Eva-Maria Hagen
Eva-Maria Hagen (* 19. Oktober 1934 in Költschen, Kreis Oststernberg, als Eva-Maria Buchholz) ist eine deutsche Schauspielerin, Synchronsprecherin, Sängerin, Malerin und Autorin.
Leben
Frühe Jahre
Die Tochter ostbrandenburgischer Landarbeiter wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihrer Familie nach Perleberg in der Prignitz im nordwestlichen Brandenburg vertrieben. Nach einer Lehre zur Maschinenschlosserin im Bahnbetriebswerk Wittenberge begann sie 1952 ein Schauspielstudium in Ost-Berlin, wo sie 1953 unter der Leitung von Bertolt Brecht im Berliner Ensemble im Stück Katzgraben von Erwin Strittmatter spielte.
Theater und Film in der DDR
1958 erhielt Hagen ein Engagement am Maxim-Gorki-Theater in Berlin. Von Natur aus dunkelhaarig, musste sie meist in die Rollen von busenbetonten Blondinen schlüpfen, weshalb sie bald als „Brigitte Bardot der DDR“ galt. Sie war unter anderem beim Filmfestival in Karlovy Vary als Stargast anwesend. 1961 war sie das erste Mitglied bei Gründung des Schauspiel-Ensembles des Fernsehfunks Berlin-Adlershof.
1956 setzte Eva-Maria Hagen ihr Schauspielstudium an der Fritz-Kirchhoff-Akademie in West-Berlin fort. 1957 begann ihre Karriere als Schauspielerin in der DEFA-Filmkomödie Vergeßt mir meine Traudel nicht unter Kurt Maetzig. Von 1957 bis 1965 wirkte sie in etwa 50 Film- und Fernsehproduktionen mit, u. a. 1961 neben Wolf Kaiser im DDR-Kellerfilm Das Kleid – basierend auf Des Kaisers neue Kleider – in der Rolle der jungen schönen Katrin.
1965 begegnete sie dem Liedermacher Wolf Biermann, der ein halbes Jahr später durch das 11. Plenum der SED ein Auftritts- und Publikationsverbot erhielt. Hagen fand Zugang zu Biermanns kritischem Geist und seinem Liedgut. Während Biermanns Auftrittsverbot bestritt sie dessen Krankenversicherungsbeiträge und geriet zunehmend in die Schusslinie der DDR-Führung. Gegen sie wurde ein Prozess wegen „Staatsverleumdung“ geführt und ihre Engagements fanden vornehmlich in Provinztheatern statt.
Ende 1976 wurde sie aufgrund ihres Protestes gegen die kurz zuvor erfolgte Ausbürgerung Biermanns fristlos entlassen. Ihr erging es dabei ähnlich wie zahlreichen anderen Künstlern der DDR. 1977 wurde ihr die Staatsbürgerschaft der DDR entzogen und sie siedelte zusammen mit ihrer Tochter Nina Hagen in die Bundesrepublik Deutschland über.
Weitere Karriere nach Ausbürgerung
Ihre künstlerische Karriere und ihre Bekanntheit wurden durch die Ausbürgerung zwar zurückgesetzt, aber sie blieb dennoch ihrem Fach treu. Es schlossen sich außerdem bald wieder Engagements in kleinen Theatern und Fernsehrollen an. Sie wirkte auch bei Musikauftritten an der Seite von Wolf Biermann mit, u. a. im November 1989 kurz nach dem Mauerfall in einer Halle der Leipziger Messe, und schuf außerdem eigene Musikaufnahmen.
1997 erhielt sie aufgrund ihrer musikalischen Brecht-Hommage von den Goethe-Instituten in Irland, Schottland, England, Schweden und der Ukraine Einladungen für Konzerte. 1998 ging sie in 50 deutschen Städten auf Lesung mit ihrem Buch Eva und der Wolf. Im Januar 1999 erhielt sie die Carl-Zuckmayer-Medaille in Mainz für Verdienste um die deutsche Sprache.
Im Fernsehen übernahm Hagen Gastrollen in Krimiserien wie Stubbe – Von Fall zu Fall, Pfarrer Braun, Der Dicke und Großstadtrevier. Von 2005 bis 2006 spielte sie neben Jonas Nay als Hedda Sörensen in der NDR-Mystery-Fernsehserie 4 gegen Z eine Hauptrolle. In Hans-Christoph Blumenbergs dreiteiligem Dokudrama Die Kinder der Flucht übernahm sie die Rolle der gealterten Elvira Profé, die auf ihre einstige große Liebe, den Polen Fortek Mackiewicz (Adrian Topol), den sie jahrzehntelang infolge der Nachkriegswirren nicht gesehen hat, im Sommer 1955 sehnsüchtig mit ihrer Freundin Ursula am Bahnhof Kwidzyn wartet. 2009 verkörperte sie in der Hauptrolle die pensionierte Lehrerin Lena Braake in Leander Haußmanns Filmkomödie Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alt aus!. 2012 war sie als Großmutter in dem deutsch-australischen Spielfilm Lore zu sehen. 2013 spielte sie an der Seite von Gesine Cukrowski und Franz Dinda als Annie Bauer eine Hauptrolle in dem Fernsehfilm Fliegen lernen von Christoph Schrewe. 2014 war sie für den deutsch-australischen Animationsfilm Die Biene Maja – Der Kinofilm als Synchronsprecherin tätig, in dem sie der Bienenkönigin ihre Stimme lieh. An der Produktion waren auch ihre Tochter und ihre Enkeltochter beteiligt.
