Komposition (Grammatik)
Die Komposition oder Wortzusammensetzung ist in der Grammatik die Bildung eines neuen Wortes durch die Verbindung mindestens zweier bereits vorhandener Wörter bzw. Wortstämme. Das zusammengesetzte Wort als Produkt dieses Verfahrens wird meist Kompositum (Plural: Komposita) genannt, oder auch Doppelwort oder ebenfalls (Wort-)Zusammensetzung.
Ein Kompositum, das ein Nomen (im Sinne von Substantiv) als Grundwort hat, wird zusammengesetztes Nomen oder Nominalkompositum genannt, in der Schulgrammatik zusammengesetztes Hauptwort. Dies ist im Deutschen der häufigste Typ; allerdings ist das Verfahren der Komposition als solches nicht auf eine bestimmte Wortart eingeschränkt.
Die Komposition ist neben der Derivation (Ableitung) die wichtigste Art der Wortbildung. Sie ist neben der Entlehnung – die allerdings nicht als Wortbildungsart gilt – das wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden Wortschatz zu erweitern. Die Bildung von Komposita führt zu Informationsverdichtung, da eine Bedeutung, die sonst eine syntaktische Konstruktion aus mehreren Wörtern erfordern würde, in einem einzigen Wort ausgedrückt werden kann.
Begriff
Die Begriffe „Grundwort“ und „Bestimmungswort“
In manchen Darstellungen wird für eine Komposition verlangt, dass die miteinander verbundenen Elemente Wörter sein sollen, also sonst selbständig vorkommen können.[1] Beispiele:
- der Fußball (Substantiv) + das Stadion (Substantiv) → das Fußballstadion (Substantiv).
- die Abfahrt (Substantiv) + die Zeit (Substantiv) → die Abfahrtszeit (Substantiv).
- fahr(-en) (Verb) + der Gast (Substantiv) → der Fahrgast (Substantiv).
Das Rechtsglied wird dann auch als das Grundwort des Kompositums bezeichnet, das Erstglied als sein Bestimmungswort. Eine solche Einteilung, die sich auf „Wörter“ bezieht, erfasst die typischen Fälle, jedoch verengt sie den Begriff der Komposition und schließt nicht alle infrage kommenden Fälle ein. Eine allgemeine Definition der Komposition wird sich daher auf Wortstämme beziehen (siehe den folgenden Abschnitt).
Komposition als Verbindung zweier Wortstämme
Üblicherweise werden unter dem Begriff der Komposition alle Verbindungen einbezogen, deren Teile den gleichen Status wie der Wortstamm eines Inhaltsworts haben (also im einfachen Fall lexikalische Morpheme sind) – auch wenn sie nicht selbständig als Wörter benutzbar sein sollten. Als Komposita zählen somit auch Bildungen, die sogenannte Konfixe verwenden[2] wie in Biblio-thek oder Video-thek. Hier ist das Element -thek ein Konfix, d. h. kommt nicht frei vor, bildet aber einen Stamm für die Anfügung von Flexionsendungen, wie in Videothek-en. Im Gegensatz zu einem Affix trägt es auch inhaltliche Bedeutung bei (hier etwa: „Verwahrungs- und Benutzungseinrichtung für Medien“). Konfixe als Erstglied eines Kompositums sind schwieriger nachzuweisen, aber beispielsweise das Erstglied in Schwieger-vater wird ebenfalls als Konfix, also nicht-freier Wortstamm, angesehen (wie auch in dem Wort verschwiegert; es ist allerdings kein fremdsprachliches Element wie die typischen Beispiele für Konfixe).[3] Ebenso ergibt sich dann Brombeere als Kompositum, wegen der Analogie zu Stachel-beere, auch wenn Brom- als Bezeichnung einer Pflanzenart weder frei noch irgendwo sonst gebunden vorkommt (ein „unikales Morphem“).
Komposition lässt sich somit allgemein definieren als die Verbindung zweier Wortstämme, nicht zweier Wörter.[4] Diese Definition ist aus zwei Gründen präziser: Zum einen sind, wie gesehen, unselbständige Wortstämme zugelassen, wogegen Wörter immer frei stehen können. Zum anderen kann als Wort eine Einheit bezeichnet werden, die eine Flexionsform trägt; flektierte Wortformen sind jedoch innerhalb von Komposita normalerweise nicht möglich. Man sieht dies im obigen Beispiel fahr(-en) + Gast → Fahrgast: Das Kompositum kann nicht die Infinitivform benutzen wie: * Fahrengast. – Zu beachten ist, dass ein Wortstamm seinerseits zusammengesetzt sein kann; mehr dazu siehe im Abschnitt #Der innere Aufbau von Komposita.
