Fee
Das deutsche Wort Fee und seine Entsprechungen in anderen Sprachen (englisch fairy, französisch Fée, italienisch Fata, spanisch Hada) sind heute unter anderem Bezeichnungen für manche übernatürliche Wesen in Kunst und Religion. Was diese Begriffe genau bedeuten unterscheidet sich je nach zeitlichem und regionalem Kontext.
Das Wort stammt wohl von lateinisch fata („Schicksal“), taucht in der altfranzösischen und normannischen höfischen Literatur des 12. Jahrhunderts als fae bzw. fay auf und wird im Englischen schließlich zu fairy (Mehrzahl fairies). Fae, Fay und Fairy waren dabei ursprünglich meist Verben und Adjektive, die in etwa „verzaubern“ und „verzaubert“ bedeuteten. Die Verwendung als eine Art Gattungsbezeichnung für bestimmte magische Wesen kam erst ab 1400 hinzu. Das englische fairy kann zudem genauso den Ort bezeichnen, an dem die Feen leben sollen, das „Feenland“ oder „Feenreich“. Aus der höfischen Literatur fand das Wort Eingang in die Volkssprachen wo es teilweise als Bezeichnung für übernatürliche Wesen der einheimischen Traditionen übernommen wurde, etwa für die angelsächsischen elves. Das deutsche Wort Fee wurde im 18. Jahrhundert gebildet um Geschichten aus der damals in Frankreich beliebten Literaturgattung der Feenmärchen (Conte des fées) zu übersetzen. Das englische Wort fairy hat eine viel breitere Bedeutung als das deutsche Fee. In der englischsprachigen Forschungsliteratur wird fairy auch oft als etischer Sammelbegriff für alle möglichen übernatürlichen Wesen verwendet, unabhängig davon, wie diese Wesen von den Akteuren selbst genannt werden.[2]
Die Geschichte der Feentraditionen ist durch eine starke Wechselwirkung zwischen volkstümlicher und literarischer Kultur geprägt.[3]
Etymologie
Die genaue Wortgeschichte von Fee und Fairy ist unklar und umstritten. Im 12. Jahrhundert taucht in der höfischen Dichtung altfranzösischer und anglonormannischer Sprache erstmals das Wort fai, fae bzw. fay auf. Dieses scheint auf lat. fata („Schicksal“; von fatum „das Gesagte“) zurückzugehen. In der älteren Forschung wurde angenommen, dass frühmittelalterliche Autoren dies als ein Singularwort für „die Göttin“ fehlgedeutet und daraus wiederum den Plural fatae („die Göttinnen“) gebildet hätten. Mit fatae seien sowohl die römischen Schicksalsgöttinnen (Parcae) als auch die in Dreiergruppen auftretenden keltischen Matronae bezeichnet worden. Im Altfranzösischen sei schließlich das „t“ verloren gegangen, so dass fata zu fa'a und fae geworden sein soll. Dieses Wort habe zunächst eine magisch begabte Frau bezeichnet, daraus sei später faierie als Wort für Zauberei und das Feenland entstanden. Dieses wiederum sei als Pluralform für die magischen Wesen fehlverstanden und fairie als neuer Singular gebildet worden.[4]
Diese sehr spekulative und im Detail unbelegte Wortgeschichte ist ab den 1980er Jahren vom Anglisten und Volkskundler Noel Williams (1952–2021) in Frage gestellt worden. Williams weißt darauf hin, dass die altfranzösischen und mittelenglischen Begriffe (fee, fae, fay, fairy, usw.) meist als Verben („verzaubern“) und Adjektive bzw. Partizipien („verzaubert“) verwendet wurden. Das Wort modifiziert oft ein Nomen (bspw. „fairy knit“ d. h. „magischer Ritter“), tritt aber nur sehr selten selbst als eines auf. Tatsächlich habe sich aus dem lateinischen fata also ein Begriff entwickelt, der in etwa „vom Schicksal bestimmt“ (engl. fated) bedeutet habe. Damit seien Phänomene bezeichnet worden, die außerhalb menschlicher Kontrolle lagen.