Mardin
Mardin (arabisch ماردين, DMG Mārdīn, aramäisch ܡܪܕܝܢ Merdô, kurmandschi Mêrdîn) ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Mardin im türkischen Teil Mesopotamiens. Die uralte Stadt liegt in der türkischen Region Südostanatolien, rund 20 km nördlich der Grenze zu Syrien und nicht weit von der zum Irak. Seit einer Gebietsreform ab 2013 ist die Stadt flächenmäßig deckungsgleich mit dem Landkreis und zugleich ein Stadtbezirk der 2012 gebildeten Büyükşehir belediyesi Mardin (Großstadtgemeinde/Metropolprovinz).
Mardin | ||||
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Ein Blick auf die Altstadt | ||||
Basisdaten | ||||
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Provinz (il): | Mardin | |||
Koordinaten: | 37° 19′ N, 40° 45′ O | |||
Höhe: | 1083 m | |||
Fläche: | 885 km² | |||
Einwohner: | 182.400[1] (2020) | |||
Bevölkerungsdichte: | 206 Einwohner je km² | |||
Telefonvorwahl: | (+90) 482 | |||
Postleitzahl: | 47000-47901 | |||
Kfz-Kennzeichen: | 47 | |||
Struktur und Verwaltung | ||||
Gliederung: | 92 Mahalle | |||
Bürgermeister: | Ahmet Türk Februniye Akyol (Fabronia Benno) (Unabhängig) | |||
Website: | ||||
Landkreis Mardin | ||||
Einwohner: | 182.400[1] (2020) | |||
Fläche: | 885 km² | |||
Bevölkerungsdichte: | 206 Einwohner je km² |
Geografie
Die Altstadt von Mardin schmiegt sich an den alten Burghügel und schaut über die Tiefebene von Mesopotamien, an deren Rand sie liegt. Im Norden und Westen erhebt sich der Tur Abdin.
Klimatabelle
Mardin | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Klimadiagramm | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Mardin
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Geschichte
Die Stadt wurde nacheinander von den Aramäern, Hurritern, Hethitern, Assyrern, Babyloniern, Amoritern, Persern, Parthern, Römern, Arabern, Kurden, Seldschuken und Osmanen beherrscht. In assyrischer Zeit war sie Teil von Izalla, was sich noch in der frühbyzantinischen Bezeichnung Izala niederschlug. Die erste Erwähnung unter seinem heutigen Namen stammt aus dem vierten Jahrhundert bei Ammianus Marcellinus, der die zwei Festungen Maride und Lorne auf dem Weg von Amid (Diyarbakır) nach Nisibis erwähnt.
1915/16 wurden unterschiedslos die meisten arabischen, aramäischen und armenischen Christen der Stadt im Zuge des Völkermords an den Armeniern und an den Aramäern umgebracht.[2][3][4] Erstmals fand am 15. August 1915 ein öffentlicher Handel mit armenischen Frauen statt.[5]
Auf Aramäisch heißt die Stadt Marde bzw. Merde; im Oströmischen Reich hieß sie auf Griechisch Mardia oder Margdis, unter den Arabern dann Mardin. Unter der türkischen Herrschaft wurde dieser Name beibehalten.