Die Abgrenzung zwischen Komposition und Derivation
Zur Wortbildung zählen sowohl Komposition als auch Derivation (Wortableitung). Während Komposition als Verbindung aus zwei Stämmen definiert wurde, ist die Derivation eine Verbindung aus einem Stamm und einem Affix, wobei Affixe als grammatische, nicht lexikalische Elemente zählen. In der Bezeichnung abgeleiteter Begriffe können aber manchmal beide Verfahren mit ähnlichem Ergebnis benutzt werden, z. B. ist die Wortableitung Empfänger in einer Lesart bedeutungsgleich mit Empfangsgerät (einem Kompositum).
Die Unterscheidung zwischen Komposition und Derivation weist jedoch auch einen Übergangsbereich auf, und zwar sowohl was die Sprachgeschichte betrifft als auch die gegenwärtige deutsche Grammatik.[5] Dies liegt daran, dass ehemals selbständige Wörter, die in Komposita vorkommen, verblassen können und später als Derivationsaffixe aufgefasst werden.
Ein Beispiel für einen historischen Übergang ist das heutige Wortbildungs-Affix lich, wie in feind-lich. Es geht zurück auf das althochdeutsche Wort lich = Körper, Gestalt (vgl. im heutigen Deutsch das Substantiv Leiche). Auf dieser Stufe wären Konstruktionen mit lich demnach als Komposita aufzufassen. Im heutigen Deutsch besitzt -lich keinen Wortstatus mehr und ist vielmehr ein Affix. Die inhaltliche Entwicklung verlief entsprechend von einer Bedeutung „Gestalt (wie ...)“ hin zu einer abstrakteren Funktion, etwa: „mit der Eigenschaft von...“.[6]
Im Gegenwartsdeutsch gibt es ebenfalls Fälle von unsicherem Status zwischen Grundwort eines Kompositums oder Affix. Zum Beispiel wird in dem Handbuch von Fleischer & Barz[7] das Element -wesen wie in Finanzwesen, Hochschulwesen, Gesundheitswesen als Suffix eingestuft, die genannten Bildungen seien also keine Komposition, jedoch ist das Substantiv Wesen in einer Bedeutung ähnlich wie „Organismus“ darin noch erkennbar.
Ein häufiger Fall sind auch Wortbildungen, in denen der erste Teil eines Kompositums eine Bedeutungsveränderung erfährt, die in Richtung einer reinen Bewertung führt (eine expressive Bedeutung). Beispiele sind: Riesenproblem, Bombenerfolg, Traumurlaub. Sie werden teilweise Halbaffixe, meist aber Affixoide genannt. Diese Bildungen beziehen sich nicht wörtlich auf Riesen, Bomben oder Träume, wenngleich Metaphern, die auf diesen Wörtern basieren, beteiligt sind.[8] Affixoide sehen aus wie Wörter, verhalten sich aber wie Affixe. Sie treten vorn an ein Nomen oder Adjektiv und haben eine verstärkende, intensivierende Funktion, meist stilistisch-emotional (Präfixoide: Affentheater, Bombenstimmung, Sauwut, saumüde, schweineteuer), teilweise lediglich steigernd (Hauptmahlzeit, übereifrig, hochmodern). In dieser Bedeutung kommen sie nur gebunden vor. Sie unterscheiden sich von Komposita aufgrund dieser Semantik und weil sie den Wortakzent verlieren, gleichzeitig aber reihenbildend auftreten. Sie treten hinten an ein Nomen mit meist kollektiver Bedeutung (Suffixoide: Ölzeug, Flechtwerk, Fachkraft) oder an ein Adjektiv (salzarm, scheinfrei, familienfreundlich). Der Begriff ist nach einigen Jahren intensiver Diskussion mittlerweile gut etabliert, teils, weil es für zahlreiche Sprachen Dokumentationen gibt,[9][10][11][12][13][14] teils, weil im Rahmen neuerer Ansätze wie der Konstruktionsgrammatik eine Entscheidung zwischen Derivation oder Komposition obsolet geworden ist.[15][16]
Endozentrische- und Exozentrische Komposita
Kompositionen können rekursiv aufgebaut werden. Dabei kann ein Kompositum selbst auch wieder ein Teil eines neueren noch komplexeren Kompositums werden. Dies ist im folgenden Beispiel dargestellt. Wenn die zwei Nomen Dampf und Schiff miteinander durch Komposition verbunden werden entsteht das Wort Dampfschiff. Dieser Input kann dann genommen werden für einen weiteren Kompositionsprozess und durch das Nomen Fahrt ergänzt werden somit würde Dampfschifffahrt entstehen. Dies ist nur ein Beispiel für mehrgliedrige Komposita, die mehr als aus einem Morphem bestehen.
