Oberbau (Eisenbahn)
Der Oberbau oder Gleiskörper einer Eisenbahnstrecke besteht aus dem Gleisbett und den darauf montierten Gleisen. Der Unterbau bildet eine feste Vorlage für die Konstruktion des Oberbaus, indem er Höhenunterschiede des Geländes durch Dammschüttungen, Einschnitte oder Kunstbauwerke wie Brücken oder Tunnels ausgleicht.
Der Oberbau und insbesondere das Gleisbett dient der Aufnahme und Verteilung der Kräfte, die durch Masse, Beschleunigung, Sinuslauf, Geschwindigkeit der Schienenfahrzeuge sowie thermische Belastungen durch Witterung entstehen.
Von der Funktionsfähigkeit des Ober- und Unterbaus hängen unter anderem die zulässige Höchstgeschwindigkeit einer Strecke und die zulässige Achslast der Fahrzeuge ab, so werden bei Mängeln im Oberbau aus Sicherheitsgründen Langsamfahrstellen eingerichtet.
In Deutschland ist für die Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen das Eisenbahn-Bundesamt zuständig, für die Erhaltung und den laufenden Betrieb des Schienennetzes wurde DB Netz verpflichtet.
Aufbau
Der Oberbau enthält zunächst ein Gleisbett, das in der Regel aus Schotter besteht. Auf diesen „Schotteroberbau“ werden quer zur Fahrtrichtung Schwellen gelegt, auf denen in Fahrtrichtung die Schienen befestigt werden. Die in der Regel aus Beton, aber oft noch aus Holz oder Stahl gefertigten Schwellen halten die Schienen im vorgesehenen Abstand, der Spurweite, zueinander und müssen bei endlos verschweißten Schienen auch die thermisch bedingten Längenausdehnungskräfte in den Unterbau ableiten.
Auf den Schwellen werden Schienen durch Befestigungsmittel gehalten. Im einfachsten Fall sind dies in die Holzschwellen geschlagene Nägel, deren eine Flanke des T-Kopfs über eine Kante des Schienenfußes ragt. Aktuell werden i. d. R. Systeme von Gewindebolzen, Muttern und Klemmen verwendet. In Deutschland gängige Befestigungsverfahren sind auf Betonschwellen der Oberbau W, auf Holzschwellen eine Variante des Oberbaus K. Historisch bedeutsam ist der 1925 entwickelte Reichsbahnoberbau.
Das Schotterbett ist flexibel und hilft, sowohl statische als auch dynamische Belastungen gleichmäßig auf den Unterbau zu übertragen. Weitere Vorteile eines Schotterbetts sind eine relativ gute Geräuschdämmung sowie die Aufnahme von Schwingungen, die durch den Sinuslauf fahrender Züge entstehen. Ein Schotterbett lässt sich mit einfachen Mitteln instand halten. Weiterhin führt ein Schotterbett die in Europa üblichen Niederschlagsmengen in den Boden ab. Nachteilig ist, dass bei Hochgeschwindigkeitsfahrten Schotter vom Luftzug des fahrenden Zuges aus dem Gleisbett hochgerissen werden kann („Schotterflug“) und eine Gefahr für in der Nähe befindliche Menschen und Tiere sowie für die Technik darstellt.
Neben der Unterschwellung mittels Querschwellen sind Längsschwellen bekannt. Diese werden unter beiden Schienensträngen in Längsrichtung montiert. Dabei kommen Schwellenschrauben mit Klemmplatten, Vergußmasse oder Spannbacken zur Fixierung zum Einsatz. Die Anwendung setzt voraus, dass die zu übertragenden Kräfte über eine feste Unterlage auf den Untergrund abgeleitet werden können.
Das Gleisbett kann auch als Feste Fahrbahn gefertigt werden, bei der die Schienen direkt auf einen aus Beton oder Asphalt bestehenden, festen Oberbau montiert werden. Der Oberbau aus Beton wird vor allem bei modernen Schnellfahr- und Hochgeschwindigkeitsstrecken verwendet, während Oberbauten auf Asphaltbasis vor allem bei Straßenbahnen eingesetzt werden, die sich ihre Fahrstraßen mit dem Kraftfahrzeugverkehr teilen müssen. Ein festes Gleisbett benötigt als zusätzliches Oberbauelement eine Schallisolierung in Form von Isoliermatten.
Pflege
Der Oberbau benötigt regelmäßige Pflegearbeiten um seine Aufgaben erfüllen zu können. Unzureichender Unterhalt lässt die Belastbarkeit des Gleisbetts sinken, und die Einrichtung von Langsamfahrstellen ist die Folge.
Schwellen
Holzschwellen beginnen auch bei bester Imprägnierung nach einiger Zeit zu verrotten und bieten dann keine stabile Unterlage mehr für die Schienen. Sie kommen daher nur selten auf mehr als 25 Jahre Liegezeit. In besonderen Umgebungen, beispielsweise in feuchten Tunneln, kann die Liegedauer auch wesentlich kürzer sein. Wenn die Befestigungsmittel in morschen Schwellen keinen Halt mehr finden, kann es zu Spurerweiterungen kommen, die sogar zu Entgleisungen führen können.
Auch Stahl- und Betonschwellen altern und müssen deshalb beizeiten ersetzt werden.
