Calderit
Calderit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Gruppe der Granate innerhalb der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Er kristallisiert im kubischen Kristallsystem mit der idealisierten Zusammensetzung Mn3Fe23+[SiO4]3[1], ist also chemisch gesehen ein Mangan-Eisen-Silikat, das strukturell zu den Inselsilikaten gehört.
Calderit | |
---|---|
Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | Mn3Fe23+[SiO4]3[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.AD.25 (8. Auflage: VIII/A.08) 51.4.3a.6 |
Ähnliche Minerale | Granatgruppe |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | kubisch |
Kristallklasse; Symbol | kubisch-hexakisoktaedrisch; 4/m 3 2/m |
Raumgruppe | Ia3d (Nr. 230)[1] |
Gitterparameter | a = natürlich: 11,81, synthetisch: 11,821[2] Å[3] |
Formeleinheiten | Z = 8[3] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 7 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 4,05; berechnet: 4,07[4] |
Spaltbarkeit | keine |
Farbe | orangegelb, dunkelgelb, rötlichgelb, rotbraun; in dünnen Schichten gelb bis grünlichgelb |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz |
Radioaktivität | keine |
Kristalloptik | |
Brechungsindex | n = 1,875 natürlich, 1,970 (synthetisch)[2] |
Doppelbrechung | keine, da isotrop |
Da Calderit Mischkristalle mit Spessartin (Mn3Al2[SiO4]3) und Andradit (Ca3Fe2[SiO4]3) bildet und daher meist geringe Anteile von Mangan durch Calcium und Eisen durch Aluminium diadoch ersetzt sein können, wird die chemische Formel allgemein auch mit (Mn2+,Ca)3(Fe3+,Al)2[SiO4]3[5] angegeben.
Calderit ist durchsichtig bis durchscheinend und entwickelt nur kleine, glasglänzende Kristalle von orangegelber, dunkelgelber, rötlichgelber oder rotbrauner Farbe. In dünnen Schichten kann er auch gelb bis grünlichgelb sein. Meist findet sich das Mineral in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate.
Etymologie und Geschichte
Erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde Calderit 1909 durch Lewis Leigh Fermor (1880–1954), der das Mineral nach dem Geologen James Calder benannte, um seine Arbeiten in Bezug auf die Geologie Indiens zu würdigen.
Der Name Calderit wurde auch für einen Felsen (Kut-Kumsany 12 miles N.W. of Hazareebagh) verwendet und später für das dort vorkommende Mineral. Der englisch-indische Wissenschaftler Henry Piddington beschrieb als erster das in Gesteinsproben des Felsens enthaltene Calderit. Die schon länger im Museum gelagerten Proben wurden vorher nur als undescribed Siliceo-Iron-and-Magnese Rock, from the district of Burdwan bezeichnet. Die Beschreibung des Minerals erschien 1851 in einem Artikel Piddingtons im Journal of the Asiatic Society of Bengal, wobei sowohl Piddington als auch Calder Mitglieder in der Asiatic Society of Bengal waren.[6]
Klassifikation
Die strukturelle Klassifikation der International Mineralogical Association (IMA) zählt den Calderit zur Granat-Obergruppe, wo er zusammen mit Almandin, Andradit, Eringait, Goldmanit, Grossular, Knorringit, Morimotoit, Majorit, Menzerit-(Y), Momoiit, Pyrop, Rubinit, Spessartin und Uwarowit die Granatgruppe mit 12 positiven Ladungen auf der tetraedrisch koordinierten Gitterposition bildet.[7]
