Österreichische Siemens-Schuckert-Werke
Die Österreichischen Siemens-Schuckert-Werke (ÖSSW) waren das größte Elektrotechnik-Unternehmen Österreichs und hatten einen bedeutenden Anteil an der Elektrifizierung der österreichischen Eisenbahnen.
Die ÖSSW waren eine eigenständige Tochterfirma der deutschen Siemens-Schuckertwerke.
Geschichte
Das Unternehmen entstand am 1. April 1904 im Zuge der Fusion der Starkstromabteilung der Wiener Tochterfirma der deutschen Siemens & Halske AG mit der der Österreichischen Schuckert-Werke, Tochter der Firma Schuckert & Co. aus Nürnberg.[1] Die ÖSSW stiegen bald zum bedeutendsten Elektrotechnikkonzern der Donaumonarchie auf und waren besonders in der Elektrifizierung des österreichischen Bahnnetzes und der Errichtung von Wasserkraftwerken führend.
Ein technisches Büro auf der Wiener Mariahilferstraße wurde eingerichtet, es folgten rasch weitere Büros in Linz, Graz und Innsbruck. Der Sitz der Firma und das Hauptwerk befanden sich in der Engerthstraße im 20. Bezirk,[2] ein weiteres bedeutendes Werk in der namensgebenden Siemensstraße im 21. Wiener Gemeindebezirk. Die Österreichischen Siemens Schuckert Werke waren neben den Ländern Cisleithaniens für Bosnien-Herzegowina, die Balkanländer, Griechenland und die Türkei zuständig. Innerhalb der Österreichischen Reichshälfte entstanden Vertriebsbüros in Brünn, Czernowitz, Lemberg, Müglitz, Reichenberg, Rumburg, Mährisch-Ostrau, Pilsen, Prag, Teplitz-Schönau, Troppau, Olmütz, Sarajewo, Laibach, Belgrad, Zagreb, Trient und Triest, der bedeutendsten Hafenstadt Österreich-Ungarns. Diese Büros wurden auch von der österreichischen Siemens & Halske AG, bei welcher das Schwachstromgeschäft verblieben war, genutzt. Darüber hinaus richteten die ÖSSW Auslandsvertretungen ein – unter anderem in Athen, Bukarest, Kairo, Konstantinopel, Saloniki, Sofia und Izmir (Smyrna). Als Tochterfirma im weitgehend eigenständigen Ungarn wurde die Ungarische Siemens Schuckert AG gegründet.[3]
Zwischen der Gründung und dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden zahlreiche elektrische Straßenbahnen, Lokalbahnen, Wasserkraftwerke und Überlandleitungen von den ÖSSW errichtet. Die Firma lieferte die elektrische Ausrüstung zu den von den Waggonfabriken Graz, Simmering, Nesselsdorf und Stauding gebauten Triebwagen und Lokomotiven. 1907 wurde mit der Lokalbahn Wien - Baden die erste Schnellbahn mit Wechselstromversorgung errichtet, die Motore der Triebwagen waren gleichermaßen für Gleich- und Wechselstrom geeignet. Im Jahre 1910 wurde die schmalspurige Mariazellerbahn als erste große Bahnstrecke der Welt mit Wechselspannung elektrifiziert, die seinerzeit gelieferten Lokomotiven der Reihe 1099 und das dazugehörige Kraftwerk Wienerbruck waren zum Teil über 100 Jahre im Dienst.
Es wurden zu dieser Zeit auch diverse Elektromotore, Schaltanlagen, Übertragungsleitungen, Bohrmaschinen, Stromzähler, Bogenlampen, Ventilatore, Pumpen und Aufzüge erzeugt.[4]
In der Zwischenkriegszeit machten sich die ÖSSW vor allem um die Elektrifizierung des Bahnnetzes der Österreichischen Bundesbahnen bemüht, wichtige Gebirgsbahnen wie die Arlbergbahn, die Giselabahn, die Tauernbahn oder die Salzkammergutbahn wurden mit Fahrleitungen und Kraftwerken der Österreichischen Siemens-Schuckert-Werke versorgt. In Wien wurde die Wiener Elektrische Stadtbahn geschaffen. 1927 wurde in der Nibelungengasse unter Carl Friedrich von Siemens das Siemenshaus errichtet. 1929 belief sich die Belegschaft der ÖSSW (einschließlich der Tochtergesellschaften in den Nachfolgestaaten der Monarchie) auf rund 11.700 Mitarbeiter, mit 3.800 Beschäftigten erreichen die Wiener Werke einen Höchststand. 1930 wurde erstmals in Österreich ein Seekabel verlegt und zwar für die Oberösterreichische Kraftwerke AG quer durch den Wolfgangsee nach St. Gilgen.[1]