Privates
1954 heiratete Eva-Maria Hagen den Drehbuchautor Hans Oliva-Hagen. Aus der fünfjährigen Ehe ging die 1955 geborene Tochter Catharina hervor, die später unter dem Namen Nina Hagen als Sängerin, Schauspielerin und Synchronsprecherin bekannt wurde. Von 1965 bis 1972 war sie mit Liedermacher Wolf Biermann liiert. Ihre 1998 erschienene Autobiografie Eva und der Wolf wird als sehr offenes Bekenntnis zu ihrer Beziehung bezeichnet und beinhaltet ihren regen Briefverkehr mit Wolf Biermann, der ein Vorwort beitrug. In den Jahren 2000 und 2005 erschienen mit Evas schöne neue Welt und Eva jenseits vom Paradies weitere Biografien Hagens. Gemeinschaftlich mit Peter Hacks erschien 2013 im Eulenspiegel-Verlag das Werk Liaison amoureuse. Ihre Enkelin Cosma Shiva Hagen (* 1981) ist ebenfalls als Schauspielerin und Synchronsprecherin tätig. Hagen lebte zeitweise mit dem Regisseur Matti Geschonneck, später mit dem Pianisten Siegfried Gerlich zusammen, ist heute alleinstehend und lebt abwechselnd in Hamburg, Berlin und der Uckermark.
Filmografie
Kino
- 1957: Vergeßt mir meine Traudel nicht
- 1957: Spur in die Nacht
- 1958: Nur eine Frau
- 1959: Ware für Katalonien
- 1959: Weißes Blut
- 1960: Liebe auf den letzten Blick
- 1960: Der schweigende Stern
- 1961: Das Kleid
- 1961: Italienisches Capriccio
- 1962: Die letzte Chance
- 1963: For Eyes Only
- 1965: Ohne Paß in fremden Betten
- 1966: Reise ins Ehebett
- 1967: Meine Freundin Sybille
- 1967: Brot und Rosen
- 1967: Die Fahne von Kriwoj Rog
- 1968: Tod im Preis inbegriffen
- 1968: Heroin
- 1971: Tod eines Millionärs
- 1973: Die Legende von Paul und Paula
- 1973: Die Hosen des Ritters von Bredow
- 1974: Zum Beispiel Josef
- 1974: Johannes Kepler
- 1976: Liebesfallen
- 1976: Nelken in Aspik
- 1980: Gibbi Westgermany
- 1982: Marmor Stein und Eisen bricht
- 1982: Heimkehr nach Deutschland
- 1983: Trauma
- 1983: Christinas Mutter
- 1987: Warten auf Marie
- 1988: Felix
- 1990: Herzlich willkommen
- 1992: Herzsprung
- 1993: Novalis – Die blaue Blume
- 1999: Ein Mann für gewisse Sekunden
- 2000: Für die Liebe ist es nie zu spät
- 2002: Gefährliche Nähe und du ahnst nichts
- 2005: Nimm Dir Dein Leben
- 2006: Schröders wunderbare Welt
- 2009: Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alt aus!
