Geschichte Harburgs
Harburg ist der südwestliche der sieben Bezirke der Freien und Hansestadt Hamburg und bezeichnet gleichzeitig den Landkreis Harburg. Dieser Artikel behandelt die Entstehung und Entwicklung des Gebiets.
Die Horeburg
Ungefähr 800 n. Chr. wurde die Horeburg („Sumpfburg“) am Südufer der Süderelbe, auf der später so genannten Schlossinsel, im heutigen Harburger Binnenhafen vermutlich als Grenzfestung der Grafen von Stade angelegt. Heute finden sich hier die Reste des Harburger Schlosses. Zwischen 1133 und 1137 wird die Horeburg erstmals urkundlich erwähnt. Im 12. Jahrhundert war Harburg als Grenzfestung im Besitz des Stiftes Bremen, fiel dann an das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg.[1] Unterhalb der Burg bildete sich entlang eines Dammes, der durch die Marsch von der Burg zur Geest führte und dem Straßenverlauf der heutigen Harburger Schlossstraße entspricht, eine Siedlung, die ebenfalls Harburg genannt wurde. Hier lebten Burgmannen, Handwerker und andere Personen, die der Versorgung der Burg dienten. Diesem oppidum wurden am 6. Mai 1288 durch eine Urkunde König Rudolfs von Habsburg Freiheitsrechte verliehen: Harburg wurde war nun ein eigener Rechts- und Gerichtsbezirk innerhalb des Fürstentums Celle-Lüneburg. Anlass der Beurkundung war Vermählung Mechthilds, der Enkeltochter König Rudolfs, mit Herzog Otto II. von Braunschweig, denen beiden die Siedlung, die Burg und die Vogtei zu Lehen gegeben wurden.[2] Diese Herauslösung aus dem Landrecht war eine wichtige Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Siedlung zur Stadt.[3]
1297 erhielt die Siedlung Harburg das Stadtrecht nach Vorbild Lüneburgs. 1303 war Harburg noch unbefestigt, eine Stadtbefestigung ist 1389 durch die Nennung eines Stadttores dokumentiert. 1307 wird eine Kapelle erwähnt, eine eigene Pfarrgemeinde bildete sich erst im 15. Jahrhundert. Zuvor unterstand die Stadt dem Pfarrer von Wilstorf.
In den Jahren 1397 bis 1517 verpfändeten die Herzöge aus Geldmangel Schloss, Amt und Stadt an die Hansestädte Hamburg und Lüneburg. In der Folge wurde Harburg von beiden Städten ausgebeutet. Keine hatte Interesse, eine konkurrierende Stadt unter eigener Regentschaft zu haben.[4]
1527 heiratete Otto zu Braunschweig und Lüneburg die nicht ebenbürtige Meta von Campe und wurde mit einem eigenen Herrschaftsbereich, der Herrschaft Harburg auf Schloss Harburg, abgefunden. Unter Herzog Otto bis zum letzten Harburger Herzog 1642, war Harburg ein eigenes Herzogtum. Die Herzöge bauten das Harburger Schloss zu einem Renaissance-Schloss aus. Von 1620/1621 an bestand die Anlage aus drei Gebäudeflügeln.
