Trinkwassertalsperre Mauthaus
Die Trinkwassertalsperre Mauthaus – auch Ködeltalsperre genannt – ist eine Talsperre in Bayern, die 1968 bis 1972 bei Kronach zur Trinkwasserversorgung gebaut wurde. Als Nebenzweck dient sie dem Hochwasserschutz, der Niedrigwasseraufhöhung und der Stromerzeugung aus Wasserkraft. Sie wurde 1975 in Betrieb genommen und war die erste bayerische Trinkwassertalsperre.
Trinkwassertalsperre Mauthaus | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
| |||||||
| |||||||
Koordinaten | 50° 20′ 18″ N, 11° 29′ 21″ O | ||||||
Daten zum Bauwerk | |||||||
Bauzeit: | 1968–1972 | ||||||
Höhe über Talsohle: | 56,6 m | ||||||
Höhe über Gründungssohle: | 60,6 m | ||||||
Höhe der Bauwerkskrone: | 451,60 m | ||||||
Bauwerksvolumen: | 950.000 m³ | ||||||
Kronenlänge: | 290 m | ||||||
Kronenbreite: | 9 m | ||||||
Böschungsneigung luftseitig: | 1:1,5/1:1,75 | ||||||
Böschungsneigung wasserseitig: | 1:1,5/1:1,75 | ||||||
Kraftwerksleistung: | 685 kW | ||||||
Daten zum Stausee | |||||||
Höhenlage (bei Stauziel) | 448,85 m | ||||||
Wasseroberfläche | 92 ha | ||||||
Speicherraum | 20,7 Mio. m³ | ||||||
Gesamtstauraum: | 21,0 Mio. m³ | ||||||
Einzugsgebiet | 38,8 km² | ||||||
Bemessungshochwasser: | 130 m³/s | ||||||
Vorsperre | |||
---|---|---|---|
| |||
| |||
Koordinaten | 50° 21′ 18″ N, 11° 29′ 16″ O | ||
Daten zum Bauwerk | |||
Bauzeit: | - 1975 | ||
Höhe über Gründungssohle: | 17 m | ||
Bauwerksvolumen: | 45.000 m³ | ||
Kronenlänge: | 120 m | ||
Daten zum Stausee | |||
Wasseroberfläche | 14 ha | ||
Speicherraum | 0,7 Mio. m³ |
Der Staudamm ist ein Steinschüttdamm mit Lehmkerninnendichtung mit beidseitigen Übergangszonen und wurde auf Fels gegründet. Der Damm hat einen Längs-Kontrollstollen, einen Dichtungsschleier und an Wasser- und Luftseite je eine Berme.
Das Wasser wird über einen Entnahmeturm entnommen. Als Hochwasserentlastung dient ein Überlauf mit zwei Wehrklappen am linken Hang mit einer Schussrinne über den Bergrücken.
Geschichte
Ab 1900 beschäftigte sich der königlich bayerische Bezirksamtmann in Kronach, Jakob Degen, mit der Idee und dem Entwurf von drei Talsperren im Frankenwald. Diese sollten sich in Wallenfels an der Wilden Rodach, in Mauthaus an der Nurner Ködel und in Gifting an der Kremnitz befinden und vor allem der Gewinnung elektrischer Energie dienen; die Nutzung zur Hochwasserminderung und zur Trinkwasserversorgung wurde jedoch ebenfalls bereits in Betracht gezogen, um das Projekt rentabler zu machen.[1] Die von Degen in Auftrag gegebenen Planungen blieben zu dessen Lebzeiten jedoch aus Kostengründen unrealisiert.[2]
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Pläne erneut diskutiert. Dabei wurde auch eine Umleitung der Rodach in Betracht gezogen, um diese zusätzlich zur Nordhalbener und Tschirner Ködel zur Speisung des Stausees zu nutzen. Das Projekt wurde jedoch aufgrund der Inflation in den 1920er Jahren und deren wirtschaftlicher Folgen nicht weiter verfolgt.[1]
Die Planungen zum Bau der heutigen Talsperre begannen Mitte der 1950er Jahre.[2] Mit der Trinkwassertalsperre Mauthaus sollte die Trinkwasserversorgung der Region Oberfranken sichergestellt werden, die aufgrund der Niederschlagsverteilung und des weitgehenden Fehlens von Gesteinen, die größere Wassermengen speichern können, gegenüber den südlicheren Teilen Bayerns benachteiligt ist.[1][3] Zum Bau der Talsperre wurden im Bereich des Stausees die Mautmühle, die Ehrenbachsschneidmühle, die Breitengrundmühle und die Domgrundmühle geflutet. Zusätzlich wurden im Bereich des neuen Wasserschutzgebietes an der Nordhalbener Ködel die Fichteramühle und an der Tschirner Ködel die Mühle Waffenhammer, die Gemeindeschneidmühle und die Pabstenschneidmühle abgerissen.
