Seefestspiele Mörbisch
Die Seefestspiele Mörbisch, ursprünglich: Seespiele Mörbisch, sind ein jährlich in den Sommermonaten stattfindendes Operetten-Festival in Mörbisch am See (Österreich). Mit ca. 150.000 Besuchern sind die Seefestspiele Mörbisch das weltgrößte Festival der Gattung Operette. Neben Operetten wird unregelmäßig auch klassisches Musical aufgeführt. Vor allem die Naturkulisse des Neusiedler Sees wird immer in das Bühnenbild eingebaut. Da die naturgegebenen Verhältnisse keine Aufführungen zulassen würden, wird eine speziell für die Seefestspiele entwickelte Übertragungstechnik eingesetzt.
Geschichte
Ökonomisch-touristische Grundlagen
Bei der Entstehung und Entwicklung der Seespiele Mörbisch dominierten fremdenverkehrspolitische Überlegungen. Als man ab 1953 daranging, Burgenlands Fremdenverkehr auszubauen und das Besuchs- und Durchzugsgebiet in eine Aufenthalts- und Erholungsstätte zu verwandeln, standen der Neusiedler See sowie die Seegemeinden im Mittelpunkt dieser Bemühungen. In der Gemeinde Mörbisch am See wurde mit kräftiger Unterstützung durch das Fremdenverkehrsreferat die Straße zwischen Rust und Mörbisch ausgebaut, ein 1800 m langer Seedamm, der den Besuchern von Mörbisch den Neusiedler See erschloss, errichtet und ein Strandbad angelegt.[1] Mörbisch wurde neben Rust, Neusiedl am See und Podersdorf am See zur vierten bedeutenden Fremdenverkehrsgemeinde am See. Im Jahr 1956 luden die Mörbischer zu einem zweitägigen Seefest. Gemeinsam mit dem Österreichischen Verkehrsbüro organisierte die Gemeinde ein sogenanntes Nacht- und Seefest, das von 6000 Gästen besucht wurde. Das Programm bot Nachtfahrten in dekorierten Motorbooten, für die Musik sorgten Tanzkapellen, Wiener Künstler bestritten ein vollständiges Kabarettprogramm, ferner traten Volkslied- und Volkstanzgruppen auf.[2]
1957 kündigte die burgenländische Presse den ersten Höhepunkt der Entwicklung von Mörbisch zum burgenländischen Fremdenverkehrszentrum durch den Bau eines Seehotels[1] und der Abhaltung von Seespielen an und damit verbunden den Beginn eines neuen Abschnitts burgenländischen Wirtschafts- und Kulturaufstiegs.[3]
Gründung, technische Ausstattung
Die Initiative zu der in den Jahren 1955–57 gegründeten Seespiele ging von dem (unter anderem) an der Wiener Staatsoper gefeierten Kammersänger Herbert Alsen (1906–1978) aus, der, zusammen mit seiner Ehefrau, der in Berlin tätig gewesenen Kostümbildnerin Gisela Bossert († 2012), den Spielort auf der Suche nach einem seiner Stimme klimatisch zuträglichen Urlaubsort zufällig entdeckte und den die eigenartige Musikalität dieser Landschaft[4] bleibend berührte. Alsens Pläne fanden beim Gemeinderat von Mörbisch sowie beim Vertreter des Landes, Landesrat Hans Bögl (1899–1974), begeisterte Aufnahme, zumal das Vorhaben in das Tourismuskonzept von Gemeinde und Land passte, und Alsen erklärte sich in der Folge bereit, die Intendantur der Seespiele zunächst für fünf Jahre zu übernehmen (mit Bezug auf allfällige Konkurrenz mit den Bregenzer Festspielen) betonend, dass die Seespiele in Mörbisch nicht Festspiele sein wollten, welche die übergroße Zahl der Festspielstätten noch vergrößern würden.[5]
Nach zweijähriger Vorbereitungszeit erfolgte am 6. Juli 1957 die Eröffnung mit der Operette Der Zigeunerbaron von Johann Strauss.[1]
Die Seebühne wurde in einer Bucht neben dem Mörbischer Badestrand auf vielen Hundert Piloten nach den Plänen von Architekt Ferry Windberger (1915–2008), dem Gestalter der ersten Bregenzer Seebühne, gebaut. Ihre Ausmaße betrugen 42 mal 20 m; der durch Aufschüttung des Sees entstandene Zuschauerraum umfasste 1.500[6][Anm. 1] Sitzplätze.[7] Nach einer Erweiterung 1959 konnten 3000 Personen untergebracht werden. Heute weist der Zuschauerraum über 6000 Sitzplätze auf. In den folgenden Jahren erfolgten aufgrund der großen Publikumsresonanz ständig Erweiterungen, sowohl was die Anzahl der Aufführungen als auch die Größe von Zuschauerraum und Bühne betrifft. Von anfänglich sechs Vorstellungen mit etwa 7000 Zuschauern (1957) erfolgte eine Steigerung auf über 30 Vorstellungen im Juli und August.
