Black-Queen-Cell-Virus
Das Black-Queen-Cell-Virus (auch Schwarzes Königinnenzellvirus,[2] englisch Black queen cell virus, BQCV) ist ein Virus, das Honigbienen infiziert, insbesondere die Arten Apis mellifera (Westliche Honigbiene), Apis florea (Zwerghonigbiene) und Apis dorsata (Riesenhonigbiene).[3] Die Befall der beiden letztgenannten Arten ist jünger und kann auf genetische Ähnlichkeit und geografische Nähe zur ersteren zurückgeführt werden.[4] Daneben könne auch mehrere Hummelarten infiziert werden (s. u.).
Black-Queen-Cell-Virus | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Taxonomische Merkmale | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Black queen cell virus | ||||||||||||
Kurzbezeichnung | ||||||||||||
BQCV | ||||||||||||
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Das Virus ist nicht nur wegen seiner relativen Häufigkeit von Bedeutung, sondern vor allen weil Bienen die wichtigsten Bestäuber der Blütenpflanzen (Bedecktsamer) sind. Insbesondere ist die Landwirtschaft auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen um wirtschaftlich arbeiten zu können.[4]
Beschreibung
Das Black-Queen-Cell-Virus wurde ursprünglich bereits 1977 beschrieben, sein Genom aber erst im Jahr 2000 sequenziert.[5] Am häufigsten ist BQCV in Australien[6] und Teilen Südafrikas zu finden.[7] BQCV beeinflusst die Puppen von Bienenköniginnen erkennbar, in dem sie sich zuerst gelb und dann schwarz verfärben und schließlich absterben.[8] Diese sichtbaren Symptome manifestieren sich jedoch nur bei den Larven. Daher scheinen die Bienenköniginnen, von denen diese Puppen stammen, selbst gesund zu sein und weisen keine Symptome einer Infektion mit diesem Virus auf.[7] Auch wenn nur die Larven sichtbar von dieser Krankheit betroffen sind, können auch adulte (erwachsene) Bienen infiziert werden, bleiben allerdings asymptomatisch, d. h. ohne Symptome.[4]
Die Übertragung erfolgt durch einen einzelligen Parasiten namens Nosema apis (Microsporidia), der im Darm der Honigbienen lebt.[7] Außerdem kann BQCV auch von Ammenbienen auf Larven bei der Fütterung übertragen werden; sowie von Bienenstock zu Bienenstock, wenn sich die Bienen zwischen ihnen bewegen oder wenn infizierte Bienenköniginnen auf andere Bienenstöcke verteilt werden.[8]
Es sind (wie auch bei den anderen Viruserkrankungen von Honigbienen) keine Impfstoffe oder Behandlungsformen verfügbar, um mit BQCV infizierte Bienen zu behandeln (Stand Januar 2020).[9] Daher ist Hygiene der beste Weg um die Ausbreitung zu verhindern. Hygienepraktiken umfassen das Ersetzen der Bienenwabe im Bienenstock und das Ersetzen der Königin (englisch requeening).[9] Requeening bedeutet im Allgemeinen, dass die Königin des Bienenstocks durch eine neue ersetzt wird; in Fall infizierter Bienenstöcke im Speziellen durch eine garantiert gesunde.[10]
Systematik
Das Black-Queen-Cell-Virus gehört zur Ordnung Picornavirales (Picorna-ähnliche Viren).[11] Zu den Familien innerhalb dieser Ordnung gehören die Picornaviridae, Comoviridae, Dicistroviridae, Iflaviridae, Marnaviridae und Sequiviridae.[12] BQCV gehört zur Familie der Dicistroviridae, die Arthropoden (Gliederfüßer) infizieren.[12] Innerhalb dieser Familie werden die Gattungen Cripavirus, Aparavirus und Triatovirus (mit BQCV) unterschieden.[5]
Aufbau
Ein Virion (Virusteilchen) des Black-Queen-Cell-Virus enthält 60 Kopien der Proteine VP1, VP2 und VP3, die alle wichtige Kapsid-Proteine sind.[4] Das Kapsid ist die Hülle des Virusteilchens, in dessen Innerem sich das genetische Material des Virus befindet. VP4-Proteine können teilweise auch im Kapsid vorkommen, sie beeinflussen aber weder die Infektiosität des Virus noch dessen Übertragungsfähigkeit.[4] Die Oberfläche des Virions weist große Vorsprünge (englisch protrusions) auf, die von den Proteinen VP1 und VP3 gebildet werden und sich zwischen der 5- und 3-fachen Achse des ikosaedrischen Kapsids befinden.[4] Ein ikosaedrisches Kapsid besteht aus 20 dreieckigen Flächen, die so zusammengesetzt sind, dass sie einer Kugel nahe kommen. Die Achsen (Symmetrieachsen) laufen durch die gegenüberliegenden Eckpunkte des Ikosaeders.[13]