- 2012: Lore
Fernsehen
- 1960: Immer am Weg dein Gesicht (Fernsehfilm)
- 1961: Gewissen in Aufruhr (Fernsehfilm)
- 1962: Das grüne Ungeheuer (Fernsehmehrteiler)
- 1962: Fanny (Fernsehfilm)
- 1964: Wolf unter Wölfen (Fernsehvierteiler)
- 1965: Schlafwagen Paris-München (Fernsehfilm)
- 1968: Stunde des Skorpions (Fernsehdreiteiler)
- 1972: Polizeiruf 110: Die Maske (Fernsehreihe)
- 1972: Polizeiruf 110: Minuten zu spät (Fernsehreihe)
- 1973: Polizeiruf 110: Siegquote 180 (Fernsehreihe)
- 1975: Heiraten/weiblich (Fernsehfilm)
- 1999: Stubbe – Von Fall zu Fall: Die Seherin (Fernsehreihe)
- 2000: Jugendsünde (Fernsehfilm)
- 2000: Für die Liebe ist es nie zu spät (Fernsehfilm)
- 2003: Pfarrer Braun: Der siebte Tempel (Fernsehreihe)
- 2004: Das blaue Wunder (Fernsehfilm)
- 2004: Das Bernstein-Amulett (Fernsehfilm)
- 2005–2006: 4 gegen Z (Fernsehserie, 26 Folgen)
- 2006: Die Frau des Heimkehrers (Fernsehfilm)
- 2006: Die Kinder der Flucht (Fernsehdreiteiler, 3. Film Eine Liebe an der Oder)
- 2007: Der Dicke (Fernsehserie, Staffel 2, Folge 9 Schlafende Hunde)
- 2008: Das Glück am Horizont (Fernsehfilm)
- 2012: SOKO Wismar (Fernsehserie, Folge Die Fremde)
- 2013: Fliegen lernen (Fernsehfilm)
- 2013: Großstadtrevier (Fernsehserie, Folge Beatlemania)
Theatrografie
- 1969: Can-Can (Theater) in Annaberg, zusammen mit Tochter Nina
- 19??: Professor Unrat, Original: Der blaue Engel (Theater)
- 1959: Maxim Gorki: Feinde (Nadja) – Regie: Hans Dieter Mäde (Maxim-Gorki-Theater Berlin)
- 1959: Walentin Katajew: Zeit voraus – Regie: Horst Schönemann (Maxim-Gorki-Theater Berlin)
- 1961: Ewan MacColl: Rummelplatz (Sandra) – Regie: Hans Dieter Mäde (Maxim-Gorki-Theater Berlin)
- 1966: My Fair Lady (Musical, Dessau)
- 1977: Die Kameliendame (Theater Düsseldorf)
- 1977: Woyzeck (Theater-Tournee)
- 1977: Die Ehe des Herrn Mississippi (Theater-Tournee)
- 1994: Medea (Theater)
- 2006: Cabaret – Das Musical (Bar jeder Vernunft, Berlin)
Diskografie (Auswahl)
- Gesang zum Defa-Film Jahrgang 45 (1966) – wurde nach Begutachtung des Rohschnitts verboten, 1990 neu montiert, 2005 durch die ARD ausgestrahlt
- LP Nicht Liebe ohne Liebe (1979) – Russische Romanzen, Balladen, Zigeunerlieder – ins Deutsche gebracht von Wolf Biermann
- LP Ich leb' mein Leben (1981) – Lieder von Wolf Biermann – begleitet von der italienischen Gruppe Ensemble Havadia di Milano
- CD Das mit den Männern und den Frau'n (1995) – arrangiert und begleitet von Siegfried Gerlich
- Michael, Michael (1985)
- CD Wenn ich erstmal losleg… (1996) – Lieder von Wolf Biermann nach baltischen Motiven
- CD Joe, mach die Musik von damals nach (1997) – eine Hommage zum 100. Geburtstag von Bertolt Brecht
- CD Eva-Maria Hagen singt Wolfslieder (1999)
- CD Eine Reise durchs Abenteuerland (2008) – 13 Hörgeschichten + Song
sowie diverse Konzert-Touren mit Chansons. Insbesondere ab 1977 Erfolge als Liedersängerin im In- und Ausland (Schweiz, Österreich, Niederlande, Schweden, Frankreich, Italien …).
- CD Eva und der Wolf (2001) Econ Verlag, Hörbuch
- CD Eine Reise durchs Abenteuerland (2008) Formart.Media, Hörgeschichten
Hörspiele
- 1974: Wolf D. Brennecke: Abriss eines Hauses (Lore Messinger) – Regie: Fritz-Ernst Fechner (Hörspiel – Rundfunk der DDR)
Malerei
- Traumbilder in Öl (1999) Templin/Uckermark, danach als Teil einer internationalen Erotikausstellung in Schloss Auerstedt und Bad Windsheim zu sehen.
Schriften
- Eva-Maria Hagen: Eva und der Wolf. Econ Verlag, München 1998, ISBN 3-430-13757-8.
- Eva-Maria Hagen: Evas schöne neue Welt. Econ Verlag, München 2000, ISBN 3-430-13756-X.
- Eva-Maria Hagen: Eva jenseits vom Paradies. List Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-548-60639-3.
- Eva-Maria Hagen und Peter Hacks: Liaison amoureuse. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-359-02403-3.
Auszeichnung
- 1999: Carl-Zuckmayer-Medaille für Verdienste um die deutsche Sprache
Literatur
- Thomas Daum: Eva-Maria Hagen. Eine Würdigung. Geißler-Verlag, Edenkoben 2000, ISBN 3-933086-76-0.
- Kurzbiografie zu: Hagen, Eva-Maria. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Weblinks
- Literatur von und über Eva-Maria Hagen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eva-Maria Hagen in der Internet Movie Database (englisch)
- Eva-Maria Hagen in der Deutschen Synchronkartei
- Eva-Maria Hagen bei crew united
- Website von Eva-Maria Hagen
- Sonnenblume und Distelstrunk. Rezension zu Eva und der Wolf aus der taz vom 15. Mai 1998