Typen von Komposita und deren Bedeutung
Für die Typenbedeutung der Komposita ist das Kompositionalitätsprinzip zu beachten. Dieses ist die Errechnung der Teile des Kompositums auf Grundlage der Bedeutung der einzelnen Teile des Kompositums für die gesamt Bedeutung des Kompositums.
Endozentrische und Exozentrische Kompositas unterscheiden sich in Bezug auf die Kompositionalität eines Kompositums in semantischer Sicht.
Endozentrisch Kompositum
Bedeutung des Kompositums lässt sich aus Bedeutung der einzelnen Bestandteile des Kompositums errechnen. Hat also einen semantischen Kopf, somit vererbt also eines der beiden freien Morpheme, aus denen das Kompositum besteht, seine semantischen Merkmale an das Kompositum weiter. Das Kompositum ergibt sich somit aus dem Kompositionalitätsprinzip. Das Kompositum trägt also die Gesamtbedeutung in sich.
z.B. Generalschlüssel, Mobiltelefon, Küchenstuhl, Buchladen, Wasserflasche
Kopf steht rechts somit handelt es sich bei dem Kompositum Generalschlüssel um einen Schlüssel
Exozentrisches Kompositum
Bedeutung des gesamten Kompositums muss sich nicht aus den Teilen (Morphemen) des Kompositums zusammensetzen. Komponsitionalitätsprinzip scheint nicht zu gelten. Exozentrische Komposita erhalten ihre Gesamtbedeutung also von außen.
z.B Angsthase, Hoffnungsträger, Jammerlappen
Kopf rechts bei dem Komposita Angsthase müsste Kompositum also ein Tier sein. Dies trifft jedoch nicht zu da es sich bei dem Kompositum um eine Person handelt.
Endozentrische Komposita lassen sich auch noch in ihrer Rolle des Erstgliedes in Bezug auf das Zweitglied unterscheiden.
Kopf-Modifikator-Komposita bei diesen Kompositen wird der Kopf also das rechtsstehende Glied durch das erste modifiziert, also näher beschrieben wird. Das erst Glied ist somit sozusagen eine Unterart des Zweitglieds. Ein Beispiel hierfür wäre die Katzentoilette. Dieses Komposita hat den Kopf Toilette und wird durch das erst Glied Katze näher beschrieben. Bei dieser Komposition handelt es sich also um eine Unterart von Toiletten welche speziell für Katzen ist.
Kopulative Komposita bei diesem Komposita ist das Kompositum eine Schnittmenge die von den beiden Gliedern beschrieben werden. Ein Beispiel für solch ein Kopulatives Komposita ist taubstumm. Jemand der die Eigenschaft hat taubstumm zu sein ist somit gleichermaßen taub als auch stumm.
Synthetische Komposita bei diesen Komposita ist das Zweitglied ein Nomen welches aus einem Verb abgeleitet wurde. Diese nennt man deverbale Nomen. Diese können zum Beispiel Nomen wie der Fahrer aus dem Kompositum Taxi-fahrer sein welche aus dem Verb fahren abgeleitet wurden und das Zweitglied des Kompositums bilden. Das Erstglied solcher Komposita verhält sich wie ein Argument des Verbes das im Zweitglied enthalten ist. Das Verb fahren im Zweitglied brauch zum Beispiel ein Patiens Argument, welches angibt was das Thema ist. [17]
Der innere Aufbau von Komposita
„Kopf“ und „Kern“ bei der Komposition
Der grammatikalische Kopf einer Konstruktion überträgt seine grammatischen Eigenschaften auf das ganze Wort und steht beim Kompositum im Deutschen (und anderen germanischen Sprachen) in der Regel rechts außen (man sagt daher, das Kompositum sei rechtsköpfig). Bei Determinativkomposita (siehe im Abschnitt „Kompositionstypen“) wird der Kopf auch als das Determinatum bezeichnet. Für eine ausführliche Darstellung mit Beispielen von Komposita siehe den Hauptartikel.
