Rennplatz Iffezheim
Der Rennplatz Iffezheim ist eine Galopprennbahn in Iffezheim bei Baden-Baden. Er ist Austragungsort von Pferderennsportveranstaltungen wie der Großen Woche im Spätsommer, dem Frühjahrsmeeting sowie dem Sales & Racing Festival im Oktober. Das bedeutendste Einzelrennen ist der Große Preis von Baden innerhalb der Großen Woche, der seit der Gründung der Bahn im Jahr 1858 ausgetragen wird und zeitweise zu den wichtigsten Galopprennen der Welt gezählt wurde. Die Rennwochen sind mondäne Ereignisse des Baden-Badener Gesellschaftslebens und ziehen ein internationales Publikum an. Der Rennbahn angegliedert ist ein großes Trainingszentrum für Pferderennsport und eine Pferdeklinik. In einer eigenen Auktionshalle führt die Baden-Badener Auktionsgesellschaft (BBAG) e.V. mehrmals jährlich Auktionen für Englische Vollblüter durch.
Geschichte
Beginn der Iffezheimer Pferderennen
Edouard Bénazet, der Betreiber der Baden-Badener Spielbank und Sohn des als „Roi de Bade“ titulierten Jacques Bénazet, plante die Veranstaltung von Pferderennen als weitere Attraktion für den Kurort Baden-Baden. Am 16. Februar 1858 fand die Unterzeichnung des Pachtvertrages über das Gelände „In der Bey“ und „Im Weichen“ zwischen dem Iffezheimer Bürgermeister Severin Schäfer und Emil Du Pressoir („Le duc du Zéro“[1]) statt, dem Bevollmächtigten und Neffen Edouard Bénazets.[2][1]
Auf dem Gelände eines trockengefallenen Rheinarmes am nordöstlichen Ortsrand von Iffezheim ließ Bénazet für 300.000 Francs drei Tribünen und weitere Gebäude errichten. Da sich der preußische Jockey-Club zierte, sprang der französische Jockey-Club ein und übernahm die Leitung der Rennen. Die Stute Amazone gewann das erste der ab Sommer 1858 abgehaltenen Rennen – sie war die einzige Starterin und absolvierte das Rennen im sogenannten Walk over.
Gründung des Internationalen Clubs
Der durch den Deutsch-Französischen Krieg sich verschärfende Chauvinismus beendete die Franzosenära in Baden-Baden. Der mittlerweile als Kurdirektor amtierende Du Pressoir konnte zunächst mit Hilfe von führenden Persönlichkeiten des deutschen Rennsports die Rennen 1871 und 1872 weiterhin ausrichten. Auf Grund der am 1. Juli 1867 vom Norddeutschen Bund verfügten Schließung der Spielbanken bis spätestens 1870 standen ab 31. Oktober 1872, nach einer zweijährigen Gnadenfrist, die Roulette-Räder des Baden-Badener Spielcasinos still. 1872 wurden letztmals 120.000 Francs aus Spielbankmitteln als Rennpreise ausgesetzt.[1] Den Rennen in Iffezheim war mit dem Ende des Spielbetriebes die finanzielle Grundlage entzogen.
Dem rennreitenden Chefredakteur der Turfzeitung „Sporn“, Fedor André, gelang es, eine illustre Schar Gleichgesinnter für die Fortführung der Rennen zu gewinnen. Carl Egon Fürst zu Fürstenberg, Friedrich Landgraf von Hessen, der Herzog von Hamilton, Hugo Fürst zu Hohenlohe-Öhringen, Nikolaus Fürst von Gagarin, Fürst Menschikow, Hugo Graf Henckel von Donnersmarck, Nikolaus Graf Esterhazy und andere gründeten am 26. November 1872 mit 300.000 Gulden[3][4][5] zunächst als Aktiengesellschaft den Internationalen Club.
Eine Gesetzeslücke ausnutzend, frönten sie in Form eines Circle privé ihrer Spielleidenschaft und errichteten ein privates Spielcasino in dem vom Gründungskapital erworbenen, von Weinbrenner erbauten Rothschildschen Palais in der Lichtentaler Allee,[1] das einst Königin Friederike von Schweden diente.[1] Die Gründerväter und deren Nachfolger pflegten den Anspruch und die Erwartungen der damaligen High Society an Baden-Baden. Ohne sie wäre die „Sommerhauptstadt“ in der Bedeutungslosigkeit versunken.[6] Am 21. Dezember 1872 hielt der Club seine erste Generalversammlung ab. Erster Präsident des Clubs wurde Carl Egon zu Fürstenberg, der dieses Amt bis 1884 innehatte und dem zu Ehren ab 1900 der Preis von Iffezheim in „Fürstenberg-Rennen“ umbenannt wurde.