Im Zuge einer Verwaltungsreform ab dem Jahr 2013 wurden alle Landkreise direkt dem Oberbürgermeister von Mardin unterstellt. Die Dörfer und alle Gemeinden, die keine Kreisstadt waren, wurden in Mahalle (Stadtviertel/Ortsteile) überführt. Die Landkreise funktionieren gleichermaßen auch als Stadtbezirke. Um Verwechslungen mit der „übergeordneten“ Büyükşehir belediyesi Mardin zu vermeiden, wurden 2013 die Stadt Mardin und der zentrale Landkreis (Ilçe Merkez) in Artuklu umbenannt.[6]
Bevölkerung, Sprachen und Religionen
Die Bevölkerung Mardins besteht heute aus Türken, Kurden und Arabern sowie der größten assyrischen/aramäischen Minderheit des Landes.[7][8] Neben Muslimen und assyrischen Christen lebten bis vor einigen Jahrzehnten einige tausend jesidische Kurden in der Provinz Mardin. Diese sind mittlerweile überwiegend nach Westeuropa ausgewandert; es gibt aber noch immer eine kleine christliche Gemeinde in Mardin, das auch Bischofssitz ist. Der Bischof von Mardin ist zugleich der Abt des Klosters Deyrülzafarân. Der syrisch-orthodoxe Patriarch hatte ab 1293 seinen Sitz bei Mardin. 1924 floh er in das französische Mandatsgebiet. Von 1850 bis zum Völkermord an den Assyrern war Mardin auch Sitz des Oberhaupts der syrisch-katholischen Kirche.[9] Das Gebäude der Patriarchatskirche wurde nach dem Völkermord vom Militär genutzt, bis 1988 das Kulturministerium das Gebäude von der syrisch-katholischen Kirche abkaufte und dort 1995 das Mardin Museum errichtet hat.[9][10]
Einwohnerentwicklung
Im Jahr 1915 gab es etwa 50.000 Einwohner, davon waren:
- 27.000 Muslime
- 20.000 Syrisch-Orthodoxe Aramäer (arabischsprachig)
- 500 Syrisch-Katholische
- 300 Protestanten
- 100 Mitglieder der Chaldäisch-katholischen Kirche
Detaillierte Ergebnisse
Die Werte der linken Tabelle entstammen E-Books (der Originaldokumente[11]), die Werte der rechten Tabelle basieren aus der Datenabfrage des türkischen Statistikinstituts TÜIK[12]
Jahr | Stadt | zentr. Kreis | Provinz |
---|---|---|---|
1927 | 22.249 | 47.164 | 183.317 |
1935 | 22.517 | 52.749 | 229.921 |
1940 | 23.270 | 41.131 | 252.505 |
1945 | 18.522 | 38.591 | 234.457 |
1950 | 19.354 | 42.595 | 269.490 |
1955 | 24.329 | 45.411 | 305.520 |
1960 | 28.382 | 56.816 | 353.411 |
1965 | 30.974 | 61.519 | 397.880 |
1970 | 33.740 | 66.975 | 453.092 |
1975 | 36.629 | 73.704 | 519.687 |
1980 | 39.137 | 78.020 | 564.967 |
1985 | 44.085 | 91.139 | 652.069 |
1990 | 53.005 | 83.863 | 557.727 |
2000 | 65.072 | 108.340 | 705.098 |
Jahr | Stadt | zentr. Kreis | Provinz |
---|---|---|---|
2007 | 82.134 | 130.916 | 745.778 |
2012 | 86.948 | 139.254 | 773.026 |
2013 | 148.066 * | 779.738 | |
2017 | 168.600 * | 809.719 | |
2020 | 182.400 * | 854.716 |
* Stadt und Landkreis sind seit 2013 vereint
Wirtschaft und Verkehr
Die Wirtschaft beruht auf Landwirtschaft und Handel, in letzter Zeit vermehrt auf kleinen handwerklichen Werkstätten und Handarbeiten.
Verkehr
Mardin hat einen Flughafen (Flughafen Mardin) und wird direkt aus Ankara angeflogen. Mittlerweile kann man Mardin auch von Istanbul und Izmir aus anfliegen.
Mardin ist per Straße über die E-90 mit Adana verbunden und ist die Verbindung zwischen der Türkei und dem Nahen Osten. Straßen führen nach Syrien und in den Irak. Mardin liegt auch an der Bahnlinie nach Syrien.
Sehenswürdigkeiten
Zitadelle
Die Festung von Mardin wird Adlernest genannt und spielte eine entscheidende Rolle für die Stadt. Sie erhebt sich rund 500 Meter über die Ebene.
Medresen
- Die Kasımiye-Medrese wurde 1469 auf Anordnung von Kasım Pascha gebaut. Die Medrese enthält auch eine Moschee und eine Unterkunft.