[5] Englisch fairy, Italienisch fada und Spanisch fada bzw. hada seien alle parallel und unter gegenseitiger Beeinflussung aus diesem Begriff entstanden. Daraus habe sich erst allmählich die Bedeutung als Gattungsbezeichnung für magische Wesen entwickelt. Williams nimmt an, dass das altfranzösische fay in der höfischen Literatur als ein Sammelbegriff verwendet wurde, mit dem verschiedene übernatürliche Wesen aus den Traditionen der keltischsprachigen Bevölkerung der Bretagne und der Britischen Inseln zusammengefasst wurden. Dabei habe es sich um eine Fremdbezeichnung gehalten, die Kelten selbst hätten keinen übergeordneten Gattungsbegriff dieser Art gehabt.[6]
Williams konnte aus englischen Texten bis 1829 ein Korpus von etwa 50 verschiedenen Schreibweisen für fairy, Faerie, Pharie, Feyrie, Ffeyre usw. sammeln. Dabei dürfte es sich um graphemische Varianten des Phonems /fɛəri/ bzw. /fei/ handeln. Dazu kommen wohl verwandte Begriffe, die volksetymologisch aufgrund von Homonymie oder Homophonie gebildet wurden. So ist der Ausdruck farefolkis wohl aus fair folk („schönes Volk“) zusammengesetzt, einem weit verbreiteten Euphemismus für fairies.[7]
Das altfranzösische fae wurde in die mittelhochdeutsche Dichtung als Fei, Feie bzw. Feine übernommen und hielt sich bis ins Frühneuhochdeutsche als Kompositum in den Fabelwesen Meerfei und Waldfei. Unter dem Einfluss des populären Genres der Conte des fées (s. u.) setzte sich ab 1741 das neue deutsche Wort Fee (von neufranz. fée) durch.[8][9] Verwandt damit ist der Ausdruck „vor oder gegen etwas gefeit“ sein, d. h. durch Feenmacht davor geschützt zu sein.[10] Daher ist auch der Fachbegriff „Stille Feiung“ abgeleitet.
Fées im französischen Sprachraum
In den Chanson de geste, altfranzösischen Heldenliedern des 12. und 13. Jahrhunderts, tauchen erstmals als fai, fae oder fay bezeichnete Männer und Frauen auf. Diese schönen, weisen, mächtigen und magisch begabten Figuren treten häufig als Beschützer, Berater oder Geliebte der ritterlichen Helden auf und machen ihnen wertvolle Geschenke wie Waffen, Kleidung und magische Gegenstände. Diese Wesen spiegeln in ihrem Lebensstil die Idealvorstellungen der zeitgenössischen menschlichen Elite wider. Die Geschichten lassen häufig offen, ob diese Figuren nur magisch begabte Menschen oder übermenschliche Wesen sind. Die wohl einflussreichste dieser Erzählungen war das Lied von Huon de Bordeaux, das den zwergenhaften König Auberon einführt. Die Geschichte handelt vom Ritter Huon, der den Sohn Karls des Großen tötete und zur Sühne eine Reihe eigentlich unmöglicher Aufgaben bestehen muss. Diese gelingen ihm mit der Hilfe Auberons.[11][12] Im 13. Jahrhundert entstand die Gattung des höfischen Romans. Der einflussreiche Autor Chrétien de Troyes begründete hier die sogenannte Artusepik um König Artus und die Ritter der Tafelrunde. Chrétien lässt eine Reihe von fays auftreten, darunter die berühmte Morgan le Fay, beschrieb diese Figuren aber meist als menschlich. Morgana ist bei ihm Artus’ Schwester. Morgana und Auberon werden erst in der Literatur des 15. Jahrhunderts zu Vertretern einer eigenen Spezies namens „Feen“.[13][14]