Nachdem in den beiden Jahren zuvor rund 85 ha Wald gerodet worden waren, begannen am 26. August 1968 die eigentlichen Bauarbeiten für die Talsperre mit der Umleitung der Nurner Ködel und der Errichtung dreier Stollen: ein 263 m langer Zugangsstollen zum Entnahmeturm, ein 280 m langer Kontrollstollen, der unter der Hauptachse des Dammes verläuft, und ein kleinerer Schrägstollen, der zur Be- und Entlüftung dient. Die meisten Betonbauwerke, darunter der in 16 Stockwerke unterteilte, 67 m hohe Entnahmeturm, wurden 1969 im Rohbau fertiggestellt. Die Dammschüttarbeiten, die gleichzeitig durchgeführten Untergrundverpressungen und die Hochbau- und Montagearbeiten erstreckten sich bis ins Jahr 1971. Im Frühjahr 1971 wurde die Vorsperre und im Jahr 1972 der Hauptsee testweise angestaut. Zur selben Zeit entstanden am Taleingang bei Mauthaus ein Krafthaus mit Schaltwarte und drei Turbinen zur Stromerzeugung und das Tosbecken. Offiziell in Betrieb genommen wurde die Trinkwassertalsperre Mauthaus am 21. Mai 1973 durch den bayerischen Innenminister Bruno Merk, die erste Trinkwasserentnahme erfolgte 1975.[4] Der Bau der Talsperre kostete rund 48 Millionen D-Mark. Weitere etwa 132 Millionen D-Mark mussten für den Bau des Leitungsnetzes von 485 km im Versorgungsgebiet, der Trinkwasseraufbereitungsanlage Rieblich und mehrerer Pumpwerke aufgewendet werden.[5]
Beschädigte Entnahmeleitungen
Am 25. Januar 2020 wurden von einem automatischen Kontrollsystem Undichtigkeiten bei einer der beiden Rohrleitungen gemeldet, die vom Entnahmeturm zum Betriebsgebäude am Taleingang führen, weshalb die sogenannte Grundablassleitung außer Betrieb genommen wurde.[6][7] Eine Kamerabefahrung zeigte, dass die 300 m lange Leitung, die einen Durchmesser von 140 cm hat und zuletzt 2019 überprüft worden war, auf einer Länge von etwa 25 m Beschädigungen aufwies. Aufgrund der redundanten Auslegung der Rohrleitungen war die Trinkwasserversorgung vom Ausfall der beschädigten Leitung nicht unmittelbar betroffen und auch die Standsicherheit des Staudamms war nicht beeinträchtigt.[8][9] Durch das Technische Hilfswerk wurde bis Anfang Februar 2020 mit Schlauchleitungen provisorischer Ersatz für das leckgeschlagene Rohr errichtet, um während der Reparaturarbeiten bei einem eventuellen Ausfall der zweiten Grundablassleitung die Wasserversorgung aufrechterhalten zu können.[10][11]
Ende März 2020 wurde ein Schlauchliner in der beschädigten Rohrleitung installiert, um mit diesem aufblasbaren Kunststoffschlauch die schadhaften Stellen von innen abzudichten.[12][13] Die provisorisch reparierte Leitung wurde Anfang September 2020 wieder in Betrieb genommen. Daneben wurden die zu Beginn des Jahres installierten Schlauchleitungen durch ein am Damm entlang verlegtes Stahlrohr ersetzt. Auch bei der zunächst unbeschädigt geglaubten zweiten Entnahmeleitung wurden in der Zwischenzeit Undichtigkeiten festgestellt.[14] Bis Oktober 2020 durchgeführte Probebohrungen zeigten, dass die beiden Rohre aus Spannbeton auf einer Länge von 80 Metern kleinste Risse aufwiesen, die durch geringfügige Hebungen oder Setzungen des Staudamms entstanden waren. Der Grund für diese Erdbewegungen ist unklar.[15]
