Parkettierung
In der Mathematik bezeichnet Parkettierung (auch Kachelung, Pflasterung oder Flächenschluss[1]) die lückenlose und überlappungsfreie Überdeckung der (euklidischen) Ebene durch gleichförmige Teilflächen. Das Konzept kann auch auf höhere Dimensionen erweitert werden.
Bei praktischen Anwendungen wird die Überdeckung mit Hilfe von Primitiven („primitiven“ Flächen-Formen, möglichst mit einem einfachen Polygon) bevorzugt, wofür der entsprechend einschränkende Begriff Tessellation (englisch für „Mosaik“) verwendet wird. Wenn in einer technischen Anwendung ein großes Blech in nicht-primitive Teilflächen (Werkstücke) aufzuteilen ist, wird versucht, diese so zu gestalten, dass eine Parkettierung durch ungleiche Teilflächen vorliegt und kein Abfall entsteht.[1]
Die „zyklische Aufteilung von Flächen“ mit ungleichförmigen Teilflächen (keine Polygone) in der Kunst kommt sehr ausgeprägt bei M. C. Escher vor.[2]
Analog zur Parkettierung beziehungsweise zur Tessellation der Ebene (2D) kann auch der drei- oder höherdimensionale Raum unterteilt werden, siehe Raumfüllung.
Definitionen
Eine Kachel (Parkettstein, Pflasterstein) ist eine abgeschlossene topologische Scheibe in der Ebene. (Dadurch werden u. a. Steine mit Löchern und nicht-zusammenhängenden Teilen ausgeschlossen. Gelegentlich werden aber auch solche und allgemeinere Steine zugelassen.)
Eine Parkettierung (Pflasterung, Kachelung, manchmal auch Mosaik) ist eine (abzählbare) Menge von Kacheln, welche sowohl eine Packung (d. h., „kein Punkt der Ebene liegt im Inneren von zwei oder mehr Kacheln“, oder, anders ausgedrückt, „verschiedene Kacheln haben höchstens Randpunkte gemeinsam“)[3] als auch eine Überdeckung (d. h., „jeder Punkt der Ebene gehört zu mindestens einer Kachel“) ist.
Häufig schränkt man den Begriff noch weiter ein, indem man z. B. fordert, dass alle Kacheln homöomorph zur abgeschlossenen Kreisscheibe sind (damit insbesondere kompakt und einfach zusammenhängend), oder aber, dass jede Kachel kongruent zu einem Element einer endlichen Auswahl von Kacheln (den sogenannten „Proto-Kacheln“) ist, dass also nur endlich viele verschiedene Kacheln auftreten. Gibt es genau eine Protokachel, so heißt die Parkettierung monohedral. Dabei fordert man zwar, dass die Kacheln untereinander kongruent sind, zur Protokachel, die die Parkettierung charakterisiert, jedoch nur ähnlich. Gibt es zu einer Form (Protokachel) eine (monohedrale) Parkettierung der Ebene, sagt man auch kurz „die Protokachel parkettiert“.
Periodische Parkettierungen
Eine Kongruenzabbildung (euklidische Bewegung) der Ebene, welche jede Kachel einer Parkettierung wieder auf eine Kachel abbildet, heißt „Symmetrie“ der Parkettierung. Die Menge aller Symmetrien heißt Symmetriegruppe (der Parkettierung). Sie ist eine Untergruppe der Gruppe der euklidischen Bewegungen der Ebene. Enthält die Symmetriegruppe einer Parkettierung zwei linear unabhängige Verschiebungen, so heißt die Parkettierung „periodisch“ und die entstehende Symmetriegruppe ebene kristallographische Gruppe von denen es genau 17, die sogenannten Tapetenmustergruppen, gibt.
Wenn man gewisse Anforderungen an die in einer Parkettierung verwendeten Grundformen und ihre Anordnung stellt, ergeben sich Spezialfälle, für die man dann alle möglichen Parkettierungen angeben kann.