1533 traten Harburger Schiffer als Gilde in Erscheinung. Mit durchschnittlich 17 kleinen und großen Ewern transportierten und lagerten sie Waren Hamburger Kaufleute. Harburg diente als Umschlagplatz für den Warenverkehr zwischen Hamburg und dem Binnenland südlich der Elbe. Dabei wurden die Harburger Kaufleute im Nahbereich durch Fuhrleute aus Hamburg, im Fernbereich durch mitteldeutsche Frachtfahrer unterstützt. Schiffer und Fuhrleute entwickelten sich zur führenden sozialen Schicht in Harburg, die den Rat der Stadt stellte.[3]
Festung Harburg
Nach dem Aussterben der Herzogslinie 1641 fiel Harburg wieder an das Fürstentum Celle-Lüneburg zurück.[3] In Hinblick auf die unruhigen Zeiten in der Endphase des dreißigjährigen Krieges sowie die Tatsache, dass Schweden im benachbarten Bremen-Verden und Dänemark in Holstein militärisch präsent waren, ließen die Celler Herzöge zwischen 1644 und 1660 um das alte Harburger Schloss eine moderne Festung nach niederländischem Muster errichten. Die Schlossinsel erhielt ihre fünfeckige Sternform. Dem Festungsbau fiel ab 1650 das gesamte Nordende der Altstadt zum Opfer. Die Marienkirche mit den Pastorenhäusern und Schule musste ebenso abgebrochen werden wie das gegenüberliegende Lagerhaus mit Kran und Waage. Der Kirchengemeinde wurde von der Regierung das Gelände des ehemaligen herzoglichen Lustgartens als Ersatz zur Verfügung gestellt (heutige Dreifaltigkeitskirche, Lämmertwiete und Umgebung). Für den Wiederaufbau des Lagerhauses bestimmte die Regierung das Gelände der ehemaligen herzoglichen Ziegelei (heute an der Buxtehuder Straße, Ecke Blohmstraße). Damit hatte sich Harburgs wirtschaftliches und kulturelles Zentrum nach Süden hin verlagert.
Mit dem Anschluss des Fürstentum Lüneburg an das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg wurde Harburg 1705 Teil des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg (umgangssprachlich „Kurfürstentum Hannover“).[5]
Mit der Festung änderte sich Harburgs Sozialstruktur radikal: Es wurde Garnisonstadt. Die Garnison war teils auf der Festung kaserniert, teils in Bürgerquartieren untergebracht. Solange Harburg Grenzfestung war, das heißt bis 1715, als die ehemals schwedischen Herzogtümer Bremen-Verden endgültig an Kurhannover fielen, besaß die Garnison eine beträchtliche Stärke. Danach nahm sie ab; die Festung wurde vernachlässigt, bis man sie im Winter 1783/84 teilweise entfestigte. Die arbeitsfähige Bevölkerung Harburgs bestand nun überwiegend aus ehemaligen Soldaten, ihren Frauen und Witwen. Beschäftigung fanden sie hauptsächlich in der Textilindustrie.
Franzosenzeit
Während des Siebenjährigen Krieges wurde die Festung Harburg 1757 durch französische Truppen eingenommen, jedoch kapitulierten die Franzosen am 29. Dezember 1757 nach Belagerung durch die Armee des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, wodurch das Harburger Schloss an die hannoverischen Truppen übergeben wurde.[1][6]
Im Jahre 1805 wurde auf Befehl Napoleons die erste Brücke von Harburg nach Wilhelmsburg in nur 100 Tagen errichtet. Harburg gelangte unter der Herrschaft Napoleons[7] zu erstem wirtschaftlichem Aufschwung. Dies erforderte aber auch hohe Abgaben, Zwangsausweisungen und Zwangsarbeitseinsätze zum Beispiel beim Bau einer Heerstraße, der Bremer Chaussee in Eißendorf (seit 1856 in Bremer Straße umbenannt).
Vom 1. Januar 1811 an gehörte Harburg zum Département des Bouches de l’Elbe.
Im April 1813 besetzte Louis-Nicolas Davout die Stadt und behielt sie bis zum ersten Pariser Frieden 1814.[8][9] Nach Ende der französischen Besatzung 1814 wurde die Holzbrücke von 1805 wieder abgerissen.
19. Jahrhundert
Das Königreich Hannover entstand 1814 auf dem Wiener Kongress als Nachfolgestaat des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg.
Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte Harburg etwa 3000 Einwohner. Diese Zahl änderte sich schlagartig, als die Industrialisierung einsetzte und Harburg 1847 an die Kreuzbahn angeschlossen wurde. Die Eröffnung der Strecke Celle–Harburg erfolgte am 1. Mai 1847 durch die Königlich Hannöverschen Staatseisenbahnen.
Ab 1818 bestand eine regelmäßige Dampfschiffsverbindung mit der Nachbarstadt Hamburg, zu der ab 1853 eine feste Chaussee über Wilhelmsburg mit Fähr- und regelmäßiger Pferdeomnibusbedienung hinzu kam.