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Calderit zur Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“, wo er zusammen mit Almandin, Andradit, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Hibschit, Holtstamit, Hydrougrandit, Katoit, Kimzeyit, Knorringit, Majorit, Morimotoit, Pyrop, Schorlomit, Spessartin, Uwarowit, Wadalit und Yamatoit (diskreditiert, da identisch mit Momoiit) die „Granatgruppe“ mit der System-Nr. VIII/A.08 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Calderit ebenfalls in die Abteilung der „Inselsilikate (Nesosilikate)“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit weiterer Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Inselsilikate ohne weitere Anionen; Kationen in oktahedraler [6] und gewöhnlich größerer Koordination“ zu finden ist, wo es zusammen mit Almandin, Andradit, Goldmanit, Grossular, Henritermierit, Holtstamit, Katoit, Kimzeyit, Knorringit, Majorit, Morimotoit, Pyrop, Schorlomit, Spessartin und Uwarowit die „Granatgruppe“ mit der System-Nr. 9.AD.25 bildet. Ebenfalls zu dieser Gruppe gezählt wurden die mittlerweile nicht mehr als Mineral angesehenen Granatverbindungen Blythit, Hibschit, Hydroandradit und Skiagit. Wadalit, damals noch bei den Granaten eingruppiert, erwies sich als strukturell unterschiedlich und wird heute mit Chlormayenit und Fluormayenit einer eigenen Gruppe zugeordnet.[7] Die nach 2001 beschriebenen Granate Irinarassit, Hutcheonit, Kerimasit, Toturit, Menzerit-(Y) und Eringait wären hingegen in die Granatgruppe einsortiert worden.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Calderit in die Abteilung der „Inselsilikatminerale“ ein. Hier ist er zusammen mit Pyrop, Almandin, Spessartin, Knorringit und Majorit in der „Granatgruppe (Pyralspit-Reihe)“ mit der System-Nr. 51.04.03a innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen nur mit Kationen in [6] und >[6]-Koordination“ zu finden.
Chemismus
Calderit mit der idealisierten Zusammensetzung [X]Mn2+3[Y]Fe3+[Z]Si3O12 ist das Eisen-Analog von Spessartin ([X]Mn2+3[Y]Al[Z]Si3O12) bzw. das Mangan-Analog von Andradit ([X]Ca3[Y]Fe3+[Z]Si3O12) mit denen es Mischkristalle bildet entsprechend den Austauschreaktionen[3]
- [Y]Fe3+ = [Y]Al3+, (Spessartin),
- [X]Mn2+ = [X]Ca2+ (Andradit),
wobei [X], [Y] und [Z] die Positionen in der Granatstruktur sind.
Reiner Calderit ist in der Natur noch nicht gefunden worden und viele als Calderit bezeichnete Funde sind streng genommen nur calderithaltige Mischkristalle, z. B. Andradite. Die Angaben der Calderitgehalte von komplexen Mangan-Granaten aus verschiedenen Publikationen sind nicht immer direkt vergleichbar, da sie von der Art der Berechnung abhängen. Eine Zusammensetzung kann mit verschiedenen Kombinationen von Endgliedern beschrieben werden und die daraus resultierenden Gehalte von Calderit können sich dabei erheblich unterscheiden.[3]
Die Mischung von Calderit mit Spessartin und Andradit im Verhältnis 1:1 entspricht einer Mischung von Calderit mit Grossular entsprechend der gekoppelten Substitution
- [X]Mn2+ + [Y]Fe3+ = [X]Ca2+ + [Y]Al3+.
Endgliedverhältnisse basierend auf Grossular und Spessartin oder Almandin führen zu höheren Calderitgehalten.[3]
Je nach Beschreibung eines Mischkristalls kann ein manganreicher Granat entweder als Calderit oder z. B. Andradit angesprochen werden; ein Fundort wie Otjosondu in Namibia ist in der Folge entweder eine Typlokalität von Calderit oder nicht.
Für den Calderit aus den Typlokalitäten werden folgende Zusammensetzung angegeben:
- Wabush (Labrador): [X](Mn2,20Ca0,82)[Y]Fe3+2,02[Z]Si4+3O12[8][3]
- Otjosondu (Namibia): [X](Mn1,96Ca1,09)[Y](Fe3+1,04Al3+0,87Mg2+0,07Ti4+0,01)[Z](Si4+2,97Al3+0,03)O12,[3]
Eine spätere, genauere Untersuchung von Calderiten aus Otjosondu ergab Calderitgehalte von nur noch 22 – 36 mol-%, berechnet mit Andradit und Spessartin. Bei diesen Otjosondu-Granaten handelt es sich um calderitreiche Andradite (48 – 68 mol-%). Auch eine Berechnung mit Grossular ändert die Verhältnisse nur für eine Probe wesentlich, da die Spessartingehalte ansonsten zu gering sind.[9]
Synthetischer Calderit enthält einige mol-% des hypothetischen Endgliedes Blythit ([X]Mn2+3[Y]Mn3+[Z]Si3O12)[2] entsprechend der Austauschreaktion
- [Y]Fe3+ = [Y]Mn3+ (Blythit).