Platonische Parkettierungen
Ist nur ein regelmäßiges Polygon als Kachel zugelassen und wird weiter eingeschränkt, dass die Kacheln Kante an Kante angeordnet werden müssen, ergeben sich genau drei mögliche Parkettierungen der Ebene, die platonische oder reguläre Parkettierungen genannt werden:
- Sechseckgitter – wird auch Bienenwabenmuster genannt
Johannes Kepler war der erste, der diese Parkettierungen untersuchte und erkannte, dass sie ein Analogon zu den regulären Polyedern darstellen.[4]
Archimedische Parkettierungen
Dürfen als Grundform beliebige regelmäßige n-Ecke mit gleicher Kantenlänge verwendet werden, so ergeben sich bei Beibehaltung der Kante-an-Kante-Regel und der Einschränkung, dass an jedem Punkt, an dem die Ecken zusammenstoßen, immer die gleiche Kombination von Vielecken (Anzahl und Reihenfolge) zusammenstoßen muss, genau acht weitere mögliche Parkettierungen – die archimedischen, semiregulären oder 1-uniformen Parkettierungen der Ebene:
- 2 Parkettierungen aus Dreiecken und Quadraten
- 2 Parkettierungen aus Dreiecken und Sechsecken
- 1 Parkettierung aus Dreiecken, Quadraten und Sechsecken
- 1 Parkettierung aus Dreiecken und Zwölfecken
- 1 Parkettierung aus Achtecken und Quadraten
- 1 Parkettierung aus Quadraten, Sechsecken und Zwölfecken
- 3-3-3-4-4
- 3-3-4-3-4
- 3-6-3-6
- 3-3-3-3-6 (zwei gespiegelte Varianten)
- 3-4-6-4
- 3-12-12
- 4-8-8
- 4-6-12
Demireguläre Parkettierungen
Parkettierungen, für die zwar als Grundform beliebige regelmäßige n-Ecke mit gleicher Kantenlänge verwendet werden und die die Kante-an-Kante-Regel einhalten, bei denen aber an den Punkten, an denen die Ecken zusammenstoßen, eine von zwei möglichen Kombinationen von Vielecken (Anzahl und Reihenfolge) auftritt, nennt man demireguläre oder 2-uniforme Parkettierungen, zum Beispiel:
- Parkettierung aus Dreiecken und Quadraten (anderes Muster als bei den entsprechenden archimedischen Parketten)
- Parkettierung aus Dreiecken und Sechsecken (anderes Muster als bei den entsprechenden archimedischen Parketten)
- Parkettierung aus Dreiecken, Quadraten und Sechsecken (anderes Muster als bei den entsprechenden archimedischen Parketten)
- Parkettierung aus Dreiecken, Quadraten und Zwölfecken
- Parkettierung aus Dreiecken, Quadraten, Sechsecken und Zwölfecken
Es gibt insgesamt 20 demireguläre Parkettierungen.
- 3-3-4-3-4 und 3-3-3-3-3-3 (Typ 1)
- 3-3-4-3-4 und 3-3-3-3-3-3 (Typ 2)
- 3-3-6-6 und 3-3-3-3-3-3
- 3-3-6-6 und 3-6-3-6
- 3-4-4-6 und 3-6-3-6
- 3-3-4-12 und 3-3-3-3-3-3
Duale Parkettierungen
Jede platonische Parkettierung ist dual zu einer anderen platonischen Parkettierung. Jede archimedische Parkettierung ist dual zu einer dual-archimedischen Parkettierung, die aus kongruenten Polygonen besteht. Die Seitenlängen dieser Polygone sind die Summe der Inkreisradien der ursprünglichen benachbarten regelmäßigen Polygone. Die Ecken dieser Polygone sind die Mittelpunkte der ursprünglichen Polygone. Die Kanten verbinden benachbarte Mittelpunkte und halbieren daher die ursprünglichen Kanten und schneiden sie orthogonal. Die ursprünglichen Ecken sind die Mittelpunkte der Inkreise der Polygone. Der Inkreisradius ist die halbe Länge der ursprünglichen Kanten. Die Innenwinkel sind gleich 360°/n, wobei n die Anzahl der Ecken des ursprünglichen Polygons ist.