Ende des 17. Jahrhunderts entstand in Frankreich aus dem Genre der fable heraus die neue Gattung des conte de(s) fées, in der die Protagonisten mit guten und bösen fées interagieren. Diese Erzähltradition kombinierte Volkserzählungen mit den Normen der höfischen Literatur. Wichtige Autoren der ersten Phase (1690–1705) waren Marie-Catherine d’Aulnoy, Marie-Jeanne Lhéritier de Villandon, Charles Perrault und andere. Diese Autoren formten Volkserzählungen nach dem Vorbild des höfisch-heroischen und des psychologischen Romans um. Dies zeigt sich etwa in der beschriebenen Ständeordnung, den Abenteuerszenen, der prunkvoll beschriebenen Architektur und Kleidung sowie der zentralen Rolle des Themas Liebe.[15] In der zweiten Phase ab 1705 wird der conte de fées durch die französische Rezeption orientalischer Erzählungen beeinflusst, etwa durch Antoine Gallands Übersetzung von Tausendundeine Nacht (1704–1717). Der Einfluss zeigt sich nicht nur in neuen Handlungsorten, sondern auch in der Thematik um Träume und Seelenwanderung sowie in der expliziter werdenden Erotik.[16] Gleichzeitig verliert die Gattung zunehmend ihren Bezug zu den Volkserzählungen und baut stattdessen auf ihre eigene Tradition auf. Die Geschichten werden ironisch und moralisierend. Die Feen, die gattungstypisch in das Leben der Menschein eingreifen, werden hier zu deren aufklärerischen Lehrern. Zu den vielen Autoren der zweiten Phase gehören u. a. Antoine D'hamilton, Jacques Cazotte, Marie-Madeleine de Lubert und Thémiseul de Saint-Hyacinthe. Auch Jean-Jacques Rousseau verfasst ein Feenmärchen (La reine Fantasque, 1754). Voltaire prägte das eigene Untergenre des contes philosophiques.[17] Der conte de fées war eine Literaturgattung des Ancien Régime und endete mit der Französische Revolution (1789).[18]
Fairies im englischen Sprachraum
Nach der normannischen Eroberung Englands (1066) führten die neuen Herrscher die französische Sprache und Kultur, und damit auch die französische höfische Dichtung mit ihren fays, als Elitenkultur ein.[19][20] Das englische Wort fairy erscheint erstmals im mittelenglischen Auchinleck Manuscript (um 1330) und bleibt in seiner Verwendung lange auf die höfische Literatur (romance, lay) beschränkt. Das Wort wurde zunächst meist als Adjektiv gebraucht und bedeutet „seltsam“, „magisch“ oder „verzaubert“.[21] Erst im 15. Jahrhundert wird es zur Bezeichnung für bestimmte Wesen.[22] Ob das in der angelsächsischen Dichtung verbreitete Wort faege („vom Schicksal [zum Sterben] bestimmt“) zuvor einen Einfluss auf das französische Wort ausgeübt hatte ist unklar.[23]
Einflussreiche britische Volkskundler des 20. Jahrhunderts wie Katharine Mary Briggs (1898–1980) und Jeremy Harte hatten die von ihnen erforschten fairy-Traditionen mit essentialistischen Vorannahmen betrachtet. Das heißt, sie gingen von einer einzigen (oft „keltischen“) Tradition aus, die über alle Jahrhunderte hinweg und in allen Regionen im Wesentlichen die Gleiche gewesen sei. Die vielen sozialen Veränderungen zwischen Mittelalter und Moderne hätten also keinerlei Auswirkungen auf das Weltbild der bäuerlichen Bevölkerung gehabt. Neuere Studien widmen sich dagegen meist Spezialaspekten, etwa den sozialen Funktionen von fairy-Geschichten und wie diese die kulturelle und politische Situation ihrer Zeit widerspiegeln. Der Historiker Ronald Hutton legte in einem 2014 erschienenen Artikel erstmals einen umfassenden geschichtswissenschaftlichen Überblick über die britischen fairy-Traditionen vor. In dieser Arbeit verfolgt er die historischen Veränderungen dieser Traditionen vom 11. bis zum 17. Jahrhundert.[24] Hutton unterscheidet zwei große Phasen der britischen fairy-Tradition, das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit. Zwischen den beiden Phasen verortet er die Entstehung der Idee vom Feenreich sowie die Übernahme dieser Vorstellung aus der höfischen Literatur in die breite Bevölkerung.