Aufgrund der Vorsprünge ist BQCV größer als die meisten anderen Picornaviren. Das Kapsid ist auch durch Plateaus (um die 3-fache Achse) und Vertiefungen (um die 2-fache Achse) gekennzeichnet.[4]
Viren mit ikosaedrischer Symmetrie werden durch Triangulationszahlen charakterisiert.[13] BQCV hat ein Pseudo-T=3-Kapsid, was bedeutet, dass es sich mathematisch um eine T=1-Symmetrie handelt. Die Struktur des Kapsids lässt es jedoch wie T=3 aussehen.[4]
Genom
Das Black-Queen-Cell-Virus ist ein nicht umhülltes RNA-Virus.[4] Das Genom besteht aus einer linearen, einzelsträngigen Positiv-Sense RNA, die in dem ikosaedrischen Kapsid (wie oben beschrieben) eingeschlossen ist.[4]
Das Genom dieses Virus enthält 8550 Nukleotide und ist polyadenyliert.[7] Nukleotide sind organische Moleküle, die als Monomer-Einheiten zur Bildung der Nukleinsäurepolymere wie Desoxyribonukleinsäure (DNA) und Ribonukleinsäure (RNA) dienen. Es gibt vier verschiedene kanonische Nukleotide, die üblicherweise im Genom vorkommen. In BQCV bestehen 29,2 % seines Genoms aus A-Nukleotiden, 30,6 % aus U-Nukleotiden, 18,5 % aus C-Nukleotiden und 21,6 % aus G-Nukleotiden.[7] Das Genom nennt man polyadenyliert, wenn es am Ende einen Poly(A)-Schwanz, d. h. eine Kette von nur Adenin-Basen aufweist. Das Black-Queen-Cell-Virus enthält zwei Offene Leserahmen (englisch Open Reading Frames, ORFs). Darunter versteht man eine kontinuierliche Reihe von Codons, die ein Startcodon (normalerweise AUG) und ein Stopcodon (normalerweise UAA, UAG oder UGA) enthalten. ORF1 und ORF2 codieren Polyproteine, die nichtstrukturelle bzw. strukturelle (kapsidbildende) Untereinheiten enthalten.[4]
Vermehrungszyklus
Die Replikation erfolgt im Prinzip wie bei allen Mitgliedern der Familie Dicistroviridae.
Eintritt in die Wirtszelle
Das Virus gelangt durch Clathrin-vermittelte Endozytose in die Wirtszelle.[5] Die Clathrin-vermittelte Endozytose ist allgemein ein Prozess, bei dem Zellen Metaboliten, Hormone, andere Proteine – und in einigen Fällen eben auch Viren – durch Einwärtsknospung von Plasmamembranvesikeln absorbieren. Diese Absorption beginnt, nachdem das Virion an einen Rezeptor auf der Zellmembran gebunden hat. Sobald sich das Virusteilchen in der Zelle befindet, ist es unbeschichtet und das Genom (RNA) wird in das Zytoplasma freigesetzt.[5]
Replikation
Nachdem das Virus in die Wirtszelle eingedrungen ist, muss es sein Genom replizieren (vervielfältigen). In Dicistroviren aktiviert das 5'-VPg-Protein die RNA-Synthese und hemmt die Translation der zellulären mRNA, wodurch die Translation der viralen mRNA gefördert wird.[5] Der erwähnte ORF1 kodiert für die Replikationsenzyme, insbesondere die RNA-abhängige RNA-Polymerase,[5] die bei der RNA-Replikation hilft. Das Genom des Virus hat einen positiven RNA-Strang, der als Vorlage zur Synthese des negativen RNA-Strangs verwendet wird. Dieser negative Strang wird dann als Vorlage verwendet, um mehr genomische RNA (RNA des Genoms) zu synthetisieren.[5]
Wechselwirkung mit dem Wirt
Der Hauptwirt des Black-Queen-Cell-Virus ist die Honigbienengattung Apis; es gibt aber auch mehrere Hummelarten, die inzwischen als mögliche Wirte für dieses Virus identifiziert wurden.[4]
Das Virus beeinflusst insbesondere die Fähigkeit seines Wirtes, Nachkommen zu erzeugen. Die Nachkommen werden zwar von infizierten Individuen immer noch produziert, aber sie überleben nicht. Eine weitere Beeinflussung des Wirtes besteht (wie erwähnt) darin, dass das Virus die zelluläre mRNA-Produktion zugunsten seiner eigenen mRNA-Produktion stört.[5]