Dauerhafte Reparatur- und Sanierungsarbeiten sollen bis 2024 erfolgen. Hierbei wird in jeder der beiden Entnahmeleitungen eine Stahlrohrleitung mit etwas geringerem Innendurchmesser von 110 cm installiert und der verbleibende Hohlraum zwischen Spannbeton- und Stahlrohr mit eingepresster Zementsuspension abgedichtet. Zuvor wird im Lichtraum des Grundablassstollens eine zusätzliche Stahlrohrleitung mit 70 cm Durchmesser installiert, die während der Sanierungsarbeiten zusammen mit der oberirdischen Leitung als Ersatzsystem für die beiden Grundablassleitungen dienen soll. Nach Abschluss der Arbeiten soll diese dritte Leitung dauerhaft als zusätzliche Möglichkeit zur Rohwasserentnahme dienen.[15][16]
Vorsperre
Die Talsperre hat eine große Vorsperre. Diese liegt 4,5 km oberhalb der Hauptsperre. Die Vorsperre dient zur Vorreinigung, als Absetzbecken und zum Konstanthalten des Wasserspiegels. Ihre Zuflüsse sind die Tschirner und die Nordhalbener Ködel.
Der Staudamm der Vorsperre ist ein 120 m langer und 17 m hoher Steinschüttdamm mit einer Asphaltbeton-Innendichtung. In Dammmitte in Höhe der Gründungssohle ist eine Herdmauer angeordnet, von der aus mittels Verpressungen ein 10 m tiefer Dichtungsschleier im Untergrund hergestellt wurde.
Der Speicherraum der Vorsperre hat einen Inhalt von 0,7 Mio. m³ und eine Oberfläche von 14 ha.
Neben der versorgungstechnischen Nutzung erfreut sich die Talsperre auch großer Beliebtheit als Naherholungsgebiet. Um den Stausee führt ein 12,5 km langer, durchgehend asphaltierter Rundweg.
Trinkwasser
Im Jahre 2019 wurden aus der Talsperre 14,6 Millionen m³/a Rohwasser zur Trinkwasseraufbereitung entnommen. Die höchste Trinkwasserabgabe mit rund 60.000 m³/d erfolgte am 11. August 2020.[17] Talsperrenwasser enthält immer organische und anorganische Stoffe in gelöster Form und als feine Schwebteilchen, weshalb das Rohwasser vor der Weiterleitung als Trinkwasser aufbereitet werden muss. Die Fernwasserversorgung Oberfranken FWO errichtete deshalb zwischen 1972 und 1975 nahe dem Stausee bei Rieblich die erste Aufbereitungsanlage von Trinkwasser aus Talsperren in Bayern.
Das Rohwasser wird über den Entnahmeturm aus der Talsperre entnommen und einer mehrstufigen Aufbereitung zugeführt. Im ersten Schritt wird dem Wasser über einen Injektor das starke Oxidationsmittel Ozon beigemischt. Ziel der Beimischung ist es, schwer abbaubare organische Verbindungen zu oxidieren und das Wasser zu entkeimen. Danach wird Flockungsmittel zugegeben, um die feinen Schwebteilchen im Wasser zu größeren Flocken zu verbinden, die sich besser abfiltrieren lassen. Ein Mehrschichtfilter ist die erste Filterstufe und filtriert Flocken und Schmutzstoffe ab. Zur Aufhärtung wird dem nun vorgereinigtem Wasser Kohlensäure zugeführt. Die Säure reagiert mit dem Kalziumkarbonat (Jurakalk) der zweiten Filterstufe zu Kalziumhydrogenkarbonat und erhöht dadurch die Wasserhärte.[18] Das aufbereitete Wasser wird über Fernleitungen über ganz Oberfranken verteilt und an viele lokale Wasserversorger weitergegeben.
