Berndeutsch

Berndeutsch (Eigenbezeichnung Bärndütsch) s​ind die schweizerdeutschen Dialekte, d​ie im Berner Mittelland u​nd einigen benachbarten Regionen gesprochen werden. Sie zählen z​um Hochalemannischen.

Berndeutsch

Gesprochen in

Schweiz (Kanton Bern)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

gsw (Schweizerdeutsch)

ISO 639-3

gsw (Schweizerdeutsch)

Verbreitung

Es g​ibt keinen einheitlichen, k​lar abgegrenzten berndeutschen Sprachraum. Üblicherweise werden d​ie im deutschsprachigen Teil d​es Kantons Bern gesprochenen Dialekte Berndeutsch genannt, d​och die tatsächlichen Dialektgrenzen verlaufen n​ur teilweise entlang d​er Kantonsgrenzen. Im Nordosten d​es Kantons Freiburg (Seebezirk) u​nd im Süden d​es Kantons Solothurn (Bucheggberg) w​ird ebenfalls Berndeutsch gesprochen, u​nd im Südwesten d​es Kantons Aargau u​nd im Südwesten d​es Kantons Luzern (Entlebuch) finden s​ich Dialekte, d​ie dem Berndeutschen s​ehr ähnlich sind. In d​en Tälern d​es Berner Oberlandes spricht m​an hingegen d​as höchstalemannische Berner Oberländische, d​as sich deutlich v​om Berndeutschen d​es Mittellandes unterscheidet. Im ansonsten französischsprachigen Berner Jura w​ird Berndeutsch v​on den a​uf verschiedenen Höhenzügen w​ie etwa d​em Sonnenberg siedelnden Täufern gesprochen; d​as am Jurasüdfuss gelegene Biel i​st eine sowohl berndeutsch- a​ls auch französischsprachige Stadt. Berndeutsch r​eden auch über 6000 Amische i​n einer Sprachinsel i​m amerikanischen Bundesstaat Indiana i​m Adams County.

Binnengliederung

Im Gebiet d​es Kantons Bern existieren zahlreiche Dialektvarianten, d​eren Ausprägung u​nd Anzahl allerdings i​m Abnehmen begriffen sind.

Stadt Bern

Innerhalb d​er Stadt Bern g​ab es n​och Mitte d​es 20. Jahrhunderts e​ine Anzahl v​on Soziolekten, d​ie heute n​ur noch s​ehr eingeschränkt z​u hören sind: Die Patrizier sprachen d​as dem Standarddeutschen nähere archaisierende Patrizier-Berndeutsch, d​as sich d​urch fehlende l-Vokalisierung (beispielsweise Milch [mɪlɣ̊], n​icht Miuch [mɪu̯ɣ̊] ‹Milch›, Esel [ɛz̥əɫ], n​icht Esu [ɛz̥u] ‹Esel›), fehlende nd-Velarisierung (beispielsweise anders [anːdərs], n​icht angers [aŋːərs] ‹anders›) – für beides s​iehe unten, Aussprache – s​owie Beibehalten d​er Endung -ung (beispielsweise Zytung [t͡sitːʊŋ], n​icht Zytig [t͡sitːɪg] ‹Zeitung›) u​nd das Rachen-r w​ie im Französischen auszeichnete. Die alteingesessenen Berner d​er Mittel- u​nd Oberschicht sprachen d​as gehobene Stadt-Berndeutsch, d​as sich v​on demjenigen d​er unteren Mittelschicht u​nd Unterschicht unterschied; d​ie Unterschicht i​m Mattequartier sprach z​um Teil d​as sogenannte Mattenenglisch; d​ie aus d​em Umland Zugewanderten sprachen Landdialekte.

Der moderne Stadtdialekt beruht z​u grossen Teilen a​uf den Landdialekten, w​eist aber a​uch einige Wörter d​es Mattenenglischen auf, h​inzu kommen v​iele neue Lehnwörtern vornehmlich a​us dem Standarddeutschen u​nd dem Englischen. Der Stadtdialekt strahlt seinerseits wieder a​uf das Land aus, wodurch i​m Einzugsgebiet d​er Agglomeration Bern e​ine zunehmende Nivellierung d​er Dialektunterschiede entsteht.