Eine weitere wichtige Wechselwirkung, die BQCV mit seinem Wirt eingeht, ist die Resistenz des Virus gegen die Mechanismen der Wirtszellen.[6] Diese Resistenz wird durch eine Cap-Struktur (Kappenstruktur) bewirkt, die das BQCV am 5'-Ende seines Genoms aufweist. Diese Kappenstruktur hat viele Funktionen: Sie schützt die Virus-mRNA vor dem Abbau, sorgt für eine effiziente Translation und hilft der mRNA, vom Zytoplasma zum Zellkern (dem Replikationsort) zu gelange.[14] Man kann diese viralen Wechselwirkungen mit den Wirtszellen untersuchen, indem man Mutationen im viralen Genom erzeugt und die Auswirkungen auf die Wirtszelle analysiert.[6]
Assoziierte Krankheiten
Es gibt viele Krankheiten oder Viren, die mit dem Black-Queen-Cell-Virus in Verbindung gebracht werden können. Eine solche Krankheit ist die Nosema-Krankheit. Wenn eine Honigbiene mit Nosema apis infiziert ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieselbe Biene an BQCV erkrankt, stark erhöht.[7] Die Nosema-Krankheit kann bei infizierten Honigbienen mit Flumidil-B behandelt werden. Ein weiteres Virus, das mit BQCV in Verbindung gebracht werden kann, ist das Sackbrut-Virus (englisch Sacbrood virus, SBV) in der Familie Iflaviridae der gleichen Virus-Ordnung. Dieses Virus manifestiert sich mit ähnlichen Symptomen wie das BQCV, betrifft jedoch die Arbeiterinnen des Bienenstocks anstelle der Bienenkönigin.[8]
Das Black-Queen-Cell-Virus ähnelt einigen anderen Viren der Familie Dicistroviridae. Die Gattung Aparavirus mit den Spezies Kaschmir-Bienen-Virus (KBV), Israeli acute paralysis virus (Israelisches Akutes Lähmungsvirus, IAPV) und Acute bee paralysis virus (Akutes-Bienen-Lähmungsvirus, ABPV) ist eng mit dem BQCV verwandt. Jedoch weisen diese alle weniger eindeutige Symptome auf.[11]
Strukturell ist BQCV als Mitglied der Gattung Gattung Triatovirus der Typusspezies Triatoma-Virus (TrV) am ähnlichsten, aber auch den Iflaviren (Gattung Iflavirus in der Familie Iflaviridae, u. a. mit Spezies Flügeldeformationsvirus). Iflaviren infizieren auch Insekten, genau wie das Black Queen Cell Virus.[4]
Zu den menschlichen Viren, die BQCV am nächsten kommen, gehören das Hepatitis-A-Virus und das Parechovirus A (alias Humanes Parechovirus). Beide sind ebenfalls Vertreter der Familie Picornaviridae und könnten evolutionäre Zwischenstufen zwischen menschlichen Viren und Insektenviren bilden.[4]
Wechselwirkungen mit anderen Parasiten
BQCV interagiert mit Parasiten, wodurch sich die Mortalität (Sterblichkeitsrate) der Bienenwirte erhöht.[6] Parasiten, insbesondere die Milbe Varroa destructor, sind häufig in Bienenvölkern anzutreffen, die gleichzeitig mit Viren infiziert sind. Die Parasiten können das Virus aktivieren, wenn es latent ist (ruht), und sie können auch als Vektor (Überträger) dienen, um das Virus auf andere nicht infizierte Bienen zu übertragen.[6] Beide Eigenschaften dieses Parasiten bewirken in diesen Kolonien eine Erhöhung der Sterblichkeitsrate und Infektiosität in Bezug auf das Virus.
Sonstiges
Einige Mitglieder der Familie Dicistroviridae werden zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt.[5] Einige Beispiele umfassen die Bekämpfung der Olivenfruchtfliege mit dem Kappapapillomavirus 2 (alias Shope papilloma virus, SPV oder Cottontail rabbit papilloma virus, CrPV), sowie die Bekämpfung der Baumwoll-Kapseleule Helicoverpa armigera (aus der Familie der Eulenfalter) mit dem Helicoverpa armigera stunt virus (HaSV, Familie Alphatetraviridae).[5] Das Black-Queen-Cell-Virus wird freilich nicht auf diese Weise verwendet, da Bienenvölker als Nützlinge für die Landwirtschaft/Ökonomie und Ökologie von großer Bedeutung sind.
