Hermann Wedekind
Hermann Wedekind (* 18. November 1910 in Coesfeld; † 16. Januar 1998 in Wadern) war ein deutscher Schauspieler, Opernsänger, Regisseur und Theaterintendant.
Leben
Hermann Wedekind, gebürtiger Westfale, verbrachte seine Jugend in Witten. 1932 wurde er als Autodidakt an das Stadttheater in Hagen verpflichtet. Danach spielte er am Bielefelder Theater jugendliche Charakterrollen, bis ihn Heinz Hilpert 1935 an das Deutsche Theater nach Berlin holte. Nach einem Konflikt mit dem von ihm verehrten Hilpert ging Wedekind an das Schauspielhaus nach Königsberg, kehrte aber nach einer Spielzeit nach Berlin an das Deutsche Theater zurück, um dort bis 1943 als Hilperts persönlicher Assistent zu arbeiten. Dann folgte eine kurze Zeit als Sänger: An der Oper in Danzig erntete er erste Lorbeeren als jugendlicher Heldentenor, und für die Spielzeit 1943/44 erhielt er an der Dresdner Staatsoper einen Vertrag, der allerdings schon ein halbes Jahr später endete, da im September 1944 alle deutschen Theater geschlossen wurden.
Den Dresdner Feuersturm im Februar 1945 erlebte Hermann Wedekind unmittelbar mit. Er hinterließ bei ihm einen tiefen Eindruck, der sein ganzes späteres Wirken maßgeblich beeinflusste. So enthält das später von ihm bearbeitete Mysterienspiel Katharina von Georgien des Barockdichters Andreas Gryphius eine Anfangssequenz, die auf Wedekinds eigenes Erleben zurückzuführen ist: Die Schilderung der Bombardierung Dresdens mit Phosphorbomben, das Erleben einer irre gewordenen Frau („Ich habe meinen Hut verloren“) und sein „Erweckungserlebnis“ durch den Gesang einer Amsel am Morgen danach.
In den Nachkriegsjahren von 1946 bis 1950 war Wedekind zunächst Oberspielleiter des Theaters in Bonn, zugleich auch Leiter der dortigen Schauspielschule, die in jenen Jahren hohes Ansehen genoss. Danach, von 1950 bis 1954, leitete er das Theater in Münster, das er nach dem Krieg wieder aufbaute, und ging anschließend als Intendant (Direktor) nach Basel,[1] bevor er 1960 die Intendanz des damaligen Saarbrücker Stadttheaters, heute Saarländisches Staatstheater, übernahm. Mit seiner Verpflichtung des Dirigenten Siegfried Köhler als Generalmusikdirektor im Jahre 1964 begann eine künstlerische Zusammenarbeit, die das Saarbrücker Musiktheater weit über die bundesdeutschen Grenzen hinaus bekannt machte. 1970 verlieh ihm der saarländische Ministerpräsident den Titel Generalintendant. 1975 endete seine Tätigkeit als Theaterchef in Saarbrücken, nicht jedoch sein Einsatz als Regisseur und Initiator grenzüberschreitender Aktivitäten, vor allem im Kontakt mit osteuropäischen Ländern und hier besonders mit Georgien.
Aufbauend auf den kulturellen Kontakten Wedekinds zu diesem Land im Kaukasus entstand im Jahr 1975 auf Initiative seines persönlichen Freundes, des damaligen Bürgermeisters (ab 1976 Oberbürgermeister) der Landeshauptstadt des Saarlandes, Oskar Lafontaine die erste Städtepartnerschaft einer Stadt im Bereich der Nato (Saarbrücken) mit einer Stadt im Bereich des Warschauer Pakts (Tiflis, der Hauptstadt Georgiens), und das „mitten im Kalten Krieg“.
Wedekind verstand sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Botschafter der Kunst und des Friedens. Sein persönliches Motto war „Kunst kennt keine Grenzen“. Viele junge Künstler wie etwa die Sängerin Montserrat Caballé wurden von ihm entdeckt und gefördert. Doch auch die Arbeit mit Theaterlaien, denen er professionelle Leistungen abverlangte, wurde von vielen Seiten anerkannt und unterstützt. Sie fiel in Balve auf fruchtbaren Boden. Und immer wieder hat er sein Schaffen in den Dienst der globalen Völkerverständigung gestellt.
Hermann Wedekind starb im 88. Lebensjahr in seinem langjährigen Wohnsitz im saarländischen Wadern. Auf dem dortigen Friedhof wurde er beigesetzt. Sein Nachlass ist im Landesarchiv Saarbrücken überliefert.
