Serge Klarsfeld
Serge Klarsfeld (* 17. September 1935 in Bukarest) ist ein französischer Rechtsanwalt und Historiker. Der Holocaust-Überlebende ist einer der bekanntesten Nazi-Jäger und spürte zusammen mit seiner Frau Beate Klarsfeld den als „Schlächter von Lyon“ berüchtigten Klaus Barbie und zahlreiche andere NS-Verbrecher auf.
Leben
Serge Klarsfeld wurde am 17. September 1935 als Sohn jüdischer Eltern (Raissa und Arno Klarsfeld) in Bukarest (Rumänien) geboren. Die Eltern hatten sich 1929 in Paris kennengelernt. Nach dem deutschen Einmarsch im Juni 1940 flohen sie in die unbesetzte Zone Frankreichs (Zone libre). In Nizza wurde Serge Klarsfeld als Kind fast Opfer einer der großen Razzien des Kommandos von Alois Brunner (30. September 1943). Die Familie hatte sich hinter der doppelten Wand eines Wandschranks versteckt, doch der Vater, der in der Wohnung geblieben war, damit die Gestapo keinen Verdacht schöpfte, wurde festgenommen, deportiert und in Auschwitz ermordet.
Nach dem Krieg studierte Klarsfeld Geschichte an der Sorbonne und Politik am Institut d’études politiques de Paris (IEP). Er schloss 1960 mit einem Diplom in Politikwissenschaft ab. Klarsfeld wurde promoviert (französisch Docteur ès lettres). Ab 1970 studierte Klarsfeld Rechtswissenschaft und wurde Rechtsanwalt in Paris.
Seine spätere Frau Beate Künzel lernte er 1960 kennen. Nachdem Klarsfeld 1963 eine Stelle bei der ORTF angetreten hatte, heirateten sie. Kurze Zeit später kündigte Klarsfeld beim Rundfunk und ging zur Getreidehandelsfirma „Continental Grain“. Dort wurde ihm 1970 gekündigt. Beate erregte weltweit Aufsehen, als sie am 7. November 1968 öffentlich den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger ohrfeigte, dem sie seine Nazivergangenheit vorwarf.[1]
Serge Klarsfeld gründete 1979 zusammen mit seiner Frau die Vereinigung „Association des fils et filles des déportés juifs de France“.
Klarsfeld ist einer der profiliertesten Rechercheure, die nach 1945 untergetauchte und unentdeckte Täter des Holocaust vorwiegend in Frankreich und Deutschland aufspürten und der Justiz zuführten. Es ist unter anderem ihm und seiner Frau zu verdanken, dass NS-Verbrecher und Kollaborateure wie Klaus Barbie, René Bousquet, Jean Leguay, Maurice Papon, Paul Touvier, Kurt Lischka, Ernst Heinrichsohn und Herbert M. Hagen vor Gericht gestellt oder zumindest, wie etwa Ernst Achenbach, demaskiert wurden. Es gelang Klarsfeld auch, Alois Brunner, seinen einstmaligen Verfolger, ausfindig zu machen, doch Syrien, wo Brunner für den Geheimdienst gearbeitet haben soll, verweigerte die Auslieferung.
Klarsfeld ist Autor eines Standardwerks zur Judenverfolgung in Frankreich, „Vichy – Auschwitz“ (auch auf Deutsch unter dem gleichen Titel erschienen). Sein Sohn Arno Klarsfeld ist ein bekannter Rechtsanwalt und Berater von Nicolas Sarkozy, französischer Staatspräsident von Mai 2007 bis Mai 2012. Aus der Ehe mit Beate Klarsfeld stammt außerdem die Tochter Lida Myriam (* 1973).
