Toturit
Das Mineral Toturit ist ein sehr seltenes Silikat aus der Obergruppe der Granate mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Ca3Sn2Fe2SiO12. Es kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der Struktur von Granat und findet sich in schmalen Zonen oder kleinen Flecken in Umwandlungsprodukten von Zirkon oder Kimzeyit-Kerimasit-reichen Granaten.[1]
Toturit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
IMA 2010-073 |
Chemische Formel | Ca3Sn2Fe2SiO12[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silicate und Germanate |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | kubisch |
Kristallklasse; Symbol | kubisch-hexakisoktaedrisch; 4/m 3 2/m |
Raumgruppe | Ia3d (Nr. 230) |
Gitterparameter | a = 12,55 Å[1] |
Formeleinheiten | Z = 8[1] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | nicht bestimmt |
Dichte (g/cm3) | berechnet: ~4,49[1] |
Spaltbarkeit | nicht bestimmt |
Bruch; Tenazität | nicht bestimmt |
Farbe | gelb oder hellbraun[1] |
Strichfarbe | weiß[1] |
Transparenz | Bitte ergänzen |
Glanz | nicht bestimmt |
Radioaktivität | durch Uraneinbau mitunter schwach radioaktiv |
Kristalloptik | |
Brechungsindex | n = nicht bestimmt |
Doppelbrechung | isotrop[1] |
Toturit ist bislang (2017) nur in seiner Typlokalität nachgewiesen worden, einem Kalksilikat-Xenolithen aus einem Ignimbrit von Berg Lakargi, Chegem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland.[2]
Etymologie und Geschichte
Künstlich erzeugte zinnreiche Granate mit bis zu 26 Gew-% SnO2 treten zusammen mit Kassiterit in Schlacken aus der Zinnverhüttung auf.[3]
Natürliche zinnhaltige Granate sind sehr selten. In wenigen zinnführenden Skarnen wurden Andradite mit bis zu 5,8 Gew-% SnO2 gefunden und in den sanidinitfaziellen Kalk-Silikat-Fremdgesteinseinschlüssen des Ignimbrites der Chegem Caldera konnten die Sn-Granate Bitikleit, Dzhuluit und Irinarassit nachgewiesen werden. In diesen Xenolith entdeckte die Arbeitsgruppe um Galuskina einen Sn-Fe-Silikatgranat. Sie benannten das neue Mineral einerseits nach dem Fluss Totur im Dorf Eltyubyu nahe der Fundstelle, andererseits nach dem balkarischen Gott und Krieger der Antike Totur.[1]
Klassifikation
Die aktuelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Toturit zur Granat-Obergruppe, wo er zusammen mit Kimzeyit, Hutcheonit, Schorlomit, Kerimasit und Irinarassit die Schorlomit-Gruppe mit 10 positiven Ladungen auf der tetraedrisch koordinierten Gitterposition bildet.[4]
Die veraltete, aber noch gebräuchliche 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz führt den Toturit noch nicht auf. Er würde zusammen mit Almandin Andradit, Calderit, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Hibschit, Holtstamit, Hydrougrandit, Katoit, Knorringit, Majorit, Morimotoit, Pyrop, Schorlomit, Spessartin, Uwarowit, Wadalit und Yamatoit (diskreditiert, da identisch mit Momoiit) zur „Granatgruppe“ mit der System-Nr. VIII/A.08 in der Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ gezählt werden.
Auch die seit 2001 gültige 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik kennt den Toturit noch nicht. Hier würde er ebenfalls in die „Granatgruppe“ mit der System-Nr. 9.AD.25 innerhalb der Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ eingeordnet werden. Diese ist weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit weiterer Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Inselsilikate ohne zusätzliche Anionen; Kationen in oktaedrischer [6]er- und gewöhnlich größerer Koordination“ zu finden wäre. Auch die nach 2001 beschriebenen Granate Irinarassit, Hutcheonit, Kerimasit, Menzerit-(Y) und Eringait wären in die Granatgruppe einsortiert worden.
Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana würde den Toturit in die Abteilung der „Inselsilikatminerale“ einordnen. Hier wäre er zusammen mit Kimzeyit, Schorlomit und Morimotoit in der „Granatgruppe (Schorlomit-Kimzeyit-Reihe)“ mit der System-Nr. 51.04.03c innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen nur mit Kationen in [6] und >[6]-Koordination“ zu finden.
