[6] Das Instrument hat 51 Register auf drei Manualwerken und Pedal.[7] 2015 wurde Christian Barthen als Organist berufen.
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- Koppeln: II/I (auch als Superoktavkoppel), III/I, III/II, III/III (Superoktavkoppel), I/P, II/P, III/P
Weblinks
- Website der Kirchengemeinde
Einzelnachweise
- Wolfgang Hellwig/Ludwig Kreh/Johanna Hartmann: Ev. Stadtkirche Giengen an der Brenz. Schell Kunstführer Nr. 2378, Regensburg 1999, S. 3–8.
- Giengen an der Brenz bei LEO-BW. Abgerufen am 7. Juli 2016.
- Turmbläser auf giengen-evangelisch.de. Abgerufen am 9. Juli 2016
- Stadtkirche – das Wahrzeichen Giengens auf giengen.de. Abgerufen am 7. Juli 2016.
- Straße der Staufer auf stauferstelen.de. Abgerufen am 11. Juli 2016.
- Informationen zur Orgel auf der Website der Gemeinde
- Informationen zur Orgel