United States Holocaust Memorial Museum
Das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM, deutsch Holocaust-Gedenkmuseum der Vereinigten Staaten) ist ein Museum in Bundeshand in Washington, D.C. Es ist eins von 22 Holocaustmuseen in den USA. Es dient als nationale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust, zu dessen Dokumentation und Interpretation. Seit seiner Eröffnung 1993 befindet es sich am nach Raoul Wallenberg benannten Raul-Wallenberg-Platz auf der National Mall zwischen Washington Monument und Jefferson Memorial.
Entstehung
Das Museum beruht auf einer von Präsident Jimmy Carter 1978 einberufenen Kommission (President’s Commission on the Holocaust, später: U.S. Holocaust Memorial Commission), deren erster Vorsitzender Elie Wiesel war. Die Vorlage wurde 1980 vom US-Kongress einstimmig, zusammen mit den Days of Remembrance, beschlossen (Public Law 96-388). Auf dieser Entschließung beruht auch die Förderung aus öffentlichen Mitteln.
Konzeptstreit
Mit Jimmy Carters Initiative für das Museum 1978 begann ein Streit um dessen Konzept. Auslöser war sein Auftrag, eine nationale Gedenkstätte für „die sechs Millionen, die in dem Holocaust ermordet wurden“, zu entwerfen: Damit begrenzte er den Begriff auf die Judenvernichtung. Daraufhin beanspruchten Vertreter verschiedener nichtjüdischer NS-Opfergruppen einen analogen Opferstatus und Aufnahme in das Museumskonzept. Carter erweiterte die Holocaustdefinition 1979 darum auf „elf Millionen unschuldige Opfer, von denen sechs Millionen Juden waren“. Dagegen betonte Elie Wiesel, der damals der Gründungskommission vorstand, das vom NS-Staat angestrebte Ziel der Ausrottung aller Juden als analogielose Besonderheit. Er fasste es später mit dem oft zitierten Satz zusammen: „Nicht alle Opfer waren Juden, aber alle Juden waren Opfer.“[1] Die von Carter berufene, mehrheitlich von Vertretern jüdischer NS-Opfer besetzte Gründungskommission definierte „Holocaust“ in ihrem Museumsentwurf als „systematische, bürokratische Vernichtung von sechs Millionen Juden durch die Nazis und ihre Kollaborateure als zentralen Staatsakt während des Zweiten Weltkriegs“. Darum verlangte sie einen Vorrang für das Gedenken dieses Ereignisses, aber keinen Ausschluss anderer Opfergruppen. Die US-Regierung lehnte diesen Vorrang ab und vermied eine klare Begriffsdefinition, gebrauchte den Holocaustbegriff offiziell aber weiterhin als Synonym für die NS-Judenvernichtung.[2]
Gebäudeentwurf
1983 präsentierte George H. W. Bush der Kommission den ersten Gebäudeentwurf. Die Verhandlungen über die architektonische Gestaltung und die Inhalte (schwarze US-Amerikaner sowie Indianer und Revisionisten sahen ihre Interessen nicht berücksichtigt) führten dazu, dass es erst 14 Jahre später, im April 1993, als "public-private enterprise" eröffnet wurde. Das Gebäude wurde vom Architekten James Freed mit 200 Mio. $ aus Privatspenden auf öffentlichem Boden errichtet. Zu diesem Zweck wurde der Kommission der historische Auditor's Building Complex 1987 von der General Services Administration übertragen. Bedenken von Bürgern und innerhalb der Kommission verhinderten den ursprünglich geplanten kompletten Abbruch.
Ausstellungen
Die Ausstellungsräume beinhalten 26.000 authentische Artefakte sowie zahlreiche Ausstellungen und Veröffentlichungen mit Bezug zum Holocaust. Gebäudezentrum ist eine hexagonale Halle des früheren Gebäudes (heute "Hall of Remembrance"). Den Startpunkt des Rundgangs bilden in der "Hall of Flags" die Fahnen verschiedener US-Divisionen, die am Sieg beteiligt waren. Das Museum sammelt und bewahrt Beweisstücke, verbreitet Lernmaterialien und produziert Radio- und Fernsehprogramme. Es finden jährliche Gedenkfeiern statt.
Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden zeigte eine Ausstellung des Holocaust Memorial Museums: Tödliche Medizin: Rassenwahn im Nationalsozialismus vom 12. Oktober 2006 bis 24. Juni 2007.
Verwaltung
Das Museum wird von einem 55-köpfigen United States Holocaust Memorial Council geleitet, der um 10 Kongressabgeordnete und drei ex officio Vertreter jeweils des Bildungs-, Innen- und Außenministeriums ergänzt wird. Präsident des Rates ist Fred S. Zeidman. 2006 berief George W. Bush den konservativen Kolumnisten Dennis Prager ins Konzil.[3]
Das Museum hat etwa 1,7 Mio. Besucher pro Jahr. Seit der Gründung 1993 besuchten es 23 Mio. Menschen, davon 8 Mio. Schulkinder.
