Sporttourer
Sporttourer sind straßenzugelassene Motorräder, die Alltags- und Tourentauglichkeit mit sportlichen Fahrleistungen und Fahrwerkseigenschaften kombinieren. Während die Motorleistungen der offenen Versionen unwesentlich von den Supersportlern abweichen, hat man im Gegensatz zu diesen eine bequemere Sitzposition und eine etwas komfortablere Federung. Auch der Beifahrer findet auf der durchgehenden Sitzbank etwas mehr als ein notdürftiges Sitzpolster vor, so dass durchaus auch ein Reisen zu zweit möglich ist. Fast alle Sporttourer haben eine Vollverkleidung oder zumindest eine Halbverkleidung. Über optionale Gepäcksysteme vom Hersteller können Seitenkoffer montiert werden.
Konzeptionelle Abgrenzung
Die Auslegung des Motors ist für gewöhnlich gegenüber der Supersportler-Version modifiziert. Durch geänderte Nockenwellenprofile und Ventilöffnungszeiten, längere Ansaugkanäle und schwere Kurbelwellen wird das Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich gegenüber seiner Maximalleistung optimiert. Eine reduzierte Maximaldrehzahl verbessert die Standfestigkeit der Motoren. Die Verkleidung ist breiter, höher und komfortabler dimensioniert und bietet einen besseren Wind- und Wetterschutz als Supersportler. Der Motorradrahmen ist zugunsten einer aufrechteren Körperhaltung ausgelegt. Ein größerer Radstand und entspannterer Lenkungswinkel verbessern den Geradeauslauf, jedoch nicht bis zu dem Grad wie bei reinen Tourern. Das zusätzliche Gewicht einer größeren Verkleidung, längerem Fahrwerk und Rahmen sowie zusätzlichen Motor- und Ausstattungskomponenten verändert das Verhältnis von ungefederten zu gefederten Massen, was das Fahrverhalten auf unebenen Fahrbahnbelägen beruhigt. Antiblockiersysteme sind für gewöhnlich serienmäßig montiert, einige Hersteller bieten auch Verbundbremsen und Antriebsschlupfregelungen an. Ein voluminöser Kraftstofftank vergrößert die maximale Reichweite, ein sehr lang übersetzter letzter Gang (Overdrive) verringert die Drehzahl und den Kraftstoffverbrauch auf langen Autobahnetappen. Die Bodenfreiheit ist gegenüber reinen Tourern vergleichsweise hoch, um auch eine sportliche Fahrweise mit großer Schräglagenfreiheit zu ermöglichen. Bevorzugt eingesetzte Kardanantriebe sind gegenüber Kettenantrieben langlebiger und wartungsärmer.
Typisch sind serienmäßig abschließbare, spritzwasserdichte und in die Verkleidung integrierte Hartschalenkoffer in Fahrzeugfarbe. Im Zubehör werden zumeist elektronisch einstellbare Fahrwerke, Griffheizung, Tempomat, Navigationssystem, Bordspannungssteckdosen und ein Reifendruckkontrollsystem angeboten.
Motorradmodelle
Die Kategorisierung eines Motorrads als Sporttourer ist manchmal umstritten, da diverse Modelle sich sowohl als Sporttourer als auch als Tourer klassifizieren lassen. Fast alle europäischen und japanischen Motorradhersteller haben Sporttourer im Programm. Die Entwicklung in den 2010er Jahren geht in Richtung vollverkleideter Sporttourer mit über einem Liter Hubraum, einer Nennleistung von mehr als 72 kW (98 PS) und einer Endgeschwindigkeit oberhalb von 200 km/h.
Marktübersicht in Produktion befindlicher Sporttourer
Bild | Hersteller | Modell | Motor | Hubraum | Leistung | Antrieb | Leergewicht | Verkaufsstart (Modellpflege) |
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BMW | R 1200 RS | 2 Zylinder, Boxermotor | 1170 cm³ | 92 kW (125 PS) | Kardanantrieb | 236 kg | 2015 (2018) | |
Honda | VFR 800 F (RC 79) | 4 Zylinder, V-Motor | 782 cm³ | 78 kW (106 PS) | Kettenantrieb | 242 kg | 2014 | |
Honda | VFR 1200 F (SC 63) | 4 Zylinder, V-Motor | 1237 cm³ | 127 kW (173 PS) | Kardanantrieb | 267 kg | 2009 (2012) | |
Kawasaki | ZZR 1400 | 4 Zylinder, Reihenmotor | 1441 cm³ | 147 kW (200 PS) | Kettenantrieb | 268 kg | 2006 (2008) | |
Kawasaki | Z 1000 SX | 4 Zylinder, Reihenmotor | 1043 cm³ | 105 kW (143 PS) | Kettenantrieb | 230 kg | 2010 (2013) | |
