Otto Meyerhof
Otto Fritz Meyerhof (* 12. April 1884 in Hannover; † 6. Oktober 1951 in Philadelphia, Pennsylvania) war ein deutscher Biochemiker, der 1922 gemeinsam mit Archibald Vivian Hill für seine Forschungen über den Stoffwechsel im Muskel den Nobelpreis für Medizin erhielt. Im Besonderen würdigte das Stockholmer Nobelkomitee Meyerhof für seine Entdeckung des Verhältnisses zwischen Sauerstoffverbrauch und Milchsäureproduktion im Muskel[1].
Leben
Otto Fritz Meyerhof wurde am 12. April 1884 als Sohn jüdischer Eltern am Theaterplatz 16 A (heute: Rathenaustraße) in Hannover geboren; der Vater Felix Meyerhof war ein wohlhabender Textilkaufmann; die Mutter Bettina, geb. May, war Hausfrau[2]. Um 1888 zog Familie Meyerhof von Hannover nach Berlin, wo Otto Fritz 1903 sein Abitur machte und danach ein Medizin-Studium aufnahm.
In dieser Zeit stieß er zum Freundeskreis des später in Göttingen lehrenden Philosophen Leonard Nelson, dem er sein Leben lang freundschaftlich verbunden blieb. Nach Nelsons frühem Tod gab er mit Franz Oppenheimer und Minna Specht bis 1937 die von Nelson wiederbegründeten Abhandlungen der Fries’schen Schule, Neue Folge heraus. Hier lernte Meyerhof 1907 seinen gleichfalls philosophisch hochinteressierten Kommilitonen Arthur Kronfeld kennen. Zu dem Kreis gehörte auch die Mathematik-Studentin und Malerin Hedwig Schallenberg, die er 1914 heiratete. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor: Tochter Bettina, verheiratete Emerson, wurde später Kinderärztin, Sohn Gottfried ("Geoffrey") (1916–2003) wurde ein bekannter Bauingenieur in Kanada, und der Sohn Walter (1922–2006) wurde Physikprofessor an der Stanford University.[3]
Er setzte seine Studien in Freiburg, Straßburg und Heidelberg fort und promovierte hier im Dezember 1909 bei Franz Nissl, dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik, mit einer auf die Arbeiten des Philosophen Jakob Friedrich Fries gestützten wissenschaftstheoretischen Arbeit, die den Titel trug: „Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörung“. Mit der Psychoanalyse setzte er sich in einer von seinem Freund Kronfeld geleiteten Arbeitsgruppe auseinander, während er sich an der Klinik, an der auch Viktor von Weizsäcker arbeitete, von Otto Warburg für die biochemische Erforschung des Muskelstoffwechsels interessieren und in sie einarbeiten ließ. Inspiriert durch Warburg arbeitete Otto Meyerhof 1910/1911 an der Stazione Zoologica in Neapel über den Biochemismus befruchteter Seeigeleier.[4]
1912 ging Meyerhof an die Universität Kiel, habilitierte sich 1913[5] und wurde dort 1918 Professor.
1922 erhielt er, als Assistent am Physiologischen Institut der Universität Kiel, gemeinsam mit A. V. Hill für Forschungen zur Energieumwandlung im Muskel den Nobelpreis für Medizin verliehen.[6]
Das Angebot einer Professur in den USA, das er 1923 nach dem Nobelpreis erhielt, schlug er 1924 zugunsten der Berufung an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin aus, von wo er 1929 an das von Ludolf von Krehl initiierte Kaiser-Wilhelm-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg berufen wurde, an dem er ab 1930 als Direktor der Physiologischen Abteilung wirkte und zu weiteren bahnbrechenden Entdeckungen gelangte. In dieser Zeit klärten Gustav Embden, Otto Meyerhof und Jakub Parnas den Mechanismus der Glykolyse auf (Embden-Meyerhof-Parnas-Weg). Meyerhof wurde 1931 zum ordentlichen Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gewählt. Er widmete sich den phosphorylierten Energielieferanten des Intermediärstoffwechsels (ATP). Als „Meyerhof-Quotient“ wird das Verhältnis von anaerobem Abbau und aerobem Wiederaufbau bezeichnet.[4] 1935 wurde Otto Meyerhof aus rassistischen Gründen seine seit 1929 bestehende Honorarprofessur entzogen.[7] 1937 erfolgte der Austritt aus der Akademie und seit 1947 die Wiederaufnahme als korrespondierendes Mitglied.
Als Institutsdirektor einer nicht unmittelbar staatlichen Einrichtung konnte Meyerhof 1933 zunächst die Leitung des Institutes ungeachtet seiner jüdischen Herkunft behalten, der badische Kultusminister entzog ihm allerdings 1935 unter nationalsozialistischem Einfluss die Lehrbefugnis. In den folgenden Jahren hielten zwar die Institutskollegen an Meyerhof fest, die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich dennoch bis zum Unerträglichen, so dass Meyerhof im September 1938 mit Hilfe seines ehemaligen Schülers Alexander von Muralt zunächst in die Schweiz floh und von dort aus nach Paris ging. 1940 flüchtete er vor den einmarschierenden deutschen Truppen über Spanien und Portugal in die Vereinigten Staaten. Dort bezahlte ihm die Rockefeller Foundation eine Forschungsprofessur für physiologische Chemie an der University of Pennsylvania in Philadelphia. 1949 wurde er in die National Academy of Sciences gewählt. Hier starb er mit 67 Jahren an seinem zweiten Herzinfarkt, nachdem er den ersten sieben Jahre zuvor überlebt hatte.
