Pleikershof
Pleikershof (umgangssprachlich: „Blaigeʳschhūf“[2]) ist ein Gemeindeteil des Marktes Cadolzburg im Landkreis Fürth (Mittelfranken, Bayern).
Pleikershof Markt Cadolzburg | |
---|---|
Höhe: | 360–369 m ü. NHN |
Einwohner: | 8 (25. Mai 1987)[1] |
Postleitzahl: | 90556 |
Vorwahl: | 09103 |
Östliches Ökonomiegebäude mit Wohnteil |
Geografie
Das Landgut liegt auf einer Geländestufe nördlich des Biberttales zwischen den Ortschaften Weinzierlein, Steinbach und Wachendorf. Er ist von Äckern umgeben, die wiederum fast komplett von umliegenden Wäldern eingefasst sind. Ein Anliegerweg führt nach Steinbach (1,4 km westlich).[3]
Geschichte
Vermutlich existierte der Pleikershof schon vor der Gründung des Erzbistums Bamberg. Die erstmalige urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1334, als ein Friedrich von Lebsingen „acht Joch Feldacker in Bleicksdorf“ vom Bischof von Würzburg als Lehen erhielt. 1436 wird der Ort erstmals als „Pleykernhoff“ erwähnt, woraus geschlossen werden kann, dass das Dorf zum Einzelhof verödet ist. Das Bestimmungswort des Ortsnamens ist der Personenname Blīdgēr.[2]
Aus dem 17. Jahrhundert ist überliefert, dass „das Hofhäuslein stehet zwar, sonst ist aber noch alles öd.“[4]
Im Jahre 1730 wurde der Hof an einen Michael Schadmann übergeben, laut Vertrag „mit einem Pferd, zwei Ochsen, zwei Kühen, einer Schaufel, zwei Eggen und einem Keil“. Einige Jahre später brannte der Hof ab. Beim Wiederaufbau unterstützten Gemeinde und benachbarte Bauern den Besitzer Georg Egerer mit Getreide, Brot und Bier. Später ließ ein Nürnberger Fabrikant eine Villa errichten.[4]
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bestand Pleikershof aus einem Anwesen. Das Hochgericht übte das brandenburg-ansbachische Oberamt Cadolzburg aus. Der Hof hatte das Kastenamt Cadolzburg als Grundherrn.[5]
Im Rahmen des Gemeindeedikts wurde Pleikershof dem 1808 gebildeten Steuerdistrikt Steinbach zugeordnet. Es gehörte auch der im selben Jahr gegründeten Ruralgemeinde Steinbach an.[6]
Streicher-Hof
Der Hof kam nach dem Ersten Weltkrieg in den Besitz eines Oberpfälzer Landwirts, der das 82 Hektar große Gut im Dezember 1936 an Julius Streicher verkaufte. Da Streicher der Pleikershof nicht repräsentativ genug erschien, ließ er die alten Gebäude des Hofs fast vollständig abtragen, um ein modernes Mustergut nach Plänen von Franz Ruff errichten zu lassen. In den Jahren 1937 bis 1942 entstand ein landschaftsbestimmender, achsensymmetrischer Dreiflügelhof in den für das Bauen während der Zeit des Nationalsozialismus typischen Formen der streng-reduzierten Heimatschutzarchitektur. Der ursprünglich im Norden geplante vierte Flügel, der das eigentliche Wohnhaus bilden sollte, wurde nicht realisiert.
Die westlichen und östlichen Ökonomiegebäude mit massivem Erdgeschoss sowie Kniestock und Giebel in gerastertem Fachwerk zeigen Anklänge an fränkische Bautraditionen, erscheinen aber deutlich monumentaler und strenger. Für die meisten Gebäude der NS-Zeit ist die Nutzung modernster Bautechnologie und technischer Ausstattung charakteristisch. So kam trotz der historisierenden Erscheinung der Hofanlage bei den Ökonomiegebäuden Eisenbeton zum Einsatz. Beide Gebäude wurden mit Siloanlagen ausgestattet. Die Fachwerktragwerke ermöglichten gänzlich stützenfreie Speicherräume von großer Spannweite. Die Rinderstallung ist in Mischbauweise aus Massivmauerwerk und mit damals neuartigen verkleideten Holzständerkonstruktionen ausgeführt.[7]
Pleikershof wurde nun überregional als Streicher-Hof bekannt. Als im Februar 1940 Streicher, der bis dahin Gauleiter von Franken und Obergruppenführer der SA gewesen war, unter anderem wegen Korruption verboten wurde, das circa 15 km entfernte Nürnberg zu betreten, wurde er von einem „Gauleiter-Ehrengericht“ seiner politischen Ämter enthoben und auf das Landgut verbannt.[4][8] Er blieb aber weiterhin Herausgeber der bis Februar 1945 erscheinenden antisemitischen Hetz-Zeitschrift „Der Stürmer“. Auf Anordnung Adolf Hitlers durfte Streicher weiterhin den Titel „Gauleiter“ führen und die zugehörige Uniform tragen.
