Scharnhorst-Klasse (1936)
Die Scharnhorst-Klasse war die erste Klasse von Schlachtschiffen, die nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland gebaut wurde. Sie bestand aus zwei Schiffen – der Scharnhorst (Indienststellung Januar 1939) und der Gneisenau (Indienststellung Mai 1938). Die beiden Schiffe verstießen als erste gegen Artikel 181 des Versailler Vertrages. Beide Schiffe kamen im Zweiten Weltkrieg bei verschiedenen Operationen der Kriegsmarine zum Einsatz. Beide wurden mehrfach beschädigt; die Scharnhorst sank nach dem Seegefecht vor dem Nordkap am 26. Dezember 1943.
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Vorgeschichte
Nachdem die Planungen für die Panzerschiffe der Deutschland-Klasse abgeschlossen und deren Bau begonnen worden war, reagierten die Franzosen auf dieses neue deutsche Baumuster mit dem Bau der zwei Schiffe der Dunkerque-Klasse.
Eigentlich war geplant, dass auch die im deutschen Haushalt als Schiffe „D“ und „E“ bezeichneten Einheiten der Deutschland-Klasse konstruktiv folgen sollten. Um den Schiffen eine höhere Standfestigkeit zu geben, wurde aber bereits eine Verdrängung der Schiffe von 18.000 bis 19.000 Tonnen projektiert, was schon etwa einer Verdopplung der im Versailler Vertrag zugestandenen Größe entsprach.
Als Antwort auf den Bau der Dunkerque-Klasse wurden dann noch größere Schiffe geplant. Im Juli 1934 (nach der Kiellegung der Scharnhorst nach den alten Plänen) stimmte Adolf Hitler offiziell Plänen für Schiffe mit 26.000 Tonnen zu, die nun unter anderem einen dritten Geschützturm vorsahen. Der Bau der Scharnhorst wurde eingestellt und es erfolgte eine erneute Kiellegung nach dem neuen Projekt. Erst nachträglich – am 18. Juni 1935 – wurde diese Größe im deutsch-britischen Flottenabkommen legitimiert.
Entwurf
Wie in der Kaiserlichen Marine lag die Stärke des Entwurfes in der Panzerung und der strukturellen Stabilität; er lehnte sich in wesentlichen Punkten an die letzten durchkonstruierten Großen Kreuzer der Ersatz-Yorck-Klasse der Kaiserlichen Marine an. Tatsächlich wurde die offizielle Größe dabei nochmals erheblich überschritten, so dass die Schiffe schließlich fast 35.000 Tonnen verdrängten.
Der Hochleistungs-Dampfantrieb gab den Schiffen eine überlegene Maximalgeschwindigkeit; die relativ schwache Hauptbewaffnung wurde in Kauf genommen.
Ungewöhnlich war die stark erhöhte Aufstellung des Katapultes auf einem Aufbau hinter dem Schornstein. Der Bug der Schiffe erwies sich als zu niedrig und nahm viel Wasser über; deshalb wurde nach der Indienststellung in zwei Umbauten ein erhöhter Bug mit Gischtreling nachgerüstet.
Technik
Gewichte (Konstruktion)[1]
Bezeichnung | Gewicht [t] |
---|---|
Schiffskörper | 8.000 |
Panzerung | 14.000 |
Hauptmaschinen | 3.000 |
Hilfsmaschinen | 1.000 |
Artilleriebewaffnung | 4.800 |
Flugzeugeinrichtungen | 50 |
Ausrüstung | 1.100 |
Typverdrängung | 31.950 |
1/2 Brennstoff, Öl, Wasser | 3.500 |
Konstruktionsverdrängung | 35.500 |
Brennstoff, Öl, Wasser (voll) | 3.000 |
Schiff voll ausgerüstet | 38.500 |
Antrieb
Ursprünglich war geplant, Scharnhorst und Gneisenau wie die Panzerschiffe der Deutschland-Klasse mit einem Dieselantrieb auszurüsten, da er die Vorteile des geringeren Verbrauchs und damit der größeren Reichweite und einer höheren Leistung bei gleicher Baugröße hatte. Allerdings waren leistungsfähige Dieselmotoren, die den Schiffen die geforderte Geschwindigkeit von über 30 Knoten geben konnten, noch nicht ausgereift und bei MAN erst in der Erprobungsphase. Deshalb wurde (wie später auch bei der Bismarck-Klasse) ein Hochdruck-Dampfturbinenantrieb eingebaut.
Obwohl sich die Nassdampfanlage bei anderen Kriegsschiffen bewährt hatte und Stand der Technik war, kam mit der Hochdruck-Heißdampfanlage eine neue Variante zur Anwendung. Bei der Hochdruck-Heißdampftechnik ist der Dampf mit über 400 °C heißer und durch die verwendeten Drücke jenseits von 50 atü höher vorgespannt als bei der Nassdampftechnik und hat damit einen höheren nutzbaren Energiegehalt. Die Maschinenanlage hatte einen höheren Wirkungsgrad als herkömmliche Dampfturbinen, wodurch bei relativ kompakterer Bauweise und geringerem Treibstoffverbrauch eine höhere Leistung erzielt wurde.