Die Universität Heidelberg errichtete 2001 mit der Einrichtung des Otto-Meyerhof-Zentrum für ambulante Medizin und klinische Forschung seinem Andenken ein ehrenvolles Denkmal.
Die Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie verleiht alle zwei Jahre den Otto-Meyerhof-Preis an herausragende Nachwuchswissenschaftler im Bereich Molekular- und Zellbiologie.
Am 23. April 2018 wurde eine neue Stadttafel an Otto Meyerhofs Geburtshaus in Hannover angebracht; die alte Tafel war jahrelang aus unbekannten Gründen verschwunden[8].
Literatur
- Ekkehard Hieronimus: Otto Meyerhof, in: Leben und Schicksal. Zur Einweihung der Synagoge in Hannover, mit Fotos von Hermann Friedrich u. a., Hrsg.: Landeshauptstadt Hannover, Presseamt, in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde Hannover e.V., Hannover: [Beeck in Kommission], [1963], S. 150–160
- Joseph S. Fruton: Meyerhof, Otto. In: Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography. Band 9: A. T. Macrobius – K. F. Naumann. Charles Scribner’s Sons, New York 1974, S. 359.
- Wolfgang U. Eckart: Otto Meyerhof. In: Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann (Hrsg.): Ärztelexikon. Von der Antike bis zum 20. Jahrhundert. Beck, München 1995, S. 252–253; Ärztelexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart. 2. Auflage. Springer, Berlin 2001, S. 219 f.; 3. Auflage. Springer, Berlin 2006, S. 228, doi:10.1007/978-3-540-29585-3.
- Michael Engel: Meyerhof, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 393–396 (Digitalisat).
- Eberhard Hofmann: Otto Meyerhof – Humanist und Naturforscher. Von der Philosophie zum Nobelpreis. In: Acta Historica Leopoldina. Nr. 65, 2016, S. 299–369.* Gottfried Meyerhof: Erinnerungen an das Leben von Otto Meyerhof in Deutschland. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. 44. Jahrgang, 1991, Heft 19, S. 384–386.
- David Nachmansohn, Severo Ochoa und Fritz Lipmann: Otto Meyerhof. In: Biographical Memoirs of the National Academy of Sciences of the USA. Band 34, 1960, S. 152–182.
- Hans Hermann Weber: Otto Meyerhof. Die Umsetzung der Energie der Nahrungsstoffe in die Leistungen der Lebewesen. In: Hans Schwerte, Wilhelm Spengler (Hrsg.): Forscher und Wissenschaftler im heutigen Europa. 2. Mediziner, Biologen, Anthropologen (= Gestalter unserer Zeit. Bd. 4). Stalling, Oldenburg 1955, S. 246–255.
Weblinks
- Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1922 an Otto F. Meyerhof (englisch)
- darunter auch Lebenslauf (engl.)
- Lebenslauf beim Otto-Meyerhof-Zentrum der Universität Heidelberg
- Heiner Schirmer und Stephan Gromer (U Heidelberg): Erinnerungsartikel zum 50. Todestag im Jahre 2001 (Memento vom 25. Juli 2011 im Internet Archive)
- Detailinformationen zur Architektur des Otto-Meyerhof-Zentrums für medizinische Forschung
- Literatur von und über Otto Meyerhof im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- Liste der Nobelpreisträger für Physiologie und Medizin auf der Website des Deutschen Historischen Museums.
- Walter Selke, Christian Heppner: Die Familie des Nobelpreisträgers Otto Meyerhof in Hannover. In: Hannoversche Geschichtsblätter. Band 71, 2017, ISBN 978-3-86525-602-7, S. 156–166.
- Dawn Levy, Walter Meyerhof, professor emeritus of physics, dies at 84, Stanford Report, June 7, 2006. Abgerufen am 29. September 2016.
- Wolfgang U. Eckart: Otto Meyerhof, in: Wolfgang U. Eckart und Christoph Gradmann (Hrsg.): Ärztelexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart, 3. Aufl. 2006 Springer Verlag Heidelberg, Berlin, New York S. 228. Ärztelexikon 2006, doi:10.1007/978-3-540-29585-3.
- Otto Meyerhof: Zur Energetik der Zellvorgänge. Medizinische Habilitationsschrift Keil 1913.
- Wolfgang U. Eckart: Meyerhof, Otto. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 984 f.
- Wolfgang U. Eckart: Meyerhof, Otto. In: Enzyklopädie Medizingeschichte. 2005, S. 984 f.
- Bernd Sperlich Gebürtiger Hannoveraner wird Nobelpreisträger