Dorfkirche Herrnburg
Die Dorfkirche Herrnburg im Ortsteil Herrnburg der Gemeinde Lüdersdorf ist eine einschiffige Kirche der Backsteingotik. Sie liegt im Ortskern von Herrnburg umgeben von Pastorat, Altem Zollhaus, ehemaliger Wassermühle, ehemaligen Gaststättengebäuden und dem Feuerwehrhaus.
Zeugnisse
Im Ratzeburger Zehntregister wird Herrnburg 1230 noch nicht erwähnt. Die Kirche ist urkundlich erstmals 1319 belegt. Der Ort Herrnburg wird 1399 erstmals genannt.
Baugeschichte
Der älteste Teil der gotischen Dorfkirche Herrnburg ist der für Norddeutschland typische quadratische Kastenchor mit seinen ebenso typischen drei Ostfenstern. Er wird auf die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert und diente vermutlich ursprünglich als Kapelle an der Zollstation.
Das Kirchenschiff und die Sakristei an der Nordseite des Chores werden von der Entstehung her der Spätgotik zum Ende des 15. Jahrhunderts zugeordnet. Der mächtige Kirchturm ist noch jünger und wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor die Westseite des Kirchenschiffes gesetzt. Die ursprünglichen Kreuzgewölbe des Chors wurden 1767 durch eine flache Holzbalkendecken-Konstruktion ersetzt. Auch das Schiff hat eine flache Holzdecke, die Sakristei hingegen ein Tonnengewölbe. Der Turm trägt ein Walmdach von roten Ziegeln.
Ausstattung
Der spätgotische Flügelaltar ist ein Werk Lübecker Künstler zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Wahrscheinlich ist der Marienaltar identisch mit dem Altar, den der Lübecker Münzmeister Petrus Huk 1418 für die Maria-Magdalenenkirche (Burgkirche) in Lübeck stiftete. Huk hatte bereits den Umbau des Chores der Burgkirche um 1400 finanziert. Der Kunsthistoriker Hans Wentzel ordnete die Figuren 1937 drei verschiedenen Lübecker Bildschnitzern zu, die er zur Unterscheidung mit den Notnamen Herrnburger Meister I – III bezeichnete. Die verschiedenen Stilarten der einzelnen Figuren weisen darauf hin, dass aus der Stiftung des Petrus Huk kein neuer Altar hergestellt wurde, sondern ein bestehendes Retabel aus der Zeit um 1390 erweitert wurde. Der Altar gelangte vermutlich im Zusammenhang mit der Renovierung des Chores 1767 in die Herrnburger Kirche.[1] Die größtenteils weiblichen Heiligen im Mittelteil sind in zwei Reihen um die zentralen Darstellung der Verkündigung des Herrn (untere Reihe) und der Marienkrönung (obere Reihe) angeordnet. Die Figuren in den Seitenflügeln stellen die Apostel dar. Die ursprüngliche farbliche Fassung der geschnitzten Holzfiguren des Triptychons hat sich nicht erhalten, denn die Figuren wurden 1937 „von der entstellenden Bemalung befreit.“[2] Auch die renaissancezeitliche Bemalung der Rückseiten der Seitenflügel wurde entfernt. Seit der Renovierung 1989/90 steht das Retabel auf dem mittelalterlichen Altartisch und ist von einem gotischen Kruzifix gekrönt.[3]
Das älteste Ausstattungsstück dürfte das um 1400 entstandene Taufbecken sein, ein bronzener Kessel auf drei unregelmäßig angeschweißten Beine. 1618 stiftete Anna Broies die Taufschale aus Messing.
Die Kanzel ist eine Arbeit im Übergangsstil zwischen Renaissance und Barock. Sie wurde 1675 von dem Lübecker Bildschnitzer Gerhard Fick im Ohrmuschelstil gearbeitet. Die Figuren auf Korb und Aufgang stellen Christus als Weltenrichter umgeben von Evangelisten und Apostel dar. Den Schalldeckel bekrönt Christus als Guter Hirte. Die Kanzel war vermutlich für eine andere Kirche hergestellt worden.[4] Ihre Vorgängerin, eine Stiftung des Stiftssuperintendenten Nicolaus Peträus und seiner Frau von nach 1593, kam zu diesem Zeitpunkt in die 1973 gesprengte Kapelle des Siechenhauses vor Dassow.
Im Chor hängt über der zugemauerten Priestertür an der Nordwand ein Gemälde des Pastors Johann Wilhelm Bartholomäus Rußwurm (1770–1855), der von 1809 bis zu seinem Tod 1855 in Herrnburg wirkte und dem kirchlichen Leben zu einem Aufschwung verhalf. In den Händen hält er die von ihm 1826 veröffentlichte Musikalische Altar-Agende, nach der viele Jahrzehnte lang in den Kirchen der Umgebung der Gottesdienst gefeiert wurde.[4]
Unter der Decke ist eine Walrippe aufgehängt.