Diese Technik war in diesen Dimensionen noch nicht ausgereift. Sie war zwar bereits in zivilen Schiffen eingesetzt worden und die meisten Probleme waren bekannt; im Maßstab der Maschinenanlage an Bord der Kriegsschiffe konnten diese Probleme aber nie endgültig behoben werden. Erst im Laufe des Krieges gelang es, das System einigermaßen in den Griff zu bekommen. Die Antriebsanlage blieb relativ wartungsintensiv und störanfällig und benötigte viel hochqualifiziertes Personal.
Bewaffnung
Das Kaliber der Hauptbewaffnung wurde bei 28,0 Zentimetern wie bei der Deutschland-Klasse belassen, um weitere Verhandlungen mit England nicht zu belasten; die Kaliberlänge wurde von 52 auf 54,5 gesteigert. Die Granaten wurden um 0,2 Kaliberlängen verlängert; sie wogen rund 30 kg mehr als ihre Vorgänger.[2] Die Barbetten der beiden Schiffe waren so konzipiert, dass sie sowohl einen 28-Zentimeter-Drillingsturm als auch einen 38-Zentimeter-Doppelturm aufnehmen konnten, so dass eine spätere Umrüstung möglich gewesen wäre.
Die für die Deutschland-Klasse entwickelten Geschütze hatten durch die gesteigerte Kaliberlänge eine hohe Mündungsgeschwindigkeit und eine außergewöhnliche Reichweite. So gilt ein Treffer der Scharnhorst gegen den englischen Flugzeugträger Glorious während des Unternehmens Juno auf eine Entfernung von 24 Kilometern als die größte Treffer-Reichweite auf ein bewegliches Schiffsziel in einer Seeschlacht des Zweiten Weltkrieges.[3] Daneben ermöglichte die Technik der deutschen Drillingstürme eine höhere Schussfolge als bei Schiffen anderer Staaten. Dies machte den Nachteil des geringeren Kalibers zum Teil wett.
Eine Umrüstung der schweren Artillerie der Scharnhorst-Klasse auf drei 38-Zentimeter-Doppeltürme war für die Jahre 1940/41 vorgesehen. Dabei hätten die 28-Zentimeter-Drillingstürme der beiden Schiffe an die ersten drei Einheiten der P-Klasse gehen sollen. Aufgrund der politischen Lage war im Sommer 1939 schon vorauszusehen, dass eine derartige Umrüstung verschoben werden musste.[4]
Panzerung
Bei der Konstruktion wurde insgesamt auf einen guten Panzerschutz großer Wert gelegt. Bei der Scharnhorst-Klasse wurde nicht strikt dem „Alles-oder-Nichts“-Konzept gefolgt, das bei vielen anderen Schlachtschiffbauten dieser Zeit üblich war, sondern das Schiff wurde auf seiner ganzen Länge in unterschiedlichem Maße geschützt.
Der Schutz gegen Flachbahnfeuer bestand im Kern aus dem Panzergürtel, der in der Schiffsmitte, mit bis zu 350 Millimetern Stärke, sogar dicker ausfiel als bei der nachfolgenden Bismarck-Klasse. Nach unten verringerte sich seine Stärke auf 150 Millimeter. Gegen Torpedo- und Seeminen, die unter Wasser an den Schiffsseiten explodierten, hatte man unterhalb des Panzergürtels mittschiffs einen Expansionsraum von knapp fünf Metern vorgesehen, der nach innen durch ein 45-Millimeter-Torpedoschott abgegrenzt war, auf das ein weiterer Expansionsraum mit wasserdichten Abteilungen von ähnlicher Ausdehnung folgte.