Die erste Phase fällt in das Spätmittelalter.[25] Mitte des 13. Jahrhunderts lassen sich hier drei verschiedene Traditionsstränge erkennen: Erstens ein auf die Angelsachsen zurückgehender Glaube an verführerische aber schädingende elves. Zweitens die internationale höfische Literatur über schöne und mächtige fays (s. o.). Und drittens schließlich die gelehrten Texte von Autoren wie Giraldus Cambrensis, Gervasius von Tilbury, William of Newburgh und anderen. Diese Autoren der dritten Traditionslinie sammelten Berichte von angeblichen Kontakten zwischen Menschen und nichtmenschlichen Wesen, die sich nicht in die theologische Unterscheidung von Engeln und Dämonen einordnen ließen. Im Gegensatz zur rein fiktiv angelegten höfischen Dichtung wurden die Geschichten aus diesen gelehrten Sammlungen als tatsächlich passiert präsentiert. Weder insgesamt, noch innerhalb der drei genannten Traditionsstränge lässt sich eine systematisierte Lehre von den fairies feststellen, aber Elemente aus diesen drei Strängen kommen später in den heute als fairies bezeichneten Wesen zusammen.
Zwischen den beiden Phasen verortet Hutton die Gleichsetzung von fairies und elves sowie die Entstehung der Idee von einer magischen Parallelwelt namens fairy.[26] So reist der Held in Sir Orfeo (um 1300) in das Reich des Pluto, dem „King of Fayré“ und in Geoffrey Chaucers Erzählung Sir Thopas (1387) möchte der Protagonist „the Queen of Faierye“ für sich gewinnen. Das Feenreich fairy, in dem fairy king und fairy queen über das Volk der fairies bzw. elves herrschen, entwickelte sich zu einem beliebten Motiv der englischen Literatur und wurde im 15. Jahrhundert auch in der höfischen Literatur von Schottland und Wales übernommen. Beispielsweise wird im Buchedd Collen, der Vita eines walisischen Mönchs, die Sagengestalt Gwyn ap Nudd nun nicht nur als König von Annwn bezeichnet, sondern auch als „King of the Fairies“. Ebenfalls im 15. Jahrhundert übernahm die einfache englischsprachige Bevölkerung die Idee vom Feenreich fairy und nahm fairies als Bezeichnung für die von ihnen vorher als elves bezeichneten Wesen an. Damit entstand eine Art Systematisierung, in der die verschiedenen Wesen des Volksglaubens nun als ein Volk aus einem parallelen Königreich verstanden wurden. Es finden sich etwa Gerichtsakten zu Frauen, die angaben von den feyry magisches Wissen und die Fähigkeit zum Heilen gewonnen zu haben. Andersherum wurden die fairies nun für Krankheiten verantwortlich gemacht, sie werden also mit den schädlichen Aspekten der elves belegt.
Als zweite Phase und gleichzeitigen Höhepunkt der britischen fairy-Tradition macht Hutton das Zeitalter der Reformation und Renaissance (1560–1640) aus. Die fairies und ihr Reich waren in diesem Zeitraum ein sehr beliebtes Thema in Literatur und Theater, gleichzeitig waren der Glaube an diese Wesen bzw. das Spekulieren über sie auch unter Gelehrten und in der normalen Bevölkerung verbreitet.[27]
Im Bereich der Renaissanceliteratur waren die wohl einflussreichsten Autoren William Shakespeare (A Midsummer Night's Dream, um 1596) und Edmund Spenser (The Faerie Queene, um 1595), beide begründeten mit ihren Werken ein anhaltendes literarisches Interesse am Thema der fairies.[28] Mittelalterliche Figuren wie Robin Goodfellow und der Feenkönig Oberon wurden hier zu ihrer heutigen Form ausgebaut. Durch den Einfluss Spensers wird das Feenreich nun häufiger als von einer Königin regiert vorgestellt, zuvor traten eher männliche Könige auf.[29] Das fairyland, in dem die ewig jungen und schönen Monarchen in Reichtum leben und sich der Muße hingeben können, wurde zu einer beliebten Allegorie auf den Adel. Insbesondere Elisabeth I. wurde in Werken oft als fairy queen dargestellt. Henry, Prince of Wales spielte in einem Maskenball selbst den fairy king Oberon. Literarische Werke über das Land der fairies dienten aber auch der Kritik am als hedonistisch verurteilten Lebensstil des Adels.[30][31] Diese literarische Tradition verarbeitete einige Elemente der Volkserzählungen und wirkte auch wieder auf diese zurück. Dies lässt sich beispielsweise an der Körpergröße der fairies nachvollziehen. In englischen Volkserzählungen wurden fairies oft als kleinwüchsig beschrieben, sie seien so groß wie menschliche Kinder. Dieses Narrativ wurde von Shakespeare übernommen und zum komödiantischen Effekt auf eine winzige Größe gebracht. In A Midsummer Night's Dream stellt er der menschengroßen Feenkönigin Titania ein Gefolge aus winzigen Dienern bei, die so klein sind, dass sie in die Schalen von Ahornfrüchten klettern können. Im kurz darauf erschienenen Romeo and Juliet (1597) ist dann auch die Feenkönigin Mab so klein, dass sie in einem Wagen fährt, der aus einer Haselnussschale gebaut wurde.[32] Die Idee von den winzigen fairies wurde in der Folge nicht nur von anderen Schriftstellern übernommen, sondern findet sich seit 1620 auch zunehmend in Volkserzählungen.[33]