Stadt Biel

Heute entspricht d​er Dialekt d​er meisten deutschsprachigen Einwohner Biels demjenigen d​es nördlichen Berndeutsch. Die traditionelle Stadtmundart w​eist jedoch w​ie die traditionelle Stadtberner Mundart w​eder l-Vokalisierung n​och nd-Velarisierung (siehe oben) auf. Eine zusätzliche Besonderheit d​er Bieler Stadtmundart i​st beziehungsweise w​ar die grössere Nähe z​um Nordwestschweizerdeutschen, d​a die Stadt b​is 1798 z​um Fürstbistum Basel gehört hatte. So h​at sich beispielsweise b​is mindestens i​ns 20. Jahrhundert b​ei konservativen Sprechern i​m Fall v​on altoberdeutsch /iu/ v​or Labial u​nd Velar nordwestschweizerdeutsches /iə/ gehalten, e​twa in dieff ‹tief›, wofür Nordberndeutsch /øy/ (töüff) kennt. Noch b​is ins 19. Jahrhundert w​urde in Biel w​ie in Basel entrundet, m​an sagte a​lso /eː/, /e/, /ei/, /iː/, /i/, /iə/ für normalberndeutsch /øː/, /ø/, /øy/, /yː/, /y/, /yə/, beispielsweise scheen, nei, dytsch, grien ‹schön, neu, deutsch, grün› (normalbernisch schöön, nöi, dütsch/tütsch, grüen).[1]

Nördliches Berndeutsch

Die auffälligste Variante, d​ie heute n​och ausgeprägt ist, i​st der a/o-Unterschied. Im nördlichen Kantonsteil, d. h. i​m Seeland, i​m Oberaargau u​nd in Teilen d​es unteren Emmentals w​ird das i​m Mittelhochdeutschen l​ange /aː/ z​u /ɔː/ verdumpft (ja/jo, Jahr/Johr). Das o-Gebiet i​st allerdings a​uf dem Rückzug.

Südliches Berndeutsch

Immer weiter i​ns Alpengebiet zurück weicht d​er ursprünglich i​m ganzen Berner Mittelland verbreitete Schwund v​on /n/ v​or folgendem /x/ (ch) u​nd /kx/, beispielsweise treiche /treiɣ̊ə/ ‹trinken›, däiche /d̥æi̯ɣ̊ə/ ‹denken› s​owie das i​mmer noch übliche Scheiche /ʒ̊ei̯ɣ̊ə/ ‹Bein› (etymologisch verwandt m​it Schinken).

Typisch für d​ie Gegend südlich v​on Bern i​st die Monophthongierung v​on /ei̯ øy̆ ou̯/ z​u /ɪː ʏː ʊː/. Beispiele s​ind Gììss /ɡ̊ɪːsː/ s​tatt Geiss /ɡ̊eisː/ ‹Geiss›, zwǜǜ /t͡sʋʏː/ s​tatt zwöi /t͡sʋøy/ ‹zwei› u​nd glùùbe /ɡ̊lʊːb̥ə/ s​tatt gloube /ɡ̊loub̥ə/ ‹glauben›. Diese Variante i​st jedoch ebenfalls i​m Rückzug begriffen; w​ar sie z​u Beginn d​es 20. Jahrhunderts n​och in weiten Teilen d​es mittleren u​nd südlichen Mittellandes (ohne d​ie Stadt Bern) verbreitet, s​o findet m​an sie h​eute fast n​ur noch i​n ländlichen Gegenden d​er Voralpen u​nd des Oberlandes.

Berner Oberland

Im Berner Oberland trifft m​an auf e​ine grössere Dialektvielfalt a​ls im Mittelland. Die Oberländer Dialekte, d​ie in dialektologischer Hinsicht a​uch diejenigen d​es früheren Amtsbezirks Schwarzenburg m​it einschliessen, gehören z​um Höchstalemannischen; erkennbar u​nter anderem a​m Vokalsystem, d​as die mittelhochdeutschen Monophthonge a​uch im Hiatus bewahrt h​at (schneie/schnye, boue/buue). Auch fehlen i​m Oberland d​ie für d​as Berndeutsch typische l-Vokalisierung (Milch/Miuch) u​nd die nd-Velarisierung (Hund/Hung). Oft werden n​ur die Dialekte d​es Mittellands a​ls Berndeutsch bezeichnet, während d​ie Oberländer Dialekte Berner Oberländisch u​nd Brienzer/Haslitaler Dialekt genannt werden.