Im Jahr 2006 wurde ein neues Beschallungssystem, das vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie entwickelt wurde und auch bei den Bregenzer Festspielen im Einsatz ist, in Betrieb genommen. Dadurch ist trotz der Größe der Bühne ein richtungsbezogenes Hören möglich.[8][9]
Einige Jahre lang wurde die Premiere der Seefestspiele vom ORF übertragen.[10] Mit der Saison 2013 wurde diese Praxis aber beendet.
2018 waren erstmals auch eigens inszenierte Aufführungen für Kinder zu sehen. Eine einstündige Adaption von Gräfin Mariza wurde im Juni 2018 auf einer am Festspielgelände aufgebauten Bühne bei insgesamt sechs Vorstellungen gezeigt. Pro Vorstellung fanden bis zu 250 Kinder Platz, den Besuchern wurde auch die Möglichkeit geboten, mitzusingen und mitzutanzen. Damit wollte man Kindern die Operette näher bringen. Auf der Bühne waren dieselben Solisten zu sehen wie bei den regulären Aufführungen.[11] Im Rahmen des Österreichischen Musiktheaterpreises 2020 wurden die Seefestspiele mit dem Preis für die beste Jugend- und Kindermusiktheaterproduktion für Land des Lächelns für Kinder ausgezeichnet.[12]
Leiter der Seefestspiele Mörbisch seit ihrer Gründung
- 1957–1978: Herbert Alsen (Intendant), Franziska Schurli (* Dezember 1919; † 21. Jänner 1984) (Geschäftsführerin)
- 1979–1980: Fred Liewehr (Intendant), Franziska Schurli (Geschäftsführerin)[13]
- 1981–1983: Franziska Schurli (Intendantin und Geschäftsführerin)[14]
- 1984–1989: Teletheater GmbH (Intendanz)[15], Heinrich Meyer (Geschäftsführer)[16]
- 1990–1992: Rudolf Buczolich (Intendant)[17], Josef Wiedenhofer (Geschäftsführer)
- 1993–2012: Harald Serafin (Intendant), Dietmar Posteiner (Geschäftsführer)
- 2013–2017: Dagmar Schellenberger (Intendantin), Dietmar Posteiner (Geschäftsführer)
- seit 2018: Peter Edelmann[18] (Künstlerischer Direktor), Dietmar Posteiner (Geschäftsführer), seit 2021 zusätzlich Alfons Haider als Generalmusikintendant des Burgenlandes[19]
Von 1995 bis 2008 war Rudolf Bibl musikalischer Leiter, der 2013 zum Ehrenmitglied der Festspiele ernannt wurde.[20]
Aufführungen, Künstler
Aufführungen
Mit insgesamt zwölf Spielzeiten ist Der Zigeunerbaron die mit Abstand am häufigsten gespielte Operette in Mörbisch.
Die Festspiele 2020 mussten aufgrund der COVID-19-Pandemie in Österreich abgesagt werden. Die für 2020 geplante Produktion der West Side Story wurde auf 2021 verschoben. Zur Bühnendekoration gehört eine 14 m hohe Freiheitsstatue und die für Manhattan typischen Backsteinbauten mit Feuertreppe, Wasserhochbehälter und Neonwerbeschrift Nylon am Dach.[25][26]
Bisher aufgetretene Künstler (Auswahl)
|
|
|
Literatur
- Maria Awecker, Sabine Schmall, Heinz Hischenhuber (Bearb.), Margret Dietrich (Hrsg.): Theatergeschichte des Burgenlandes von 1921 bis zur Gegenwart. Theatergeschichte Österreichs, Band 8: Burgenland, Heft 2, ZDB-ID 570996-9. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1995, ISBN 3-7001-2208-X. – Inhaltsverzeichnis (PDF).
- Eva Deissen (Red.): Mörbisch – ein Festival schreibt Operettengeschichte. Begleitmaterialien: CD. Echomedia-Verlag, Wien 2007, ISBN 978-3-901761-62-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Neuer Abschnitt des burgenländischen Wirtschafts- und Kulturaufstieges eingeleitet. Nach Errichtung eines Strandbades erbaut die Gemeinde Mörbisch ein Seehotel – Hervorragender Dienst am Fremdenverkehr des Landes – Seespielgemeinde mit den besten Zukunftsaussichten – Die Aufführung von „Zigeunerbaron“, ein durchschlagender Erfolg – Die Indentantur der Seespiele in den Händen eines großen Künstlers, des Kammersängers Herbert Alsen. In: Burgenländische Freiheit. XXVII. Jahrgang, Nr. 32/1957, S. 6.
- Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 259.
- Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 261.
- Freies Burgenland. Kommunistisches Wochenblatt. Nr. 27/1957, 7. Juli 1957. Globus, Wien 1957, ZDB-ID 1307715-6, S. 9. – Aus: Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 261.
- Mörbisch am See: Neues Zentrum des Fremdenverkehrs. Das neue Seehotel vor der Vollendung – 6. Juli: Eröffnung der Seespiele – Opferbereitschaft und Idealismus am Werk. (…) Die Seespiele. In: Burgenländische Freiheit. XXVII. Jahrgang, Nr. 26/1957, S. 3, Spalte 1, unten.
- 25 Jahre Seespiele Mörbisch. In: Burgenländische Freiheit. LI. Jahrgang, Nr. 31/1981, S. 35.
- Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 263.
- Henning Köhler (Red.): Weltgrößte Operettenbühne ertönt mit Fraunhofer-Technologie (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . In: iuk.fraunhofer.de, 27. Juni 2006, abgerufen am 8. Oktober 2012.
- Wolfgang Fritz (Memento des Originals vom 22. September 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf der Seite der Bregenzer Festspiele abgerufen am 31. August 2011
- Andrea Rössner (Red.): Hohe Einschaltziffern bei ORF-Übertragung aus Mörbisch. In: ots.at, 5. August 2001, abgerufen am 8. Oktober 2012.
- orf.at: Erstmals Kinderoperette in Mörbisch. Artikel vom 20. Jänner 2018, abgerufen am 20. Jänner 2018.
- Musiktheaterpreis ehrte Placido Domingo. In: ORF.at. 6. August 2020, abgerufen am 7. August 2020.
- Burgenländische Festspiele: Vier Spielorte – zwei Intendanten. In: Burgenländische Freiheit. IL. Jahrgang, Nr. 10/1979, S. 45.
- Die Burgenländischen Festspiele stehen auf einer neuen Basis. In: Burgenländische Freiheit. L. Jahrgang, Nr. 47/1980, S. 48.
- Ernst Scherzer: Leben für die Operette: Grazer Regisseur Robert Herzl verstorben. In: Kleine Zeitung, 25. November 2014. Kleine Zeitung, 25. November 2014, abgerufen am 25. Juni 2020.
- Burgenlands Einfluß auf noch breiterer Basis. Eine neue Festspiel-Ära. Festspiel-Gremien. In: Burgenländische Freiheit. LIV. Jahrgang, Nr. 13/1984, S. 2, unten rechts.
- Vorhang auf für’s Nachfolgespiel. In: Burgenländische Freiheit. LXII. Jahrgang, Nr. 36/1992, S. 4 f.
- orf.at: Seefestspiele: Edelmann statt Pichowetz. Artikel vom 31. Mai 2017, abgerufen am 31. Mai 2017
- Musiktheater: Alfons Haider wird Generalintendant. In: ORF.at. 16. Dezember 2020, abgerufen am 16. Dezember 2020.
- Rudolf Bibl erstes Ehrenmitglied von Mörbisch. Artikel vom 12. Juli 2013, abgerufen am 6. Dezember 2016.
- Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 267.
- Zweite Premiere in Mörbisch: Ein gelungenes Experiment. In: Burgenländische Freiheit. XXVIII. Jahrgang, Nr. 31/1958, S. 2, oben.
- Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 356.
- „Viktoria und ihr Husar“ siegten über den Sturm und die Kälte. In: Burgenländische Freiheit. XLIII. Jahrgang, Nr. 31/1973, S. 21.
- Burgenländischer Kultursommer abgesagt. In: ORF.at. 24. März 2020, abgerufen am 25. März 2020.
- Seefestspiele mit zweitgrößter Freiheitsstatue orf.at, 28. Juni 2021, abgerufen 29. Juni 2021.
- Awecker et al.: Theatergeschichte des Burgenlandes, S. 266.
Anmerkungen
- Auch: Der Zuschauerraum bietet Platz für 1.800 Besucher. – Siehe: Mörbisch am See: Neues Zentrum des Fremdenverkehrs. Das neue Seehotel vor der Vollendung – 6. Juli: Eröffnung der Seespiele – Opferbereitschaft und Idealismus am Werk. (…) Seespiele in Mörbisch. In: Burgenländische Freiheit. XXVII. Jahrgang, Nr. 26/1957, S. 3, Spalte 3 Mitte.
- Von acht beabsichtigten Aufführungen fielen zwei wegen Schlechtwetters aus. Beginn der Vorstellungen war um 19 Uhr. Die Eintrittspreise betrugen S 10,– (0,73 Euro) bis S 50,– (3,63 Euro).