Dietmar Bartsch
Dietmar Gerhard Bartsch (* 31. März 1958 in Stralsund, DDR) ist ein deutscher Politiker (Die Linke). Er ist Mitglied des Deutschen Bundestages und seit dem 13. Oktober 2015 Co-Vorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, zunächst zusammen mit Sahra Wagenknecht, seit dem 12. November 2019 gemeinsam mit Amira Mohamed Ali. Als solcher war er von 2015 bis 2017 Oppositionsführer. Er war zuvor Bundesschatzmeister der PDS, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei sowie Zweiter Stellvertretender Fraktionschef. Er wird zum moderaten, reformorientierten Parteiflügel gezählt. Zur Bundestagswahl 2021 trat er wie 2017 als Co-Spitzenkandidat der Linken an.
Leben und Beruf
Nach dem Abitur mit Auszeichnung[1] 1976 an der EOS Franzburg leistete Bartsch zunächst von 1976 bis 1978 seinen Grundwehrdienst im damaligen Fallschirmjägerbataillon 40[2] in der Nationalen Volksarmee ab.
Ab 1978 absolvierte er an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst ein Studium der Wirtschaftswissenschaften, welches er 1983 als Diplom-Wirtschaftswissenschaftler beendete. Danach war er im kaufmännischen Bereich des Zentralorgans der FDJ junge Welt tätig.
Von 1986 bis 1990 war er als Aspirant an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der KPdSU in Moskau. 1990 erfolgte dort seine Promotion zum Dr. rer. oec. mit der Arbeit Verteilungsverhältnisse unter den Bedingungen einer Intensivierung der sozialistischen Wirtschaft («Распределительные отношения в условиях интенсификации социалистической экономики»).[3][4] Im März 1990 kehrte Bartsch als Geschäftsführer zur jungen Welt zurück. Nach dem gescheiterten Wiedereinzug in den Bundestag 2002 arbeitete Bartsch zunächst als Unternehmensberater.[5] Von Mai 2004 bis Dezember 2005 war Bartsch Geschäftsführer der Tageszeitung Neues Deutschland.
Dietmar Bartsch lebt getrennt von seiner Ehefrau[6] und hat zwei Kinder.[3]
Politischer Werdegang
1977 wurde Bartsch Mitglied der SED.[3] 1989 gehörte er zu den Mitbegründern der Arbeitsgemeinschaft Junge GenossInnen (AGJG) auf dem außerordentlichen Parteitag der SED-PDS. Von 1991 bis 1997 war Bartsch Bundesschatzmeister der PDS und wurde anschließend zum Bundesgeschäftsführer gewählt. Für die Bundestagswahl 2002 war er Wahlkampfleiter der PDS und zusammen mit Gabi Zimmer, Petra Pau und Roland Claus einer der vier Spitzenkandidaten auf Bundesebene. Als die PDS dann an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und nur mit zwei direkt gewählten Abgeordneten in den Bundestag einzog, forderten seine innerparteilichen Gegner seinen Rücktritt als Bundesgeschäftsführer. Er zog auf dem Geraer Parteitag im Oktober 2002 seine erneute Kandidatur für dieses Amt zurück, nachdem Gabi Zimmer zuvor als Parteivorsitzende bestätigt wurde. Sein Nachfolger wurde Uwe Hiksch.
Für Aufsehen sorgte direkt im Anschluss die so genannte „Wachbuchaffäre“. Der stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende Diether Dehm soll damals laut dem Chef eines Sicherheitsunternehmens und einem Eintrag in das Wachbuch eine Anweisung erteilt haben, wonach darauf zu achten sei, dass Bartsch, vorheriger Bundesgeschäftsführer der PDS, keinerlei Unterlagen aus dem Haus schaffe. Dehm bestritt, eine derartige Anweisung erteilt zu haben.[7] Die Affäre trug zum vorzeitigen Rücktritt von Gabi Zimmer im Sommer 2003 bei. Im Oktober 2005 wurde Bartsch vom Parteivorsitzenden Lothar Bisky erneut als Bundesgeschäftsführer der PDS vorgeschlagen und im Dezember 2005 vom Bundesparteitag wieder in dieses Amt gewählt. Seit Juni 2007 war er auch Bundesgeschäftsführer der neuen, aus der Fusion von PDS und WASG hervorgegangenen Partei Die Linke.