Freizeitmöglichkeiten
Für Wanderer, Radfahrer und Inline-Skater wurde ein 12,5 km langer, asphaltierter und nahezu ebener Rundweg angelegt. Dieser ist an ein Wanderwegenetz und einen Lehrpfad angebunden.[19]
Siehe auch
Literatur
- Peter Franke, Wolfgang Frey: Talsperren in der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg.: Nationales Komitee für Große Talsperren in der Bundesrepublik Deutschland [DNK], Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau e. V. [DVWK]. Systemdr.-GmbH, Berlin 1987, ISBN 3-926520-00-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- Beilage „50 Jahre Fernwasserversorgung Oberfranken“ in Fränkischer Tag (Ausgabe K) vom 6. Juli 2016
- „Talsperrenprojekt gewinnt neues Leben. Oberste Baubehörde wendet Aufmerksamkeit fünfzig Jahre alten Plänen zu – Drei Stauseen mit Kraftwerken im Frankenwald geplant – Der Entwurf stammt vom verstorbenen Oberregierungsrat.“ In: Volksblatt. 7. November 1955.
- Carlo Fehn: Faszination Ködeltalsperre. Ein Bauwerk für die Ewigkeit. In: Kronicher. Die Infobroschüre für Stadt und Landkreis Kronach. Nr. 1. Verlag Carlo Fehn, Kronach Juni 2011, S. 6–9 (issuu.com).
- Michael Wunder: Auch nach 50 Jahren ein Segen für die Region. In: Neue Presse Coburg. Lokalausgabe Kronach. 25. August 2018, S. 13.
- Gerd Fleischmann: Trinkwasser für 400.000 Menschen. In: Neue Presse Coburg. Lokalausgabe Kronach. 4. Juni 2011, S. 18.
- Petra Bordasch: Großeinsatz an der Ködeltalsperre. In: Neue Presse Coburg. 27. Januar 2020, S. 7.
- Sandra Hackenberg: Kleines Leck an der Ködeltalsperre, große Wirkung. In: inFranken.de. 27. Januar 2020, abgerufen am 25. Februar 2020.
- Bianca Hennings: Der Staudamm ist sicher. In: Neue Presse Coburg. 28. Januar 2020, S. 7.
- Sandra Hackenberg: Nach Großalarm an Ködeltalsperre: Unsichere Tage an Staudamm in Oberfranken. In: inFranken.de. 30. Januar 2020, abgerufen am 25. Februar 2020.
- Julia Knauer: Talsperre wird zur Dauerbaustelle. In: Neue Presse Coburg. 18. Februar 2020, S. 7.
- Sandra Hackenberg: Nach Großalarm und Lecks: Umweltminister Glauber inspiziert die Ködeltalsperre. In: inFranken.de. 18. Februar 2020, abgerufen am 25. Februar 2020.
- Julia Knauer: Bald soll das Wasser wieder fließen. In: Neue Presse Coburg. 26. März 2020, S. 13 (Online [abgerufen am 26. März 2020]).
- Sandra Hackenberg: "Die kommenden Tage sind entscheidend": Großer Test an der Ködeltalsperre geplant. In: inFranken.de. 24. März 2020, abgerufen am 26. März 2020.
- Yannick Seiler: Millimeter statt Millionen. In: Neue Presse Coburg. 3. September 2020, S. 7 (Online [abgerufen am 13. September 2020]).
- Bianca Hennings: Aus zwei mach’ drei. In: Neue Presse Coburg. 2. Februar 2022, S. 9.
- Sanierungskonzept für Ködeltalsperre steht. In: Neue Presse Coburg. 10. Oktober 2020, S. 19.
- Wasserabsatz: Außerordentlicher Sommer 2020. (PDF; 0,4 MB) Fernwasserversorgung Oberfranken, 2. September 2020, abgerufen am 3. Februar 2022.
- Internetpräsenz der Fernwasserversorgung Oberfranken
- belocal.de (Memento des Originals vom 25. September 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.