1845 bis 1849 baute der Hannoversche Staat die alten Festungsgräben zu einem für damalige Zeiten modernen Seeschiffhafen aus. Wichtigste Voraussetzung für die Industrialisierung Harburgs war aber der Anschluss des Königreichs Hannover 1854 an den Deutschen Zollverein (nachdem der Steuerverein gescheitert war). Da Hamburg jedoch bis 1888 Zollausland blieb, erfolgte der Grundstein für eine moderne Industrie durch Unternehmer aus Hamburg oder mit Hilfe Hamburgischen Kapitals.
1854 verlegte der Hamburger Fabrikant Heinrich Christian Meyer einen Teil seiner Fabrik, in der außer Stöcken vor allem Stuhlrohr und Fischbein hergestellt wurden, nach Harburg. Zur Verarbeitung der von ihm in Hamburg aus Rohkautschuk angefertigten Hartgummiplatten für Kämme wurde dann 1856 unter führender Beteiligung Meyers die „Harburger Gummi-Kamm-Compagnie“ gegründet (später New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie). Ebenfalls 1854 gründete der Württemberger German Koeber eine Maschinenfabrik, die später die Kautschuk- und Pflanzenölbranche mit Spezialmaschinen belieferte: die Harburger Eisen- und Bronzewerke (später Krupp, heute Harburg-Freudenberger).
1855 erbaute Henri Noblée aus Lille eine Hydrocarbonfabrik (Gasanstalt) zur Belieferung einer zuvor installierten Straßenbeleuchtung in Harburg. Aus der später zusätzlich aufgenommenen Verarbeitung ölhaltiger Palmkerne entwickelten sich dann die Ölfabriken und Speisefettraffinerien der Firma Noblée und Thörl, heute Archer Daniels Midland (ADM).
1856 ließen sich die aus einer Hamburger jüdischen Familie stammenden Brüder Albert und Louis Cohen in Harburg nieder und begannen mit der Herstellung von Gummischuhen und vulkanisiertem Gummi. Sie war die erste ihrer Art in Deutschland. Die Brüder konnten auf die in Frankreich gesammelten Erfahrungen zurückgreifen. Noch heute als „Phoenix AG“ ist sie damals wie heute größter Industriebetrieb Harburgs.
Harburg in Preußen
1866 verlor das Königreich Hannover seine Unabhängigkeit nach dem verlorenen Krieg mit Preußen. Die hannoversche Armee musste nach anfänglichen Erfolgen in der Schlacht bei Langensalza gegenüber den preußischen Truppen am 29. Juni 1866 kapitulieren, die Welfen wurden entthront, das Königreich Hannover wurde annektiert und Harburg Teil der Landdrostei Lüneburg in der preußischen Provinz Hannover.
Am 12. September 1867 wurden die Städte Harburg und Winsen (Luhe), und die Ämter Harburg, Tostedt und Winsen finanz- und militärverwaltungstechnisch zum Steuerkreis Harburg zusammengefasst.
1870–1871 kam es nach dem siegreichen Krieg Preußens gegen Frankreich zur Ausrufung des Deutschen Reiches. Auch an diesem Krieg nahmen Harburger, selber gerade erst seit vier Jahren Preußen, teil. Ihnen und den Gefallenen zu Ehren wurde das Kriegerdenkmal gestiftet, welches heute im Schwarzenbergpark steht.
1870/72 erfolgte der Bau der Elbbrücke und damit Eisenbahnanschluss nach Norden (Hamburg, Altona/Elbe, Kiel, Glückstadt).
1872 wurde das neue Amtsgericht an der Buxtehuder Straße gebaut. Um 1875 war Harburg bereits ein Industriezentrum mit 49 größeren Betrieben und 18.000 Einwohnern.[10] Zwei der größten Harburger Fabriken lagen an der Wilstorfer Straße: Die Kohleöl- und Gasfabrik des Franzosen Noblée und die Gummifabrik der Hamburger Albert und Louis Cohen. Im Jahre 1888 wurde ein Bebauungsplan von der Stadt Harburg verabschiedet, um Wohnraum für die dort beschäftigten Arbeiter zu schaffen.[11] Um 1895 war das Gebiet des Phoenix-Viertels bereits vollständig bebaut.
