Ludwig Renn
Ludwig Renn (* 22. April 1889 in Dresden; † 21. Juli 1979 in Berlin; eigentlich Arnold Friedrich Vieth von Golßenau) war ein deutscher Offizier und Schriftsteller.
Jugend, Erster Weltkrieg
Ludwig Renn (bis 1930 Arnold Vieth von Golßenau) entstammte sächsischem Adel mit Stammsitz in Golßen (Niederlausitz). Seine Mutter, Bertha Julie geb. Raspe (1867–1949), war bürgerlicher Herkunft. Über seinen Vater, Carl Johann Vieth von Golßenau (1856–1938), der Mathematikprofessor und Erzieher am Dresdner Königshof war, kam es zu einer freundschaftlichen Bindung mit dem sächsischen Kronprinzen, Friedrich August Georg von Sachsen. 1910 begann Ludwig Renns Offizierslaufbahn im 1. Königlich-Sächsischen Leib-Grenadier-Regiment Nr. 100, wo auch sein Freund Friedrich August Georg von Sachsen diente. Von 1914 bis 1918 kämpfte er im Ersten Weltkrieg als Kompanieführer, zeitweise auch als Bataillonsführer an der Westfront. Nach dem Krieg war er Hauptmann der Dresdner Sicherheitspolizei. 1920 weigerte er sich im Verlauf des Kapp-Putsches, auf revolutionäre Arbeiter zu schießen, und quittierte kurz danach den Dienst.
Studien und Reisen
Von 1920 bis 1923 studierte er in Göttingen und München Jura, Nationalökonomie, Kunstgeschichte und russische Philologie. 1923 war er während der Inflationszeit als Kunsthändler in Dresden tätig. 1925/26 unternahm er eine Fußreise durch Südeuropa und den Orient. 1927 beendete er in Wien sein Studium der Archäologie und der ostasiatischen Geschichte. Im selben Jahr kehrte er nach Deutschland zurück und hielt vor Arbeitern Vorträge über die Geschichte Chinas. 1928 wurde er mit seinem ersten Buch Krieg, einem vielgelesenen, nüchtern-sachlichen Antikriegsroman, berühmt.
Renn als kommunistischer Schriftsteller und Spanienkämpfer
Von den Nationalsozialisten angegriffen, wählte er für seinen Adelsnamen das Pseudonym „Ludwig Renn“, nach dem Helden seines Erfolgsromans, und schloss sich den Kommunisten an. Nach dem Eintritt 1928 in die KPD und den Roten Frontkämpferbund engagierte er sich auch als Sekretär im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller und Herausgeber der kommunistischen Literaturzeitschriften Linkskurve und Aufbruch. Renn war auch Mitglied des „Aufbruchkreises“, der von zehn Offizieren im März 1931 anlässlich des Übertritts Leutnant Richard Scheringers von der NSDAP zur KPD gegründet worden war. Seine Bücher Nachkrieg (1930) und Russlandfahrten (1932) machten ihn zum wichtigsten deutschen kommunistischen Schriftsteller der Zwischenkriegszeit. Er lebte damals im Berliner Arbeiterbezirk Friedrichshain in Alt-Stralau 70.[1] Im März 1933 wurde er nach dem Reichstagsbrand von Rudolf Diels aufgrund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat zusammen mit Carl von Ossietzky und Ernst Torgler verhaftet und der ausländischen Presse vorgeführt. Im Januar 1934 wurde Renn zu 2 ½ Jahren Gefängnis verurteilt, die er im Zuchthaus Bautzen[2] verbüßte. Nach seiner Entlassung nahm er Wohnsitz in Unteruhldingen/Meersburg und Überlingen am Bodensee, von wo aus er im Februar 1936 in die Schweiz flüchtete und um politisches Asyl ersuchte. Nach einem Monat Aufenthalt beim Verleger Emil Oprecht in Zürich zog er in den Kanton Tessin. Mitte August 1936 verließ Renn die Schweiz heimlich und ging nach Spanien, vorerst inkognito. Als Ende Oktober 1936 die XI. Internationale Brigade gegründet wurde, übernahm Renn das Kommando des Bataillons Ernst Thälmann und ab Dezember 1936 als Stabschef – gemeinsam mit Kommandeur Hans Kahle – die Führung der Brigade.[3]
Nach der Niederlage der Republikaner in Spanien gelangte Renn über England und die Vereinigten Staaten nach Mexiko ins Exil, wo er als Vorsitzender der Bewegung „Freies Deutschland“ tätig war und die Welthilfssprache Esperanto förderte.
Renn in der SBZ/DDR
1947 kehrte Renn nach Deutschland zurück, ließ sich in der SBZ nieder und wurde Mitglied der SED. Er war Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts und Professor an der Technischen Hochschule Dresden. Später wechselte er an die Humboldt-Universität zu Berlin. Renn war Mitglied des 1. Volksrates der SBZ.
