Therese Giehse

Therese Giehse, geborene Therese Gift (* 6. März 1898 in München; † 3. März 1975 ebenda), war eine deutsche Schauspielerin.

Porträt von Therese Giehse. Fotografie von Annemarie Schwarzenbach, 1933
Autogramm Therese Giehse

Leben

Entwicklung, Wirken und Familie

Therese Gift kam 1898 als Tochter des jüdischen Kaufmannsehepaars Gertrude und Salomon Gift zur Welt. Von 1918 bis 1920 nahm sie Schauspielunterricht bei Tony Wittels-Stury. 1920 nahm sie den Künstlernamen Giehse an[1]. Ihre Saison-Engagements von 1920 bis 1926 („meine Lernjahre“) führten sie durch die Provinz: Siegen/Westfalen, Gleiwitz/Oberschlesien, Landshut/Niederbayern, die Bayerische Landesbühne, Breslau bei Paul Barney. Von 1926 bis 1933 war sie Mitglied an den Münchner Kammerspielen bei Otto Falckenberg.

Therese Giehse auf der Treppe vor der Chesa Salis, Segl.
Fotografin: Annemarie Schwarzenbach, 1936

Giehse gründete Anfang 1933 zusammen mit dem Musiker Magnus Henning, ihrer Lebensgefährtin Erika Mann sowie deren Bruder Klaus Mann (der ihr später seinen Roman Mephisto widmete) in München das Kabarett Die Pfeffermühle.[2] Mit diesem emigrierte sie noch im gleichen Jahr, da sie als Jüdin und politisch links stehende Künstlerin mit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten rechnen musste. Erste Station ihrer Flucht war Zürich. Danach verlief ihr Fluchtweg von 1934 bis 1936 über Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Österreich bis in die Tschechoslowakei. Am 26. April 1936 erlebte die Pfeffermühle ihre 1000. Vorstellung in Amsterdam.

Therese Giehses Grab auf dem Friedhof Fluntern, Zürich

Am 20. Mai 1936 heiratete die lesbische Giehse[3] den homosexuellen englischen Schriftsteller John Hampson († 1955), um auf diese Weise einen britischen Pass zu erhalten und so dem Zugriff der Nationalsozialisten entgehen zu können. 1937 wurden in Amerika begonnene Aufführungen der Peppermill nach kurzer Zeit wegen Erfolglosigkeit wieder eingestellt. Sie kehrte an das Zürcher Schauspielhaus zurück, dem sie ihr Leben lang treu blieb. Nach 1945 stand sie in München, Berlin, Salzburg und auch in Wien auf der Bühne.

Als zeitweiliges Mitglied des Berliner Ensembles von Bertolt Brecht war Giehse nach dem Krieg eine gefragte Interpretin seiner Werke. So erschien ihr Rezitations-Abend Ein Bertolt Brecht-Abend mit Therese Giehse auf mehreren Schallplatten sowohl in der BRD als auch in der DDR.

Therese Giehse starb 1975 drei Tage vor ihrem 77. Geburtstag in München. Während der Gedenkfeier in den Münchner Kammerspielen starb der Regisseur Paul Verhoeven an Herzversagen, als er während der ersten Sätze seines Nachrufs auf Giehse zusammenbrach. Therese Giehse wurde auf ihren eigenen Wunsch auf dem Friedhof Fluntern in Zürich begraben.

Wichtige Engagements und Rollen

Therese Giehse in der Rolle der Mutter Courage, Porträt von Günter Rittner, 1966

Während der Zeit von 1937 bis 1966 war Giehse am Schauspielhaus Zürich sowohl als festes Ensemblemitglied wie auch als Gast engagiert. Sie wirkte in den Brecht-Uraufführungen von Mutter Courage und ihre Kinder am 19. April 1941 sowie von Herr Puntila und sein Knecht Matti am 23. April 1948 mit. Am 22. September 1949 spielte sie in der ersten Premiere nach ihrer Emigration an den Kammerspielen in München in Der Biberpelz von Gerhart Hauptmann mit. Von 1949 bis 1952 war Giehse Mitglied am Berliner Ensemble und von 1949 bis 1973 auch an den Münchner Kammerspielen engagiert.

Am Zürcher Schauspielhaus wirkte Giehse in den Uraufführungen von Friedrich Dürrenmatts Theaterstücken Der Besuch der alten Dame (in der Hauptrolle) am 29. Januar 1956 sowie in Die Physiker am 21. Februar 1962 mit. Die Physiker wurden ihr vom Autor gewidmet. Dürrenmatt machte zu diesem Stück die Aussage, dass er den ursprünglich männlichen Anstaltsleiter nach einem Gespräch mit Therese Giehse in einen weiblichen geändert hat.[4][5] Eine Aussage, die er später jedoch relativierte.[6][7] An den Kammerspielen in München wirkte sie am 4. Oktober 1967 in der Uraufführung von Die Landshuter Erzählungen von Martin Sperr mit.