KTM | 1290 Super Duke GT | 2 Zylinder, V-Motor | 1301 cm³ | 127 kW (173 PS) | Kettenantrieb | 205 kg | 2016 | |
Suzuki | Hayabusa 1300 ABS | 4 Zylinder, Reihenmotor | 1340 cm³ | 149 kW (203 PS) | Kettenantrieb | 266 kg | 2008 (2013) | |
Triumph | Triumph Sprint GT 1050 (215ND) | 3 Zylinder, Reihenmotor | 1050 cm³ | 96 kW (131 PS) | Kettenantrieb | 268 kg | 2010 | |
Yamaha | FJR 1300 A | 4 Zylinder, Reihenmotor | 1298 cm³ | 105 kW (143 PS) | Kardanantrieb | 264 kg | 2001 (2013) |
Weitere Sporttourer sind unter anderem:
- Aprilia SL 1000 Falco (1999–2003), RST 1000 Futura (2001–2003)
- BMW F 800 ST (2006–2012), F 800 GT (seit 2012)
- BMW K 1200 RS (1996–2004), K 1200 S (2005–2009), K 1300 S (2008–2015)
- BMW K 1200 GT (2002–2008), K 1300 GT (2009–2011)
- Ducati ST2 (1997–2003), ST3 (2004–2007), ST4 (2002–2005)
- Honda CBF 1000 (2006–2011), CBR 1100 XX (1997–2007)
- Honda VFR 750 F (1986–1997), VFR 800 FI (1998–2010)
- Kawasaki ZX-12R (2000–2005), Z 1000 SX (seit 2011)
- Kawasaki 1400 GTR (2007–2016)
- Moto Guzzi Norge 1200 (2006–2016)
- MZ 1000 ST (2004–2008)
- Suzuki GSX750F, GSX 1100 F (1988–1996), GSX 1250 F (seit 2010)
- Suzuki GSF 1200 Bandit (1996–2006), GSF 1250 Bandit (seit 2007)
- Triumph Sprint ST 955 (1999-2004), Sprint ST 1050 (2005-2010)
- Yamaha GTS 1000 (1993–1997)
- Yamaha MT-09 Tracer (seit 2013)
Marktentwicklung
Unter den 50 meistverkauften Motorrädern in Deutschland befanden sich 2013 mit BMW F 800 GT (Platz 20), Kawasaki Z1000 SX (Platz 26), BMW K 1300 S (Platz 33) und BMW R 1200 RT (Platz 39) lediglich vier Sporttourer.[1] Laut Heinz May kaufen Motorradfahrer „derzeit lieber die Spezialisten wie Sportler, Naked Bikes oder Tourer – und wenn sie zu Alleskönnern greifen, dann zu den Reiseenduros.“[2] Die Verkaufszahlen der Reiseenduro BMW R 1200 GS K50 war in dem gleichen Zeitraum mehr als doppelt so hoch wie die vier vorgenannten Sporttourer zusammen. Nach Clemens Gleich sind „Sporttourer in Europa praktisch unverkäuflich geworden.“[3]
Der Trend zum Zweitmotorrad hat eine stärkere Spezialisierung der Fahrgattungen zur Folge, da er die Nachfrage nach „Sowohl-als-auch-Motorrädern“ verringert. Geringere durchschnittliche Jahreslaufleistung von unter 4000 km pro Jahr[4] hat die Anforderung an den Komfort verringert, zumal die Anfahrt in den Urlaub oft per Autoreisezug oder Anhänger erfolgt und die Langstreckentauglichkeit von nachrangiger Bedeutung wurde. Tourentaugliche Reiseenduros sind mit bis zu 150 PS Nennleistung, semi-aktiven Fahrwerken und viel Fahr- und Reisekomfort in das Sporttourer-Segment eingedrungen.
Rezeption
Die Zeitschrift Motorrad definiert Sporttourer als „Maschinen, die für viel Fahrspaß plus bequeme Anreise ins Zielgebiet“ stehen und „auch bei Rennstreckentrainings Laune“ machen: „Sowohl-als-auch-Motorräder, die nicht extrem waren, nur extrem vielseitig: gute Tourentauglichkeit und hohe Alltagskompetenz, gepaart mit flotten Fahrleistungen und sportlichen Fahreigenschaften.“[5] Ausschlusskriterien sind eine fehlende Verkleidung, Behäbigkeit, „grobe Fahrwerksschwächen“ und eine „aufrechte Körperhaltung“.[5]
Siehe auch
Weblinks
- Stefan Kaschel, Gerhard Lindner: Megatest Sporttourer – Das ist der Gipfel. In: Motorrad, Ausgabe 19/1999, 10. September 1999.
- Christian Heim: Vergleichstest Sporttourer. In: Reise Motorrad. Ausgabe 5/2012. 5. August 2012.
Einzelnachweise
- Neuzulassungen Krafträder 2013 Deutschland (Memento des Originals vom 14. Juli 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . In: Industrie-Verband Motorrad Deutschland e.V.
- Heinz May: Eine für alles. In: Focus. 16. September 2014, abgerufen am 12. Februar 2015.
- Clemens Gleich: New Old School. In: Heise online. 10. April 2014, abgerufen am 12. Februar 2015.
- Fahrleistungs- und Verbrauchsrechnung. In: DIW Berlin. Wochenbericht 41/04.
- Thomas Schmieder: Sporttourer im Wandel der Zeit: Sind Generalisten out? In: Motorrad, Ausgabe 15/2014. 3. Juli 2014, abgerufen am 1. September 2014.