Der horizontale Schutz gegen von oben einschlagende Granaten und Bomben war weniger stark und bestand aus zwei Lagen gepanzerter Decks – dem Oberdeck mit bis zu 50 Millimetern Stärke und dem Panzerdeck mit bis zu 95 Millimetern Stärke. Die Idee war, dass einschlagende Bomben und Geschosse vom Oberdeck gebremst oder zur Explosion gebracht und die verbliebene Energie vom Panzerdeck aufgefangen werden sollte.[5]
Die vordere Kommandobrücke hatte eine 350-Millimeter-Panzerung zu allen Seiten und ein 200 Millimeter stark gepanzertes Dach. Der Verbindungsschacht von Kommandobrücke zur Zentrale im Rumpf war 220 Millimeter stark gepanzert.[5]
Die Hauptgeschütztürme waren mit 360 Millimetern an der Front und 180 Millimetern an den Seiten und nach oben gepanzert. Sie stützten sich auf 350 Millimeter dick gepanzerte Barbetten. Die Doppeltürme der Mittelartillerie waren durch 140 Millimeter Panzerstahl an der Front und 50 Millimeter an den übrigen Seiten geschützt. Ihre Barbetten waren mit 150 Millimetern Panzerstahl abgeschirmt. Die Einzelgeschütze der Mittelartillerie verfügten lediglich über einen 25 Millimeter starken Splitterschutz.[5]
Schiffe der Scharnhorst-Klasse
Scharnhorst
Die Scharnhorst lief im Oktober 1936 in Wilhelmshaven vom Stapel. Zwischen dem 21. und 27. November 1939 führte sie mit ihrem Schwesterschiff eine Unternehmung im Nordatlantik durch. Nach einem gescheiterten Durchbruchversuch in den Atlantik 1940 gelang es im Januar 1941, in den Atlantik und anschließend in den seit Juni 1940 besetzten Hafen Brest zu gelangen. Nach schweren Luftangriffen auf den Hafen wurde der Rückmarsch nach Deutschland durch den Ärmelkanal befohlen. Dies gelang beiden Schlachtschiffen unversehrt (Unternehmen Cerberus). Die Scharnhorst wurde anschließend in Norwegen stationiert, um von dort gegen alliierte Nordmeergeleitzüge wirken zu können. Beim Versuch, einen solchen Geleitzug anzugreifen, wurde sie am 26. Dezember 1943 von einem britischen Geschwader gestellt und nach dreistündigem Gefecht in der Barentssee versenkt.
Gneisenau
Die Gneisenau lief im Dezember 1936 in Kiel vom Stapel. Ende November 1939 versenkte sie gemeinsam mit ihrem Schwesterschiff den britischen Hilfskreuzer Rawalpindi. Bei einem Versuch, in den Atlantik zu gelangen, wurde das Schiff durch schwere See beschädigt. Beim nächsten – nun erfolgreichen – Versuch im Jahr 1941 versenkte die Gneisenau mehrere Handelsschiffe und gelangte später in den französischen Atlantikhafen Brest. Bei der Rückkehr nach Deutschland im Februar 1942 während des Unternehmens Cerberus beschädigte eine Seemine die Gneisenau. Ende Februar 1942 wurde das Schiff bei einem Luftangriff auf Kiel schwer beschädigt und danach ausgeschlachtet. Im März 1945 wurde es beim Herannahen sowjetischer Bodentruppen in der Hafeneinfahrt von Gotenhafen als Blockschiff auf Grund gesetzt.
Literatur
- Heinrich Bredemeier: Schlachtschiff Scharnhorst. Heyne Verlag, ISBN 3-453-87095-6.
- Uwe Grewe: Schlachtschiff Scharnhorst – Ende im Nordmeer 1943. Schiffe-Menschen-Schicksale, Band 84/85.
- Erich Gröner, Dieter Jung, Martin Maass: Die deutschen Kriegsschiffe 1815–1945. Band 1: Panzerschiffe, Linienschiffe, Schlachtschiffe, Flugzeugträger, Kreuzer, Kanonenboote. Bernard & Graefe, München 1982, ISBN 3-7637-4800-8, S. 55–58.
- Alf. R. Jacobsen: Die Scharnhorst – Untergang und Entdeckung des legendären Schlachtschiffs. Ullstein Verlag 2004, ISBN 3-550-07594-4.
- Gerhard Koop, Klaus-Peter Schmolke: Die Schlachtschiffe der Scharnhorst-Klasse. Bernard & Graefe Verlag, Bonn 1991, ISBN 3-7637-5892-5.
- Anthony John Watts: Der Untergang der Scharnhorst – Kampf um die Rußland-Konvois 1943. Motorbuch Verlag Stuttgart, ISBN 3-87943-384-4. (engl. Original: The loss of the Scharnhorst, 1. Auflage 1970 (ISBN 0711001413))
- Jörg Hillmann: Schlachtschiffe im Kampf – Scharnhorst, Gneisenau und der Handelskrieg 1941. In: Schiff Classic, Magazin für Schifffahrts- und Marinegeschichte e.V. der DGSM, Titelthema, Ausgabe: 1/2021, S. 12–26.
Weblinks
- Scharnhorst & Gneisenau (englisch)
Fußnoten
- Scharnhorst, Gneisenau Gewichte, abgerundete und zwischen beiden Schiffen gemittelte Zahlen, B.Nr. A V 309/39 G.Kdos, Berlin 3./5. Mai 1939; BA-MA-RM-20-1913 Schiffbauplan Typen 1939-40
- Koop, Schmolke: Battleships of the Scharnhorst Class: Warships of the Kriegsmarine. Naval Institute Press, ISBN 978-1-59114-177-8, Kapitel: Weapons.
- The Loss of HMS Glorious. (Memento vom 22. Mai 2001 im Internet Archive)
- Siegfried Breyer: Der Z-Plan – Streben zur Weltmachtflotte. S. 29f.
- SCHLACHTSCHIFF GNEISENAU – Technische Daten bw-hilchenbach.de – private Website, abgerufen am 13. Dezember 2015