DP-Lager und Kibbuz
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Pleikershof von der amerikanischen Militärregierung beschlagnahmt. Von Juli 1945 an bezogen vorübergehend ukrainische und russische Wissenschaftler eines landwirtschaftlichen Instituts das Gut, mussten es aber für jüdische Displaced Persons wieder räumen. Zwischen Dezember 1945 und dem Jahreswechsel 1948/49 befand sich auf dem Hof der Kibbuz Nili.[9] Dort sollten sich angehende jüdische Auswanderer sammeln und die bevorstehende Staatsgründung Israels abwarten. Sie erhielten während dieser Zeit durch örtliche Landwirte eine landwirtschaftliche Ausbildung.[4]
Nach 1948
Flüchtlinge aus Lettland, Polen und Tschechien bewohnten im Anschluss den Hof. Seit 1950 folgten deutsche Umsiedler. Der Hof wurde anschließend an eine schlesische Saatzüchterfamilie verpachtet. Er wurde 1959 geteilt und gelangte in Privatbesitz.[4] Im Zuge der Gebietsreform kam der Pleikershof am 1. Mai 1978 als Ortsteil der Gemeinde Steinbach zum Markt Cadolzburg.[10]
Wegen seiner besonderen geschichtlichen und architekturgeschichtlichen Bedeutung ist der Pleikershof in die Bayerische Denkmalliste eingetragen worden.[7]
Religion
Der Ort ist seit der Reformation überwiegend protestantisch. Die Einwohner sind nach St. Cäcilia (Cadolzburg) gepfarrt, die Einwohner römisch-katholischer Konfession sind nach St. Otto (Cadolzburg) gepfarrt.
Literatur
- Johann Kaspar Bundschuh: Bleikershof. In: Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken. Band 1: A–Ei. Verlag der Stettinischen Buchhandlung, Ulm 1799, DNB 790364298, OCLC 833753073, Sp. 413 (Digitalisat).
- Hanns Hubert Hofmann: Nürnberg-Fürth (= Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. I, 4). Kommission für Bayerische Landesgeschichte, München 1954, DNB 452071224, S. 110–159 (Digitalisat). Ebd. S. 233 (Digitalisat).
- Georg Paul Hönn: Bleckertshof. In: Lexicon Topographicum des Fränkischen Craises. Johann Georg Lochner, Frankfurt und Leipzig 1747, S. 319 (Digitalisat).
- Detlef Knipping: Heimatstil und Antisemitismus – Der Pleikershof von Julius Streicher. In: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Denkmalpflege Informationen, Nr. 148, März 2011, S. 40–42, online (nicht ausgewertet).
- Jim G. Tobias: Der Kibbuz auf dem Streicher-Hof. Die vergessene Geschichte der jüdischen Kollektivfarmen 1945–1948. Begleitbuch zur Ausstellung. Antogo-Verlag, Nürnberg 1997, ISBN 3-9806636-1-2.
- Wolfgang Wiessner: Stadt- und Landkreis Fürth (= Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mittelfranken. Band 1). Kommission für Bayerische Landesgeschichte, München 1963, DNB 455524629, S. 72.
Weblinks
- Jim G. Tobias: Der Kibbuz auf dem Streicher-Hof. In: haGalil, 17. März 2006.
- Der Kibbuz auf dem Streicher-Hof. Die letzten Landjuden in Franken. Medienwerkstatt Franken bei vimeo.com (Filmdokumentation)
- Pleikershof in der Ortsdatenbank des bavarikon, abgerufen am 21. November 2021.
- Pleikershof in der Topographia Franconiae der Uni Würzburg, abgerufen am 21. September 2019.
- Pleikershof im Geschichtlichen Ortsverzeichnis des Vereins für Computergenealogie
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand: 25. Mai 1987. Heft 450 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München November 1991, DNB 94240937X, S. 336 (Digitalisat).
- W. Wiessner: Stadt und Landkreis Fürth, S. 72.