1939 verloren die ÖSSW im Zuge des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich ihre Eigenständigkeit und wurden zu Zweigstellen des Stammhauses. Im Zweiten Weltkrieg wurden auch Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge eingesetzt. Ende des Jahres 1944 waren von ca. 22.000 bei Siemens in der Ostmark tätigen Personen etwa 4.400 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, darunter rund 400 KZ-Häftlinge.[5] Die Werksanlagen in Wien wurden durch Bombardements weitgehend zerstört, nach Kriegsende folgte die Demontage noch brauchbarer Anlagen durch die Besatzungsmächte. Das Unternehmen wurde als Siemens Schuckert Werke wieder selbstständig und unter großen Schwierigkeiten wieder aufgebaut. 1946 wurden die ÖSSW verstaatlicht, ausgenommen davon waren bis 1955 die unter der Kontrolle der USIA stehenden Werke in der Engerthstraße und der Siemensstraße.[1]
Im Zuge des Wiederaufbaues Österreichs wurden viele Eisenbahn- und Straßenbahnfahrzeuge repariert, neue elektrische Ausrüstungen und Fahrzeuge entwickelt und die Wiener Staatsoper und das Burgtheater mit neuen elektrischen Installationen ausgerüstet (gemeinsam mit Siemens & Halske). Nach dem Staatsvertrag gelang es den SSW, wieder an die großen Erfolge der Vorkriegszeit anzuknüpfen.[3]
Für die Ausrüstung elektrischer Bahnen wurde bereits in der Zwischenkriegszeit eine erfolgreiche Kooperation mit den anderen Elektrotechnikunternehmen in Österreich eingegangen, aus der Schließlich nach dem Krieg die Firmengemeinschaft ABES entstand - ein Verband der Firmen AEG-Union, Österreichische Brown, Boveri Werke, ELIN und Siemens-Schuckert. Sie diente vornehmlich der quotenmäßigen Aufteilung der Aufträge für elektrische Ausrüstungen.
1965 änderte das Unternehmen im Zuge eines Vereinheitlichungsprozesses der Starkstromindustrie in Österreich seinen Namen in Wiener Starkstromwerke (WStW). 1967 wurde die österreichische Siemens GmbH gegründet und die WStW fusionierte mit dieser, 1970 wurde die Siemens AG Österreich geschaffen und die diversen Siemens-Betriebe in dieser zusammengefasst.[6]
Erzeugnisse der ÖSSW
Erzeugt wurden vor allem elektrische Ausrüstungen für Schienenfahrzeuge und E-Werke.
- Lokomotive der Höllentalbahn von 1903.
- Ybbser Straßenbahn von 1907.
- Elektrolok der Mariazellerbahn von 1910/11 bei ihrem Abschied aus dem täglichen Betrieb (2013).
- Kraftwerk Wienerbruck in den Ötschergräben von 1910.
- Triebwagen 5 der Straßenbahn Gmunden von 1911.
- ÖSSW-Fahrschalter in einem Triebwagen der Florianerbahn von 1912.
- Triebwagen Typ K der Wiener Straßenbahn von 1912.
- Güterzugslok BBÖ 1080 von 1924.
- BBÖ 1570, eine Schnellzugslok für Talstrecken von 1925.
- Triebwagen 1 der Höllentalbahn von 1926.
- Umformeranlage der Höllentalbahn aus dem Jahr 1926. Zwei Umformersätze mit rotierenden Umformern zur Transformation von Wechselstrom in Gleichstrom.
- Schnellzugslok der Reihe BBÖ 1670, von 1928 bis 1932 gebaut. Antrieb durch senkrecht montierte Motoren über Kegelradgetriebe.
- Fabriksschild der ÖSSW
- Type M der Wiener Straßenbahn aus den späten 1920er Jahren.
- 1927 wurde mit dem schmalspurigen Einzelstück 2070/s eine der ersten Diesellokomotiven Österreichs gebaut. Diesel-elektrische Kraftübertragung.
- 1934 kooperierten die großen Elektrounternehmen Österreichs im Rahmen der ABES erstmals bei den Lokomotiven der Reihe 1245.
- Für die diesel-elektrischen Schnelltriebwagen der Reihe VT 42 fertigten die ÖSSW die Generatoranlage.
- Diesel-elektrische Schmalspurlok 2091.02 von 1936. Kraftübertragung nach System Gebus.
- Elektrolok der Reihe 1041 der ÖBB aus den 1950er Jahren.
- Die Schnellzugloks der Reihe 1010 wurden 1955 bis 1958 gebaut und von der ABES elektrisch ausgerüstet.
Einzelnachweise
- Geschichte Siemens Österreich. Abgerufen am 13. Juni 2021.
- ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 13. Juni 2021.
- Geschichte Siemens Österreich. Abgerufen am 13. Juni 2021.
- ÖNB-ANNO - Elektrotechnik und Maschinenbau. Abgerufen am 13. Juni 2021.
- Siemens AG Österreich. Abgerufen am 13. Juni 2021.
- Geschichte Siemens Österreich. Abgerufen am 13. Juni 2021.