- Die Zinciriye-Medrese wurde 1385 von Melik Necmettin Isa erbaut. Mit ihren gestreiften Kuppeln und monumentalen Haupteingang ist es eines der beeindruckendsten Gebäude Mardins.
- Die Sıtti-Radaviye-Medrese wurde 1177 in Auftrag gegeben. In der Moschee, die zur Medrese gehört, gibt es einen Fußabdruck des Propheten Mohammed.
Moscheen
- Die Große Moschee (Ulu Cami) ist die älteste Moschee in Mardin. Das Minarett ist inschriftlich 1176 datiert, die Moschee dürfte daher in den 1160er/1170er Jahren vom Ortoqiden Kudbeddin Ilgazi erbaut worden sein. Laut einer anonymen syrischen Chronik von 1234 steht diese Moschee möglicherweise an der Stelle der 1170 von Muslimen eingenommenen Kirche der Vierzig Märtyrer.[13]
- Die Abdullatif-Moschee wurde während der Herrschaft der Ortoqiden 1314 durch Abdullatif Bin Abdullah erbaut. Sie enthält schöne Beispiele für damalige Holzarbeiten.
- Die Reyhaniye-Moschee wurde 1756 von Ahmet Paschas Tochter Adile Hanım wieder aufgebaut. Die Minaretts sind achteckig.
Kloster und Kirchen
Innerhalb der Stadt gibt es einige Kirchen, die in den letzten Jahren restauriert worden sind. Dazu gehört das Mort Şmuni.
Etwa drei Kilometer außerhalb der Stadt liegt das Kloster Zafaran. Es wurde 493 n. Chr. gegründet und ist eines der religiösen Zentren des Tur Abdin, das für Jahrhunderte auch Sitz des Patriarchen bzw. Gegenpatriarchen der Syrisch-Orthodoxen Kirche war, die hier im Kloster begraben sind. Das Patriarchat wurde 1933 aufgrund der Christenverfolgungen in der Türkei ins syrische Homs (und 1959 von dort nach Damaskus) verlegt.
Mardin ist Titularerzbistum der Armenisch-Katholischen Kirche (Mardin degli Armeni), der Chaldäisch-Katholischen Kirche und der Syrisch-katholischen Kirche (Mardin dei Siri).
Das Mardin-Museum in der früheren Kirche des früheren syrisch-katholischen Patriarchats.[10]
- Gebäude in der Altstadt
- Hauptpostamt
- Tarihi Kentten
- Minarett der Großen Moschee (Ulu Cami)
- Straßenszene
- Landschaft südlich von Mardin
Bildung
Seit Mai 2007 hat die Provinz Mardin mit der Mardin Artuklu Üniversitesi eine eigene Universität. Benannt ist die Universität nach der türkischen Dynastie der Ortoqiden (türk.: Artuklu). Erstmals in der Geschichte der Türkei wurden dabei am Institut für lebende Sprachen Lehrstühle für die kurdische, syrisch-aramäische und arabische Sprache, Literatur und Geschichte eingerichtet. Außerdem soll in Zukunft auch noch Persisch dazukommen.