Fuge und Fugenelement (im Deutschen)
Die Nahtstelle zwischen den Wortstämmen, die die Glieder eines Kompositums bilden, wird Fuge oder Kompositionsfuge genannt. Diese kann durch ein spezielles Fugenelement gekennzeichnet sein.[18]
Als Fugenelemente erscheinen im Deutschen hauptsächlich -(e)s-, -e-, -(e)n- und -er- wie in Liebeslied, nötigenfalls, Wartezimmer und gewissermaßen. Die Fugenelemente im Deutschen sind aus Flexionsendungen oder andernorts geschwundenen Teilen des Wortstamms entstanden, wurden aber später zusätzlich auch in Analogie dazu gebildet. Man unterscheidet „paradigmatische Fugenelemente“, d. h. Laute oder Lautverbindungen, die dem Flexionsparadigma des Erstglieds entsprechen, z. B. Genitiv-/Plural-Morphologie (Geistesblitz, Geisterfahrer) und unparadigmatische Fugen, die nicht zum Flexionsparadigma des Erstglieds gehören, z. B. Liebesbrief, Beobachtungssatellit.[19] Auch bei äußerlicher Gleichheit zählen Fugenelemente jedoch in keinem Fall als Flexion, da sie keine grammatischen Merkmale ausdrücken. Sie erfordern also keine Ausnahme zu der Regel, dass im Inneren von Komposita keine Flexionsformen vorkommen.
Vollständige Regeln für ihr Auftreten gibt es nicht. Ein regelmäßiges Muster ist, dass bestimmte Derivations-Suffixe das Anhängen eines Fugen-s verlangen, wenn sie das Erstglied des Kompositums abschließen, so etwa bei -keit, -heit, -schaft, -ung, -ut, -ion, -tät, -tum.
- Beispiele
- Freiheitsliebe; Landschaftsgärtnerin; Meinungsbildung, Komposition-s-fuge
- Ausnahme ohne Fugen-s
- Stellungnahme.
Komplexe Komposita
Wenn ein Kompositum als Verbindung zweier Stämme definiert wird, kann hierbei jeder beteiligte Stamm in sich zusammengesetzt sein. Es kann also wiederum ein Kompositum als Erst- oder Zweitglied auftreten oder jede andere Art von Wortbildung enthalten sein. Damit entsteht in der Komposition eine Möglichkeit der Rekursion, wie sie sonst eher der Syntax zugesprochen wird.
Beispiele:
- Töpfereibetriebseröffnung = {Töpfereibetrieb} + {s} + {Eröffnung}. Rechtsglied: (die) Eröffnung ist der Kopf und macht das ganze Wort zu einem Femininum.
- Töpfereibetrieb = {Töpferei} + {Betrieb} (wiederum Komposition)
Wortbildungsmorpheme wie das -ei in Töpferei sind hier zwar als Bestandteil im Inneren des Erstglieds sichtbar, sind aber als solche nicht am Vorgang der Komposition beteiligt. Die Ableitung von Töpferei letztlich aus Topf ist ein Wortbildungsprozess, der insgesamt zur Bildung eines komplexen Wortstamms Töpferei führt:
- Töpferei = {Töpfer} + {-ei} (Derivation mit Sufix {-ei})
- Töpfer = {Topf} + {-er} (Derivation mit Suffix {-er})
Nur der so gebildete komplexe Wortstamm Töpferei als ganzer wird jedoch von der Kompositionsregel in der Bildung Töpferei+betrieb benutzt.
Kompositionstypen
In der Sprachwissenschaft werden verschiedene Typen und Arten von Komposita unterschieden.