- Pleikershof im BayernAtlas
- Corinna Anton: Von süßen Früchtchen und einem Hofhäuslein. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Fürther Landkreisnachrichten. Bruno Schnell, 30. Oktober 2008, ehemals im Original; abgerufen am 30. Dezember 2008. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- H. H. Hofmann: Nürnberg-Fürth, S. 159.
- H. H. Hofmann: Nürnberg-Fürth, S. 233.
- Detlef Knipping: Heimatstil und Antisemitismus – Der Pleikershof von Julius Streicher. In: Denkmalpflege Informationen. Nr. 148, März 2011, ISSN 1863-7590, S. 40–42 (blfd.bayern.de [PDF; abgerufen am 8. Juni 2016]).
- Julius Streicher. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
- Helga Krohn, Gudrun Maierhof (Hrsg.): Deutschland – trotz alledem?: Jüdische Sozialarbeit nach 1945. Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-936065-66-7, S. 53 („Nili ist eine Abkürzung und bedeutet Nezach Israel le Ischaker – sinngemäß: Die Ewigkeit des Volkes Israel ist nicht zu leugnen“).
- Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 714.
- Es sind nur bewohnte Häuser angegeben. Im Jahre 1818 wurden diese als Feuerstellen bezeichnet, 1840 als Häuser und 1885 bis 1987 als Wohngebäude.
- Alphabetisches Verzeichniß aller im Rezatkreise nach seiner durch die neueste Organisation erfolgten Constituirung enthaltenen Ortschaften: mit Angabe a. der Steuer-Distrikte, b. Gerichts-Bezirke, c. Rentämter, in welchen sie liegen, dann mehrerer anderer statistischen Notizen. Ansbach 1818, S. 10 (Digitalisat). Dort als Bleickershof aufgelistet.
- Eduard Vetter (Hrsg.): Statistisches Hand- und Adreßbuch von Mittelfranken im Königreich Bayern. Selbstverlag, Ansbach 1846, S. 69 (Digitalisat).
- Joseph Heyberger, Chr. Schmitt, v. Wachter: Topographisch-statistisches Handbuch des Königreichs Bayern nebst alphabetischem Ortslexikon. In: K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreichs Bayern. Band 5. Literarisch-artistische Anstalt der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, München 1867, Sp. 1032, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10374496-4 (Digitalisat).
- Kgl. Statistisches Bureau (Hrsg.): Vollständiges Ortschaften-Verzeichniss des Königreichs Bayern. Nach Kreisen, Verwaltungsdistrikten, Gerichts-Sprengeln und Gemeinden unter Beifügung der Pfarrei-, Schul- und Postzugehörigkeit … mit einem alphabetischen General-Ortsregister enthaltend die Bevölkerung nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1875. Adolf Ackermann, München 1877, 2. Abschnitt (Einwohnerzahlen vom 1. Dezember 1871, Viehzahlen von 1873), Sp. 1197, urn:nbn:de:bvb:12-bsb00052489-4 (Digitalisat).
- K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichniss des Königreichs Bayern. Nach Regierungsbezirken, Verwaltungsdistrikten, … sodann mit einem alphabetischen Ortsregister unter Beifügung der Eigenschaft und des zuständigen Verwaltungsdistriktes für jede Ortschaft. LIV. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. München 1888, Abschnitt III, Sp. 1128 (Digitalisat).
- K. Bayer. Statistisches Bureau (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichnis des Königreichs Bayern, mit alphabetischem Ortsregister. LXV. Heft der Beiträge zur Statistik des Königreichs Bayern. München 1904, Abschnitt II, Sp. 1196 (Digitalisat).
- Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Ortschaften-Verzeichnis für den Freistaat Bayern nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925 und dem Gebietsstand vom 1. Januar 1928. Heft 109 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1928, Abschnitt II, Sp. 1233 (Digitalisat).
- Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern – Bearbeitet auf Grund der Volkszählung vom 13. September 1950. Heft 169 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1952, DNB 453660975, Abschnitt II, Sp. 1064 (Digitalisat).
- Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern, Gebietsstand am 1. Oktober 1964 mit statistischen Angaben aus der Volkszählung 1961. Heft 260 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1964, DNB 453660959, Abschnitt II, Sp. 782 (Digitalisat).
- Bayerisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Amtliches Ortsverzeichnis für Bayern. Heft 335 der Beiträge zur Statistik Bayerns. München 1973, DNB 740801384, S. 174 (Digitalisat).