Der Staat Preußen bildete mit Wirkung vom 1. April 1885 aus der Stadt Harburg den Stadtkreis Harburg, aus den bisherigen Ämtern Harburg und Tostedt den Landkreis Harburg und aus dem bisherigen Amt Winsen und der Stadt Winsen den Kreis Winsen.[12] Diese wurden dem Regierungsbezirk Lüneburg zugeordnet, der für das heutige Kreisgebiet bis zur Auflösung der Regierungsbezirke in Niedersachsen 2004 bestand.
1888 erfolgte die Eingemeindung von Heimfeld, Wilstorf, des Schloss- und Hafenbezirkes sowie eines Teiles von Neuland in die Stadt Harburg.
Von 1889 bis 1892 wurde das Rathaus Harburg am Rathausplatz erbaut.
1889 kam es zur Gründung des Helms-Museums, heute ist es das Archäologische Museum Hamburg.
1890 wurde das neue Kaiserliche Postamt feierlich eingeweiht.
1891 bis 1892 wurde das neue städtische Gas- und Wasserwerk an der Stader Straße gebaut.
1893 wurde das städtische Schlachthaus fertiggestellt.
1897 wurde die städtische Turnhalle am Rathausplatz errichtet. Nach dem Bau der Niederelbebahn wurde der neue Hauptbahnhof eröffnet.
1899 wurde die Harburger Elbbrücke am 30. September von Kaiser Wilhelm II. eröffnet.
Geschichte Wilhelmsburgs
1333 schlossen Mitglieder des adeligen Geschlechts der Schaken mit den Bewohnern Ochsenwerders einen Vertrag, dass diese einen Teil der Insel Stillhorn eindeichen. Das so gewonnene Land wollten die Schaken dann den Deichern gegen eine jährliche Abgabe überlassen. Etwa 30 Jahre später erwarben die Groten, ebenfalls ein Lüneburger Adelsgeschlecht, das bereits Georgswerder und Rotehaus besaß, auch die Insel Stillhorn von den Schaken. Sie setzten die Eindeichung fort, jedoch an der entgegengesetzten Seite. Später schloss man dann das zwischen den Eindeichungen gelegene Land durch Deiche ab, das sogenannte Siedefeld (1368). Etwa 120 Jahre später (1491) wurde das letzte Stück Stillhorns, das Schönefeld, eingedeicht. Der letzte große Deichbruch auf Wilhelmsburg war 1855. Vier Menschen starben.[13] Als bald darauf Frost eintrat, bildete die ganze Insel eine Eisfläche. Erst im März verlief sich das Wasser wieder.
Die Insel Wilhelmsburg gehörte offenbar dem Erzbischof von Hamburg, von dem sie im Jahre 1158 als Stiftung des Bistums Ratzeburg an Heinrich den Löwen abgetreten wurde. Stillhorn war später im Besitz der Grafen von Schaumburg, die in Holstein saßen und denen auch Hamburg gehörte. Den nördlichen Teil der Insel besaß dagegen der Herzog von Lüneburg. Der Graf belehnte dann Stillhorn den Schaken, der Herzog den Goten. In den Jahren 1361 und 1367 erwarben letztere durch Kauf auch Stillhorn. Aus dem daraus entstehenden komplexen Lehnsverhältnis entstanden schwere Verwicklungen.[14]
Am 4. September 1672 erwarb Georg Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg-Celle die Elbinseln, die daraufhin durch Verbindungsdeiche vereint worden sind. Sie trugen fortan den Namen Wilhelmsburg. Nach dem Tode Georg Wilhelms fiel Wilhelmsburg an das Haus Hannover und wurde in ein Amt verwandelt. Das Amt bestand bis 1859, dann wurde es mit dem Kreis Harburg vereint.