Herkömmliche Typisierung
Herkömmlich werden Komposita (XY) nach semantischen Kriterien typisiert als:
- Determinativkompositum (X bestimmt Y näher, z. B. um Baum näher zu klassifizieren, wird das Kompositum Apfelbaum gebildet)
- Possessivkompositum (X bestimmt Y näher, wobei XY nicht das Benannte Y ist, sondern pars-pro-toto fungiert, z. B. Glatzkopf)
- Rektionskompositum (X bestimmt Y näher, wobei X sich wie eine Ergänzung verhält, die vom Grundwort verlangt wird, analog wie bei einem grammatischen Objekt, das von einem Verb regiert wird, z. B. Frauenkenner)
- Kopulativkompositum (X und Y sind semantisch gleichwertig, z. B. süß-sauer)
Beim Determinativkompositum bestimmt (determiniert, spezifiziert) ein Wortglied das andere. Possessivkomposita und Rektionskomposita werden dabei als Unterformen von Determinativkomposita verstanden.[20]
Typenbildung nach Jacob oder Wilhelm Grimm
Während die Typenbildung in Determinativ-, Possessiv- und Kopulativkomposita als synchronisch qualifiziert wird,[21] hat Grimm unter historisch-genetischem Aspekt echte/eigentliche Komposita durch Juxtaposition, Kasuskomposita (uneigentliche/unechte Komposita) und verdunkelte („versteinerte“) Zusammensetzungen unterschieden.[22]
Typisierung nach den beteiligten Wortarten
Die unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums können unterschiedlichen Wortarten angehören. „Fast alle Wortarten können miteinander kombiniert werden.“[23] Es gibt „grundsätzlich keine Einschränkungen.“[24] Allerdings kann ein Kompositum auch einer Wortart angehören, die keines seiner Bestandteile hat. So sind Zusammensetzungen mit Präpositionen als zweitem Glied üblicherweise selbst keine Präpositionen („nebenan“).
Beispiele:[25]
1.\2. Bestandteil | Substantiv | Verb | Adjektiv | Adverb | Präposition |
---|---|---|---|---|---|
Substantiv | Wort+bildung | seil+tanzen | blitz+schnell | fluss+abwärts | berg+auf |
Verb | Koch+topf | dreh+bohren | klopf+fest | Tauge+nichts | Reiß+aus |
Adjektiv | Blau+helm | rein+waschen | hell+gelb | rund+weg | rund+um |
Adverb | Wieder+wahl | davon+laufen | immer+grün | immer+fort | außen+vor |
Präposition | Gegen+satz | wider+sprechen | vor+laut | vor+weg | neben+an |
Weitere Beispiele:
- (Substantiv + Substantiv; N+N-Komposita): „Fuge+n+element“
- (Adjektiv + Substantiv (+ Substantiv)): „Breit+maul+frosch“; „Dünn+brett+bohrer“
- (Pronomen + Substantiv): „All+heilmittel“, „Ich+bewusstsein“
- (Partizip + Substantiv): „Bedeckt+samer“, „Lebend+gewicht“
Komposita kann man auch nach der Wortart der Kopfkonstituente einteilen in:[21]
- Substantivkomposita (Nomenkomposita, Nominalkomposita)
- „Renn+wagen“
- Adjektivkomposita
- „himmel+blau“
- Verbkomposita
- „zusammen+setzen“
Sonderfälle
Zusammenrückungen
Bei den Zusammenrückungen werden mindestens zwei Wörter nach den Regeln der Syntax gebildet und als ein einziges Wort aufgefasst. Die Wörter werden also, so wie sie sind, zusammengerückt. Als Folge davon können Zusammenrückungen in ihrem Inneren auch Spuren von Flexion der beteiligten Wörter enthalten. Im Gegensatz zu den Komposita bestimmt die zweite Komponente nicht die Wortart des ganzen Ausdrucks (Vergissmeinnicht, Taugenichts, Tunichtgut, Nichtsnutz). Außerdem kommen in Komposita sonst keine Flexionselemente vor.[26][27][28]
Autokomposita, Iterativkomposita
Es gibt eine schwach produktive Wortbildungsart, bei der durch Doppelung eines Wortes ein Kompositum gebildet wird.[29] Eine Grundform stellt das sogenannte Autokompositum (Selbstkompositum) dar. Dass und wie Selbstkomposita interpretierbar sind, hat Günther in Experimenten nachgewiesen.[30] Geläufige Beispiele sind Helfershelfer, Kindeskind, Zinseszins, die als Genitivkonstruktionen Helfer der Helfer etc. interpretiert werden können.[31] Andere Beispiele dienen unter anderem der Hervorhebung/Intensivierung, z. B. Film-Film, graugraue Hemden.
Gelegentlich wird dabei der anlautende Konsonant variiert, häufiger aber der Stammvokal des Ausgangswortes.
- Beispiel
- Konsonantenvariation/Reimdoppelung: Schickimicki, larifari;
- häufiger ist Vokalvariation/Ablautdoppelung: Mischmasch, Wirrwarr, Schnickschnack.