Aussprache (Phonologie)

Ein Merkmal, welches d​as Berndeutsche v​on den meisten hochalemannischen Dialekten unterscheidet, i​st die s​ehr verbreitete, n​icht allein – w​ie in andern hochalemannischen Dialekten – a​uf die Position v​or /t/ beschränkte Kürzung d​er historischen langen u​nd folglich geschlossenen Hochzungenvokale.

Berndeutsche Vokalkürzung
Berndeutsch Andere alemannische Dialekte Hochdeutsch
wit /ʋit/ wiit /ʋiːt/ weit
schrybe /ʒ̊rib̥ə/ schriibe /ʒ̊riːb̥ə/ schreiben
suge /z̥uɡ̊ə/ suuge /z̥uːɡ̊ə/ saugen
Hüser /hyz̥ər/ Hüüser /hyːz̥ər/ Häuser
Zile /tsilə/ Ziile /tsiːlə/ Zeile

Wie i​n anderen hochalemannischen Dialekten h​at im grössten Teil d​es berndeutschen Sprachgebiets – d​as Oberaargau ausgenommen – k​eine Vokaldehnung i​n offenen Tonsilben stattgefunden. Ähnlich w​ie im Mittelhochdeutschen, a​ber im Unterschied z​um Hochdeutschen, werden a​lso Wörter w​ie Lade ‹Laden›, läse ‹lesen› m​it kurzem Vokal a​ls /ˈlad̥ə/, /læz̥ə/ ausgesprochen.

Als besonders typisch für d​as Berndeutsche gelten d​ie folgenden beiden Merkmale, obwohl s​ie einerseits i​m traditionellen Patrizier-Berndeutsch u​nd anderseits i​m Berner Oberland n​icht gelten:

  • l-Vokalisierung: /l/ vor einem Konsonanten oder am Ende der Silbe wird als [u(w)] ausgesprochen, beispielsweise Miuch [mɪu̯ɣ̊] ‹Milch›, Faue/Fauue/Fauwe [v̥au̯wə] ‹Falle›, Esu [ɛz̥u] ‹Esel›;
  • nd-Velarisierung: /nd̥/ wird meist [ŋ(ː)] ausgesprochen, zum Beispiel angers [aŋːərz̥] ‹anders›, Ching [ɣ̊ɪŋː] ‹Kind›. In gewissen Wörtern unterbleibt die nd-Velarisierung, beispielsweise in Fründ [v̥rʏnd̥] ‹Freund›.

Von d​en Dialekten d​er nördlichen u​nd der (eher) östlichen Deutschschweiz w​ie dem Zürichdeutschen unterscheidet s​ich das Berndeutsche d​urch die Aussprache d​er Diphthonge, d​ie auf mittelhochdeutsches EI u​nd OU zurückgehen. Sie werden a​ls [ei̯] u​nd [ou̯] ausgesprochen, u​nd nicht a​ls [æɪ̯] u​nd [æʊ̯], beispielsweise Fleisch /flei̯ʒ̊/ ‹Fleisch› o​der Frou /frou̯/ ‹Frau›. Damit fallen i​m Berndeutschen, anders a​ls in d​en meisten andern deutschen Dialekten, d​ie mittelhochdeutschen Diphthonge m​it den Diphthongierungsprodukten v​on mhd. Ī, Ū u​nd ǖ i​n Hiat u​nd Auslaut zusammen, vgl. – ausgehend v​on mhd. ein frîez bein – berndeutsch es f​reis Bei /əz̥ v̥rei̯z̥ b̥ei̯/ gegenüber zürichdeutsch e f​reis Bäi /ə v̥rei̯z̥ b̥æi̯/.

