Vecuronium
Vecuronium ist der Freiname (INN) für ein nichtdepolarisierendes, mittellang wirksames Muskelrelaxanz, das 1980 in die klinische Anwendung eingeführt wurde. Es stellt eine Weiterentwicklung des langwirksamen Pancuroniums dar und gehört wie dieses zur Gruppe der Amino-Steroide. Im Gegensatz zum Pancuronium besitzt das Vecuronium bei physiologischem pH-Wert nur ein quartäres Aminzentrum (monoquaternäres Relaxans).
Strukturformel | ||||||||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||||||||
Freiname | Vecuronium | |||||||||||||||||||||
Andere Namen |
[(2S,3S,5S,8R,9S,10S,13S,14S,16S,17R)-3-Acetyloxy-10,13-dimethyl-16-(1-methylpiperidin-1-ium-1-yl)-2-piperidin-1-yl-2,3,4,5,6,7,8,9,11,12,14,15,16,17-tetradecahydro-1H-cyclopenta[a]phenanthren-17-yl]acetat-bromid (IUPAC) | |||||||||||||||||||||
Summenformel | C34H57BrN2O4 | |||||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
geruchloses, weißes, kristallines Pulver[1] | |||||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||||||||||
ATC-Code |
M03AC03 | |||||||||||||||||||||
Wirkstoffklasse |
Muskelrelaxans | |||||||||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||||||||||
Molare Masse | 637,73 g·mol−1 | |||||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
fest | |||||||||||||||||||||
Schmelzpunkt |
228 °C[2] | |||||||||||||||||||||
Siedepunkt |
ab 350 °C Zersetzung[1] | |||||||||||||||||||||
Löslichkeit | ||||||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||||||||
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Toxikologische Daten | ||||||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Pharmazeutisch eingesetzt wird das Bromid.
Pharmakologische Eigenschaften
Vecuronium ist ein potentes Muskelrelaxans, die effektive Dosis für eine 95%ige Wirkung (ED95) beträgt 0,05 mg/kg Körpergewicht. Die Anschlagzeit nach einer üblichen Intubationsdosis (zweifache ED95) beträgt 2–3 Minuten, die klinische Wirkdauer nach einmaliger Gabe 30–40 Minuten. Das Verteilungsvolumen ist durch die Hydrophilie des Moleküls wie bei den anderen nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien klein und beträgt 0,2–0,5 Liter pro kg Körpergewicht. Die Plasmaclearance beträgt 2,5–5 ml/kgKG/min.
Etwa 30 % des Vecuroniums werden über die Nieren ausgeschieden, der Rest auf biliärem Weg, wobei ein Teil von der Leber zu Metaboliten umgesetzt wird. Dabei entstehen 3-Hydroxy-, 3,17-Hydroxy- und 17-Hydroxyvecuronium, von denen das erstere eine 50%ige Potenz zeigt, während die anderen Metaboliten kaum wirksam sind. Bei wiederholter oder kontinuierlicher Gabe kann die Wirkdauer verlängert sein, hauptsächlich durch Akkumulation des 3-Hydroxy-Metaboliten. Dies kann auch bei einem Leberversagen der Fall sein, wobei ein solches nach einmaliger Gabe nur eine geringe Rolle spielt. Eine Niereninsuffizienz hat keine Auswirkungen auf die Wirkdauer.
Anwendung
Vecuronium wird als nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans zur Herstellung von guten Intubationsbedingungen (zur endotrachealen Intubation) im Rahmen einer Narkoseeinleitung und/oder bei operativen Eingriffen, die eine Relaxierung der Skelettmuskulatur erfordern, eingesetzt. Vecuronium (-bromid) wird als lösliches Pulver (Lyophilisat) geliefert, das zur Anwendung in Wasser gelöst wird; da die Lagerung dadurch vereinfacht wird und keine Kühlung notwendig ist, wird Vecuronium oft in der Notfallmedizin eingesetzt. Es ist jedoch nicht zur Rapid Sequence Induction geeignet, was seine Anwendung limitiert.
Es besteht eine Inkompatibilität mit dem Barbiturat Thiopental, so dass diese Wirkstoffe getrennt appliziert werden müssen.
In den US-Bundesstaaten Florida und Oklahoma sollte Vecuronium 2014 zusammen mit Hydromorphon und Kaliumchlorid zur Hinrichtung eingesetzt werden, nachdem die üblichen Barbiturate nicht mehr verfügbar waren.[6] Im April 2014 misslang die erste derartige Hinrichtung im Staatsgefängnis McAlester spektakulär.[7][8]
Nebenwirkungen
Das Nebenwirkungsprofil entspricht dem anderer nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien; eine eigenständige Atmung des Patienten ist durch die komplette Lähmung der Skelettmuskulatur nicht mehr möglich, weshalb eine Atemwegssicherung und kontrollierte Beatmung durchgeführt werden muss. Vecuronium zeichnet sich durch Kreislaufstabilität aus und hat nahezu keine blockierende Wirkungen an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren (keine Vagolyse, keine Auslösung einer Tachykardie). Auch wird keine relevante Histaminausschüttung verursacht.
Anwendungsbeschränkungen
Obwohl Vecuronium nicht plazentagängig ist, liegen zur Sicherheit während der Schwangerschaft keine Studien am Menschen vor, so dass die Anwendung nicht empfohlen wird. Eine Anwendung bei Kindern[9] ist jedoch möglich.
Handelsnamen
Vecuronium ist als Bromid in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter dem Namen Norcuron (ursprüngliche Bezeichnung Org NC 45[10]) sowie in Deutschland auch als Generikum im Handel erhältlich.
Literatur
- Rossaint, Werner, Zwissler (Hrsg.): Die Anästhesiologie. Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. Springer, Berlin; 2. Auflage 2008. ISBN 978-3-540-76301-7
- Heck, Fresenius: Repetitorium Anästhesiologie. 5. Auflage. Springer, Berlin; 2007, ISBN 978-3-540-46575-1
- Fachinformation Norcuron®
Einzelnachweise
- F. v. Bruchhausen, S. Ebel, A. W. Frahm, E. Hackenthal: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Band 7: Stoffe A–D. 5. Auflage. Springer/Birkhäuser, 1995, ISBN 978-3-540-52688-9, S. 97.
- Eintrag zu Vecuronium bromide in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM)
- Datenblatt Vecuronium bromide bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 25. April 2011 (PDF).
- Anesthesia and Analgesia Vol. 66, S. 188, 1987.
- British Journal of Anesthesia. Vol. 57, S. 807, 1985.
- Oklahoma plans to use untested three-drug combination in two executions. The Guardian, 1. April 2014.
- Oklahoma blames inmate’s vein for botched execution; attorney questions ‘untried’ lethal injection. AP, 30. April 2014.
- Eine Hinrichtung wühlt die USA auf. Tages-Anzeiger, 3. Mai 2014.
- Vgl. etwa W. Friesdorf, M. Schulz, Th. Fösel, K. H. Altemeyer: Pharmakodynamik von Vecuronium im Kleinkindesalter bei intravenöser Narkoseeinleitung mit Ketamin. In: Der Anaesthesist. Band 35, 1986, S. 99–102.
- Vgl. etwa R. Riegler, S. Fitzal: Beeinflussung des Kreislaufverhaltens unter ORG NC 45 (Norcuron) bei drei verschiedenen Narkoseverfahren an kardial gesunden Patienten. In: Der Anaesthesist. Band 33, 1984, S. 363–365.