Ab 1952 schrieb er als freier Schriftsteller militärhistorische und politische Abhandlungen, Reise- und Lebensberichte sowie Kinderbücher. Dabei blieb er streng auf Parteilinie.[4]
Der homosexuelle Renn lebte seit der Rückkehr aus dem mexikanischen Exil mit dem aus Dresden stammenden Max Hunger (1901–1973) zusammen. Zu beiden stieß 1949 noch Hans Pierschel (1922–1994). Von 1952 bis zu seinem Tod wohnte Renn mit seinen Freunden in Berlin-Kaulsdorf.
Er und seine Lebensgefährten wurden in einem gemeinsamen Grab in der „Künstlerabteilung“ auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin beigesetzt, das unter Denkmalschutz steht.[5]
Auszeichnungen und Ehrungen
In der DDR wurde Ludwig Renn nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Antifaschist und Widerstandskämpfer geehrt.
Neben Kinderbuchpreisen des Ministeriums für Kultur der DDR erhielt er zweimal den Nationalpreis der DDR und 1969 den Karl-Marx-Orden. 1959 erhielt er die Deutsche Friedensmedaille. Am 1. Mai 1979 bekam er den Orden Großer Stern der Völkerfreundschaft verliehen.
1969–1975 war er Ehrenpräsident der Akademie der Künste.
In Berlin-Marzahn ist die Ludwig-Renn-Straße[6] sowie in seiner Geburtsstadt Dresden die Ludwig-Renn-Allee nach ihm benannt.
Auch in Zwickau gibt es im Stadtteil Weißenborn eine Ludwig-Renn-Straße. An der Volkshochschule Zwickau hielt er ab Oktober 1927 – erstmals unter seinem Pseudonym Ludwig Renn – Vorträge für Arbeiter über die Geschichte Chinas und Russlands.
Eine heute geschlossene Kinderbibliothek in der Berliner Leipziger Straße trug ebenfalls seinen Namen. Noch heute ist eine Grundschule in Potsdam nach Renn benannt. Ein Hochseetrawler (ROS 337) der DDR-Fischereiflotte war ebenfalls nach ihm benannt.
Darstellung Renns in der bildenden Kunst (Auswahl)
- Wolfgang Frankenstein: Ludwig Renn (Tafelbild, 1959)[7]
- Carl Lohse: Porträt Ludwig Renn (Tafelbild; im Bestand der Dresdener Gemäldegalerie Neue Meister)
Werke
- Krieg. Frankfurter Societäts-Druckerei, Frankfurt am Main 1928
- Neuaufl.: Krieg: mit einer Dokumentation. Aufbau-Verlag, Berlin 1989 ISBN 3-351-01402-3
- Neuaufl., Nachwort Günther Drommer: Das Neue Berlin, Berlin 2001 ISBN 3-360-00976-2
- Auszug: In vorderster Linie. Aus der Aisne-Champagne-Schlacht 1917. Diesterweg, 1929
- Nachkrieg. Agis, Berlin 1930 Volltext
- Rußlandfahrten. Lasso, Berlin 1932
- Vor großen Wandlungen. Oprecht, Zürich 1936. Neuaufl.: Aufbau, Berlin 1989 ISBN 3-351-01478-3
- Death without battle. Dodd, Mead & Company, New York und M. Secker & Warburg, London 1937
- Warfare. The relation of war to society. Oxford University Press, New York und Faber & Faber, London, 1939
- Adel im Untergang. El Libro Libre, Mexico 1944
- Morelia. Eine Universitätsstadt in Mexiko. Aufbau, Berlin 1950
- Vom alten und neuen Rumänien. Aufbau, Berlin 1952
- Trini. Die Geschichte eines Indianerjungen. Kinderbuchverlag, Berlin 1954. Nationalpreis der DDR 1955
- mit dem Titel: Trini. Die Geschichte eines mexikanischen Landarbeiterjungen während der mexikanischen Revolution. Bilder Diego Rivera, Alfaro Siqueiros. Weismann Frauenbuchverlag, München 1978 ISBN 3-921040-16-7
- Der spanische Krieg. Aufbau, Berlin 1955; wieder (ungekürzt): Das Neue Berlin, 2006 ISBN 978-3-360-01287-6
- Der Neger Nobi. 1955, seit 8. Auflage 1962 unter dem Titel Nobi, wieder: Eulenspiegelverlag, Berlin 2001 ISBN 3-359-01427-8
- Herniu und der blinde Asni. 1956
- Krieg ohne Schlacht. Verlag der Nation, Berlin 1957
- Meine Kindheit und Jugend. 1957
- Herniu und Armin. 1958
- Auf den Trümmern des Kaiserreiches. Aufbau, Weimar 1961
- Camilo. 1963
- Inflation. Aufbau, Weimar 1963
- Zu Fuss zum Orient. Aufbau, Weimar 1966
- Ausweg. Aufbau, Weimar 1967
- Krieger, Landsknecht und Soldat. (zusammen mit Helmut Schnitter) Kinderbuchverlag, Berlin 1976
- In Mexiko. Aufbau, Berlin 1979
- Anstöße in meinem Leben. Aufbau, Berlin 1980 (Autobiographie)
- als Übersetzer
- Ermilo Abreu Gómez: Geschichten von den Maja-Indianern. Aufbau, Weimar 1948; Teilnachdruck: Jacinto Kaneck, in Die schönsten Erzählungen der Welt. Hausbuch unvergänglicher Prosa. Geleitwort Thomas Mann. Kurt Desch, München 1956, 2. Teil, S. 806 – 828 (Héroes Mayas: Zamná, Cocom. Canek. Mexico 1942)
Literatur
- Kai-Britt Albrecht: Renn, Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 426–428 (Digitalisat).