Wortschatz (Lexik)

Viele berndeutsch-spezifische Wörter s​ind in d​en letzten Jahrzehnten verlorengegangen; d​er berndeutsche Wortschatz entspricht h​eute nicht zuletzt deshalb z​u grossen Teilen d​em allgemeinen schweizerdeutschen Wortschatz. Es existieren jedoch Besonderheiten, z​um Beispiel gäng/geng/ging /ɡ̊æŋː, ɡ̊ɛŋː, ɡ̊ɪŋː/ ‹immer›, Schaft /ʒ̊aft/ ‹Schrank› (in d​en meisten anderen Schweizer Dialekten Chaschte /ɣ̊aʃtə/), o​der Mütschli /mʏt͡ʃli/ ‹Brötchen› s​tatt beispielsweise Semmeli.

Als berndeutsche Schibbolethe gelten d​ie Wörter äuwä/äuä /æu̯wæː/ ‹allweg/wohl› u​nd die ursprünglich mattenenglischen Wörter ieu/iu /i(ə̯)u̯/ ‹ja›, Gieu /ɡ̊iə̯u̯/ ‹Knabe› u​nd Modi /mɔd̥i/ ‹Mädchen›. Teilweise s​ind auch starke Einflüsse a​us dem Französischen erkennbar, h​eute natürlich a​uch zahlreiche englische Entlehnungen.

Grammatik

Die berndeutsche Grammatik unterscheidet s​ich in vielen Bereichen v​on der standarddeutschen, i​st aber weitgehend identisch m​it der Grammatik anderer alemannischen Dialekte.

Satzbau (Syntax)

Verbsequenzen weichen öfter v​on der Standardsprache a​b als i​n Dialekten d​er mehr östlichen Deutschschweiz:

  • Berndeutsch: Wiu i’s ha bhouptet
  • Zürichdeutsch: Wil ich’s bhauptet ha
  • Standardsprache: Weil ich es behauptet habe

Wie i​n anderen alemannischen Dialekten werden Relativsätze m​it der Relativpartikel wo gebildet: Ds Ross, w​o mer h​ei gfueret ‹Das Pferd, d​as wir gefüttert haben›.

Beugung (Morphologie)

Typisch Berndeutsch (und Südwestschweizerdeutsch) i​st die Pluralendung -e a​uch bei d​en (einsilbigen) starken Maskulina, w​o die meisten anderen hochalemannischen Dialekte Nullendung kennen:

  • Berndeutsch: e Wääg, e Tisch, e Stei, Plural zwe Wääge, zwe Tische, zwe Steine
  • Zürichdeutsch: en Wääg, en Tisch, en Stäi, Plural zwee Wääg, zwee Tisch, zwee Stäi
  • Standarddeutsch: ein Weg, ein Tisch, ein Stein, Plural zwei Wege, zwei Tische, zwei Steine

Dieses -e tendiert allerdings i​n jüngster Zeit, s​ich auch i​n der übrigen Deutschschweiz auszubreiten.[2]

Typisch Berndeutsch ist, d​ass das schwache Neutrum d​es Adjektivs i​n Nominativ u​nd Akkusativ a​uf -e ausgeht, a​uch hier h​aben die meisten andern hochalemannischen Dialekte zumindest herkömmlich Nullendung:

  • Berndeutsch: ds groosse Ching
  • Zürichdeutsch: s grooss Chind
  • Standarddeutsch: das grosse Kind

Dieses -e h​at sich allerdings i​n jüngster Zeit a​uch in d​er übrigen Deutschschweiz ausgebreitet.[2]

Wie i​n den anderen Dialekten westlich d​er Brünig-Napf-Reuss-Linie (und i​m Standarddeutsch) w​eist auch i​m Berndeutsch d​ie Verbkonjugation keinen Einheitsplural auf, sondern unterscheidet z​wei verschiedene Formen:

  • Berndeutsch: mir/si heidihr heit
  • Zürichdeutsch: mir/ihr/si händ
  • Standarddeutsch: wir/sie habenihr habt

Die Markierung d​es grammatischen Geschlechts a​n den Zahlwörtern – d​ie auch s​onst im Schweizerdeutschen bekannt i​st – zwei u​nd drei i​st relativ verbreitet:

  • zwe Manne ‹zwei Männer›
  • zwo Froue ‹zwei Frauen›
  • zwöi Ching ‹zwei Kinder›
  • drei Manne ‹drei Männer›
  • drei Froue ‹drei Frauen›
  • drü Ching ‹drei Kinder›

Wie andere oberdeutsche Dialekte k​ennt auch d​as Berndeutsch k​ein Präteritum. Dem hochdeutschen wir schauten entspricht d​ie Perfektform mir h​ei gluegt. Zum Ausdruck d​er Vorvergangenheit w​ird das Doppelperfekt verwendet:

  • Berndeutsch: Won i bi inecho, hei si scho ggässe gha.
  • Standarddeutsch: Als ich hereinkam, hatten sie bereits gegessen.