Anfang Januar 2010 wurde Dietmar Bartsch von Gregor Gysi unter anderem vorgeworfen, durch gezielte Äußerungen gegenüber dem Spiegel dem Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine geschadet zu haben. Bartsch bestritt dies; er habe sich weder illoyal verhalten noch sich selbst als Nachfolger ins Gespräch gebracht.[8] Bartsch kündigte nach folgenden Richtungskämpfen an, vorerst weiterhin Bundesgeschäftsführer zu bleiben, aber auf dem kommenden Parteitag im Mai 2010 nicht wieder als Bundesgeschäftsführer zu kandidieren.[9] Zu seinen Nachfolgern wurden daraufhin Caren Lay und Werner Dreibus gewählt.[10]
Seit dem 21. Januar 2010 war Bartsch stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Im August 2011 distanzierte er sich von einem Glückwunschschreiben, das Die Linke – unterschrieben von den beiden Parteivorsitzenden Lötzsch und Ernst – dem ehemaligen kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro zu seinem Geburtstag geschickt hatte. Nachdem einige Mitglieder der Linken eine Schweigeminute für die Mauertoten boykottiert hatten, legte Bartsch Befürwortern des Mauerbaus den Austritt aus der Partei nahe.[11]
Bartsch erklärte Ende 2011 seine Absicht, als Parteivorsitzender zu kandidieren. Nachdem Oskar Lafontaine ebenfalls eine Kandidatur in Erwägung gezogen hatte, Bartsch aber seine Absicht nicht änderte, ließ Lafontaine von seiner Absicht ab.[12] Auf dem Parteitag der Linken im Juni 2012 verlor Bartsch schließlich in einer Kampfkandidatur gegen den baden-württembergischen Gewerkschafter Bernd Riexinger, der Lafontaine nahesteht und im Gegensatz zu Bartsch erst zwei Tage zuvor seine Kandidatur bekanntgegeben hatte. Bartsch erhielt 251, Riexinger 297 Stimmen.[13]
Bartsch gehört zum Parteiflügel der sogenannten Reformer und trat im Laufe des Bundestreffens im Juni 2014 dem Forum Demokratischer Sozialismus bei.[14] Nachdem der bisherige Fraktionsvorsitzende, Gregor Gysi, am 7. Juni 2015 auf dem Bundesparteitag der Linken in Bielefeld seinen Rückzug von diesem Amt zum Herbst des Jahres angekündigt hatte, erklärte Bartsch sich wenige Tage später bereit, gemeinsam mit Sahra Wagenknecht in einer Doppelspitze Gysis Nachfolge anzutreten.[15]
Abgeordneter
Bartsch war von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist stets über die Landesliste Mecklenburg-Vorpommern in den Bundestag eingezogen.
Im Deutschen Bundestag ist Bartsch ordentliches Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss und gehört als stellvertretendes Mitglied dem Haushaltsausschuss an.[16]
Im Januar 2012 wurde bekannt, dass Dietmar Bartsch als einer von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken unter Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz steht[17], was von Politikern aller Fraktionen kritisiert wurde.[18] Seit 2014 werden Bundestagsabgeordnete der Linken nicht mehr beobachtet.
Politische Positionen
Zur Einordnung der Deutschen Demokratischen Republik als Unrechtsstaat erklärte Bartsch Folgendes: „Dass es in der DDR schlimmes Unrecht und Opfer dessen gegeben hat, ist unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass es in der DDR auch rechtsstaatliche Bereiche gegeben hat. Deswegen wende ich den Begriff Unrechtsstaat auf die DDR nicht an. Er ist kein Argument, sondern eine Keule.“[19]
Er lehnt eine CO2-Steuer ab und will die Klimaziele stattdessen mit „ordnungspolitischen Maßnahmen und massiven Investitionen in klimaschonende Innovationen“ erreichen. Ferner fordert Bartsch eine Deglobalisierung, um weniger Emissionen durch Transport zu erzeugen und bei Medizinprodukten die Abhängigkeit vom Ausland zu reduzieren.[20]
Im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 forderte Bartsch eine friedliche Außenpolitik sowie die Beendigung von Waffenexporten und „militärische[n] Abenteuer[n]“.[21] Im Jahr 2021 zeigte er sich gegenüber friedenssichernden Maßnahmen der Bundeswehr offen, lehnte Kampfeinsätze aber weiterhin ab.[22]
„Lafodödel“-Affäre
