Sengierit
Sengierit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ (ehemals Phosphate, Arsenate und Vanadate). Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Cu2(OH)2[UO2|VO4]2·6H2O[1] und ist damit chemisch gesehen ein basisches, wasserhaltiges Kupfer-Uranyl-Vanadat, das einer speziellen Gruppe der Oxide bzw. Hydroxide, den sogenannten Polyvanadaten (V[5,6]-Vanadate) angehört. Strukturell zählt Sengierit zu den Uranyl-Gruppenvanadaten (Sorovanadaten).
Sengierit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Oxide und Hydroxide (ehemals Phosphate, Arsenate und Vanadate) |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
4.HB.10 (8. Auflage: VII/E.11) 42.06.10.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | monoklin |
Kristallklasse; Symbol | monoklin-prismatisch; 2/m[3] |
Raumgruppe (Nr.) | P21/a[1] (Nr. 14) |
Gitterparameter | a = 10,60 Å; b = 8,09 Å; c = 10,09 Å β = 103,4°[1] |
Formeleinheiten | Z = 2[1] |
Häufige Kristallflächen | {001}, {110}, {100}, {201}, {111}[4] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2,5 |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 4,05; berechnet: 4,10[4] |
Spaltbarkeit | vollkommen nach {001}[4] |
Bruch; Tenazität | spröde |
Farbe | gelblichgrün bis grünlichgelb |
Strichfarbe | hellgrün |
Transparenz | durchsichtig |
Glanz | Glasglanz bis Diamantglanz |
Radioaktivität | sehr stark |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,760 bis 1,770 nβ = 1,920 bis 1,940 nγ = 1,940 bis 1,970[5] |
Doppelbrechung | δ = 0,180 bis 0,200[5] |
Optischer Charakter | zweiachsig negativ |
Achsenwinkel | 2V = gemessen: 37° bis 39°; berechnet: 36°[5] |
Pleochroismus | sichtbar: X = bläulichgrün bis farblos, Y = olivgrün bis grünlichgelb, Z = gelblichgrün bis farblos[5] |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | löslich in Säuren[6] |
Das Mineral entwickelt tafelige Kristalle mit sechsseitigem Umriss bis etwa zwei Millimeter Durchmesser, die meist zu schuppigen Mineral-Aggregaten und krustigen Überzügen verbunden sind. Die durchsichtigen Kristalle sind von gelblichgrüner bis olivgrüner Farbe bei hellgrüner Strichfarbe und weisen auf den Oberflächen einen glas- bis diamantähnlichen Glanz auf.
Etymologie und Geschichte
Erstmals entdeckt wurde Sengierit im Kupfer-Cobalt-Uran-Tagebau Luiswishi etwa 20 km nördlich von Lubumbashi[7] in der Provinz Katanga der Demokratischen Republik Kongo und beschrieben 1949 durch Johannes F. Vaes, Paul F. Kerr, die das Mineral nach dem früheren Direktor der Union Mine von Katanga Edgar Sengier (1879–1963) benannten.[8]
C. O. Hutton von der Stanford-Universität in Kalifornien untersuchte 1957 Mineralproben aus der Cole-Mine, Bisbee, Arizona (USA). Das Material stammte vom ehemaligen Direktor der Mine, William P. Crawford welches dieser bereits 1935 fand.[9]
Das Typmineral wird an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts in den USA (Katalog-Nr. 103963) aufbewahrt.[4]
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Sengierit noch zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Uranylphosphate/Arsenate und Uranylvanadate“, wo er zusammen mit Carnotit, Curienit, Francevillit, Margaritasit, Metatyuyamunit, Metavanuralit, Strelkinit, Tyuyamunit und Vanuralit die Gruppe der „Uranyl-Gruppenvanadate mit [UO2]2+-[V2O8]6−“ mit der System-Nr. VII/E.11 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunzschen Mineralsystematik ordnet den Sengierit dagegen in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „V[5,6]-Vanadate“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Uranyl-Gruppenvanadate (Sorovanadate)“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 4.HB.10 bildet.
Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Sengierit wie die veraltete Strunz’sche Systematik in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ ein, dort jedoch in die Abteilung der „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 42.06.10 innerhalb der Unterabteilung „Wasserhaltige Phosphate etc.“, mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)2(XO4)Zq × x(H2O) zu finden.