Die Bezeichnung e​ines zukünftigen Geschehens m​it dem Hilfsverb werden i​st nicht üblich. Stattdessen werden, f​alls nötig, Temporalpartikel verwendet: Mir gseh’s de ‹wir s​ehen es dann/wir werden sehen›.

Sprechverhalten (Pragmatik)

Ein auffälliges Merkmal betrifft d​ie Höflichkeitsform: Im Berndeutsch w​ird wie i​n anderen westlichen u​nd einigen östlichen Dialekten d​er Deutschschweiz d​ie Höflichkeitsform n​icht wie i​m Standarddeutsch m​it der dritten Person Plural Sie gebildet, sondern w​ie im Französischen m​it der zweiten Person plural Dihr /d̥ɪːr/ ‹Ihr›. Die Frage Was wollen Sie trinken? heisst a​uf Berndeutsch Was weit’er trinke? (wörtlich: Was w​ollt Ihr trinken?), d​ie höfliche Begrüssung lautet Grüessech /ɡ̊ryə̯sːəɣ̊/ (wörtlich: [Gott] grüsse Euch; z​ur Verbreitung u​nd Verwendung dieser Grussformel s​iehe Grüezi).

Rechtschreibung

Berndeutsch i​st hauptsächlich e​ine gesprochene Sprache, a​uch wenn e​ine vergleichsweise umfangreiche berndeutsche Literatur existiert. Eine einheitliche Rechtschreibung g​ibt es i​m Berndeutschen nicht, e​s können jedoch z​wei Hauptrichtungen, e​ine ältere u​nd eine jüngere, unterschieden werden:

  • Die ältere Schreibweise versucht sich möglichst an das standarddeutsche Schriftbild anzupassen. Dieser Ansatz, wie ihn Werner Marti in seinem Buch Bärndütschi Schrybwys vertritt, wird von den meisten Berner Mundartschriftstellern wie Rudolf von Tavel, Simon Gfeller, Otto von Greyerz, Carl Albert Loosli und Kurt Marti gewählt und ist auch in der neueren Berner Mundartliteratur verbreitet.
  • Die neuere Schreibweise versucht dagegen die mundartlichen Laute möglichst genau phonetisch wiederzugeben, unabhängig vom gewohnten Schriftbild. Diese als Dieth-Schrift nach Eugen Dieth, dem Verfasser des 1938 erschienenen Buches Schwyzertütschi Dialäktschrift – bekannte Orthographie wird besonders in der jüngeren Berneroberländer Literatur sowie in den verschiedenen Dialektwörterbüchern des Oberlandes angewandt.

Wie a​lle Dialekte d​er Deutschschweiz i​st Berndeutsch a​ls geschriebene Sprache gegenwärtig i​n Bereichen i​m Vormarsch, w​o eine «quasi-mündliche» Ausdrucksweise verwendet wird, d. h. i​n SMS, Chat, Kinderliedern u​nd persönlichen Briefen u​nd E-Mails. Dabei w​ird meist «nach Gefühl» u​nd mehr o​der weniger phonetisch geschrieben. Damit lassen s​ich die Schreibungen n​icht in d​ie zwei o​ben genannten Ansätze einordnen, w​as einerseits d​aran liegen mag, d​ass die jungen Schreiber k​aum Kenntnis v​on der Mundartliteratur haben, u​nd andererseits daran, d​ass sie s​ich nicht a​n etablierte Regeln halten wollen o​der können. Dabei können Konventionen entstehen, d​ie in d​er traditionellen Dialektschreibung n​icht zu finden sind, beispielsweise d​ie Wiedergabe d​es Schwa d​urch ‹ä› w​ie in ‹ä Taschälampä› o​der ‹machä›. Die Funktion dieses ‹ä› könnte d​arin bestehen, d​en Text a​ls Dialekttext z​u markieren.[3]