Im September 2015 berichtete Die Welt über ihr zugespielte Dokumente, die Bartsch anlegen ließ und in denen er Mitglieder des eigenen, 44 Personen starken Parteivorstandes nach politischer Ausrichtung bzw. Gefolgschaft kategorisieren ließ. Dabei wurden den Personen drei verschiedene Buchstaben zugeordnet: Z für „zuverlässig“, U für „unabhängig“ und L für „Lafodödel“, wobei Z für Loyalität zu Bartsch selbst oder eine akzeptierte politische Linie steht, und „Lafodödel“ eine abwertende Bezeichnung für die Anhänger seines innerparteilichen Gegners Oskar Lafontaine darstellt. Die Anlage der Dateien durch einen Gefolgsmann soll Bartsch bereits drei Jahre zuvor initiiert haben. In der zugrundeliegenden Korrespondenz wurde außerdem Parteichef Bernd Riexinger mit dem Spottnamen „Ratzinger“ belegt. Der Bericht sorgte nach Erscheinen für deutliche Irritationen und Kritik, nachdem Die Welt verschiedene Linken-Politiker auch direkt mit den Dokumenten konfrontiert hatte. Gregor Gysi soll die Dossiers direkt von Bartsch erhalten und ablehnend reagiert haben.[23]
Kurze Zeit nach dem Welt-Bericht veröffentlichte der Tagesspiegel eine kontroverse Darstellung. Demnach heißt es aus Parteikreisen, es habe keine „Ausforschungen“ gegeben. Stattdessen soll Gregor Gysi als Fraktionsvorsitzender nach dem Parteitag im Sommer 2012 selbst seinen Stellvertreter Dietmar Bartsch gebeten haben, eine entsprechende Aufstellung über den neu gewählten Parteivorstand anzufertigen. Der Darstellung zufolge könnte L auch ein Kürzel für „Links“ gewesen sein.[24] Bartsch selbst gab an, er habe das Wort „Lafodödel“ nur in einer einzigen Mail gebraucht.[25]
Weblinks
Einzelnachweise
- Biografie beim Deutschen Bundestag (Memento vom 3. Januar 2010 im Internet Archive)
- „Haben Sie gedient?“ In: focus.de, 20. September 2010, abgerufen am 26. Mai 2013.
- „Über mich“. In: Website von Dietmar Bartsch.
- Eintrag im Katalog der Russischen Staatsbibliothek.
- Tilo Jung: Dietmar Bartsch, Spitzenkandidat der Linken – Folge 328. Interview. jungundnaiv.de, 19. September 2017, abgerufen am 23. September 2017.
- ideaSpektrum: Marx ist wieder populär. ideaSpektrum, 30. Juli 2017, abgerufen am 28. August 2017.
- Manfred Behrend über die Geschehnisse und den Geraer Parteitag
- „Gysi geht auf Distanz zu Bartsch“. In: Neues Deutschland, 12. Januar 2010.
- Erklärung von Dietmar Bartsch am 15. Januar 2010.
- „Parteitag. Ernst und Lötzsch führen Linke an“. In: Spiegel Online, 15. Mai 2010, abgerufen am 15. Mai 2010.
- „Bartsch empfiehlt Mauer-Befürwortern Parteiaustritt“. In: Spiegel Online, 20. August 2011, abgerufen am 12. September 2017.
- „Bartsch hält an seiner Kandidatur für Parteivorsitz fest“. In: FAZ.net, abgerufen am 3. Juni 2012.
- „Parteitag in Göttingen. Linke wählt Kipping und Riexinger an die Spitze“. In: sueddeutsche.de, abgerufen am 3. Juni 2012.
- „Reformerflügel will Bartsch zum Linken-Chef machen“. In: Spiegel Online, 2. September 2011.
- „Gysi-Nachfolge: Wagenknecht und Bartsch sollen Linken-Fraktion führen“. In: Spiegel Online, 9. Juni 2015.
- Deutscher Bundestag - Abgeordnete. Abgerufen am 27. März 2020.
- Geheimdienst: Verfassungsschutz beobachtet 27 Linken-Abgeordnete. In: Spiegel online. 22. Januar 2012, abgerufen am 26. Oktober 2013.
- Überwachung von Abgeordneten „unerträglich“. In: tagesschau.de. 22. Januar 2012, archiviert vom Original am 16. Januar 2013; abgerufen am 26. Oktober 2013.
- Bartsch sieht Stasibiografie nicht als Karrierehindernis. In: Die Zeit. 20. Januar 2012, abgerufen am 1. März 2020.
- Dietmar Bartsch: Gastbeitrag von Dietmar Bartsch. In: Focus. 1. Juni 2021, abgerufen am 3. Juni 2021.
- „Wir legen uns mit den Mächtigen an“ (Interview mit Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch). In DIE LINKE Zeitung zur Bundestagswahl 2017, S. 3
- Bartsch schließt friedenssichernde Einsätze der Bundeswehr nicht aus. Auf rp-online.de am 2. August 2021, abgerufen am 3. September 2021
- „,Lafodödel‘ im Visier von Dietmar Bartsch“. In: Die Welt.
- „Linke bestreitet Spionage-Vorwürfe“. In: tagesspiegel.de, 29. September 2015.
- „Gysi, Bartsch und die Lafodödel“, In: sueddeutsche.de.