Kriechender Günsel
Der Kriechende Günsel (Ajuga reptans), auch Guldengünsel genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Günsel (Ajuga) innerhalb der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).
Kriechender Günsel | ||||||||||||
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Kriechender Günsel (Ajuga reptans) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Ajuga reptans | ||||||||||||
L. |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Der Kriechende Günsel ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 10 bis 30 cm erreicht. Sie besitzt ein kurzes, kräftiges Rhizom und lange Ausläufer, die sich an den Knoten bewurzeln. Der meist aufrechte Stängel ist vierkantig, unten rot-violett überlaufen und im oberen Bereich ringsum flaumig behaart.
Die Laubblätter sind in grundständigen Rosetten und gegenständig am Stängel verteilt angeordnet. Die gestielten Laubblätter sind eiförmig-spatelig und oberseits glänzend.
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht von April bis Juni, selten blühen einzelne Pflanzenexemplare auch noch später. Je drei bis sechs Blütenstände sind in seitenständigen Scheinquirlen angeordnet. Die Tragblätter sind einfach.
Die zwittrigen Blüten sind zygomorph und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die Blütenkronen sind meist blau gefärbt mit helleren Streifen, seltener rosafarben oder weiß (Albino). Eine Besonderheit der 1 bis 1,5 Zentimeter langen Blütenkronen ist die scheinbar fehlende, aber tatsächlich winzige Oberlippe.
Typisch für Lippenblütler werden vierteilige Klausenfrüchte gebildet, die in vier einsamige Teilfrüchte zerfallen (= Bruchfrucht).
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 32.
Vorkommen
Das Hauptverbreitungsgebiet von Ajuga reptans erstreckt sich von Europa und Nordafrika bis zum Kaukasusraum und Iran. In Nordamerika ist die Art ein Neophyt.[1]
Der Kriechende Günsel gedeiht auf frischen, nährstoffreichen, neutralen bis mäßig sauren, humosen Lehmböden auf Wiesen, in Laubwäldern, an Waldrändern, unter Hecken und in Gärten. In Mitteleuropa wächst er oft in Arrhenatheretalia-Gesellschaften, aber auch in Fagetalia-Gesellschaften.[2] Er ist ein Nährstoff- und Frische-Zeiger und eine Licht- bis Halbschatten-Pflanze. In den Alpen kommt er bis in Höhenlagen von etwa 2000 Metern vor. In den Allgäuer Alpen steigt er auf dem Südwestgrat des Diedamskopfs in Vorarlberg in eine Höhenlage von bis zu 1800 Meter auf.[3]
Inhaltsstoffe
Wichtige Inhaltsstoffe sind Gerbstoffe.
Nutzung
Nutzung als Zierpflanze
Kriechender Günsel wird auch als Bodendecker unter lichten Sträuchern und Bäumen verwendet, besonders die Variante mit metallisch glänzendem dunkelrotem Laub. Durch die langen Ausläufer wächst er oft auch in den Rasen und wird dann meistens als Unkraut betrachtet. Außerdem gibt es Zuchtformen, die z. T. geflecktes Laub haben oder weniger ausbreitungsfreudig sein sollen.[4]
Nutzung als Heilpflanze
Ein Aufguss aus getrockneten blühenden Pflanzenteilen des Kriechenden Günsels soll getrunken gegen Rheuma, Magengeschwüre, Angina und Durchfall helfen, äußerlich angewendet gegen Hautentzündungen, Hämorrhoiden und Schleimhautentzündungen.[5]
Trivialnamen
Weitere Trivialnamen für den Kriechenden Günsel sind oder waren, zum Teil auch nur regional: Apfelblätter (Ens), Bilibluama (St. Gallen bei Chaster), Bimu (mittelhochdeutsch), Blawellen (Zillertal bei Fügen), Braunellen (Zillertal bei Fügen), Buggeln (Bern), Consel (mittelhochdeutsch), Cunseln (mittelhochdeutsch), gülden Günsel, gulden Güntzel (mittelhochdeutsch), blauer Gukguk (Altmark, Schlesien), Gunsel (bereits mittelhochdeutsch), Guntzel, Gutzegagel, Heilkräutlein (Schwaben), Hundzung (mittelhochdeutsch), St. Kathrinamaja (St. Gallen bei Sargans), Kriechgünsel, Lorenzkraut (Schlesien), blow Meyblume, Melcherdözen (Salzburger Alpen), Melcherstözen, Riesli (Toggenburg), Sappenkraut, Steingünsel, Wiesengünsel (Schweiz), Wiesenkräutlein, Wisskrut (mittelhochdeutsch), Wundkrut (mittelhochdeutsch), Wundecrut (mittelhochdeutsch), Wuntcrut (mittelhochdeutsch) und Zapfenkraut (Schlesien).[6][7]
Geschichte
Grimms Wörterbuch gibt für „Günsel“ folgende Erklärung:
- „Gunsel, günsel, auch gunzel, günzel, ein Heilkraut, Ajuga reptans. Aus mittellateinisch, lateinisch consolida, das von consolidare ‚festmachen‘ hergeleitet ist und die dieser Pflanze zugeschriebene zusammenschweißende Kraft bezeichnet.“[8]