- Annemarie Auer: Ludwig Renn. Ein ungewöhnliches Leben. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1964.
- Sebastian Bargon: Die Darstellung des „Nebenfeindes“ in der kommunistischen Spanienkriegsliteratur, insbesondere bei Ludwig Renn und Willi Bredel. Hamburg, Univ., Mag.-Schr., 1987.
- Herbert Mayer, Bernd-Rainer Barth: Renn, Ludwig. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Edith Mertens: Ludwig Renn : Literatursoziologische und persönlichkeitstheoretische Aspekte der biographischen Entwicklung des Offiziers Arnold Friedrich Vieth von Golßenau zum Schriftsteller Ludwig Renn, Univ. Diss., Münster 1981.
- Susanne Römer, Hans Coppi (Hrsg.), Vorwort von Peter Steinbach: AUFBRUCH. Dokumentation einer Zeitschrift zwischen den Fronten. (Reprint). Fölbach, Koblenz 2001, ISBN 3-923532-70-9.
- Birgit Schmidt: Wenn die Partei das Volk entdeckt. Anna Seghers, Bodo Uhse, Ludwig Renn u. a. Ein kritischer Beitrag zur Volksfrontideologie und ihrer Literatur. Münster 2002, ISBN 3-89771-412-4.
- Matthias Stresow: Ludwig Renn in Dresden. 2. Aufl. Hellerau-Verlag, Dresden 2004, ISBN 3-910184-72-3.
- Christian Zentner, Friedemann Bedürftig: Das große Lexikon des Dritten Reiches. Südwest-Verlag, München 1985, ISBN 3-517-00834-6.
- Lars-Arne Dannenberg, Matthias Donath (Hrsg.): Lebensbilder des sächsischen Adels I, Adel in Sachsen, Band 5, Via Regia Verlag Dr. Andreas Bednarek, Bernstadt a.d. Eigen 2014, ISBN 978-3-944104-09-6, S. 159–180 Arnold Vieth von Golßenau alias Ludwig Renn (1885–1979)
Weblinks
- Literatur von und über Ludwig Renn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Ludwig Renn in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Zeitungsartikel über Ludwig Renn in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft
- Ludwig Renn. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
- Peter Mertens: Renn, Ludwig. In: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (Hrsg.): Sächsische Biografie.
- Biografie bei der „Künstlerkolonie Berlin“ (Memento vom 11. Februar 2013 im Webarchiv archive.today)
- Ludwig-Renn-Sammlung im Archiv der Akademie der Künste (Berlin)
- Renn in Mexiko, 73 Nennungen, durchsuchbar
- Bundesstiftung Aufarbeitung: Ludwig Renn, Biographische Angaben aus dem Handbuch "Wer war wer in der DDR?"
- Deutsche Biographie: Renn, Ludwig (Pseudonym seit 1928, eigentlich Arnold Friedrich Vieth von Golßenau, weitere Pseudonym Antonio Poveda, Harold J. White)
Einzelnachweise
- Hans-Jürgen Mende und Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon Friedrichshain-Kreuzberg. Haude & Spener, Berlin 2003, S. 313.
- Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007 ISBN 978-3-10-039326-5 S. 480.
- Erich Günthart, Romy Günthart: Spanische Eröffnung 1936. Rotes Zürich, deutsche Emigranten und der Kampf gegen Franco. Chronos-Verlag, Zürich 2017, ISBN 978-3-0340-1375-8, S. 21–41, 125–137.
- So behandelte er Ernest Hemingway, mit dem er in Spanien mehrfach zusammengekommen war, in seinem Spanien-Buch als Unperson, weil dieser in der DDR bis Mitte der 1950er als spätbürgerlicher Modernist kritisiert wurde. Er sprach lediglich von einem „Amerikaner“. (Der Spanische Krieg, Berlin 1956, S. 250).
- Berliner Landesdenkmalliste: Grabstätte Ludwig Renn
- Ludwig-Renn-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
- Bildnis Ludwig Renn | Wolfgang Frankenstein | Bildindex der Kunst & Architektur - Bildindex der Kunst & Architektur - Startseite Bildindex. Abgerufen am 30. September 2021.