Einzelnachweise
- ICTV Master Species List 2018b.v2. MSL #34, März 2019
- Benjamin Dainat, Anton Imdorf, Jean-Daniel Charrière, Peter Neumann: Bienenviren (Teil 2), in: Schweizerische Bienen-Zeitung 5/2008: Forschung, Zentrum für Bienenforschung, Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, 3003 Bern (PDF)
- X. Zhang, S. Y. He, J. D. Evans, J. S. Pettis, G. F. Yin, Y. P. Chen: New evidence that deformed wing virus and black queen cell virus are multi-host pathogens. In: Journal of Invertebrate Pathology. 109, Nr. 1, 1. Januar 2012, S. 156–159. doi:10.1016/j.jip.2011.09.010.
- Radovan Spurny, Antonín Přidal, Lenka Pálková, Hoa Khanh Tran Kiem, Joachim R. de Miranda, Pavel Plevka: Virion Structure of Black Queen Cell Virus, a Common Honeybee Pathogen. In: Journal of Virology. 91, Nr. 6, 28. Februar 2017, ISSN 0022-538X. doi:10.1128/JVI.02100-16. PMID 28077635. PMC 5331821 (freier Volltext).
- Bryony C. Bonning: The Dicistroviridae: An emerging family of invertebrate viruses. In: Virologica Sinica. 24, Nr. 5, 1. Oktober 2009, ISSN 1674-0769, S. 415–427. doi:10.1007/s12250-009-3044-1.
- Mongi Benjeddou, Neil Leat, Mike Allsopp, Sean Davison: Development of infectious transcripts and genome manipulation of Black queen-cell virus of honey bees. In: Journal of General Virology. 83, Nr. 12, 2002, S. 3139–3146. doi:10.1099/0022-1317-83-12-3139. PMID 12466491.
- Neil Leat, Brenda Ball, Vandana Govan, Sean Davison: Analysis of the complete genome sequence of black queen-cell virus, a picorna-like virus of honey bees. In: Journal of General Virology. 81, Nr. 8, 2000, S. 2111–2119. doi:10.1099/0022-1317-81-8-2111.
- Black queen cell virus (en-AU) In: beeaware.org.au. Abgerufen am 31. Januar 2020. auf BeeAware
- Emily Pitts, Office of Communications: Honey Bee Disorders: Viral Diseases | Honey Bee Program | CAES Entomology | UGA (en) In: caes2.caes.uga.edu. Abgerufen am 31. Januar 2020.
- Tibor I. Szabo: Requeening Honeybee Colonies with Queen Cells. In: Journal of Apicultural Research. 21, Nr. 4, 1. Januar 1982, ISSN 0021-8839, S. 208–211. doi:10.1080/00218839.1982.11100543.
- Andrea C. Baker, Declan C. Schroeder: The use of RNA-dependent RNA polymerase for the taxonomic assignment of Picorna-like viruses (order Picornavirales) infecting Apis mellifera L. populations. In: Virology Journal. 5, 22. Januar 2008, ISSN 1743-422X, S. 10. doi:10.1186/1743-422X-5-10. PMID 18211671. PMC 2267166 (freier Volltext).
- Olivier Le Gall, Peter Christian, Claude M. Fauquet, Andrew M. Q. King, Nick J. Knowles, Nobuhiko Nakashima, Glyn Stanway, Alexander E. Gorbalenya: Picornavirales, a proposed order of positive-sense single-stranded RNA viruses with a pseudo-T = 3 virion architecture. In: Archives of Virology. 153, Nr. 4, 1. April 2008, ISSN 0304-8608, S. 715. doi:10.1007/s00705-008-0041-x. PMID 18293057.
- Jane Flint, Vincent R. Racaniello, Glenn F. Rall, Anna Marie Skalka: Principles of Virology. ASM Press, Washington DC 2015, ISBN 9781555819330, S. 89–90.
- Pierre Fechter, George G. Brownlee: Recognition of mRNA cap structures by viral and cellular proteins. In: The Journal of General Virology. 86, Nr. Pt 5, Mai 2005, ISSN 0022-1317, S. 1239–1249. doi:10.1099/vir.0.80755-0. PMID 15831934.