Marburgfieber
Das Marburgfieber ist eine meldepflichtige virale Infektionskrankheit.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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A98.3 | Marburg-Viruskrankheit |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Erreger
Der Marburg-Erreger gehört zu den gefährlichsten bekannten Krankheitserregern. Ausgelöst wird die Krankheit durch das Marburg-Virus, ein zur Familie der Filoviridae und der Ordnung Mononegavirales gehörendes behülltes Einzel(-)-Strang-RNA-Virus (ss(-)RNA), (Einzelstrang-RNA komplementär zur mRNA). Das Marburg-Virus ist damit eng verwandt mit den Ebola-Viren und den Cuevaviren, zu denen das erstmals 2011 in Nordspanien nachgewiesene Lloviu-Virus zählt.[1][2]
Das Reservoir, aus dem das Virus stammt, ist bis heute nicht zweifelsfrei bestimmt. Vermutlich ist der Überträger der Nilflughund, eine Fledermausart, die in Europa und Afrika vorkommt.[3] Die Theorie, dass Fledertiere das natürliche Reservoir von Filoviren darstellen, wird unter anderem durch das gehäufte Auftreten von Marburgfieber in Folge eines Höhlenbesuches gestützt. So waren in Durba (Kongo, 1998–2000) 53 % (75/142) aller infizierten Minenarbeiter in häufigem Kontakt zu Fledertieren.[4]
Herkunft und Verbreitung
Das Virus stammt vermutlich aus Zentralafrika. Sehr wahrscheinlich wurde es 1967 mit Versuchsaffen (Meerkatzen) aus Uganda in die Laboratorien des Pharmakonzerns Behringwerke im hessischen Marburg eingeschleppt. Die Folgeerkrankung, das Marburgfieber, trat zuerst bei den dort beschäftigten Laboranten auf, und das Virus wurde anschließend in der Tropenklinik von Marburg zum ersten Mal identifiziert. Daher hat es den Namen Marburg-Virus erhalten. Das Fieber trat später auch in Frankfurt am Main und in Belgrad auf. Von den damals 31 Erkrankten starben sieben.
Übertragung
Das Marburg-Virus wird hauptsächlich durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten (Blut, Stuhl, Urin, Speichel, Muttermilch usw.) übertragen. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung über Aerosole scheint eine geringe Rolle bei der Verbreitung in natürlichen Ausbrüchen zu spielen. In Laborversuchen konnte hingegen gezeigt werden, dass Marburgviren in Aerosolen stabil und für Primaten hoch infektiös sind.[5][6] Zudem werden die Inhalation von Fledermaus-Exkreten sowie der Konsum von rohem Fledermausfleisch als primärer Weg der Übertragung von Tier zu Mensch angesehen.
Darüber hinaus bestehen Unterschiede zwischen der Mortalität in Abhängigkeit vom Infektionsweg. Parenterale Infektionen mit dem Marburg-Virus weisen nach aktuellem Kenntnisstand die größte Sterblichkeit auf.[7]
Krankheitssymptome und -verlauf
Marburgviren können, ähnlich wie das Ebola-Virus, viele verschiedene Zelltypen infizieren. Dazu zählen: Makrophagen, dendritische Zellen, Endothelzellen, Fibroblasten, Hepatocyten (Leberzellen), Epithel-Zellen sowie Adrenalin produzierende Zellen der Nebennierenrinde.[8][9] Experimentelle Studien haben die Präferenz von Antigen-präsentierenden Zellen, wie Makrophagen, dendritische Zellen und Monocyten, gezeigt.[8] Infizierte Antigen-präsentierende Zellen breiten sich von der primären Infektionsstelle über das Lymphsystem zu Leber und Milz aus. Weitere Antigen-präsentierende Zellen werden durch einen erhöhten Spiegel an Chemokinen, wie MCP-1 (Monocyten-Chemoattraktions-Protein 1) oder des MIP-1α (Makrophagen-Entzündungsprotein-1α) angelockt.[10]
Nach einer normalerweise drei bis neun, längstens aber 21 Tage dauernden Inkubationszeit treten die ersten unspezifischen Symptome auf, die den anfänglichen Krankheitsbildern von Malaria, Typhus oder Gelbfieber ähneln. Diese Symptome sind schwerer, wässriger Durchfall, Bauchschmerzen, Erbrechen, heftige Brust- und Lungenschmerzen, Halsschmerzen und Husten. Bei einem hohen Prozentsatz der Infizierten löst das Virus fünf bis sieben Tage nach Krankheitsbeginn hohes hämorrhagisches Fieber aus, das überwiegend den Magen-Darm-Trakt und die Lungen angreift. Diese Hämorrhagien werden durch lösliche Substanzen, wie Stickstoffmonoxid, und nicht durch die Lyse der Endothelzellen in den Blutgefäßen hervorgerufen. Darauf folgen in der Regel diverse Hämorrhagien. Die meisten durch die Krankheit verursachten Todesfälle treten innerhalb der zuletzt genannten Zeitperiode auf, obwohl kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Hämorrhagien und einem tödlichen Ausgang der Krankheit nachgewiesen werden konnte;[10] zumal gezeigt werden konnte, dass der dadurch verursachte Blutverlust nicht letal ist.