Neuere Entwicklungen, zum einen die Y-Stahlschwelle für den normalen Oberbau, zum anderen die Stahl-Brücken-Schwelle (SBS), haben in Bezug auf Lagestabilität und Liegedauer deutliche Verbesserungen gebracht. Beide Systeme sind so konzipiert, dass eine lange Liegedauer und geringer Durcharbeitungszeitraum zu erwarten ist.
Schotterbett
Auch das Schotterbett bedarf der Pflege, weil dessen Tragfähigkeit und Festigkeit aufgrund von Verschmutzungen und Nässe abnimmt. Mit der Zeit erhöht sich der Verschmutzungsgrad, u. a. durch:[1]
- Schotterabrieb aufgrund der dynamischen Verkehrslasten
- Abrieb von Schienen, Rädern, Bremsen und Oberleitungen
- Ladegut- und Betriebsstoffverluste (z. B. Kohlestaub)
- Bewuchs durch Pflanzen sowie der durch sie festgehaltene Humus
- Aufsteigender Schlamm aus dem Unterbau kann durch das Schotterbett aufgrund Bewegung durch Schienenfahrzeuge hochgepumpt werden
Mit zunehmenden Verschmutzungsgrad wird zudem das Abfließen von Oberflächenwasser behindert, was wiederum die Festigkeit des Schotterbettes negativ beeinflusst. Zuletzt verliert der Schotter durch seine Bewegung die scharfen Kanten und wandert dann unter den Schwellen nach außen.
Durch entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen wird Sorge getragen, dass
- stets ein einwandfreies Abfließen von Regenwasser gewährleistet ist,
- das Schotterbett durch genügend innere Hohlräume elastisch bleibt und
- die Schottersteine sich durch scharfe Kanten zu einer stabilen Unterlage verkrallen.
Zur Instandhaltung werden deshalb folgende Maßnahmen gesetzt:
- Um das Hochkommen von Pflanzenbewuchs zu unterbinden, werden Herbizide durch Unkrautzüge ausgebracht.
- Abgewanderter Schotter wird durch neuen Schotter ergänzt, der bei einem Stopfdurchgang mit Stopfmaschinen eingebracht wird (dabei wird der Schotter sozusagen unter die Schwellen „gestopft“; tatsächlich ist der Vorgang ein Einrütteln). Im Fachjargon heißt dieses Stopfen Grampen und die Maschine dazu Gleisstopfmaschine, Gramper oder Grampgerät.[2]
- Wenn das Schotterbett entweder stark verunreinigt ist, also kaum noch Hohlräume enthält, oder stark abgerieben ist, ist eine Bettungsreinigung oder ein Vollaustausch des Schotterbetts nötig.
Die Zeitdauer bis zu einer Durcharbeitung des Schotterbetts ist stark von der Belastung und der gewünschten Lagestabilität abhängig. Dabei wird in der Regel versucht, den vorhandenen Schotter durch Bettungsreinigungsmaschinen zu reinigen und wieder einzubringen, um den Bedarf an neuem Schotter möglichst gering zu halten.
Schienen
Auch die Schienen selbst müssen regelmäßig ausgewechselt werden, denn die Verkehrsbelastung führt zu einem Materialverlust an der Fahrfläche und gewisse Abnutzungen und Fehler kann man nicht mehr durch Schleifen mit einem Schleifwagen beheben. Die Liegezeit der äußeren Schiene in einem Kehrtunnel der Gotthardbahn beträgt beispielsweise rund drei Jahre. Auch das Schleifen lässt sich nur wenige Male durchführen, weil bestimmte Mindestmaße des Schienenkopfes nicht unterschritten werden dürfen. Auch können durch die dauernde Wechselbelastung der Schiene Haarrisse entstehen, die – wenn sie nicht rechtzeitig erkannt werden – zu einem Schienenbruch führen können. Zur frühzeitigen Erkennung von Schäden werden heutzutage die Hauptstrecken regelmäßig mit Ultraschall-Messwagen abgefahren.
Die früher regelmäßig anzutreffenden Streckenwärter werden nur noch auf besonders zu überwachenden Strecken, beispielsweise im Hochgebirge eingesetzt. Die Einführung durchgehend geschweißter, lückenloser Gleise mit elastischen Schienenbefestigungen und ohne gelaschte Schienenstöße hat die tägliche Überwachung entbehrlich gemacht. Zusätzliche Kontrollen erfolgen nur noch bei besonders hohen Temperaturen.
Siehe auch
Literatur
- Ulf Gerber: Auslegung des Eisenbahnoberbaus. In: L. Fendrich, W. Fengler (Hrsg.): Handbuch Eisenbahninfrastruktur. Springer, 2013, ISBN 978-3-642-30020-2, S. 39–64 (Volltext).
- Markus Barth, Sepp Moser: Praxisbuch Fahrbahn. AS Verlag, Zürich 2014, ISBN 978-3-906055-29-9.
Weblinks
- gleisbau-welt.de (Memento vom 11. Februar 2015 im Internet Archive): Oberbauarten
- Lueger 1904: Oberbau der Eisenbahnen
- Studiengesellschaft Holzschwellenoberbau e.V.
Einzelnachweise
- Werner Affeld: Schotterbettungsreinigung – Grundlagen und Vorstellung der RM900VB. In: Eisenbahn Ingenieur Kompedium. Band 53. Eurailpress, 2011, S. 53–62.
- Gramper stopfen Schotter unter die Schwellen