Albert Benningk
Albert Benningk, auch Albrecht Benningk oder Albert Benninck, (* vor dem 12. August 1637 (getauft) in Hamburg; † kurz vor dem 21. Mai 1695[1] in Kopenhagen) war ein deutscher Geschütz- und Glockengießer. Von seiner Hauptwirkungsstätte in Lübeck aus exportierte er seine Produkte bis in die Niederlande, nach Dänemark, Brandenburg und Russland.
Leben
Benningk stammte aus einer Familie von in Lübeck und Hamburg tätigen Gießern, deren Verwandtschaftsverhältnis zur Danziger Gießerfamilie gleichen Namens nicht ganz geklärt ist. Es wird vermutet,[2] dass der von 1647 bis 1668 nachweisbare Hamburger Gießer Hermann Benningk (senior) sein Vater war, der wiederum von den nacheinander in Lübeck tätigen Matthias (Ratsgießer 1561; † 1608) und Reinhard (Reinhold) († 1617) Benningk abstammte. Sein jüngerer Bruder Hermann Benningk (junior, getauft am 15. Mai 1640; † im November 1679) wurde Nachfolger des Vaters als Hamburger Ratsgießer. Ab dem 3. Oktober 1665 ist Albert Benningk in der Nachfolge von Nikolaus Wiese als Ratsgießer in Lübeck bezeugt. 1686 verließ er Lübeck, ohne seine Gießerei hier ganz aufzugeben, und ging wahrscheinlich nach Kopenhagen. Im August 1692 erhielt er einen Vertrag zur Übernahme des Gießhauses in Kopenhagen vom dänischen König und war hier noch drei Jahre tätig.[3] Sein Leichnam wurde 1695 nach Lübeck überführt und in der Petrikirche beigesetzt.
Er war zweimal verheiratet, zunächst ab 1671 bis zu ihrem Tode mit Sophie Helms und ab 1688 mit Elisabeth Balcke († 1739).
Werk
Benningk gilt als „einer der vorzüglichsten Meister seines Fachs im 17. Jahrhundert.“[2] Seine Arbeiten zeichnen sich durch „scharfen Guß, vortreffliche Verhältnisse, eine stilvolle Dekoration und sorgfältige Ziselierung [aus]“ (Wendelin Boeheim). Seine Aufträge waren so zahlreich, dass er im Lübecker Gießhaus einen zweiten Gießofen einbauen ließ.
Geschütze
Von besonderer Bedeutung in Benningks Werk war eine Bestellung von 157 Geschützen der niederländischen Generalstaaten, die er ab 1665 produzierte und lieferte. Als Dank für die pünktliche Bezahlung goss Benningk 1669 zwei besonders kunstvoll ausgestattete Kartaunen als Geschenk für seine Auftraggeber. Die Prunkgeschütze haben ein Kaliber von 18,8 cm und eine Länge von 3,41 Meter (18 Kaliber-Längen) und waren damit für Geschosse von 48 Nürnberger Pfunden (48-Pfünder) ausgelegt. Der Kopf ist nach Art eines korinthischen Kapitells mit Akanthusblättern geschmückt, das Vorderstück zeigt in reichem Relief, zwischen Trophäen und Genien, die Bilder von Merkur, Mars und Neptun, dann die Wappen und Namen der Vorsteher des Geschützwesens der Generalstaaten Johann Eleman und Gerard Hasselaer; am Mittelstück die Darstellung einer Seeschlacht, worin die vordersten Schiffe durch heraldische Zeichen als ein niederländisches, ein türkisches und ein französisches Schiff gekennzeichnet sind. Am Hinterstücke das niederländische Wappen mit dem Wahlspruch: “Vigilate deo confidentes” (deutsch: „Seid wachsam, auf Gott vertrauend“), am rückwärtigen Visierreif die Gießerinschrift; die Bodenfläche ist mit reichen Trophäen und mit dem Wappen der Niederlande geziert, die Traube bildet einen geschlossenen Visierhelm.