Orgel
Die Orgel wurde 1883/84 von dem Orgelbauer Friedrich Albert Mehmel auf der Westempore errichtet. 2014 erfolgte eine Restaurierung durch Reinalt Johannes Klein. Das Instrument verfügt über zehn Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. Die Trakturen sind mechanisch, die Windladen als Kegelladen ausgeführt.[5] Die Disposition lautet wie folgt:[6]
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- Koppeln: II/I, I/P, II/P
- Windablass
Glocken
Die größere der beiden Glocken im Turm wurde 1731 von Lorenz Strahlborn gegossen, die kleine Glocke goss Johann David Kriesche 1782 aus einer älteren Glocke um. Von den ursprünglich drei Glocken wurden die größte und älteste (von 1690) und die kleinste im Ersten Weltkrieg konfisziert. Die Kleinste kehrte 1921 in die Kirche zurück. Im Zweiten Weltkrieg wurde die größere der verbliebenen Glocken beschlagnahmt. Sie wurde nach dem Krieg auf dem Hamburger Glockenfriedhof gefunden und wurde nach Herrnburg zurückgebracht. Die Glocken werden noch heute per Hand geläutet.[7]
Gemeinde
Das Gebiet der Kirchgemeinde Herrnburg umfasst auch Duvennest, Klein und Groß Neuleben (früher Groß und Klein Mist), Lenschow, Lüdersdorf, Palingen, Wahrsow sowie bis 1945 auch das Lübeckische Gut Brandenbaum im Stadtteil Lübeck-St. Gertrud. Heute gehört die Gemeinde zur Propstei Wismar im Kirchenkreis Mecklenburg der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.[8] Durch neue Wohngebiete nach der Wende wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder von 500 im Jahr 1993 auf etwa 1700 Mitglieder im Jahr 2005.[9] Aufgrund des Mitgliederzuwachses wurde 2009[10] zwischen Kirche und altem Pastorat ein neues Gemeindezentrum gebaut.
Die St.-Marien-Kirche (Selmsdorf) wird von Herrnburg aus mitverwaltet.
Pastoren
- Carl Gottlob Heinrich Arndt (1751–1830), in Herrnburg von 1783 bis 1802, dann Dompropst am Ratzeburger Dom
- Johann Wilhelm Bartholomäus Rußwurm (1770–1855), in Herrnburg von 1809 bis zu seinem Tod 1855
- Johannes Rußwurm (1814–1890), in Herrnburg von 1841 bis 1855 als Adjunkt seines Onkels und von 1855 bis 1859 als Pastor, dann Dompropst am Ratzeburger Dom
Literatur
- Hans Wentzel: Das Taufbecken des Beno Korp und einige verwandte Skulpturen in Schweden und Norddeutschland. In: Fornvännen 1938, S. 129–153. (PDF; 2,78 MB mit diversen Abbildungen) unter Hinweis auf seinen Artikel über den Herrnburger Altar mit den Abbildungen sämtlicher Figuren in einer Beilage der Lübeckischen Blätter Nr. 13 vom 28. März 1937.
- Gerd Baier, Horst Ende, Brigitte Oltmanns, Gesamtredaktion Heinrich Trost: Die Bau- und Kunstdenkmale in der mecklenburgischen Küstenregion mit den Städten Rostock und Wismar. Henschel Verlag GmbH, Berlin 1990, ISBN 3-362-00523-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- Auszug aus: Jan Friedrich Richter: Das Triumphkreuz der Lübecker Burgkirche – Auf den Spuren einer verlorenen Chorausstattung. In: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte Bd. 96, 2016, S. 65–83
- Hans Wentzel (1938), S. 14 ff.
- Frank Martin Brunn: Kirche zu Herrnburg. Chorraum und Altar
- Frank Martin Brunn: Kirche zu Herrnburg. Kanzel
- Frank Martin Brunn: Orgel. In: Internetpräsenz der Kirchengemeinde Herrnburg. Ev.-Luth. Kirchengemeinde Herrnburg, abgerufen am 3. November 2018.
- Herrnburg, evangelische Dorfkirche. Mecklenburgisches Orgelmuseum, abgerufen am 3. November 2018.
- Glocken
- Zugehörigkeit der Gemeinde
- ? (Nicht mehr online verfügbar.) In: Internetpräsenz des Kirchenkreises Wismar. Archiviert vom Original am 29. September 2007; abgerufen am 10. Juli 2008. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Gemeindezentrum. In: Internetpräsenz der Kirchengemeinde Herrnburg. Ev.-Luth. Kirchengemeinde Herrnburg, abgerufen am 3. November 2018.