Die Sterblichkeit dieser Erkrankung schwankt in Abhängigkeit von der medizinischen Versorgung und vom Virenstamm stark zwischen 22,6 % (Ausbruch 1967) und 88,0 % in Uige (Angola, 2004–2005).[11] So wies der in Angola nachgewiesene Stamm beispielsweise eine höhere Virulenz als der 1967 in Deutschland nachgewiesene Stamm auf.[8] Auch wenn die hohe Sterblichkeit eher nachteilig für die Verbreitung des Virus ist, ist das Virus trotzdem gut an seinen Endwirt, den Menschen, angepasst, da aufgrund einer die hohe Sterblichkeit bedingenden Viruslast eine hohe Kontagiosität erreicht wird.
Therapie und Diagnostik
Momentan sind keine spezifischen antiviralen Medikamente oder Impfungen gegen das Marburg-Virus zugelassen, obwohl diese existieren[12][11][13], sodass nur eine unterstützende Behandlung mit Antipyretika, Antibiotika, Herzglycosiden, Elektrolyten, Infusionen und in anderen Fällen spezifischen Medikationen sowie intensivmedizinischen Behandlungen wie beispielsweise Dialyse möglich ist.
Das Marburg-Virus kann durch eine Reverse-Transkriptions-PCR (rtPCR) in einem BSL4-Labor nachgewiesen werden. Bei diesem Verfahren wird die virale RNA mittels einer reversen Transkriptase in cDNA transkribiert und anschließend mithilfe von spezifischen und komplementären Primern und einer DNA-abhängigen DNA-Polymerase amplifiziert. Darüber hinaus ist ein Nachweis über einen direkten oder indirekten ELISA (Enzyme-linked-Immunsorbent-Assay) möglich. In Deutschland übernimmt die Marburg-Viren-, wie auch die Ebola-Viren-Diagnostik, das Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg als nationales Referenzlabor sowie die Virologie der Philipps-Universität Marburg als Konsiliarlabor.
Vorbeugung
Anfang 2005 gelang Wissenschaftlern um Steven Jones und Heinz Feldmann (University of Manitoba, Winnipeg, Kanada) eine erfolgreiche Impfung (aktive Immunisierung) bei Javaneraffen (Macaca fascicularis) mit einem abgeschwächten, lebenden, rekombinanten Vesicular stomatitis virus (VSV), das auf seiner Oberfläche ein so genanntes Glycoprotein des Marburg-Virus-Stammes Musoke produziert.
Im April 2006 wurden Forschungsergebnisse von Forschern aus den USA und Kanada veröffentlicht, denen es gelungen ist, einen Impfstoff gegen das Marburg-Virus zu entwickeln. Im Tierversuch erwies sich der Impfstoff auch in der Postexpositionsprophylaxe als wirksam.
Meldepflicht
In der Schweiz ist die Erkrankung Marburg-Fieber meldepflichtig und zwar nach dem Epidemiengesetz (EpG) in Verbindung mit der Epidemienverordnung und Anhang 1 der Verordnung des EDI über die Meldung von Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen. Meldepflichtig sind Ärzte, Spitäler usw. Meldekriterien sind klinischer Verdacht und Rücksprache mit Fachärztin oder Facharzt für Infektiologie und Veranlassung einer erregerspezifischen Labordiagnostik.