Diese Beispiele werden oft nicht als Komposita, sondern als Fälle von Reduplikation analysiert. Dazu gehören auch Onomatopoetika wie Kuckuck, Tamtam, Wauwau, da sie nicht aus Wörtern gebildet, sondern lautmalerisch urgeschöpft werden.[32]
Phrasenkomposita
In Phrasenkomposita besteht das Erstglied nicht aus einem Wortstamm, sondern aus einem ganzen selbständigen Ausdruck. Meistens handelt es sich dabei um einen mehr oder weniger geläufigen Ausdruck:
seine Alles-oder-nichts-Haltung, die Wer-war-das-Frage,
Wiese analysiert solche Komposita als die Verwendung von Zitaten innerhalb der Komposita.[33] Das Argument dafür ist, dass auch Elemente aus ganz anderen Zeichensystemen, z. B. aus fremden Sprachen, in Phrasenkomposita vorkommen können:
diese Rien-ne-va-plus-Behauptung, das @-Zeichen, de No-future-Jugendlichen.
Schreibung
Deutsche Rechtschreibung
In der deutschen Orthografie werden Komposita heute meist zusammengeschrieben.[34] Eine Alternative ist die Trennung der einzelnen Kompositumsbestandteile voneinander mit Bindestrich. Ein Leerzeichen in einem Kompositum ist in jedem Fall unzulässig. So kann das schwer lesbare Wort Reihensechszylinderwirbelkammervierventilturbodieselmotor auch Reihen-Sechszylinder-Wirbelkammer-Vierventil-Turbo-Dieselmotor geschrieben werden, niemals aber mit Leerzeichen.
Englische Rechtschreibung
Im Englischen werden Komposita für gewöhnlich mit Leerzeichen geschrieben, aber deren Bestimmungswörter werden mit Bindestrich kombiniert, wenn sonst das Verständnis beeinträchtigt wäre. Dies betrifft besonders Kombinationen von Zahlen und Substantiven, aber auch Kombinationen aus anderen Wortteilen.
Traditionell wurden auch viele zweiteilige Komposita mit Bindestrich geschrieben, aber heutzutage werden sie zunehmend entweder getrennt oder zusammengeschrieben, besonders im amerikanischen Englisch. Traditionell wurden neue Begriffe wie homepage erst lange home page geschrieben, erst viel später home-page und nur selten und nach langer Etablierung als homepage.
Der Reihen-Sechszylinder-Wirbelkammer-Vierventil-Turbo-Dieselmotor wäre auf Englisch also theoretisch ein inline six-cylinder swirl chamber four-valve turbodiesel engine. Im Englischen sind jedoch Komposita mit mehr als vier Teilen verpönt; selbst vierteilige werden wenn möglich mit of oder anderen Präpositionen umformuliert, z. B. four-valve turbodiesel engine with (an) inline six-cylinder swirl chamber.
Quantitative Aspekte
Verschiedene quantitative Überlegungen lassen sich zu Komposita anstellen.[35] Eine geht der Frage nach, aus wie vielen Lexemen Komposita zusammengesetzt sind und wie häufig die verschieden langen Komposita vorkommen.[36] Eine weitere gilt der Frage, aus Wörtern welcher Wortart die Komposita zusammengesetzt sind. Dazu hat Gnatchuk Untersuchungen an Komposita in englischen Prosa-Texten[37] sowie in englischen wissenschaftlichen Texten durchgeführt.[38] Weitere Untersuchungen galten den Komposita in einem deutschsprachigen Fachbuch über Wirtschaftsinformatik[39] und denen in Büchern zur Komputerwissenschaft im Ukrainischen.[40] Die Mittel, mit denen die Übergangsstelle zwischen Kompositionsgliedern gestaltet wird, sind ein zusätzliches Thema Gnatciucs & Gnatchuks am Beispiel eines Buches über Wirtschaftsinformatik.[41] Noch ein anderer Aspekt besteht darin, dass kürzere Wörter mehr an der Bildung von Komposita beteiligt sind als längere.[42] In all diesen Fällen konnte gezeigt werden, dass die beobachteten Verhältnisse mathematischen Modellen genügen.
Siehe auch
Literatur
- Hadumod Bußmann (Hrsg.) unter Mitarbeit von Hartmut Lauffer: Lexikon der Sprachwissenschaft. 4., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-45204-7.
- Johannes Erben: Einführung in die deutsche Wortbildungslehre. 3., neu bearbeitete Auflage, Schmidt, Berlin 1993, ISBN 3-503-03038-7.
- Elke Donalies: Die Wortbildung des Deutschen: Ein Überblick. 2., überarbeitete Auflage. Narr-Verlag, Tübingen 2005, ISBN 978-3-8233-6131-2.