Gleichzeitig scheint der Glaube an fairies in der Bevölkerung auch stärker verbreitet gewesen zu sein als zuvor. Darauf deutet zum Beispiel hin, dass es zwischen 1595 und 1614 zu einer Häufung von Trickbetrügereien kam, in denen Geld dafür verlangt wurde, Menschen mit der fairy queen in Kontakt zu bringen.[34][35] Hexenprozessakten zeigen, dass überall auf den Britischen Inseln Menschen fairies und vor allem die fairy queen als Quellen ihrer übernatürlichen Fähigkeiten angaben. Von den fairies wollten sie meist Heilkunst und Wahrsagerei gelernt haben.[36] Schottische Hexentheoretiker (darunter König James VI.) hielten den Kontakt mit fairies dagegen für ein zentrales Merkmal der Hexerei. Menschen, die angaben mit fairies Umgang gehabt zu haben oder von denen dies behauptet wurde, wurden verfolgt. Die Theologen waren sich uneins darüber, ob fairies nun real existierende Dämonen oder nur eine (durch den Teufel oder schlechte psychischer Verfassung verursachte) falsche Einbildung seien. In England spielte der Vorwurf vom Umgang mit fairies eine viel kleinere Rolle, hier wurden angeblichen Hexen stattdessen beschuldigt, mit einem spiritus familiaris umzugehen. Auch Hofmagier wie Simon Forman und John Dee versuchten fairies zu beschwören und zu kontrollieren.
Trotz der großen Popularität des fairy-Themas im 16. und 17. Jahrhundert gab es keine einheitliche Lehre und Beurteilung bezüglich dieser Wesen. So konnte James VI. Menschen für ihren angeblichen Umgang mit fairies verfolgen lassen, während sein Sohn Henry gleichzeitig als edler fairy king Oberon auftrat.[37] Hutton nimmt dennoch an, dass im frühneuzeitlichen England, Wales und den schottischen Lowlands eine homogene Vorstellung vom fairy realm mit seinen fairy monarchs entstanden sei. Diese habe sich im Laufe der Zeit zu der regionalen Vielfalt diversifiziert, die später moderne Volkskundler aufgezeichnet haben. Hutton vermutet, dass die Konstruktion des fairy realms ähnlich verlaufen sei, wie die Entwicklung der Hexenlehre: Diverse mittelalterliche Vorstellungen seien im 15. Jahrhundert von Gelehrten aufgegriffen, modifiziert und zu einem kohärenten System zusammengefasst worden.[38]
Feen im deutschen Sprachraum
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gewannen in Deutschland französische Erzählungen nach orientalischem Vorbild an Popularität, ab den 1760ern wurden dann auch Geschichten aus der Gattung des conte de fées (s. o.) übersetzt.[39] Für dieses Genre wurde die Gattungsbezeichnung Feenmärchen erfunden und die Figur der fée als Fee eingedeutscht. Das Wort Fee stammt also aus der Literatur und kommt in Volkserzählungen des deutschen Sprachraumes nicht vor.[40] Über diesen Einfluss der französischen Literatur gelangten die Feen in einige deutsche Märchentexte, etwa Dornröschen (KHM 50).[41]
Das deutsche Feenmärchen durchlief die umgekehrte Entwicklung des französischen: Während in Frankreich aus Volkserzählungen höfische Literatur wurde, nähert sich das in Deutschland übernommene Genre den einheimischen Volkserzählungen an. Zentrale Autoren des frühen deutschen Feenmärchens (Christoph Martin Wieland, Christian August Vulpius u. a.) verfassten Geschichten mit aufklärerischer Intention. Ab den 1780er Jahren schrieben Autoren wie Wilhelm Christoph Günther Geschichten, die sich stärker der einheimischen Volksüberlieferung zuwandten. Die Gattung der deutschen Feenmärchen wurde im 19. Jahrhundert durch das romantische Kunstmärchen und Sammlungen von aufgezeichneten Volksmärchen verdrängt. Im Französischen hat conte de fées, genau wie das englische fairy tale und das italienische racconto di fate, heute etwa die gleiche breite Bedeutung wie das deutsche Wort Märchen.