In Deutschland schreibt das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in § 6 IfSG eine generelle namentliche Meldepflicht bei Verdacht, diagnostizierten Erkrankungen oder Todesfällen durch virale hämorrhagische Fieber vor. Zudem ist nach diesem Recht der direkte oder indirekte Nachweis andere Erreger hämorrhagischer Fieber namentlich meldepflichtig nach § 7 IfSG, soweit der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist. Eine unverzügliche Isolierung ist im Gegensatz zu fast allen anderen Infektionen bei von Mensch zu Mensch übertragbaren hämorrhagischen Fiebern für den Erkrankten zwingend vorgeschrieben (§ 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG [Quarantäne], zusammen mit Lungenpest).
In Österreich ist virusbedingtes hämorrhagisches Fieber gemäß § 1 Abs. 1 Nummer 1 Epidemiegesetz 1950 bei Verdacht, Erkrankung und Tod anzeigepflichtig. Zur Anzeige verpflichtet sind unter anderem Ärzte und Labore (§ 3 Epidemiegesetz).
Geschichte
Ausbrüche der Krankheit waren der oben genannte in Europa aus dem Jahre 1967 und der von 1998 bis 2000 andauernde Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo mit insgesamt 149 Erkrankten, von denen 123 starben.
Seit Oktober 2004 tritt die Krankheit im nördlichen Teil von Angola auf. Nach Angaben des angolanischen Gesundheitsministeriums vom April 2005 starben von 231 bislang registrierten Erkrankten bereits 210 Menschen, darunter vor allem Kinder unter fünf Jahren. Besonders problematisch ist die Weigerung der Bevölkerung, die Infizierten zu isolieren. Da bei den Familien zur Bestattung der persönliche Abschied mit Umarmung etc. gehört, ist es extrem schwierig, die eigentlich sofort notwendige Beerdigung zu gewährleisten, was die Infektionsgefahr erheblich steigert.
Im Juli 2008 erkrankte eine Frau aus den Niederlanden und verstarb kurz nach dem Nachweis der Infektion. Sie steckte sich vermutlich bei einer Reise nach Uganda an, wo sie unter anderem eine Höhle besichtigte, in der sich viele Fledertiere aufhielten. Schon im Jahr davor war der Marburgerreger in Uganda bei in Höhlen lebenden Flughunden gefunden worden.[14][15][16]
Im September 2014 ist das Marburg-Virus nach den beiden Ebolaausbrüchen in Westafrika und im Kongo (Zentralafrika) in Uganda ausgebrochen. Dabei starb nach bisherigen Erkenntnissen ein 30 Jahre alter Mann. 79 Menschen wurden unter Beobachtung gestellt und einer isoliert,[17] die im Kontakt mit dem Toten standen.[18][19]
Im August 2021 gaben Behörden des westafrikanischen Staates Guinea einen Ausbruch des Marburgfiebers bekannt. Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO mitteilte, handelt es sich um den bisher ersten Fall überhaupt in Westafrika. Weniger als zwei Monate nach dem Ende eines Ebola-Ausbruchs in dem Staat wurde das hochansteckende Fieber im Süden Guineas in der Präfektur Guéckédou, in einem Dorf nahe der Grenze zu den Nachbarstaaten Sierra Leone und Liberia, bei einem mittlerweile gestorbenen Patienten entdeckt. Wie und wo sich der Mann, der die Infektion nicht überlebte, mit dem Erreger angesteckt hatte, ist nicht bekannt.[20][21][22]
Siehe auch
Weblinks
- Marburgvirus-Infektionen – Informationen des Robert Koch-Instituts
- Marburg haemorrhagic fever in Angola. WHO.
Einzelnachweise
- A. Negredo, G. Palacios, S. Vázquez-Morón u. a.: Discovery of an Ebolavirus-Like Filovirus in Europe. In: PLoS Pathogens. Oktober 2011, Band 7, Nr. 10, Artikel e1002304, doi:10.1371/journal.ppat.1002304.
- K. Olival, D. Hayman: Filoviruses in Bats: Current Knowledge and Future Directions. In: Viruses. April 2014, Band 6, Nr. 4, S. 1759–1788, doi:10.3390/v6041759.