- Hilke Elsen: Grundzüge der Morphologie des Deutschen, 2. Auflage. De Gruyter Studium. De Gruyter, Berlin/Boston 2014, ISBN 978-3-11-035893-3.
- Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4., vollständig neu bearbeitete Auflage. de Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-025663-5.
- Rochelle Lieber, Pavol Štekauer: The Oxford Handbook of Compounding. OUP, New York 2009, ISBN 978-0199695720.
- Sascha Michel: Morphologie. Narr, Tübingen 2020. ISBN 978-3-8233-8145-7
- Bernd Naumann: Einführung in die Wortbildungslehre des Deutschen. 3., neu bearbeitete Auflage. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000, ISBN 978-3-484-25004-8.
- Damaris Nübling, Antje Dammel, Janet Duke, Renata Szczepaniak: Historische Sprachwissenschaft des Deutschen. 5. Auflage. (= narr Studienbücher). Narr Francke Attempto, Tübingen 2017. ISBN 3-82-338073-7.
- Susan Olsen: Wortbildung im Deutschen. Eine Einführung in die Theorie der Wortstruktur. Kröner, Stuttgart 1986, ISBN 3-520-66001-6.
- Susan Olsen: „Argument-Linking“ und unproduktive Reihen bei deutschen Adjektivkomposita; in der Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Band 5, S. 5–24, 1986b., ISSN (online) 1613-3706, ISSN (gedruckt) 0721-9067.
- Lorelies Ortner, Elgin Müller-Bollhagen u. a.: Substantivkomposita. (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 1). de Gruyter, Berlin 1991, ISBN 3-11-012444-0.
- Maria Pümpel-Mader, Elsbeth Gassner-Koch, Hans Wellmann unter Mitarbeit von Lorelies Ortner: Adjektivkomposita und Partizipialbildungen. (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 2). de Gruyter, Berlin 1992, ISBN 3-11-012445-9.
- Elisabeth O. Selkirk: The syntax of words. 2. Auflage, MIT Press, Cambridge, Mass. 1982, ISBN 0-262-19210-1/ISBN 0-262-69079-9.
- Ludwig Tobler: Über die psychologische Bedeutung der Wortzusammensetzung mit Bezug auf nationale Charakteristik der Sprachen. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Band 5, 1868, S. 205–232.
Weblinks
- Wortbildung I: Komposition, TU Berlin > Fakultät I > Institut für Sprache und Kommunikation
- Komposita – zusammengesetzte Wörter – aus Verben und Substantiven, die neue Adjektive ergeben (Memento vom 15. März 2008 im Internet Archive)
Einzelnachweise
(Kurzzitate beziehen sich auf die Titel in der obigen Literaturliste)
- So z. B. Duden, Rechtschreibung und Grammatik – leicht gemacht. 2007, S. 126.
- So auch Duden, Die Grammatik. 7. Auflage. 2005, Rn. 1002.
- Zu Konfixkomposita insgesamt Fleischer & Barz 2012, S. 111ff. und S. 172ff.
- Siehe z. B.: Martin Haspelmath: Understanding Morphology. First Edition. Arnold, London 2002. – S. 86f.
- Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Komposition).
- Nübling & al. (2017): Historische Sprachwissenschaft des Deutschen, S. 93.
- Fleischer & Barz (2012), S. 231 (siehe Literaturliste).
- Kristel van Goethem: Affixation in Morphology. In: Oxford Research Encyclopedia of Linguistics. 2020, S. 25, doi:10.1093/acrefore/9780199384655.013.678.
- Malte Battlefeld: Konstruktionsmorphologie sprachübergreifend. Perspektiven eines Vergleichs von „Affixoiden“ im Deutschen, Niederländischen und Schwedischen. In: Germanistische Mitteilungen. Band 40, Nr. 1, 2014, S. 15–29.
- Hilke Elsen: Affixoide. Nur was benannt wird, kann auch verstanden werden. In: Deutsche Sprache. Band 37, Nr. 4, 2009, S. 316–333.
- Torsten Leuschner: Ausnahmepianist fettgeschreckt – inbleich! Deutsche, niederländische und schwedische Präfixoide im Spannungsfeld von Genealogie, Kreativität und Norm. In: Antje Dammel et al. (Hrsg.): Kontrastive Germanistische Linguistik. Olms, Hildesheim 2010, ISBN 978-3-487-14420-7, S. 863–892.