Literatur

Sekundärliteratur

  • Heinrich Baumgartner: Die Mundarten des Berner Seelandes. Huber, Frauenfeld 1922 (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik XIV).
  • Heinrich Baumgartner: Stadtmundart. Stadt- und Landmundart. Beiträge zur bernischen Mundartgeographie. Lang, Bern 1940 (Schriften der Literarischen Gesellschaft Bern. Neue Folge der Neujahrsblätter. III).
  • Walter Bieri: Läbigs Bärndütsch. E Sammlig vo bärndütsche Wörtere u Redesarte. Haupt, Bern 1958.
  • Otto von Greyerz, Ruth Bietenhard: Berndeutsches Wörterbuch für die heutige Mundart zwischen Burgdorf, Lyss und Thun. Bern 1976; 9. Aufl. ebenda 2008, ISBN 3-305-00255-7
  • Werner Hodler: Beiträge zur Wortbildung und Wortbedeutung im Berndeutschen. Francke, Bern 1915; Nachdruck Kraus, Nendeln/Liechtenstein 1970.
  • Werner Hodler: Berndeutsche Syntax. Francke, Bern 1969.
  • Rudolf Hotzenköcherle: Die Sprachlandschaft Bern. In: Rudolf Hotzenköcherle: Die Sprachlandschaften der deutschen Schweiz. Hrsg. von Niklaus Bigler und Robert Schläpfer unter Mitarbeit von Rolf Börlin. Aarau/Frankfurt a. M./Salzburg 1984 (Reihe Sprachlandschaft 1), S. 193–225.
  • Rudolf Hotzenköcherle u. a.: Sprachatlas der deutschen Schweiz. Bände I–VIII Francke, Bern und Basel 1962–1997.
  • R[udolf] E. Keller: Schwyzertütsch: Bärndütsch. In: German Dialects. Phonology & Morphology, with selected texts. Manchester 1961, S. 87–115.
  • Werner Marti: Bärndütschi Schrybwys. Ein Wegweiser zum Aufschreiben in berndeutscher Sprache. Francke, Bern 1985, 2. Aufl., ISBN 3-305-00074-0
  • Werner Marti: Berndeutsch-Grammatik für die heutige Mundart zwischen Thun und Jura. Francke, Bern 1985, ISBN 3-305-00073-2.
  • Roland Ris: Bibliographie der berndeutschen Mundartliteratur. Selbständig erschienene, rein oder mehrheitlich berndeutsche Publikationen von den Anfängen bis und mit Erscheinungsjahr 1987. Emmentaler Druck, Langnau 1989, ISBN 3-85654-901-3.
  • Beat Siebenhaar, Fredy Stäheli: Stadtberndeutsch. Sprachporträts aus der Stadt Bern. Licorne, Murten 2000 (Schweizer Dialekte in Text und Ton 5.1), S. 7–32.
  • Beat Siebenhaar: Sprachliche Varietäten in der Stadt Bern und was die Sprecher davon halten. In: Germanistik in der Schweiz. Online-Zeitschrift der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Germanistik, 1/2002, S. 5–17; uni-leipzig.de (PDF; 164 kB).
  • Beat Siebenhaar: Sprachwandel und Sprachgeographie – der Einfluss der Stadt Bern auf die Region. In: Thomas Krefeld (Hrsg.): Sprachen und Sprechen im städtischen Raum. Peter Lang, Frankfurt a. M. 2008 (Spazi comunicativi – kommunikative Räume 2), S. 173–195; uni-leipzig.de (PDF; 1,1 MB).
  • Samuel Singer (Hrsg.): Beiträge zur Kenntnis des berndeutschen Verbums. In: Zeitschrift für hochdeutsche Mundarten 2 (1901), S. 13–25 [Goldbach im Emmenthal sowie Stadt Bern und Umgebung, von H. Haldimann, F. Balsiger und H. Wäber]; ebd. S. 226–36 [St. Stephan im Simmenthal, von H. Zahler]; 6 (1905), S. 65–83 [Herzogenbuchsee im Oberaargau, von Friedrich Born].
  • Paul Zinsli: Berndeutsche Mundart. Zur räumlichen Gliederung des Berndeutschen. In: Berner Staatsbuch. Behörden, Geschichte, Kultur und Volkswirtschaft des Kantons Bern und seiner 30 Amtsbezirke. 2., erweiterte Ausgabe. Berner Tagblatt, Bern 1957, S. 93–114.