Literatur
- Günter Dammann: Conte de(s) fées. In: Kurt Ranke (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Band 3. Walter de Gruyter, Berlin/ New York 1981, ISBN 3-11-008201-2, Sp. 131–149.
- Jean N. Goodrich: Fairy, Elves and the Enchanted Otherworld. In: Albrecht Classen (Hrsg.): Handbook of Medieval Culture. Fundamental Aspects and Conditions of the European Middle Ages. Volume 1. De Gruyter, Berlin und Boston 2015, ISBN 978-3-11-026659-7, S. 431–464.
- Ronald Hutton: The Making of the Early Modern British Fairy Tradition. In: The Historical Journal. Vol. 57, No. 4, 2014, S. 1135–1156.
- Noel Williams: Fairy. In: Kurt Ranke (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Band 4. Walter de Gruyter, Berlin/ New York 1984, ISBN 3-11-009566-1, Sp. 793–800.
- Noel Williams: The Semantics of the Word Fairy: Making Meaning Out of Thin Air. In: Peter Narváez (Hrsg.): The Good People: New Fairylore Essays. University Press of Kentucky, Lexington (Kentucky) 1997, ISBN 978-0813109398, S. 457–478.
Weblinks
Einzelnachweise
- Goodrich 2015, S. 458.
- Williams 1984. Sp. 799.
- Williams 1984. Sp. 794.
- Williams 1997, S. 462f.
- Williams 1997, S. 463–465.
- Williams 1997, S. 468.
- Williams 1997, S. 459–461.
- Friedrich Wolfzettel: Fee, Feenland. In: Kurt Ranke (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Band 4. Walter de Gruyter, Berlin/ New York 1984, ISBN 3-11-009566-1, Sp. 945–963. Hier Sp. 946.
- Artikel Fee im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (Abgerufen am 11.12.21)
- Artikel feien im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. (Abgerufen am 11.12.21)
- Hutton 2014, S. 1140f.
- Goodrich 2015, S. 446f.
- Hutton 2014, S. 1141.
- Goodrich 2015, S. 448.
- Dammann 1981, Sp. 132f.
- Dammann 1981, Sp. 135.
- Dammann 1981, Sp. 135–138.
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- Hutton 2014, S. 1140f.
- Goodrich 2015, S. 446f.
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- Williams 1997, S. 465–467.
- Hutton 2014, S. 1135–1137.
- Dieser Absatz folgt Hutton 2014, S. 1138–1141.
- Dieser Absatz folgt Hutton 2014, S. 1142–1146.
- Sofern nicht anders angegeben folgen die Ausführungen zur Frühen Neuzeit Hutton 2014, S. 1147–1152.
- Williams 1984, Sp. 794.
- Williams 1984, Sp. 798.
- Hutton 2014, S. 1151.
- Goodrich 2015, S. 463.
- Marjorie Swann: The Politics of Fairylore in Early Modern English Literature. In: Renaissance Quarterly. Band 53, Nr. 2, 2000, S. 449–473. Hier S. 454ff.
- Williams 1984, Sp. 795.
- Hutton 2014, S. 1150.
- Goodrich 2015, S. 459.
- Goodrich 2015, S. 460f.
- Hutton 2014, S. 1152.
- Hutton 2014, S. 1155.
- Diese Ausführungen zum deutschen Feenmärchen folgen Dammann 1981, Sp. 139–142.
- Gertrud Scherf: Nixen, Wichtlein und Wilde Frauen. Eine Kulturgeschichte der Naturgeister in Bayern. Allitera Verlag, München 2017, ISBN 978-3-86906-986-9. S. 109.
- Leander Petzoldt: Kleines Lexikon der Dämonen und Elementargeister. 3. Auflage. C. H. Beck, München 2003 [1990], ISBN 978-3406669286. S. 72.