Bei Einnahmen von 70 Mio. $ im Jahr (davon 42 Mio. $ staatliche Zuschüsse; zum Vergleich: British Museum 56 Mio. $; Louvre 118 Mio. $) hat es im Geschäftsjahr 2005 Überschüsse in Höhe von 15,3 Mio. $ erwirtschaftet. Im Vergleich zu anderen Museen, die zudem nicht eine einzelne Ethnie thematisieren, hat das USHMM erhebliche Rücklagen in Aktien (63 Mio. $), Investmentfonds (58 Mio. $), israelischen Staatsanleihen (4,2 Mio. $) und anderen Anlageformen, insgesamt 147,5 Mio. $ (2005[4]). Zur Konsolidierung strebt es künftig einen Kapitalstock von 300 Mio. $ an.
Schießerei
Am 10. Juni 2009 erschoss der 88-jährige Rechtsextremist James von Brunn beim Betreten des Gebäudes einen Wachmann, der ihm die Tür geöffnet hatte. Andere Wachleute erwiderten das Feuer und verletzten Brunn schwer. Er starb am 6. Juni 2010. Ermittlern zufolge hatte er die Schießerei im Museum monatelang als Selbstmordattentat geplant, um den Juden die Botschaft zu senden, der Holocaust sei ein Schwindel. Er habe als Märtyrer für sein Anliegen, die Holocaustleugnung, sterben wollen.[5]
Dienste
1998 wurde im USHMM das Center for Advanced Holocaust Studies (CAHS), heute das Mandel Center, gegründet. In Zusammenarbeit mit dem Academic Committee des United States Holocaust Memorial Council unterstützt die CAHS Forschungsprojekte und Publikationen zum Holocaust und es hilft dabei Sammlungen mit Bezug zum Holocaust zugänglich.
Seit 1993 gibt es für österreichische Zivildienstpflichtige die Möglichkeit am USHMM einen einjährigen Gedenkdienst abzuleisten. Auch Aktion Sühnezeichen Friedensdienste entsendet jährlich Freiwillige ans USHMM, im Rahmen eines Friedensdienstes in den USA.
Elie Wiesel Award
Seit 2011 vergibt das United States Holocaust Memorial Museum den Elie Wiesel Award. Er wird vergeben an Personen, die sich in besonderer Weise für eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die Erinnerung an den Holocaust und für die Würde eines jeden Menschen einsetzen. Auf dem Preis eingraviert ist ein Satz aus der Rede Wiesels, die er im Jahr 1986 hielt, als er den Friedensnobelpreis in Empfang nahm. Der Satz lautet: One person of integrity can make a difference.[6]
Ausgezeichnet wurden seit 2011 folgende Preisträger:[7]
- 2011: Elie Wiesel
- 2012: Aung San Suu Kyi, aberkannt im März 2018[8]
- 2013: Władysław Bartoszewski
- 2014: Roméo Dallaire
- 2015: Thomas Buergenthal und Benjamin Ferencz
- 2016: John Lewis
- 2017: Angela Merkel
- 2018: Alle Überlebende des Holocausts
- 2019: Syrischer Zivilschutz, Serge und Beate Klarsfeld
Literatur
- Jeshajahu Weinberg, Rina Elieli: The Holocaust Museum in Washington. Rizzoli International, New York NY 1995, ISBN 0-8478-1906-X.
- Edward Tabor Linenthal: Preserving memory: the struggle to create America's Holocaust Museum. Viking, 1995, ISBN 0670860670.
- Stefan Krankenhagen: Auschwitz darstellen. Böhlau, Wien 2001, ISBN 3412047015 (Kapitel: The Americanization of the Holocaust, S. 163–220; Buchauszug online).
- Matthias Haß: Gestaltetes Gedenken: Yad Vashem, das U.S. Holocaust Memorial Museum und die Stiftung Topographie des Terrors. Campus Verlag, 2002, ISBN 3593371154.
- Katrin Pieper: Die Musealisierung des Holocaust. Böhlau, Wien 2006, ISBN 341231305X.
- Brenda Haugen, Harold Marcuse, Alexa Sandmann: The Holocaust Museum. Compass Point Books, 2007, ISBN 0756533570.
- Jan Eckel, Claudia Moisel: Universalisierung des Holocaust? Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in internationaler Perspektive. Wallstein, 2008, ISBN 3835303104.
Weblinks
- United States Holocaust Memorial Museum (englisch)
- United States Holocaust Memorial Museum bei Google Cultural Institute
- weltweite Liste der Holocaustmuseen
- Christian Esch: Mit den SS-Maiden auf der Hütte. In: Berliner Zeitung. 22. September 2007, abgerufen am 4. September 2015.
Einzelnachweise
- Jewish Virtual Library: Congressional Gold Medal Awarded to Elie Wiesel (April 19, 1985)
- Katrin Pieper: Musealisierung des Holocaust. Böhlau, Wien 2006, ISBN 341231305X, S. 68–78 (Buchauszug online).
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 21. Dezember 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. USHMM-Pressemeldung vom 6. September 2006
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 13. Juni 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Washington Post, 7. Juni 2010: Von Brunn, white supremacist Holocaust museum shooter, dies
- German Chancellor Merkel to Receive Museum’s 2017 Elie Wiesel Award. United States Holocaust Memorial Museum, 23. März 2017, abgerufen am 25. April 2017 (englisch).
- The Elie Wiesel Award. United States Holocaust Memorial Museum, abgerufen am 25. April 2017 (englisch).
- Aung San Suu Kyi verliert Preis für Menschenrechte