Chemismus
Toturit ist das Sn-Analog von Schorlomit und bildet komplexe Mischkristalle vor allem mit Kerimasit, Schorlomit sowie Dzhuluit. In der Typlokalität tritt Toturit in zwei Variationen mit folgenden Zusammensetzungen auf:
- [X](Ca3,016Mn2+0,004)[Y](Sn4+1,731Zr4+0,083Ti4+0,066U6+0,043Sc3+0,045Nb5+0,009)[Z](Fe3+1,353Al0,644Si0,558Ti4+0,438Fe2+0,007)O12,
- [X](Ca2,989Fe2+0,011)[Y](Sn4+1,463Sb5+0,325Ti4+0,193Zr4+0,013Mg2+0,003Nb5+0,002Cr3+0,001)[Z](Fe3+1,633Al0,609Si0,552Ti4+0,166Fe2+0,039V5+0,001)O12[1]
wobei mit [X], [Y] und [Z] die Positionen in der Granatstruktur angegeben sind.
Die Zusammensetzungen der Mischkristalle können mit verschiedenen Kombinationen von Endgliedern ausgedrückt werden. So besteht eine weitgehende Mischbarkeit von Toturit mit Schorlomit und Kerimasit entsprechend den Austauschreaktionen
- [Y]Sn4+ = [Y](Ti,Zr)4+ (Schorlomit, Kerimasit)
sowie den Al3+ Mineralen der Schorlomit-Gruppe Irinarassit, Hutcheonit und Kimzeyit entsprechend der Austauschreaktion
- [Z]Al3+ = [Z]Fe3+.
Darüber hinaus enthält Toturit auf bis zu 16 % der oktaedrisch koordinierten Y-Position Antimon (Sb5+), entsprechend einer Mischkristallbildung mit Ferrit-Granaten der Bitikleit-Gruppe mit der Austauschreaktion
- [Y]Sn4+ + [Z]Si4+ = [Y]Sb5+ + [Z](Fe,Al)3+ (Dzhuluit/Bitikleit).
Die Ti-Gehalte auf der Z-Position können als Beimischung eines bislang nur synthetisch bekannten Ti-Analogs von Irinarassit, [X]Ca3[Y]Sn4+2[Z](Al2Ti4+)O12[5] bzw. dessen Fe-Analog entsprechend der Austauschreaktion
- [Z]Si4+ = [Z]Ti4+
beschrieben werden.
Kristallstruktur
Toturit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe Ia3d (Raumgruppen-Nr. 230) mit 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität hat dem Gitterparameter a = 12,55 Å.
Die Struktur ist die von Granat. Calcium (Ca2+) besetzt die dodekaedrisch von 8 Sauerstoffionen umgebenen X-Positionen, Zinn (Sn4+) die oktaedrisch von 6 Sauerstoffionen umgebene Y-Position und die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Position ist mit Eisen (Fe3+) und Silicium (Si4+) besetzt.[1]
Bildung und Fundorte
Toturit bildet sich bei niedrigem Druck und hohen Temperaturen um 800–1000 °C in kontaktmetamorphen, Sn-führenden Skarnen, aufgewachsen auf Umwandlungsprodukten von Zirkon oder als schmale Zonen in Kerimasit.
Die Typlokalität von Toturit ist ein carbonatreicher Xenolith im Ignimbrit von Berg Lakargi, Chegem Caldera in der nordkaukasischen Republik Kabardino-Balkarien in Russland. Hier tritt Toturit in der Larnit-Cuspidin-Zone des Xenolith Nummer 3 am Kontakt zum Ignimbrit auf. Begleitminerale sind Kerimasit-Kimzeyit-Mischkristalle, Lakargiit, Tazheranit, Andradit, Wadalit und Cuspidin.[1]
Siehe auch
Weblinks
- Mineralienatlas:Toturit (Wiki)
- Mindat – Toturite (englisch)
Einzelnachweise
- Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin, Piotr Dzierżanowski, Viktor M. Gazeev, Krystian Prusik, Nikolai N. Pertsev, Antoni Winiarski, Aleksandr E. Zadov, Wrzalik Roman: Toturite Ca3Sn2Fe2SiO12—A new mineral species of the garnet group. In: American Mineralogist. Band 95, Nr. 8–9, 2010, S. 1305–1311 (rruff.info [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 8. Oktober 2017]).
- Fundortliste für Toturit beim Mineralienatlas und bei Mindat
- B. C. M. Butler: Tin-rich garnet, pyroxene, and spinel from a slag. In: Mineralogical Magazine. Band 42, Dezember 1978, S. 487–492 (rruff.info [PDF; 464 kB; abgerufen am 25. September 2017]).
- Edward S. Grew, Andrew J. Locock, Stuart J. Mills, Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin and Ulf Hålenius: IMA Report – Nomenclature of the garnet supergroup. In: American Mineralogist. Band 98, 2013, S. 785–811 (main.jp [PDF; 2,3 MB; abgerufen am 8. Juli 2017]).
- Hisanori Yamane, Tetsuya Kawano: Preparation, crystal structure and photoluminescence of garnet-type calcium tin titanium aluminates. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 184, Nr. 5, 2011, S. 965–970, doi:10.1016/j.jssc.2011.02.016.