Die Jagd auf Klaus Barbie wurde 2008 von Laurent Jaoui unter dem Titel Die Hetzjagd mit Hanns Zischler als Klaus Barbie, Yvan Attal als Serge Klarsfeld und Franka Potente als Beate Klarsfeld verfilmt.[2]
Zusammen mit seiner Frau Beate Klarsfeld erhielt er im Mai 2015 das Bundesverdienstkreuz.[3] Im Oktober 2015 wurden beide von der UNESCO zu UNESCO-Sonderbotschaftern für Bildung über den Holocaust und die Verhinderung von Völkermorden ernannt.[4]
2016 wurde über Klarsfeld eine 52-minütige Fernsehdokumentation unter der Regie von Frank Gutermuth und Wolfgang Schoen mit dem Titel Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit. Das Leben von Beate und Serge Klarsfeld für SWR und arte gedreht.
Publikationen
- Beate und Serge Klarsfeld (Hrsg.): Le Mémorial de la déportation des Juifs de France. Fayard, Paris 1994, ISBN 2-213-61052-5, englisch 1998: ISBN 0-8147-2662-3.
- Serge Klarsfeld: Le calendrier de la persécution des Juifs en France (juillet 1940 – août 1942 [Band 1] ; septembre 1942 – août 1944 [Band 2]) (La Shoah en France, Band 2 und 3) Fayard, Paris 2001.
- Serge Klarsfeld: Vichy – Auschwitz. La « solution finale » de la question juive en France (La Shoah en France, Band 1), Fayard, Paris 2001 (die erste deutsche Auflage erschien unter dem Titel Vichy – Auschwitz, Greno, Nördlingen 1989; Neuauflage 2007 bei WBG, Darmstadt, ISBN 3-534-20793-9. Rezension von H.-Georg Lützenkirchen: Die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich. (online). In: literaturkritik.de, Nr. 5, Mai 2008)
- Serge Klarsfeld: Die Kinder von Izieu, zusammen mit Beate Klarsfeld. Berlin: Edition Hentrich, 1991 ISBN 3-89468-001-6 (Reihe: Deutsche Vergangenheit, zuerst frz. 1984)
- Serge Klarsfeld (Hrsg.): Die Endlösung der Judenfrage in Frankreich. Deutsche Dokumente 1941–1944. (online) Verlag: The Beate Klarsfeld Foundation, 1977, Paris, 244 S.
- Serge Klarsfeld und Maxime Steinberg (Hrsg.): Die Endlösung der Judenfrage in Belgien. Dokumente. (online) Verlag: The Beate Klarsfeld Foundation, 1980, Paris, 181 S.
- Beate und Serge Klarsfeld: Erinnerungen. Piper, München 2015, ISBN 978-3-492-05707-3. Im französischen Original: Mémoires. Flammarion, Paris 2015.
Weblinks
- Serge Klarsfeld in der Internet Movie Database (englisch)
- Literatur von und über Serge Klarsfeld im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Enfants juifs déportés – Broschüre zur Ausstellung 2004–2006 (PDF; 8 MB)
- „Das Vieh schickt man auf den Schlachthof, aber man geht nicht selbst dorthin“ (Memento vom 7. Oktober 2007 im Internet Archive), Interview mit Arte
- Erklärung Klarsfelds zum Deutschen Widerstand und der deutschen Rechtsprechung (Memento vom 19. Januar 2005 im Internet Archive), Januar 2005, archiviert beim Internet Archive
Einzelnachweise
- Axel Frohn: Klarsfeld-Skandal: Klatsche für den Kanzler. In: Spiegel Online. 7. November 2008, abgerufen am 31. Dezember 2016.
- Inhaltsangabe (Memento vom 2. Oktober 2009 im Internet Archive) von arte
- Severin Weiland: Nazi-Jäger: Gauck zeichnet Beate und Serge Klarsfeld aus. In: Spiegel Online. 13. Mai 2015, abgerufen am 31. Dezember 2016.
- Beate and Serge Klarsfeld, UNESCO Ambassadors. In: UNESCO. Abgerufen am 18. September 2016.