Weißschnauzendelfin
Der Weißschnauzendelfin (Lagenorhynchus albirostris) ist ein Meeressäuger aus der Gattung der Kurzschnauzendelfine (Lagenorhynchus). Er lebt nur im Nordatlantik und stellt dort den Vertreter seiner Gattung mit dem nördlichsten Verbreitungsgebiet überhaupt dar.
Weißschnauzendelfin | ||||||||||||
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Weißschnauzendelfine (Lagenorhynchus albirostris) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Lagenorhynchus albirostris | ||||||||||||
Gray, 1846 |
Merkmale
Mit einer Größe von 1,10 bis 1,20 Metern bei der Geburt und einer durchschnittlichen Größe von 2,75 Metern im Erwachsenenalter gehört der Weißschnauzendelfin zu den größeren Delfinen. Die Tiere erreichen ein Gewicht bis zu 350 Kilogramm, Männchen sind etwas größer als die Weibchen.
Der Weißschnauzendelfin ist durch seine kurze kräftige cremefarbene Schnauze gekennzeichnet, auf die auch der Name dieser Art zurückgeht. Diese ist auch anatomisch deutlich vom Kopf abgesetzt. Ein weiteres deutliches Merkmal ist die sichelförmig nach hinten gebogene Rückenflosse, die als Finne bezeichnet wird. Die Brustflossen oder Flipper sind an der Basis sehr breit und an der Spitze leicht abgerundet. Der Schwanzstiel ist bauch- und rückenseits gekielt, der Hinterrand der Schwanzflosse oder Fluke ist konkav gerundet und mäßig eingekerbt.
Der Rücken und die Seiten des Wales sind dunkelgrau bis schwarz, wobei sich an den Seiten jeweils zwei hellgraue Felder befinden, die auch ineinander übergehen können. Sämtliche Flossen sind ebenfalls schwarz, der Bauch und die Kehle dagegen weiß gefärbt. Bezüglich der Färbung besteht allerdings eine hohe Variabilität. So kann die Unterseite der Fluke mit weißen Flecken gesprenkelt sein oder eine dunkle Streifung vom Mund zur Brustflosse ziehen. Besonders die Form und die Verschmelzung der Seitenflecke variiert sehr stark.
Die Tiere haben mit 88 bis 93 Wirbeln die größte Wirbelanzahl aller Wale. Die Anzahl der kegelförmigen Zähne liegt mit 22 bis 25 Paar je Kiefer hingegen verglichen mit anderen Delfinen relativ niedrig.
Der Weißschnauzendelfin wird oft mit dem Weißseitendelfin (Lagenorhynchus acutus) verwechselt, obgleich dieser im Allgemeinen weiter im Norden anzutreffen ist. Des Weiteren ist der Weißschnauzendelfin gewöhnlich größer und hat keine gelben Streifen auf seiner Seite.
Verbreitung
Der Weißschnauzendelfin ist nur im Nordatlantik verbreitet und daher eine endemische Art. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich in einem Band über den Ozean von Cape Cod, der Mündung des Sankt-Lorenz-Stroms und Südgrönland im Westen, um Island, hinüber nach Nordfrankreich und Spitzbergen im Osten.
In europäischen Gewässern ist er vor allem um Island verbreitet, daneben findet man ihn häufig vor Norwegen, Großbritannien, Irland, Deutschland, den Niederlanden und Dänemark. Regelmäßige Sichtungen stammen auch aus der westlichen Ostsee. Aus Nordfrankreich sind bislang erst wenige Sichtungen und Strandungen bekannt. Aus den Meeresgebieten südlich des Ärmelkanals sind keine derartigen Ereignisse bekannt, weshalb angenommen werden kann, dass der Delfin wahrscheinlich dort nicht vorkommt.
Wie auch andere Wale wandern die Weißschnauzendelfine im Frühjahr nordwärts, oft bis an den Rand des Packeises. Im Winter halten sich die Tiere in gemäßigteren Bereichen des Nordatlantik auf.
Lebensweise
Die Weißschnauzendelfine leben vor allem im Pelagial der Gewässer, kommen jedoch auch bis an die Küsten und in die küstennahen Bereiche. Zur Jagd und in der Paarungszeit treten die Weißschnauzendelfine in Schulen von 6 bis 30 Tieren auf, es wurden aber auch schon Gruppen von bis zu 1.500 Tieren beobachtet. Auch gemischte Gruppen mit anderen Kleinwalen, vor allem dem Großen Tümmler (Tursiops truncatus) und dem Weißseitendelfin, sowie mit Großwalen wie dem Finnwal (Balaenoptera physalus) wurden gesichtet.
Die Meeressäuger ernähren sich hauptsächlich von Schwarmfischen bis zur Größe von Makrelen und Tintenfischen. Gelegentlich nehmen sie auch Beutetiere zu sich, die auf dem Meeresboden leben, etwa verschiedene Krebstiere. Als Feinde sind besonders bei den jungen Delfinen wahrscheinlich Haie und der Große Schwertwal (Orcinus orca) zu nennen, Belege dafür gibt es allerdings keine.