Dieses Geschützpaar wurde während der Koalitionskriege zunächst 1810 auf Befehl Napoleons I. aus dem Delfter Zeughaus als Kriegsbeute nach Paris gebracht und vor dem Invalidendom aufgestellt; nach dem Einzug der Verbündeten in Paris am 31. März 1814 kam eines in das Heeresmuseum, heute Heeresgeschichtliches Museum, in Wien, wo es noch heute gezeigt wird. Das andere kam nach Berlin in das Zeughaus, wo es als besondere Zierde des preußischen Zeughauses beschrieben wurde.[4] Es galt nach 1945 als Kriegsverlust des Zweiten Weltkriegs und war als solcher in der Lost Art-Datenbank der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste verzeichnet.[5] Es befindet sich jedoch heute als Beutekunst im russischen Artilleriemuseum in St. Petersburg.[6]
1679 arbeitete er für Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und goss zwei bronzene Halbkartaunen (24-Pfünder), Pluto und Pallas-Athene. Von diesem Paar ist Pluto nicht erhalten. Pallas-Athene galt im 19. Jahrhundert als das älteste noch schussbereite Geschütz Brandenburg-Preußens und war damals in Danzig stationiert,[7] bevor es in die Sammlung des Berliner Zeughauses kam. Heute wird es (wieder) im Innenhof des Berliner Zeughauses gezeigt.[8] Das Geschützrohr ist geschmückt mit dem brandenburgischen Wappen und dem Brustbild des Großen Kurfürsten. Es ist 3,94 m lang bei einer Wandstärke von 12 cm und einem Gewicht von rund 3,216 t. Die mit besonderem Aufwand gestalteten Prunkgeschütze waren zu keiner Zeit zum Artillerieeinsatz im Felde bestimmt, sie dienten vielmehr ausschließlich repräsentativen Darstellungsbedürfnissen ihrer Auftraggeber, die diese Geschütze bei entsprechenden Anlässen zum Abschuss von Salutböllern nutzten.
- Pallas-Athene (1679)
- Detail Albert Benningk mi fecit Lvbeck
- Detail Wappen des Kurfürstentums Brandenburg
- Detail Pallas-Athene
Noch 1691 lieferte er einen 200-pfündigen hängenden Mörser, der 103 Zentner wog, nach Brandenburg. Ebenso wie ein 1678 von Benningk gelieferter 300-Pfünder wurde er später eingeschmolzen.[7]
1687 goss er für König Christian V. in Kopenhagen mehrere Zwölfpfünder, die Bestandteil der Königlichen Waffensammlung wurden, heute in der Artillerieausstellung im Arsenal Tøjhusmuseet.
- Kanone von 1687 im Tøjhusmuseet
- Detail mit Bildnis Christian V. Pietate et Justitia Ao 1687
- Detail Albert Benningk me fecit
Glocken
1669 muss als Benningks produktivstes und bestes Jahr gelten. Neben den Prunkgeschützen goss er seine größte und schönste Glocke, die Pulsglocke von St. Marien. Dies war schon die fünfte Pulsglocke in der Geschichte der Kirche. Ihre Vorgängerin von 1659 war schon nach wenigen Jahren unbrauchbar geworden. Benningk goss sie aus vorwiegend neuem Metall. Unterhalb eines aus stilisiertem stehenden Blattwerk gebildeten Kranzes fassten drei mit Rosetten besetzte Streifen die folgende doppelreihige Inschrift des Glockenhalses ein:[9]
UND THOMAS PLONNIES, BURGERE . DER KIRCHEN ST . MARIEN VOORSTEHERE WAEREN . GOSS MICH DURCH GOTTES BEISTANT . ALBERT BENNINGK. IN LÜBECK:
Der der Inschrift am nächsten gelegene Teil der Fläche ist mit spitzenartig durchbrochenem Rankenwerk überzogen, das nach unten hin zackenförmig abschließt; zwischen den Zacken stehen nach Südwesten zu die Worte LEICHTER VERACHT. ALS GEMACHT. Auf der Südseite trägt das Mittelfeld das 58 cm hohe flache Reliefbild der in einer Strahlenglorie auf dem Monde stehenden und von zwei Engeln gekrönten Muttergottes mit Kind und Szepter; auf der Nordseite stehen die Wappen der oben genannten vier Vorsteher zu je zwei nebeneinander angeordnet zwischen den Worten DA PACEM DOMINE – IN DIEBUS NOSTRIS (lat.: Gib Frieden Herr in unseren Tagen). Der Schlagring, den gegen das Mittelfeld hin ein von stilisiertem Blattwerk eingefaßter dreifacher Reifen abgrenzt, zeigt den Schriftstreifen:
KRIEG. FEUER DEUT ICH AN. GEB FRIED . VND FREUDENSZEICHEN –
GIB IESU DAS IN FRIED VND FREUD ICH STETES SCHALL –
WEND AB VON DIESER STADT . PEST. FEUER, UBERFALL :
Unterhalb dieser Inschrift befindet sich ein von zwei Reifen eingefasster Blattwerkstreifen mit kleinen musizierenden Putten. Die Glocke trägt die Jahreszahl 1668 – nach altem Osterstil gerechnet; danach fiel Ostern 1669 auf den 11. April; der Guss fand nach den Kirchenrechnungen am 2. April statt – nach der jetzigen Zeitrechnung 1669. Die Glocke läutete vom 1. Advent 1669 bis zur Nacht auf den Palmsonntag 1942 – 273 Jahre lang. In dieser Nacht brannte die Kirche beim großen Luftangriff auf Lübeck ab; es wird berichtet, dass die Glocken durch den starken Luftzug noch einmal läuteten, bis sie abstürzten und am Boden zerschellten. Die Reste der Pulsglocke wurden als Teil des Mahnmals an der Stelle ihres Aufpralls belassen.
Die Abendglocke in der Lübecker Ägidienkirche aus dem Jahr 1662 ersetzte ihre 1661 geborstene Vorgängerin. Eine detaillierte Beschreibung der Glocke mit Inschriften und Zierwerk geben die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck im Dritten Band.[10]
Auch die von Albert Benningk 1672 für die St. Menas (Mina)-Kirche in Staraja Russa gegossene Glocke machte noch im 20. Jahrhundert Geschichte. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg ob des inschriftlichen Hinweises auf Lübeck als den Ort ihrer Entstehung 1942 von Soldaten der aus Lübeck stammenden 30. Infanterie-Division der deutschen Wehrmacht beschlagnahmt und nach Lübeck gesandt.[11] Die Hansestadt gab die Beutekunst 2001 nach Staraja Russa zurück.[12] Die Glocke war im Krieg in eine Ecke der Katharinenkirche gestellt worden und dann bis zur Anfrage nach ihrem Verbleib in Vergessenheit geraten. Genutzt wurde sie in Lübeck nicht.
Jahr | Ort | Name | Gewicht in kg | Durchmesser in mm | Nominal | Bemerkung |
---|---|---|---|---|---|---|
1669 | Marienkirche (Lübeck) | Pulsglocke | 7134 | 2260 | f0 | Zerstört 1942 |
1670 | Ratzeburger Dom (2 Glocken) | 1893 beim Brand des Doms angeschmolzen und abgestürzt; eingeschmolzen für eine neue Glocke | ||||
1672 | St. Menas (Mina) (Staraja Russa) | 100 | von 1942 bis 2001 als Beutekunst in Lübeck | |||
1673 | St. Lorenz (Travemünde) | f1 | ||||
1681 | St. Georg auf dem Berge[13] (Ratzeburg) | Sterbeglocke | 870 | 1140 | fis1 | |
1681 | Dorfkirche Demern (Gemeinde Königsfeld (Mecklenburg)) | Kleine Glocke | 1905 umgegossen | |||
1681 | Fleninge auf Gotland | |||||
1682 | St. Aegidien (Lübeck) | Abend- oder Kleine Sermonisglocke | 1864 | 1399 | dis1–8 | |
1687 | Sophienkathedrale (Wologda) | |||||
1688 | Sarauer Kirche[14] | |||||
1693 | Kirche von Rudkøbing |
Eventuell sind ihm auch Glocken in der Dorfkirche Carlow (1681) und in der Dorfkirche Herrnburg (1690) zuzuweisen.[15]
Literatur
- Wendelin Boeheim: Meister der Waffenschmiedekunst. Berlin 1897, S. l3f.