Politik
Bei den Kommunalwahlen 2014 wurde Ahmet Türk von der BDP zum Bürgermeister gewählt. Darauf bevollmächtigte Türk Februniye Akyol als seine Stellvertreterin, weil die BDP das Amt des Bürgermeisters jeweils von einem Mann und einer Frau zusammen ausführen lässt.[14] Ahmet Türk wurde am 17. November 2016 abgesetzt und es wurde der Gouverneur von Mardin Mustafa Yaman als Treuhänder eingesetzt. Am 24. November 2016 wurde Ahmet Türk wegen angeblicher Terrorvergehen festgenommen[15] und kam im Februar 2017 wieder frei. Februniye Akyol war die erste christliche Bürgermeisterin der Türkei.[16][17]
Söhne und Töchter der Stadt
- Elias Mellus (1831–1908), chaldäisch-katholischer Erzbischof
- Ignatius Maloyan (1869–1915), armenisch-katholischer Erzbischof
- Jean Couzian (1874–1933), armenisch-katholischer Bischof
- Jacques Nessimian (1876–1960), armenisch-katholischer Erzbischof
- Philoxenos Yuhanon Dolabani (1885–1969), syrisch-orthodoxer Metropolit und Autor
- Nabia Abbott (1897–1981), US-amerikanische Islamwissenschaftlerin, Paläografin und Papyrologin
- Joseph Gennangi (1898–1981), armenisch-katholischer Bischof
- Iknadios Bedros XVI. Batanian (1899–1979), Patriarch von Kilikien
- Yousuf Karsh (1908–2002), kanadischer Fotograf armenischer Herkunft
- Clément Ignace Mansourati (1917–1982), Geistlicher und Weihbischof im syrisch-katholischen Patriarchat von Antiochia
- Gregorios Elias Tabé (* 1941), syrisch-katholischer Erzbischof von Damaskus
- Muammer Güler (* 1949), Politiker
- Ergin Sezgin (* 1953), Physiker
- Halil Altındere (* 1971), Multimediakünstler und Publizist
- Cindi Tuncel (* 1977), deutscher Politiker (Die Linke), MdBB
- Ekrem Dağ (* 1980), türkisch-österreichischer Fußballspieler
- Okan Alkan (* 1992), türkischer Fußballspieler
Städtepartnerschaft
Literatur
- Ayşe Güç Işik: The Intercultural Engagement in Mardin. Religion, Culture and Identity. (Dissertation) School of Theology and Philosophy, Australian Catholic University, 2013
- V. Minorsky, C. E. Bosworth: Mārdīn. In: Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band 6, 1991, S. 539b–542b
Weblinks
Einzelnachweise
- Artuklu Nüfusu, Mardin, abgerufen am 27. Mai 2021
- Jacques Rhétoré: Les chrétiens aux bêtes. Souvenirs de la guerre sainte proclamée par les Turcs contre les chrétiens en 1915, Les éditions du cerf, Paris 2005, ISBN 2-204-07243-5, Seite 13 ff.
- Yves Ternon: Mardin 1915. Mardin dans le génocide arménien. in: Revue d'Histoire Arménienne Contemporaine, Tome IV - 2002
- Hyacinth Simon: Tod im Namen Allahs. Die Ausrottung der christlichen Armenier. Augenzeugenberichte, MM Verlag, Aachen 2005, ISBN 3-928272-70-5
- Raymond Kévorkian: Le Génocide des Arméniens, Odile Jacob, Paris 2006, ISBN 2-7381-1830-5, Seite 459
- Gesetz Nr. 6360, veröffentlicht am 6. Dezember 2012 im Amtsblatt Nr. 28489
- Ayşe Güç Işik, 2013, S. 52
- Monika Maier-Albang: Im Südosten der Türkei - Gottes letzte Knechte. Abgerufen am 25. September 2020.
- David Jacob: Minderheitenrecht in der Türkei. Mohr Siebeck, 2017, ISBN 978-3-16-154133-9, S. 100.
- Mardin Museum. Abgerufen am 8. November 2018 (türkisch).
- Bücherei des türkischen Statistikinstituts TÜIK, abrufbar nach Suchdateneingabe
- Genel Nüfus Sayımları (Volkszählungsergebnisse 1965 bis 2000) abrufbar nach Auswahl des Jahres und der Region
- Tom Sinclair: Early Artuqid Mosque Architecture. In: Julian Raby (Hrsg.): The Art of Syria and the Jazīra, 1100–1250. Oxford University Press, Oxford 1985, S. 59
- Deniz Yücel: Türkei: Einzige christliche Bürgermeisterin abgesetzt. In: DIE WELT. 20. November 2016 (welt.de [abgerufen am 20. September 2018]).
- Court arrests former Mardin mayor Ahmet Türk. Abgerufen am 11. Juli 2018 (englisch).
- Monika Maier-Albang: Nach oben gekämpft, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 166, 22. Juli 2015, S. 7.
- Monika Maier-Albang: Nach oben gekämpft. In: sueddeutsche.de. 21. Juli 2015, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 20. September 2018]).