Platonische oder
archimedische Parkettierung |
Duale Parkettierung |
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Parkettierungen mit unregelmäßigen Polygonen
Parkettierungen sind auch mit unregelmäßigen Polygonen möglich. Beispiele sind:
- Parkettierung mit Fünfecken, wie das Cairo tiling
- Parkettierung mit Sechsecken und Fünfecken, wie die Grazebrook-Parkettierung[5]
Der niederländische Künstler M. C. Escher ist bekannt für seine Parkettierungen mit exotischen Figuren.
- Rauten mit je zwei 60°-Winkeln und je zwei 120°-Winkeln
- Deltoide mit je zwei rechten Winkeln und je einem von der Symmetrieachse geschnittenen 60°-Winkel
- Bisher bekannte 15 Arten der periodischen Parkettierung mit konvexen Fünfecken[6]
Isohedrale Parkettierungen und anisohedrale Kacheln
Eine monohedrale Parkettierung heißt isohedral, wenn es zu je zwei Kacheln der Parkettierung eine Kongruenzabbildung gibt, die die eine Kachel auf die andere abbildet und dabei die Gestalt der gesamten Zerlegung nicht verändert. (Dieser Begriff wird ganz analog auch in höherdimensionalen Räumen verwendet.) Beispiel: In Abbildung 2 kann das grüne in das blaue Rechteck durch eine Punktspiegelung am Mittelpunkt der gemeinsamen Seite, das grüne in das gelbe Rechteck durch eine Drehung um den gemeinsamen Eckpunkt und das grüne in das rote Rechteck durch eine Kombination von beidem überführt werden. In die Nähe der bunten Rechtecke kommt man durch Parallelverschiebung, wie durch die grauen Pfeile angedeutet.
In diesem Fall, wenn also die Gruppe der Kongruenzabbildungen transitiv auf der Parkettierung operiert, besteht die Parkettierung auch aus einer einzigen Bahn. Ist die Anzahl der Bahnen, wird die Parkettierung -isohedral genannt.[7]
In der Parkettierung der Abbildung 3 gibt es keine Kongruenzabbildung, die das dunkelgrüne Rechteck in das dunkelrote überführt. Die Parkettierung besteht aus zwei Bahnen, den grünlichen und den rötlichen Rechtecken, und ist damit 2-isohedral. Ist , wird die Parkettierung gelegentlich auch anisohedral genannt. Bei einer Kachel sagt man, sie ist -anisohedral, oder, sie hat die isohedrale Zahl (engl. isohedral number), wenn sie parkettiert und -isohedral ist, aber nicht -isohedral für .[7] So gesehen hat das (3:1)-Rechteck der Abbildung 3 die isohedrale Zahl 1, da es mit ihm natürlich auch isohedrale Parkettierungen gibt.
Es gibt aber auch Kacheln, die zwar parkettieren, zu denen es aber überhaupt keine transitive Parkettierung geben kann. Ein Beispiel ist der Pflasterstein von Heinrich Heesch (siehe Abbildung 4), bei dem nach der Gegebenheit der grünen und blauen Kacheln die (gespiegelten) gelben und roten zwar für die Parkettierung erforderlich sind, es aber keine Kongruenzabbildung gibt, die grüne oder blaue Kacheln in gelbe bzw. rote überführen würde. Bspw. können durch eine Achsenspiegelung grüne oder blaue Kacheln in gelbe bzw. rote überführt werden, die Bilder der gelben und/oder roten erfahren dabei aber einen Versatz um 2 Raster, so dass sie nicht mit grünen oder blauen Kacheln zur Deckung zu bringen sind.