Bei den calderitreichen Andraditen aus Otjosondu wurde Mn3+ auf der oktaedrisch koordinierten Y-Position direkt spektroskopisch in natürlichen Granaten nachgewiesen. Auch diese natürlichen Granate enthalten mit 1 – 5 mol-% Blythit Mangan in zwei verschiedenen Oxidationsstufen.[9]
Kristallstruktur
Calderit kristallisiert mit kubischer Symmetrie in der Raumgruppe Ia3d (Raumgruppen-Nr. 230) mit 8 Formeleinheiten pro Elementarzelle. Der natürliche Mischkristall aus der Typlokalität Otjosondu hat dem Gitterparameter a = 11,81 Å.[3] Für synthetischen Calderit wurde a = 11,821 Å[2] oder a = 11.82239 Å gemessen.[10]
Die Struktur ist die von Granat. Mangan (Mn2+) besetzt die dodekaedrisch von 8 Sauerstoffionen umgebenen X-Positionen, Eisen (Fe3+) die oktaedrisch von 6 Sauerstoffionen umgebene Y-Position und die tetraedrisch von 4 Sauerstoffionen umgebenen Z-Position ist ausschließlich mit Silicium (Si4+) besetzt.[2][9]
Bildung und Fundorte
Calderitreiche Granate bilden sich bei der druckbetonten Metamorphose von Mangan- und Eisenreichen Sedimenten unter oxidierenden Bedingungen und treten zusammen mit Aegirin, Kutnohorit, Hämatit, Pyrolusit, Quarz, Rhodonit und Rhodochrosit auf.[11][4]
Reiner Calderit ist nur bei hohem Druck oberhalb von 20–30 kBar bei 700–900 °C stabil. Dieser Druck-Temperaturbereich der Eklogit-Fazies wird in der Natur in Subduktionszonen erreicht. Bei geringeren Druck oder höheren Temperaturen wird reiner Calderit abgebaut zu Pyroxmangit und Magnetit.[2] Die Abbaureaktion ist stark abhängig von der Zusammensetzung der Granate und Calderit-Andradit-Spessartin-Mischkristalle sind bereits unter den Bedingungen der Amphibolit-Fazies stabil.[9] Dies konnte auch für Granate mit 60–80 mol-% Calderit betätigt werden und Calderit wird nicht mehr als Indexmineral für hohe Drucke empfohlen.[12]
Als seltene Mineralbildung konnte Calderit bisher (Stand: 2018) nur an 16 Fundorten nachgewiesen werden.[13] Als Typlokalität gelten die Wabush Eisen-Formation im Gebiet Labrador in Kanada und Otjosondu in der namibischen Region Otjozondjupa. Es sind auch die bisher einzigen bekannten Fundorte in diesen Staaten.
In Otjosondu tritt calderitreicher Granat zusammen mit Hämatit, Quarz, Hyalophan und Apatit auf.[14]
In Wabush findet sich calderitreeicher Granat zusammen mit Rhodonit und Kutnahorit sowie Aegirin, Rhodonit und Rhodochrosit.[8]
In Europa konnte das Mineral unter anderem in Italien (Saint-Marcel (Aostatal), Valtournenche (Tal)), Rumänien (Iacobeni (Sibiu)), Schweden (Pajsberg/Filipstad) und der Schweiz (Ferreratal) gefunden werden.[15]
Daneben trat Calderit noch bei Katkamsandi (Jharkhand) und Netra (Madhya Pradesh) in Indien und bei Aggeneys in Südafrika auf.[15]
Verwendung
Reiner Calderit ist erst bei Drücken oberhalb von 30 kbar stabil. Sein Anteil nimmt allerdings mit steigenden Drücken in den entstehenden Granatmischkristallen kontinuierlich zu, weshalb er sich gut als Geobarometer[16] eignet.[11]
Literatur
- L. L. Fermor: The manganese-ore deposits of India. in: I. Introduction and mineralogy: Calderite, Memoirs of the Geological Survey of India, Band 37 (1909), S. 182–186 (PDF 254,2 kB)
- L. L. Fermor: On the composition of some Indian garnets, in: Records of the Geological Survey of India, Band 59 (1927), S. 191–207 (PDF 1,98 MB)
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. 9. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 541.