1925 wurde Wilhelmsburg aus dem Landkreis Harburg herausgelöst und zum Stadtkreis. Dieser wurde 1927 mit dem benachbarten Stadtkreis Harburg unter Oberbürgermeister Walter Dudek zum Stadtkreis Harburg-Wilhelmsburg vereinigt.
Streit mit Hamburg
Aufgrund des angeblichen Freibriefs des Kaisers Barbarossa[15] beanspruchte Hamburg die Herrschaft auf Unter- und Oberelbe. Um zu erreichen, dass die Schiffe ihre Waren in Hamburg niederlegten, baute Hamburg 1250 eine Zollstätte an der Elbe. Im Jahre 1337 sperrte Hamburg auch in Moorburg den Elbstrom durch eine Zollschranke. 1395 erwarb Hamburg Ochsenwerder und Moorwerder. Einmal, 1566, kam es sogar zu Blutvergießen, und zwar wegen einer Leiche eines Ertrunkenen, die sowohl die eine als auch die andere Partei beanspruchte.[16] Im Jahre 1611 kam ein Vertrag zustande, in dem Hamburg versprach, sich weiterer Angriffe zu enthalten. Der Reiherstieg sollte Harburger Schiffen überlassen werden. Doch Hamburg beachtete den Vertrag wenig. Im Jahre 1619 fällte das Reichskammergericht ein Urteil. Es bestimmte, dass Hamburg die freie Schifffahrt auf der Süderelbe nicht hindern dürfe. Auch das kümmerte Hamburg wenig. Erst als der Herzog von Lüneburg sich mit Brandenburg verbündete, ging Hamburgs Alleinherrschaft über die Süderelbe allmählich zu Ende. Mit dem Kampf um die Herrschaft über die Elbe ging der Kampf um das tiefe Wasser einher. Anders als heute war die Süderelbe der Hauptlauf der Elbe. Hamburg suchte nun die zu ihm gehörenden Vierlande zu schützen und deichte die Gose Elbe und die Dove Elbe ab. Damit war der Lüneburger Herzog nicht einverstanden, weil nun Abspülungen am Südufer der Elbe entstanden. Es entspann sich ein Streit, der ungefähr 150 Jahre dauerte. Schließlich griff der Herzog im Jahre 1620 zur Selbsthilfe, schickte Soldaten über die Elbe und ließ den Gummerdeich (Kirchwerder) wieder aufreißen. Danach stellte sich heraus, dass das Wasser seinen alten Lauf nicht wieder verfolgte, sondern den neuen beibehielt. Hamburg bekam seinen Willen.
Im Jahre 1570 wurde die Elbe bei Spadenland begradigt. Im Jahre 1604 durchstach Hamburg den Grasbrook, wodurch sich der Lauf der Norderelbe wieder bedeutend verkürzte. Die Süderelbe versandete nun mehr und mehr.
Im Jahre 1908 wurde der Streit zwischen Preußen und Hamburg um das tiefe Wasser durch den sogenannten (dritten) Köhlbrandvertrag geregelt.
20. Jahrhundert
1902 zählte die Harburger Reederei 479 eigene Seeschiffe. Import und Export hielten sich ungefähr die Waage. (1902 liefen 698 Seeschiffe mit 99.637 BRT ein und 707 Schiffe mit 100.631 BRT aus. Auf der Süderelbe liefen im gleichen Zeitraum 15.214 Schiffe mit 897.109 t Ladung ein und 15.129 Schiffe mit 880.295 t Ladung aus[1]).
1903 wurde Harburg an das Netz der elektrischen Straßenbahn Hamburg angeschlossen.
1904–1907 erfolgten Hafenerweiterungen, dem das Dorf Lauenbruch zum Opfer fiel. Drei tideoffene Seehafenbecken entstanden; ein viertes wurde 1927 gebaut.