- Torsten Leuschner, Eline Wante: Personale Suffixoide im Deutschen und Niederländischen. Methode und Ergebnisse einer vergleichenden Korpusstudie. In: Germanistische Mitteilungen. Band 70, 2009, S. 59–73.
- Petra Szatmári: Affixoide – pro und kontra. In: Jahrbuch der ungarischen Germanistik. Band 2011, 2011, S. 156–175.
- Josef Ruppenhofer, Michael Wiegand, Rebecca Wilm, Katja Markert: Distinguishing affixoid formation from compounds. In: Proceedings of the 27th International Conference on Computational Linguistics. 2018, S. 3853–3865.
- Geert Booij: Construction Morphology. In: Andrew Hippisley, Gregory Stump (Hrsg.): The Cambridge Handbook of Morphology. CUP, Cambridge 2016, ISBN 978-1-107-03827-1, S. 424–448.
- Matthias Hüning, Geert Booij: From compounding to derivation. In: Folia Linguistica. Band 48, Nr. 2, 2014, S. 579–604.
- Jonathan David Bobaljik, Mark C. Baker: 3. COMPOUNDING. Rutgers and McGill, 2002, abgerufen am 1. März 2022.
- Kürschner: Grammatisches Kompendium, 4. Auflage, 2003, ISBN 3-8252-1526-1, S. 70.
- Altmann, Kemmerling, 2005.
- Donalies, Elke: Die Wortbildung des Deutschen. Abgerufen am 7. September 2020.
- Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Kompositum).
- Einzelheiten bei Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Komposition).
- Langemann, Felgentreu (Hrsg.): Duden, Basiswissen Schule: Deutsch. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-411-71592-8, S. 111.
- So Reimann Kessel: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, S. 102.
- Beispiele überwiegend nach Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, S. 102.
- Franz Simmler: Flexions- und Wortbildungsmorphologie. Weidler, Berlin 1998, ISBN 3-89693-304-3.
- Walter Henzen: Deutsche Wortbildung. Niemeyer, Tübingen 1957.
- Hilke Elsen: Komplexe Komposita und Verwandtes. In: Germanistische Mitteilungen. Band 69, 2009, S. 57–71.
- Andrzej Zdzisław Bzdęga: Reduplizierte Wortbildung im Deutschen. Praca wydana z zasiłku polskiej akademii nauk, Poznań 1965.
- Hartmut Günther: N + N: Untersuchungen zur Produktivität eines deutschen Wortbildungstyps. In: Leonard Lipka, Hartmut Günther (Herausgeber): Wortbildung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, ISBN 3-534-08128-5, Seite 258–280, Selbstkomposita: Seite 270ff.
- Hilke Elsen: Grundzüge der Morphologie des Deutschen. de Gruyter, Berlin/Boston 2011, ISBN 978-3-11-023791-7, Seite 67.
- Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache. 4. aktualisierte und überarbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2010, ISBN 978-3-476-02335-3, Artikel Reduplikationsbildung
- Richard Wiese: Phrasal compounds and the theory of word syntax. In: Linguistic Inquiry. Band 27, Nr. 1, 1996, S. 183–193.
- Deutsch als Fremdsprache.
- Gabriel Altmann: Hypotheses about compounds. In: Rolf Hammerl (Hrsg.): Glottometrika 10, 1989, S. 100–107. Bochum: Brockmeyer. ISBN 3-88339-700-8.
- Karl-Heinz Best: Längen von Komposita im Deutschen, in: Glottometrics 23, 2012, S. 1-6 (PDF Volltext).
- Hanna Gnatchuk: A quantitative investigation of English compounds in prose texts, in: Glottometrics 32, 2015, S. 1–8 (PDF Volltext)
- Hanna Gnatchuk: A Quantitative Analysis of English Compounds in Scientific Texts, in: Glottometrics 33, 2016, S. 1–7 (PDF Volltext).
- Ekaterina Shmidt, Hanna Gnatchuk: German Compounds in the Texts of Technical Science, in: Glottometrics 35, 2016, S. 1–5 (PDF Volltext).
- Denys Ishutin, Hanna Gnatchuk: Ukrainian compounds in the texts of computer science, in: Glottometrics 39, p. 88-92 (PDF Volltext)
- Anastasia Gnatciuc, Hanna Gnatchuk: Linking Elements of German Compounds in the Texts of Technical Science, in: Glottometrics 40, 2018, S. 46–50 (PDF Volltext).
- Christopher Michels: The relationship between word length and compounding activity in English, in: Glottometrics 32, 205, S. 88–98 (PDF Volltext).