- Dominique Lattard and Werner Schreyer: Synthesis and stability of the garnet calderite in the system Fe Mn Si--O*. In: Contributions to Mineralogy and Petrology. Band 84, 1983, S. 199–214 (researchgate.net [PDF; 1,9 MB; abgerufen am 28. April 2018]).
- Pete J. Dunn: On the Validity of Calderite. In: Canadian Mineralogist. Band 17, 1979, S. 569–571 (rruff.info [PDF; 199 kB; abgerufen am 28. April 2018]).
- Calderite, in: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 65,5 kB)
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. 5. vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2008, ISBN 978-3-921656-70-9.
- Journal of the Asiatic Society of Bengal. Band 19, 1851, S. 145–148 (online auf Google Books)
- Edward S. Grew, Andrew J. Locock, Stuart J. Mills, Irina O. Galuskina, Evgeny V. Galuskin and Ulf Hålenius: IMA Report - Nomenclature of the garnet supergroup. In: American Mineralogist. Band 98, 2013, S. 785–811 (main.jp [PDF; 2,3 MB; abgerufen am 8. Juli 2017]).
- Cornelis Klein, Jr.: Mineralogy and Petrology of the Metamorphosed Wabush Iron Formation, Southwestern Labrador. In: Journal of Petrology. Band 7, 1966, S. 246–305, doi:10.1093/petrology/7.2.246.
- Georg Amthauer, Kerstin Katz-Lehnert, Dominique Lattard, Martin Okrusch and Eduard Woermann: Crystal chemistry of natural Mn3+ -bearing calderite-andradite garnets from Otjosondu, SW A/Namibia. In: Zeitschrift für Kristallographie. Band 189, 1989, S. 43–56 (researchgate.net [PDF; 693 kB; abgerufen am 28. April 2018]).
- F. Alex Cevallos and R.J. Cava: Comparison of the Magnetic properties of Mn3Fe2Si3O12 as a crystalline garnet and as a glass. In: Preprint on arxiv.org. 2018 (arxiv.org [PDF; 696 kB; abgerufen am 29. April 2018]).
- Maximilian Glas et al.: Granat. In: Christian Weise (Hrsg.): extraLapis. Band 9. Christian Weise Verlag, 1995, ISBN 3-921656-35-4, ISSN 0945-8492, S. 4.
- Eric J. Essene: CRITICAL EVALUATION OF THE HIGH-PRESSURE STATUS OF CALDERITE, MN3FE2SI3O12. In: Geological Society of America Abstracts with Programs. Band 38, 2006, S. 208 (confex.com [abgerufen am 29. April 2018]).
- Mindat - Anzahl der Fundorte für Calderit
- A.R. CABRAL, J.M. MOORE, B.S. MAPANI, M. KOUBOVÁ AND C.-D. SATTLER: GEOCHEMICAL AND MINERALOGICAL CONSTRAINTS ON THE GENESIS OF THE OTJOSONDU FERROMANGANESE DEPOSIT, NAMIBIA: HYDROTHERMAL EXHALATIVE VERSUS HYDROGENETIC (INCLUDING SNOWBALL-EARTH) ORIGINS. In: SOUTH AFRICAN JOURNAL OF GEOLOGY. Band 114, 2011, S. 57–76 (researchgate.net [PDF; 3,9 MB; abgerufen am 2. Mai 2018]).
- Mindat - Calderite
- GeoDZ.com Das Lexikon der Erde - Geobarometer