Kristallstruktur
Sengierit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe P21/a (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 3) mit den Gitterparametern a = 10,60 Å; b = 8,09 Å , c = 10,09 Å und β = 103,4° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1] Sengierit besteht aus Schichten von kantenverknüpften pentagonal-bipyramidalen Uranyl- und quadratisch-pyramidalen Vanadat-Polyedern. Die Schichten werden sowohl durch Wasserstoffbrückenbindungen wie auch durch die Koordination der Sauerstoffatome der Vanadat-Polyeder durch Cu2+-Ionen verknüpft.
Eigenschaften
Durch seinen Urangehalt von bis zu 47,36 %[3] ist das Mineral sehr stark radioaktiv. Unter Berücksichtigung der natürlichen Zerfallsreihen bzw. vorhandener Zerfallsprodukte wird die spezifische Aktivität mit 84,78 kBq/g[3] angegeben (zum Vergleich: natürliches Kalium 0,0312 kBq/g). Der zitierte Wert kann je nach Mineralgehalt und Zusammensetzung der Stufen deutlich abweichen, auch sind selektive An- oder Abreicherungen der radioaktiven Zerfallsprodukte möglich und ändern die Aktivität.
Bildung und Fundorte
Sengierit bildet sich sekundär in kupferhaltigen Uran-Lagerstätten durch Abscheidung hydrothermaler Lösungen, die den primär vorhandenen Uraninit umwandeln. Er tritt dort vorwiegend in Paragenese mit Chalkosin, Chlorargyrit, Chrysokoll, verschiedenen Cobaltoxiden, Covellin, Malachit, Tyuyamunit, Vandenbrandeit und Volborthit auf.
Als sehr seltene Mineralbildung konnte Sengierit bisher (Stand 2014) nur in wenigen Proben aus weniger als 10 Fundorten gefunden werden. Neben seiner Typlokalität Luiswishi-Mine bei Lubumbashi trat das Mineral in der Demokratischen Republik Kongo noch in der Musonoi Mine bei Kolwezi und der Shinkolobwe Mine (Kasolo-Mine) in Katanga zutage.
Weitere bisher bekannte Fundorte sind die Huemul Min in der Pampa Amarilla im argentinischen Departamento Malargüe, die Grube Clara bei Oberwolfach im deutschen Bundesland Baden-Württemberg, Rabejac im französischen Département Hérault, Amelal in Marokko, die Eureka-Mine (Gemeinde Torre de Cabdella) in der spanischen Provinz Lleida, Růžodol (deutsch Rosenthal) in der tschechischen Region Böhmen und die Cole-Mine bei Bisbee im US-Bundesstaat Arizona.[10]
Vorsichtsmaßnahmen
Aufgrund der Toxizität und der starken Radioaktivität des Minerals sollten Mineralproben vom Sengierit nur in staub- und strahlungsdichten Behältern, vor allem aber niemals in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen aufbewahrt werden. Ebenso sollte eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation, Ingestion) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Atemschutzmaske und Handschuhe getragen werden.
Siehe auch
Literatur
- J. F. Vaes, Paul F. Kerr: Sengierite: a preliminary description. In: American Mineralogist. Band 34, 1949, S. 109–120 (rruff.info PDF; 748,1 kB).
- Gabrielle Donnay, J. D. H. Donnay: Contribution to the crystallography of uranium minerals. In: Geological Survey for the United States Atomic Energy Commission. Technical Information Service Oak Ridge, April 1955, S. 1–42 (rruff.info PDF; 1,56 MB).
- Sengierite. in: Clifford Frondel: Systematic Mineralogy of Uranium and Thorium. Band 1064, Geological Survey Bulletin, U.S. Government Printing Office, 1958, S. 258–260 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 656 (Erstausgabe: 1891).
Weblinks
- Mineralienatlas:Sengierit
- Fotos von Sengierit auf den Webseiten der Association des Géologues Amateurs de Belgique (AGAB)
- Database-of-Raman-spectroscopy – Sengierite.
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 255.
- IMA/CNMNC List of Mineral Names; March 2014 (PDF; 1,5 MB).
- Webmineral – Sengierite.
- Sengierit. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org PDF; 65,3 kB).
- Mindat – Sengierite.
- Mineralienatlas – Sengierit.
- Mineralienatlas – Typlokalität Luiswishi, Provinz Katanga (Shaba), Demokratische Republik Kongo
- J. F. Vaes, Paul F. Kerr: Sengierite: a preliminary description. In: American Mineralogist. Band 34, 1949, S. 109–120 (rruff.info PDF; 748,1 kB).
- C.O. Hutton: Sengierite from Bisbee, Arizona. In: American Mineralogist. Band 42, 1957, S. 408–411 (minsocam.org PDF; 263 kB).
- Fundortliste für Sengierit beim Mineralienatlas.