1905 hatte Harburg mehrere Eisengießereien, Maschinenfabriken und Kesselschmiedereien, Dampfbootbau, bedeutende Palmkernöl-, Gummi- und Guttaperchawarenfabrikation, chemische Fabriken, Schwefel- und Petroleumraffinerie, Fabrikation von Öl, Salpeter, Glas, Mineralwasser, Kunstdünger, Leder, Briketts, Reismehl, Stärkemehl, Piassavabesen, Bürsten, Rohrstöcken und Fischbein, Jutespinnerei und -weberei, ein Dampfschmirgelwerk, Mühlenbetrieb, Dampf-Holzsägerei, Bierbrauerei und andere.[1]
Der Handelsverkehr wurde unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbanknebenstelle, eine Filiale der Hannoverschen Bank, der Norddeutschen Bank in Hamburg und andere.[1] Für den Eisenbahnverkehr war Harburg Knotenpunkt der Staatsbahnlinien nach Hamburg, Lehrte, Sagehorn und Cuxhaven.
Harburg hatte ein Realgymnasium mit angeschlossener Realschule, ein Lyzeum, ein Theater und ist Sitz eines Amtsgerichts, eines Generalsuperintendenten, des Landratsamts (für den Landkreis Harburg), eines Hauptzollamts und einer Oberförsterei. Die städtischen Behörden zählten fünf Magistratsmitglieder und 18 Bürgervorsteher.
Die Revolution von 1918 eröffnete mit der Demokratisierung des kommunalen Wahlrechts der Harburger Arbeiterbevölkerung die Chance, vor Ort auf Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen. 1919 rückte die SPD erstmals ins Bürgervorsteherkollegium ein. Von 48 Sitzen erhielt sie 29; fünf Sitze fielen an die „Unabhängigen Sozialisten“. Die SPD behielt die politische Macht bis zum 11. März 1933.
Am 1. September 1925 wurde Wilhelmsburg aus dem Landkreis Harburg zur Stadt Wilhelmsburg ausgegliedert.
Im Mai 1926 wurde der Harburger Stadtpark offiziell eröffnet. Die Volksparkanlage wurde vom Königlich Preußischen Gartenbaudirektor Georg Hölscher konzipiert.
Nach dem Bau des 4. Seehafenbeckens als Mineralölhafen 1927 entwickelte sich ab 1929 die Mineralölindustrie als dritte bedeutende Harburger Industriebranche. Die Rhenania-Ossag errichtete zwei große Raffinerien (heute Shell) und Ebano Asphaltwerke AG (heute Holborn).
Am 1. Juli 1927 wurden die Städte Harburg und Wilhelmsburg zur Großstadt Harburg-Wilhelmsburg mit über 110.000 Einwohnern zusammengeschlossen.[17]
Das alte Harburger Wappen zeigte ein rotes Torhaus auf weißem Grund mit drei Türmen und geöffnetem Tor, in dem der braunschweigische Löwe steht. Mit dem Wappen wurde an die Zugehörigkeit der Stadt Harburg zum Territorium der Herzöge zu Braunschweig-Lüneburg erinnert.
Das neue Harburger Wappen wurde um zwei Lilien aus dem alten Wilhelmsburger Wappen über den Zinnen der äußeren Türme ergänzt.
Heute gilt das Wappen von 1927 nicht mehr als offizielles Hoheitszeichen, es wird jedoch noch heute auf Drucksachen der Harburger Bezirksversammlung verwendet. Damit wird an die Zugehörigkeit von Wilhelmsburg zum Territorium des Bezirks Harburg erinnert.
1929 erhielt Harburg sein erstes Kino, den „Gloria-Palast“ in der Wilstorfer Straße an der Ecke zum Krummholzberg.
In den 1930er Jahren betrieb die Hamburger Hochbahn ein umfangreiches Straßenbahnnetz. Die Linien verkehrten über die alte Elbbrücke unter anderem nach Rönneburg, Wilstorf und Heimfeld. Am Sand war der zentrale Umsteigeplatz. Zudem verkehrten mehrere O-Bus-Linien; der Harburger Nahverkehr war weitgehend elektrifiziert.