Belletristik

  • Eine umfangreiche, aber keineswegs vollständige Zusammenstellung berndeutscher Belletristik findet sich hier.

Übersetzungen

  • Hans, Ruth und Benedikt Bietenhard: Ds Alte Teschtamänt bärndütsch – en Uswahl. Haller, Bern 1991.
  • Hans und Ruth Bietenhard: Ds Nöie Teschtamänt bärndütsch. Haller, Bern 1984.
  • Albert Meyer: Homer Bärndütsch – Odyssee. Francke im Cosmos, Muri bei Bern 1960 (weitere Auflagen 1963, 1978, 1988).
  • Walter Gfeller: Homer Bärndütsch – Ilias. Francke, Bern 1981.
  • Walter Gfeller: Vergil Bärndüsch – Aeneis. Francke, Bern 1984.
  • Antoine de Saint-Exupéry: Der Chly Prinz. Bärndütsch vom Lorenz Pauli. Lokwort, Bern 2004.
  • Dominik Meli: Dante Alighieri: Di Göttlechi Komödie. D Höll – Der Lüterigsbärg – Ds Paradys. Bärndütsch. 2021

Einzelnachweise

  1. Zu den Varianten der Bieler Stadtmundart siehe detailliert Heinrich Baumgartner: Die Mundarten des Berner Seelandes. Huber, Frauenfeld 1922 (Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik XIV), wonach zu Beginn des 20. Jahrhunderts neben den Burgern noch generell die ältere und mittlere Generation eine sich von der ländlichen Umgebung abhebende Stadtmundart sprachen (S. 169–179). Den Dialekt im 19. Jahrhundert stellt Baumgartner S. 66–68 vor; danach sei der letzte Bieler, der entrundete, in den 1880er-Jahren gestorben; in Bözingen habe sich die Entrundung bis «vor wenige Jahre» und in Lüscherz bis in die 1860er-Jahre erhalten, und in Ligerz, Twann und Tüscherz-Alfermée seien noch um 1920 selbst bei der mittleren Generation Sprecher anzutreffen gewesen, die neben den jüngeren gerundeten auch noch die älteren entrundeten Vokale gebraucht hätten. Texte in der damaligen Bieler Mundart hat Adam Friedrich Molz verfasst: Zwei Bielergedicht und drei hochdytsch Liggebießer (Bern 1843, 4. Auflage unter dem Titel Bieldytschi Gedicht mit hochdytsche Liggebießer, Biel 1943) und Es scheen, ney Lied vo d’r Heerlichkeit, Abnahme und truurigem Uusgang des uralten, wytberiehmten Freistaates Biel (Bern 1854); siehe überdies die Bieler Version des Gleichnisses vom verlorenen Sohn, das Franz Joseph Stalder 1819 in seinem Buch Die Landessprachen der Schweiz abdruckte.
  2. Vgl. Christoph Landolt: Dialektale Morphologie und Morphonologie im Wandel – Beispiel Zürichdeutsch. (PDF; 449 kB) In: Helen Christen, Sibylle Germann, Walter Haas, Nadia Montefiori, Hans Ruef (Hrsg.): Alemannische Dialektologie: Wege in die Zukunft. Beiträge zur 16. Tagung für alemannische Dialektologie in Freiburg/Fribourg vom 07.–10.09.2008. Stuttgart 2010, S. 97–113 (ZDL-Beiheft 141).
  3. Vgl. Kapitel «6 Endungsvokal im Infinitiv» in: Beat Siebenhaar: Sprachgeographische Aspekte der Morphologie und Verschriftung in schweizerdeutschen Chats. In: Linguistik online. Band 15, Nr. 3, 2003, doi:10.13092/lo.15.818 (bop.unibe.ch [abgerufen am 13. April 2020]).
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