Aperiodische Parkettierungen
Sätze von Proto-Kacheln (s. o.), die ausschließlich nichtperiodische Überdeckungen der Ebene zulassen, heißen aperiodisch. Nach neuester Definition wird der Begriff nur auf die Kachelsätze angewandt. Die daraus entstehenden Parkettierungen sind dann jeweils nichtperiodisch. Wenn sich in einem Parkett beliebig große Ausschnitte wiederholen, ohne dass es insgesamt periodisch ist, spricht man von einer quasiperiodischen Parkettierung. Interessante und schöne Beispiele für quasiperiodische Parkettierungen sind die Penrose-Parkettierungen, benannt nach ihrem Entdecker Roger Penrose.
- P1-Parkettierung
- P2-Parkettierung
- P3-Parkettierung
Raumfüllung
Eine lückenlose Parkettierung des dreidimensionalen Raumes mit Polyedern wird auch als Raumfüllung bezeichnet. Es gibt genau fünf konvexe Polyeder, die nur durch regelmäßige Vielecke begrenzt sind, mit denen sich der Raum aus kongruenten Polyedern einer Art ausfüllen lässt:
- Würfel
- dreieckiges reguläres Prisma
- sechseckiges reguläres Prisma
- verdrehter Doppelkeil (Johnson-Körper J26)
- Oktaederstumpf
Unter den sogenannten catalanischen Körpern ist lediglich das Rhombendodekaeder raumfüllend.
- verdrehter Doppelkeil (Johnson-Körper J26)
Jewgraf Stepanowitsch Fjodorow klassifizierte 1885 die raumfüllenden Paralleloeder, das heißt Polyeder die sich durch Translation ineinander überführen lassen (affine Typen konvexer Paralleloeder) und fand im dreidimensionalen Raum fünf:[8]
- hexagonales Prisma
Siehe auch
Literatur
- Hans-Günther Bigalke, Heinrich Wippermann: Reguläre Parkettierungen. BI-Wissenschafts-Verlag, 1994, ISBN 3-411-16711-4.
- Bruno Ernst: Der Zauberspiegel des M. C. Escher. Taschen, 1992, ISBN 3-8228-0442-8.
- Heinrich Heesch, Otto Kienzle: Flächenschluß. Springer, 1963.
- Branko Grünbaum, G. C. Shephard: Tilings and Patterns. WH Freeman & Co., 1986, ISBN 0-7167-1193-1.
Weblinks
- Mathematische Basteleien: Homogene Parkettierungen, von Jürgen Köller, 2004
- Spektrum.de: 100 Jahre altes Matherätsel – Das Ende der Fünfeck-Saga, von Robert Gast, 13. Juli 2017 (über einen möglichen Beweis durch Michaël Rao (Homepage))
Einzelnachweise
- Heinrich Heesch, Otto Kienzle: Flächenschluß. Springer, 1963.
- Bruno Ernst: Der Zauberspiegel des M. C. Escher, 7. Die Kunst der Alhambra. Taschen 1978/1992, ISBN 3-8228-0442-8.
- Eine Protokachel ist also nicht unbedingt ein Fundamentalbereich, bei dem es keine gemeinsamen Punkte (auch nicht Randpunkte) geben dürfte.
- David Wells: The Penguin Dictionary of Curious and Interesting Geometry. Penguin Books, London 1991, ISBN 0-14-011813-6, S. 213.
- Ian Stewart: Fünfeckige Kacheln. In: Spektrum der Wissenschaft, Januar 2000, S. 106–108.
- Attack on the pentagon results in discovery of new mathematical tile.
- Joseph Myers: Polyomino, polyhex and polyiamond tiling.
- Wolfram MathWorld: Space-Filling Polyhedron