Auszeichnungen und Würdigungen

Am 24. Juni 1955 erhielt Giehse das Filmband in Silber für ihre Rolle in dem Spielfilm Kinder, Mütter und ein General.

Am 10. November 1988 kam eine Briefmarke der Dauermarken-Serie Frauen der deutschen Geschichte im Nennwert von 100 Pfennig Michel-Nr. 1390 mit einem Porträt Giehses an die Postschalter. Da es sich bei dem Wert der Marke seinerzeit um das Standardporto für Briefe handelte, wurde Giehse hierdurch nochmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt.

In München wurde 1975 die Therese-Giehse-Allee in Neuperlach nach ihr benannt (die 1980 der U-Bahn-Station Therese-Giehse-Allee ihren Namen gab), in Unterschleißheim 1995 die Therese-Giehse-Realschule.[8] In Zürich-Oerlikon existiert eine Therese-Giehse-Straße. Im Hamburger Bezirk Bergedorf ist im Stadtteil Neuallermöhe ebenfalls eine Straße nach ihr benannt, der Therese-Giehse-Bogen. Auch in Berlin-Spandau gibt es eine Therese-Giehse-Straße. Germering hat den Therese-Giehse-Platz nach ihr benannt.

Der Intercity 815 WismarMünchen trug 1998/1999 ihren Namen.

Eine bedeutende Würdigung erfuhr die Schauspielerin durch den deutschen Bundesverband Schauspiel, der im September 2021 den von ihm jährlich vergebenen Theaterpreis ab sofort in Therese-Giehse-Preis umbenannte. Erster Preisträger wurde der Schauspieler und Autor Klaus Pohl für sein Hörbuch Sein oder Nichtsein.[9]

Filmografie (Auswahl)

Kino


Fernsehen

Theater

Hörspiele

Diskografie

  • Ein Bertolt-Brecht-Abend mit Therese Giehse 1. Folge
  • Ein Bertolt-Brecht-Abend 2. Folge
  • Ein Bertolt-Brecht-Abend 3. Folge
  • Therese Giehse spricht Dürrenmatt (mit Friedrich Dürrenmatt)
  • Die Mutter (3 LP)
  • Weitere Aussichten

Literatur

  • „Ich hab nichts zum Sagen.“ Gespräche mit Monika Sperr. C. Bertelsmann, München 1973, ISBN 3-570-08405-1.
  • Anna Beck: Therese Giehse. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 1, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 706 f.
  • Tobias Hoffmann: Giehse, Therese. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Helga Keiser-Hayne: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933 – 1937. Rowohlt, Reinbek 1995 ISBN 3-499-13656-2
  • Michaela Karl: Therese Giehse: Die Mutter Courage. In: Bayerische Amazonen – Zwölf Porträts. Pustet, Regensburg 2004, ISBN 3-7917-1868-1, S. 132–150
  • Renate Schmidt: Therese Giehse. „Na, dann wollen wir den Herrschaften mal was bieten!“ Biografie. Langen Müller, München, Neuausgabe 2008, ISBN 978-3-7844-3166-6
  • Gunna Wendt: Erika und Therese: Erika Mann und Therese Giehse – Eine Liebe zwischen Kunst und Krieg. Piper, München 2018, ISBN 978-3-492-30941-7
  • Giehse, Therese, von Björn Siegel, in: Encyclopaedia Judaica, Bd. 7, Hg. Fred Skolnik, Macmillan Reference USA & Keter Publishing House, 2. Aufl. Detroit 2007, S. 598.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Band 3: F – H. John Barry Fitzgerald – Ernst Hofbauer. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 253 f.
  • Kay Weniger: ‘Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …’. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011, ISBN 978-3-86282-049-8, S. 193 f.
Commons: Therese Giehse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Therese Giehse –- Tscharlies jüdische Oma, br.de, 8. September 2011.
  2. Verstoß gegen das „gesunde Volksempfinden“. Abgerufen am 24. Januar 2021.
  3. ThemenGeschichtsPfad »Geschichte der Lesben und Schwulen«. (PDF; 3 MB) herausgegeben vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München.
  4. BR radioWissen: Therese Giehse - Ein starker Charakter vom 11. November 2014
  5. Nach: Ritter: Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, S. 101.
  6. Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Friedrich Dürrenmatt: Der Klassiker auf der Bühne. Gespräche 1961–1970. Diogenes, Zürich 1996, ISBN 3-257-06111-0, S. 206.
  7. Ich bin der finsterste Komödienschreiber, den es gibt
  8. Helga Pfoertner: Mit der Geschichte leben. Bd. 1, Literareron, München 2001, ISBN 3-89675-859-4, S. 160 (PDF; 1,1 MB (Memento vom 28. April 2014 im Internet Archive))
  9. Theaterpreis wird nach Therese Giehse benannt. In: Berliner Zeitung, 10. September 2021, S. 13.
  10. Der Biberpelz bei deutschlandfunk.de
  11. BR Hörspiel Pool - Kühn/Sperr, Lemsomd
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.