Privates
Hermann Wedekind lebte in einer Schauspielerfamilie. Verheiratet war er mit der Schauspielerin Grete Schaun-Wedekind (* 1911 in Berlin; † 2007).[2][3] Sein jüngerer Bruder Werner Wedekind († 1999) gründete 1950 in Karlsruhe das Theater „die insel“ und leitete dieses als Intendant bis 1999. Einer seiner Söhne ist der Regisseur Michael Wedekind. Seine Tochter Claudia Wedekind-Felmy war seit 1986 mit Hansjörg Felmy († 2007) verheiratet. Ein weiterer Sohn ist der Arzt Andreas Trötschel (Sohn der Sängerin Elfride Trötschel).
Festspiele Balver Höhle
Die alte Tradition des Laienspiels in der riesigen, vollständig überdachten Naturbühne in der Balver Höhle im Sauerland wurde 1947 mit der Gründung des Vereins Gemeinschaft Balver Höhlenspiele wieder aufgenommen. 1949 übernahm Hermann Wedekind für drei Jahre die künstlerische Leitung des Theaterunternehmens.
Nach einer Unterbrechung von 25 Jahren übernahm er, motiviert durch eine Mitspielerin im 'Großen Welttheater' von Calderon von 1950, der Balver Bürgerin Agatha Allhoff-Cramer, die Neugründung der Balver Höhlenspiele. Wedekind war von 1983 bis 1996 künstlerischer Leiter des Vereins Festspiele Balver Höhle.
Zu der sauerländischen Kleinstadt Balve hatte der katholisch erzogene Hermann Wedekind ein über lange Jahre gewachsenes, inniges und zugleich kritisches Verhältnis. Er nutzte seine internationalen Verbindungen, um Schauspielern aus ganz Europa die Faszination der Balver Höhle als Bühnenraum nahezubringen. Seine Inszenierung des von ihm adaptierten Schauspiels Katharina von Georgien nach Andreas Gryphius im ersten Jahr der Festspiele verband er mit einem Gastauftritt des Poljanski-Chores aus Moskau. In diesem Engagement, das von vielen Balvern durch die Unterbringung von Sängern unterstützt wurde, dokumentierte sich sein zentrales friedenspolitisches Anliegen, dem er in seinem Wahlspruch „Kunst kennt keine Grenzen, Kunst führt die Völker zusammen“ Ausdruck gab. In der gleichen Tradition stand die Aufführung des Rustavi-Ensembles aus Tbilissi, dessen Engagement nach Balve ihm durch seine engen Verbindungen zu Georgien und zum damaligen sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse gelang. Etwa zeitgleich organisierte er Lesungen des russischen Schriftstellerverbandes in Balve. Um diese Aufführungen und Engagements zu ermöglichen, setzte er auch private Mittel ein. In einem Interview mit der Westfalenpost äußerte er sich 1984 wie folgt: „Genau dort, wo der Schützenverein traditionell Jahr für Jahr den Vogel abschießt, lasse ich mit der Katharina eine Friedenstaube aufsteigen.“
Dass sein Engagement generationenübergreifend war, bewies Hermann Wedekind mit der Aufführung des Mysterienspiels Das große Welttheater mit Aktiven des Hermann-Wedekind-Jugendtheaters aus Kutaissi im Jahr 1995 im Rahmen der Festspiele.[4]
Als Ehrenpräsident blieb Hermann Wedekind den Balver Festspielen auch anschließend noch eng verbunden.
Auszeichnungen
Für seine völkerverbindenden Bemühungen wurde Hermann Wedekind mehrfach ausgezeichnet. Er erhielt das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1986 den Verdienstorden des Saarlandes[5], den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen und die Albert-Schweitzer-Friedensmedaille.
Er wurde Ehrenbürger von Kutaissi und Georgien. 1995 ernannte ihn Präsident Eduard Schewardnadse zum Ersten Ehrenbürger der Republik Georgien.[6]
Literatur
- Thomas Blubacher: Hermann Wedekind. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 2057.
- Heinz Garber, Tamaz Gyenetadze: Hermann Wedekind erzählt sein Leben. Gollenstein Verlag, Blieskastel 1997, ISBN 3-930008-68-8.
Weblinks
- Literatur von und über Hermann Wedekind im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hermann Wedekind in der Internet Movie Database (englisch)
Einzelnachweise
- Basler Stadtbuch: 2. September 1954
- Claudia Wedekind, in: Internationales Biographisches Archiv 39/1987 vom 14. September 1987, im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
- Wedekind Hermann in der Datenbank Saarland Biografien
- Saarländisches Kulturjournal (Juni 1995)
- Bekanntmachung von Verleihungen des Saarländischen Verdienstordens. In: Chef der Staatskanzlei (Hrsg.): Amtsblatt des Saarlandes. Nr. 15. Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH, Saarbrücken 17. April 1986, S. 321–322 (uni-saarland.de [PDF; 208 kB; abgerufen am 14. Juni 2017]).
- Deutsch-Georgisches Zentrum Gelsenkirchen