- Jonathan S. Towner, Xavier Pourrut, César G. Albariño u. a.: Marburg Virus Infection Detected in a Common African Bat. In: PLoS ONE. 22. August 2007, Band 2, Nr. 8, Artikel e764, doi:10.1371/journal.pone.0000764.
- D. G. Bausch, S. T. Nichol, J. J. Muyembe-Tamfumet al.: Marburg Hemorrhagic Fever Associated with Multiple Genetic Lineages of Virus. In: New England Journal of Medicine. Nr. 355, S. 909–919, doi:10.1056/NEJMoa051465.
- M. I. Lub, A. N. Sergeev, O. V. P'iankov u. a.: Nekotorye patogeneticheskie kharakteristiki zabolevaniia obez'ian, aérogenno infitsirovannykh virusom Marburg. In: Voprosy virusologii. Nr. 40, 1995, S. 158–161.
- D. A. Alves, A. R. Glynn, K. E. Steele u. a.: Aerosol exposure to the angola strain of marburg virus causes lethal viral hemorrhagic Fever in cynomolgus macaques. In: Veterinary Pathology. September 2010, Band 47, Nr. 5, 831–851, doi:10.1177/0300985810378597.
- A. Sanchez, T. Geisbert, H. Feldmann: Filoviridae: Marburg and Ebola viruses. In: B. N. Fields, D. M. Knipe: Fields’ virology. 5th edition, Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia (Pa) 2006, ISBN 0-7817-6060-7, S. 1409–1448.
- T. W. Geisbert, K. M. Daddario-DiCaprio, J. B. Geisbert u. a.: Marburg virus Angola infection of rhesus macaques: pathogenesis and treatment with recombinant nematode anticoagulant protein c2. In: Journal of the Infectious Diseases. Nr. 196, Supplement 2, 2007, S. 372–381.
- M. Mehedi, A. Groseth, H. Feldmann, H. Ebihara: Clinical aspects of Marburg hemorrhagic fever. In: Future Virology. September 2011, Band 6, Nr. 9, S. 1091–1106, doi:10.2217/fvl.11.79.
- A. K. McElroy, B. R. Erickson, T. D. Flietstraet u. a.: Ebola Hemorrhagic Fever: Novel Biomarker Correlates of Clinical Outcome. In: Journal of Infectious Diseases. 15. August 2014, Band 210, Nr. 4, S. 558–566, doi:10.1093/infdis/jiu088
- D. V. Clark, P. B. Jahrling, J. V. Lawler: Clinical Management of Filovirus-Infected Patients. In: Viruses. September 2012, Band 4, Nr. 9, S. 1668–1686, doi:10.3390/v4091668.
- M. Mehedi, A. Groseth, H. Feldmann, H. Ebihara: Clinical aspects of Marburg hemorrhagic fever. In: Future Virology. 15. September 2011, Band 6, Nr. 9, S. 1091–1106 doi:10.2217/fvl.11.79.
- Wie gefährlich ist das Marburg-Fieber in Westafrika? 10.08.2021. Deutsche Welle, abgerufen am 13. August 2021.
- Erster bekannter Fall – Gefährliches Marburg-Virus nach Europa eingeschleppt. FAZ.net, 10. Juli 2008; abgerufen am 13. August 2021.
- Erster bekannter Fall: Tödliches Marburg-Virus nach Europa eingeschleppt. Spiegel Online, 10. Juli 2008; abgerufen am 14. August 2014.
- Holländerin stirbt an Marburg-Virus. NZZ.ch, 1. Juli 2008; abgerufen am 14. August 2014.
- Erst Ebola, dann Marburg. taz.de, 6. Oktober 2014.
- Outbreak of Ebola-like Marburg fever kills man in Uganda. reuters.com, 5. Oktober 2014.
- Ebola-ähnlicher Virus in Uganda aufgetaucht. Apharmazeutische-zeitung.de, 6. Oktober 2014.
- WHO gibt Marburgfieber-Ausbruch in Westafrika bekannt. Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 13. August 2021.
- WHO gibt Ausbruch von Marburg-Fieber in Westafrika bekannt. Tagesschau (ARD), abgerufen am 13. August 2021.
- Wie gefährlich ist das Marburg-Fieber in Westafrika? Deutsche Welle, 10. August 2021, abgerufen am 13. August 2021.