- Wilhelm Erben, Wilhelm John (Hrsg.): Katalog des K.u.K. Heeresmuseums. 4. Auflage. Wien 1903, S. 442 (Nr. 67), books.google.com
- Benningk, norddeutsche Stückgießerfamilie, →Albert B. In: Ulrich Thieme, Felix Becker (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 3: Bassano–Bickham. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1909, S. 334–335 (Textarchiv – Internet Archive).
- Albrecht Freiherr von Reitzenstein: Benningk, Albert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 52 (Digitalisat).
- Mittheilungen des Vereins für Lübecker Geschichte und Alterthumskunde. 3. Heft, S. 211
- Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde. Max Schmidt, Lübeck 1913, S. 236–239 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Freien und Hansestadt Lübeck 2).
- Günter Meyer: Bronzekanonen aus Lübeck – Produktion und Handel der Ratsstückgießer. In: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte, Band 96 (2016), S. 143–163 (S. 158/161)
Weblinks
Einzelnachweise
- nach dänischen Archivunterlagen, siehe Otto Blom: Danske Stykkostøboro og Stykkostøborier for Metalskyts. In: Historisk tidsskrift. 4 (1883–84), S. 375–438, hier S. 391.
- Albrecht Freiherr von Reitzenstein: Benningk, Albert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 52 (Digitalisat).
- nach Otto Blom: Danske Stykkostøboro og Stykkostøborier for Metalskyts. In: Historisk tidsskrift 4 (1883–84). S. 375–438; nach anderen Quellen meldete seine Frau ihn schon am 20. August 1690 dem Rat der Stadt Lübeck als verstorben, so Boeheim (Lit.), S. 14, nach Erkenntnissen von Theodor Hach.
- Wilhelm Erben, Wilhelm John (Hrsg.): Katalog des K.u.K. Heeresmuseums. 4. Auflage. Wien 1903, S. 442.
- Toter Weblink: http://www.lostart.de/nn_4046/Webs/DE/Datenbank/EinzelobjektSucheSimpel,param=EOBJ__ID_3D217150_26SUCHE__ID_3D1434238_26__page_3D0_26__sort_3D_26__anchor_3Did4406.html Lost Art Internet Database – Institution Verlust, von Lostart.de, Datum: 2009-08-13 Zugriff 2010-06-19
- Russisches Artilleriemuseum (Memento vom 18. November 2010 im Internet Archive), abgerufen am 1. April 2010.
- Louis von Malinowsky, Robert von Bonin: Geschichte der brandenburgisch-preussischen Artillerie. Band 2, Berlin 1841, S. 6.
- Deutsches Historisches Museum Berlin. Dhm.de. Archiviert vom Original am 1. November 2009. Abgerufen am 19. Juni 2010.
- Beschreibung nach Gustav Schaumann, Friedrich Bruns (Bearbeiter): Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Hrsg. von der Baudeputation. Band 2, Teil 2: Die Marienkirche. Nöhring, Lübeck 1906, S. 432 f.
- Johannes Baltzer, Friedrich Bruns: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Herausgegeben von der Baubehörde. Band III: Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche. Verlag von Bernhard Nöhring, Lübeck 1920, S. 540–541. Unveränderter Nachdruck 2001: ISBN 3-89557-167-9
- Holger Walter: The bell of Staraja Russa. In: Spoils of War. 8, 2003, S. 105 f., lostart.de (Memento vom 16. März 2018 im Internet Archive) (PDF 2,12 MB).
- Lübeck gibt russische Glocke zurück. In: Die Welt. 3. Februar 2001 (welt.de).
- Website der Kirchengemeinde, abgerufen am 1. April 2010.
- nach Richard Haupt: Die Bau und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein. Band 2, Kiel 1888, S. 368.
- Theodor Hach: Lübecker Glockenkunde. Max Schmidt, Lübeck 1913, S. 239.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Nikolaus Wiese | Lübecker Ratsgießer 1665–1695 | Peter Christoph Geier |