Am 1. August 1932 wurden der Landkreis Harburg und der Kreis Winsen zum neuen Landkreis Harburg zusammengelegt. Gleichzeitig wurden die Kreisgrenze im Rahmen der Auflösung des Kreises Jork westlich bis an die Este verlegt; damit kamen die Gemeinden Frankop, Hove, Neuenfelde, Rübke und Moorende in den Landkreis Harburg.[18] Harburg blieb weiterhin Kreisstadt des Landkreises und eigener Stadtkreis Harburg-Wilhelmsburg außerhalb des Kreisgebiets.
Harburg in der Zeit des Nationalsozialismus
Das Harburger Rathaus wurde am 11. März 1933 von Mitgliedern der SA und SS besetzt und auf dem Rathaus sowie auf dem Rathausplatz wurden Hakenkreuzfahnen gehisst. Oberbürgermeister Dudek verließ unter Protest das Rathaus.
Die Reichsregierung erließ 1937 das „Groß-Hamburg-Gesetz“. Damit gingen zum 1. April 1937 die Stadt Harburg-Wilhelmsburg und aus dem Landkreis Harburg zahlreiche umliegende Orte von Preußen an das Land Hamburg über. In den Folgejahren gingen sie in der neu gebildeten Einheitsgemeinde Hansestadt Hamburg bzw. in einem der 110 Bezirke mit 178 Ortsteilen im Reichsgau Hamburg auf.
Die Rüstungsproduktion in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum unter Ausnutzung der optimalen Infrastruktur ohne geopolitische Reibungsverluste hatte oberste Priorität für die Erfüllung des damaligen Vierjahresplans. 1939 begann man in Harburg als erstem Hamburger Bezirk ein Oberleitungsbussystem zu bauen. Die drei (teilweise erst in der Nachkriegszeit) realisierten Linien nach Eißendorf, Bostelbek und Fleestedt wurden allerdings 1958 wieder eingestellt.
Harburg blieb während des Krieges zunächst weiterhin Sitz des Landkreises Harburg. Nachdem das Kreishaus in Harburg 1944 durch Bombenfehlwürfe zerstört worden war, konnte die Kreisverwaltung in das Schloss von Winsen (Luhe) ausgelagert werden.
Am 3. Mai 1945 endete die Zeit des Nationalsozialismus im zur offenen Stadt erklärten Hamburg mit der Besetzung durch die britische Armee. Nach Kriegsende wurde der Landkreis Harburg von der britischen Militärregierung dem neu gegründeten Bundesland Niedersachsen zugeordnet und der Hansestadt Hamburg wieder der Bundeslandstatus zuerkannt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Von der Sturmflut 1962 war besonders Wilhelmsburg betroffen. Seit 1970 erfolgte ein Wandel vom klassischen Industriestandort in Richtung Wissen- und Dienstleistungsstandort. Der Bau des Rangierbahnhofs Maschen begann. Die Inbetriebnahme erfolgte schrittweise 1977–1980. Dabei wurde der Rangierbahnhof Wilhelmsburg dafür aufgegeben.
1973 erfolgte der Bau der Harburger S-Bahn, die Innenstadtsanierung und der Bau des Harburger Ringes.
1976 kam es zur Einweihung der Harburger Fußgängerzone.
1978 erfolgte die Gründung der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) mit dem Einzug in das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Thörl an der Harburger Schloßstraße.
1982–2005 erfolgte der Bau der TUHH auf dem jetzigen Campusgelände zwischen Schwarzenbergstraße und Denickestraße.
1983 wurde die S-Bahn bis zum Bahnhof Hamburg-Harburg Rathaus eröffnet.
Seit 1990 gibt es Planungskonzepte und Maßnahmen zur Revitalisierung des Harburger Binnenhafens.
1995 wurde das 1872 als Werkstatt der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft eröffnete Ausbesserungswerk Hamburg-Harburg geschlossen.
In der Marienstraße im Stadtteil Harburg wohnten seit 1998 Mohamed Atta, Said Bahaji und Ramzi Binalshibh, Mitglieder der so genannten Hamburger Terrorzelle, die die Terroranschläge vom 11. September 2001 planten.[19] In der Marienstraße spielen auch mehrere Kapitel des 2007 erschienenen Romans Falling Man vom amerikanischen Autor Don DeLillo, der sich mit den Anschlägen und ihren Folgen auseinandersetzt.