Die Größe der Population wird auf mehrere hunderttausend Exemplare geschätzt, wobei die Tiere im Osten ihres Verbreitungsgebietes häufiger vorkommen als im Westen.
Fortpflanzung und Entwicklung
Man nimmt aufgrund von untersuchten Tieren an, dass die Geschlechtsreife etwa ab einer Länge von 2,50 Metern beginnt. Dies kann jedoch nicht auf das Alter übertragen werden, da Wachstumsuntersuchungen fehlen.
Aufgrund der Häufung von Jungtieren bei Strandungen im Juli bis September wird angenommen, dass die Geburtszeit in den Hochsommer fällt, über die Trächtigkeitsdauer und die Paarungszeiten sowie die Paarungsgebiete ist dagegen nichts bekannt.
Die Geburtslänge der Weißschnauzendelfine beträgt etwa 1,20 Meter, doch weder die Wachstumsrate noch das maximale Alter der Tiere sind bekannt.
Systematik
Der Weißschnauzendelfin wurde als erste Art der Gattung Lagenorhynchus 1846 von John Edward Gray beschrieben.
In die gleiche Gattung der Kurzschnauzendelfine werden außerdem vier weitere Arten eingeordnet. Dabei handelt es sich um den Weißstreifendelfin (Lagenorhynchus obliquidens), den Schwarzdelfin (Lagenorhynchus obscurus), den Peale-Delfin (Lagenorhynchus australis) und den Stundenglasdelfin (Lagenorhynchus cruciger). Phylogenetische Untersuchungen zu dieser Gruppe existieren bislang nicht.
Bedrohung und Schutz
Der Weißschnauzendelfin wird als Art mit nur sehr geringer wirtschaftlicher Bedeutung eingestuft. Es gab in der Vergangenheit durch Fischerei und Walfänge an den Küsten Kanadas, Grönlands und Skandinaviens gelegentliche Fänge der Tiere, sie waren jedoch meist nicht gezielt auf diese Wale gerichtet. Im 19. Jahrhundert wurden Weißschnauzendelfine offensichtlich regelmäßig im Osten Kanadas von Indianern in Buchten getrieben und dort getötet. 1983 wurden fünf Tiere lebend für das Aquarium in Mystic (Connecticut), gefangen. Weitere Berichte über Lebendfänge gibt es nicht.
Wie bei vielen anderen Walen stellt auch für die Weißschnauzendelfine die Verschmutzung der Meere eine Belastung dar, genaue Zahlen dazu existieren jedoch nicht. In seiner Speckschicht konnten verschiedene fettlösliche Umweltgifte wie polychlorierte Biphenyle (PCB) und Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber festgestellt werden. Auch eine Belastung mit Heptachlorepoxid, dem Abbauprodukt des ehemals weit verbreiteten, in Deutschland aber inzwischen verbotenen Pflanzenschutzmittels Heptachlor, konnte für diese Art nachgewiesen werden.
Der Weißschnauzendelfin fällt wie alle Kleinwale nicht unter die Schutzbestimmungen der Internationalen Walfangkommission (IWC). Er ist allerdings durch das Washingtoner Artenschutzabkommen im Anhang II gelistet, ein internationaler Handel mit entsprechenden Delfinprodukten ist entsprechend untersagt. Hinzu kommen spezielle Gesetze in verschiedenen Staaten, die die Jagd und den Handel mit Delfinen reglementieren.
Literatur
- Anders Galatius, Carl Christian Kinze: Lagenorhynchus albirostris (Cetacea: Delphinidae). Mammalian Species 48 (933), 5. August 2016; S. 35–47. DOI:10.1093/mspecies/sew003
- J. Niethammer, F. Krapp (Hrsg.): Handbuch der Säugetiere Europas. Band 6. Meeressäuger, T 1a. Wale und Delphine 1. Aula, Wiesbaden 1994, ISBN 3-89104-559-X
- R. R. Reeves, B. S. Stewart, P. J. Clapham, J. A. Powell: Sea Mammals of the World. A Complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows. Black, London 2002, ISBN 0-7136-6334-0
- Mark Carwardine: Wale und Delfine. Delius Klasing, Bielefeld 2008, ISBN 978-3768824736
- Mark Carwardine: Delphine – Biologie, Verbreitung, Beobachtung in freier Wildbahn. Naturbuch, Augsburg 1996, ISBN 3-89440-226-1
- Ralf Kiefner: Wale und Delfine weltweit. Jahr Top Special, Hamburg 2002, ISBN 3-86132-620-5
- Gérard Soury: Das große Buch der Delphine. Delius Klasing, Bielefeld 1997, ISBN 3-7688-1063-1
- Maurizio Würtz, N. Repetto: Underwater World. Dolphins and Whales. White Star Guides, Vercelli 2003, ISBN 88-8095-943-3
- Tsuneo Nakamura: Dolphins. Chronicle Books, San Francisco 1997, ISBN 0-8118-1621-4
Weblinks
- Lagenorhynchus albirostris in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Cetacean Specialist Group, 1996. Abgerufen am 12. Mai 2006.