Für Donnerstag, den 1. Mai 1873 schrieb der Internationale Club ein „Herren-Frühjahrsmeeting“ aus.[7] Diese bis zum Jahr 1972 einmalige Angelegenheit war für den Internationalen Club die Generalprobe für die Rennen im August. Insgesamt wurden im August 1873 an vier Renntagen 19 Rennen mit 80 Startern abgehalten. Zu gewinnen gab es Rennpreise in Höhe von 89.855 Mark und sechs Ehrenpreise.[3]
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Rennplatz entwickelte sich seit den 1950er-Jahren zum größten Trainingszentrum für Pferderennsport in Deutschland. In den 1970er-Jahren wurden größere Investitionen in die Infrastruktur vorgenommen. So wurde 1976 die ehemalige Fürstenloge, die Clubtribüne und das Teehaus durch eine neue Tribüne ersetzt.[8] Seit 1972 wird das Frühjahrsmeeting ausgetragen. Beim Boxendorf gibt es seit 1979 eine Pferdeklinik. 1993 wurde die Haupttribüne erweitert. 2004 eröffnete als dritte große Tribüne die Bénazet-Tribune und das Sales & Racing Festival fand erstmals statt.
Außer den Pferderennen fanden auf der Rennbahn, unter Ausnutzung der Zuschauertribünen, Open-Air-Konzerte mit Künstlern wie Plácido Domingo, Howard Carpendale oder Unheilig statt.
Nach der Insolvenz des Internationalen Clubs im Jahr 2009 wurde im Juni 2010 die Baden Racing GmbH Pächter der Rennbahn, ein für diesen Zweck gegründetes Joint Venture unter Führung von Andreas Jacobs. Ihr Mehrheitsgesellschafter war zunächst die internationale Sportmarketing-Agentur Infront.[9] Nachdem Andreas Jacobs seine Infront-Anteile an einen Finanzinvestor verkauft hatte, übernahm die Jacobs Holding AG den Infront-Anteil an der Baden-Racing GmbH. Am 30. September 2020 teilte die Baden Racing GmbH mit, dass sie den Pachtvertrag über die Rennbahn zum Jahresende 2020 außerordentlich gekündigt habe.[10] Als Grund wurden die Verluste wegen der Einschränkungen der Besucherzahlen durch die Corona-Pandemie angeführt.[11]
Zum 1. April 2021 übernahm die Baden-Galopp GmbH & Co. KG die Bahn als neue Betreibergesellschaft. Mehrheitsgesellschafter ist Peter Gaul, Chef der Mannheimer B.A.U. GmbH & Co. KG; als geschäftsführender Gesellschafter leitet Stephan Buchner, Rechtsanwalt aus Mannheim, den operativen Bereich. Weitere Gesellschafter sind die Baden-Badener Auktionsgesellschaft (BBAG) e.V., die Investoren Lars Jensen und Hans-Jörg Simon sowie der Baden Galopp Förderverein Iffezheim e.V.
Die „Große Woche“ soll mit vier Renntagen vom 29. August bis 5. September 2021 stattfinden, im Oktober 2021 das Sales & Racing Festival.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Rolf Gustav Haebler: Geschichte der Stadt und des Kurortes Baden-Baden. Band II. Verlag Dr. Willy Schmidt, Baden-Baden 1969.
- Kolpingsfamilie Iffezheim (Hrsg.): Iffezheim und seine Geschichte. Horst Dürschnabel Druckerei und Verlag, Elchesheim-Illingen 1985.
- Internationaler Club (Hrsg.): Internationale Galopprennen Baden-Baden Iffezheim 1858-1958. Buchdruckerei und Verlag Georg Koenig, Köln 1958.
- Internationaler Club: Geschichte. (Memento des Originals vom 23. Juni 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (Geladen August 2002)
- Internationaler Club (Hrsg.); Oscar Christ: 80 Jahre Rennen des Internationalen Clubs. Baden-Baden 1953, DNB 978753151.
- Casinoschließung folgte Club-Gründung. Verlagsbeilage der Badischen Neusten Nachrichten. Karlsruhe vom 29. August 1997.
- Erstes Frühjahrs-Meeting fand 1873 statt. Verlagsbeilage der Badischen Neusten Nachrichten. Karlsruhe vom 29. August 1997.
- Landesarchivdirektion Baden-Württemberg, Landkreis Rastatt und Landesmedienzentrum Baden-Württemberg (Hrsg.): Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg – Der Landkreis Rastatt. Band 2, Jan Thorbecke Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-7995-1364-7, S. 169 und 175.
- Baden Racing übernimmt Rennbahn Iffezheim und unterschreibt Pachtvertrag für 20 Jahre (Memento vom 24. Dezember 2010 im Internet Archive) (PDF), Baden Racing GmbH, abgerufen am 25. August 2010.
- Baden Racing, Pachtvertrag wegen Corona-Krise gekündigt, abgerufen am 5. Januar 2021,
- Badisches Tagblatt, Alles wieder auf Anfang, Ausgabe vom 10. Dezember 2020