2006 verursachte ein Tornado schwere Schäden. Es kam zu zwei Todesfällen und einem mehrstündigen Stromausfall.
2008 wurde der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg aus dem Bezirk Harburg ausgegliedert und dem Bezirk Hamburg-Mitte zugeordnet.[20]
Siehe auch
Literatur
- Rainer-Maria Weiss (Hrsg.): Archäologie in Hamburg - Die Harburger Schloßstraße (= Veröffentlichungen des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg. Nr. 110). Archäologisches Museum Hamburg, 2017, ISBN 978-3-931429-30-0, ISSN 2198-8897.
Literaturliste. harburg-geschichte.de
Weblinks
- Fotogallery Harburger Hafen
- Zur Geschichte der Juden in Harburg 1900–1933 (PDF)
- Ein Kran für Harburg
- Helms-Museum zeigt Modelle zur Harburger Stadtgeschichte auf harburg-aktuell.de (in der von Internet Archive am 4. November 2011 gesicherten Fassung)
- Grundriss von Stadt und Festung Harburg 1757 beim Digitalen Archiv Marburg (Hessisches Staatsarchiv Marburg)
- Plan der Belagerung von 1757
Einzelnachweise
- Meyers Lexikon von 1905
- Dietrich Kausche: Harburg und das Jahr 1288. In: Jürgen Ellermeyer, Klaus Richter, Dirk Stegmann (Hrsg.): Harburg. Von der Burg zur Industriestadt. Beiträge zur Geschichte Harburgs 1288–1938. Christians, Hamburg 1988, S. 11–15.
- Klaus Richter: 700 Jahre Harburg, 50 Jahre Hamburg-Harburg: Ein Stadtschicksal zwischen 1288 und 1938. (PDF)
- Historie von Harburg
- Hans-Cord Sarnighausen: Hannoversche Amtsjuristen von 1705 bis 1866. In: Harburger Jahrbuch. 23 (2012), S. 133–176.
- Teutsche Kriegs-Canzley auf das Jahr 1757. Band 4. Frankfurt / Leipzig 1757, S. 813–815 (google.de).
- Franzosenzeit in Hamburg (Memento des Originals vom 13. Februar 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Wilhelm Christian Ludewig: Geschichte des Schlosses und der Stadt Harburg. Harburg 1845
- Fritz Hoffmeyer: Harburg und die nächste Umgegend. Harburg 1885.
- Bezirksamt Harburg (Hrsg.): Phoenix-Viertel. Hamburg 1981, S. 2.
- Adalbert Holtz, Horst Homann: Die Straßennamen von Harburg nebst Stadtgeschichtlichen Tabellen und einem Stadtplan. Hamburg 1970, S. 46.
- Die Selbstverwaltungsgesetze für die Provinz Hannover, Kreis- und Provinzial-Ordnung vom 6./7. Mai 1884, Berlin, 1887, Seite 38
- Ernst Reinstorf: Geschichte der Elbinsel Wilhelmsburg: von Urbeginn bis zur Jetztzeit. 2. Auflage. 1916, S. 153; Textarchiv – Internet Archive.
- Geschichte der Elbinsel Wilhelmsburg 1333–1927
- Siehe auch „Schauenburger Zeit“ im Artikel Geschichte Hamburgs
- Geschichte der Elbinsel Wilhelmsburg 1333–1927
- Geschichte der Kreisbildung in Deutschland #Provinz Hannover
- Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen, vom 1. August 1932. § 66. In: Preußische Gesetzessammlung. Preußisches Staatsministerium, Berlin 1932; Nr. 43. R. von Deckers Verlag, G. Schenk, 1932, S. 255–273
- Hamburger Abendblatt, 19. Februar 2003; abendblatt.de abgerufen am 21. März 2010
- Friederike Ulrich: Sternschanze, HafenCity – Hamburgs neue Stadtteile. In: Hamburger Abendblatt. 1. März 2008, abgerufen am 18. Juli 2009.