Vom 13. bis 16. Jahrhundert wurden unter anderem auch folgende Heilpflanzen als consolida (lateinisch; „Festmacherin“) bezeichnet, wobei eine exakte Zuordnung nicht immer möglich ist:
- Kleine Braunelle,[9] Wald-Sanikel[10][11] und Gänseblümchen (Consolida minor).[12]
- Kriechender Günsel (Consolida media, Consolida aurea, Consolida mediocris).[13][14]
- Echter Beinwell (Symphytum officinale) und Rundblättriges Wintergrün (Consolida, Consolida maior).[15][16]
- Gewöhnlicher Feldrittersporn (Consolida regalis).[17]
Der Kriechende Günsel wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Elsässer Handschriften als „klein guntzel“ bezeichnet:
Hieronymus Brunschwig übernahm diese Indikationen auch in sein Kleines Destillierbuch und nannte den Kriechenden Günsel „güldin gunsel“.[21] Vom Kleinen Destillierbuch gelangten die Beschreibungen des Kriechenden Günsels in die Kräuterbücher der Väter der Botanik (Otto Brunfels, Hieronymus Bock und Leonhart Fuchs).[22] Diese glaubten den Kriechenden Günsel im «chamaipitys» des Dioskurides wiederzuerkennen.[23]
Historische Abbildungen
- Vitus Auslasser 1479
- Gart der Gesundheit 1485
- Otto Brunfels 1532
- Leonhart Fuchs 1543
- Hieronymus Bock 1546
Literatur
- Gunter Steinbach (Hrsg.), Bruno P. Kremer u. a.: Wildblumen. Erkennen & bestimmen. Mosaik, München 2001, ISBN 3-576-11456-4.
- Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5.
- Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2. Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.
Einzelnachweise
- Rafaël Govaerts (Hrsg.): Ajuga reptans. In: World Checklist of Selected Plant Families (WCSP) – The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew, abgerufen am 7. September 2019.
- ISBN 3-8001-3131-5 Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 794.
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 387.
- The Royal Horticultural Society – Dumont’s große Pflanzen-Enzyklopädie, Band I: A-J. Herausgegeben von Christopher Brickell, Herausgeber der deutschen Ausgabe Wilhelm Barthlett, Botanisches Institut der Universität Bonn. Bearbeitet und aus dem Englischen übersetzt von Nadja Biedinger und Rüdiger Seine. 1998, ISBN 3-7701-4350-7, S. 92.
- Die Große Enzyklopädie der Heilpflanzen – Ihre Anwendung und ihre natürliche Heilkraft. Übersetzung aus dem Italienischen von Walter Wurzer. 1994, ISBN 3-7043-9002-X, S. 57.
- Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 14, online.
- Heinrich Marzell: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. 5 Bände, Leipzig, ab Band 3 Stuttgart/Wiesbaden, Band 1, S. 168.
- Grimm: günsel (Digitalisat)
- Barbara Fehringer: Das „Speyerer Kräuterbuch“ mit den Heilpflanzen Hildegards von Bingen. Eine Studie zur mittelhochdeutschen „Physica“-Rezeption mit kritischer Ausgabe des Textes. Würzburg 1994 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen, Beiheft 2), S. 100 und 103
- Johann Wonnecke von Kaub: Gart der Gesundheit (1485), Kapitel CXLVIII.
- Adam Lonitzer: Kreuterbuch. Künstliche Conterfeytunge der Baeume, Stauden, Hecken, Krauter, Getreyd, Gewuertze [...]. Hrsg. von Peter Uffenbach, (Frankfurt am Main 1557, weitere Ausgabe ebenda 1630; letzte Ausgabe Augsburg 1783) Ulm an der Donau 1679; Neudruck (Leipzig 1934 und bei) Konrad Kölbl, (Grünwald bei) München 1962, S. 450.
- Hermann Fischer: Mittelalterliche Pflanzenkunde. München 1929 (= Geschichte der Wissenschaften: Geschichte der Botanik, 2), S. 262
- Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 140 („Consolida aurea: Ajuga reptans, Guldengünsel“).
- Walther Ryff: Confect Büchlin und Hausz Apoteck. Frankfurt am Main 1544, S. 7
- Adam Lonitzer: Kreuterbuch ... (Frankfurt am Main 1557), hrsg. von Peter Uffenbach, Ulm an der Donau 1679, S. 330 f.
- Hieronymus Brunschwig: Das buch der Cirurgia. Straßburg 1497, Blatt 126
- Johann Wonnecke von Kaub: Gart der Gesundheit. Peter Schöffer, Mainz 1485, Kap. XCVI
- Den wunden Därmen
- Für wunde Mundschleimhaut
- Frankfurt, MS. germ. qu. 17, Elsass, 1. Viertel 15. Jh., Blatt 344ra (Digitalisat); verkürzt auch in Heidelberg, Cpg 638, Elsass / Basel, 2. Viertel 15. Jh. Blatt 24v (Digitalisat)
- Hieronymus Brunschwig. Kleines Destillierbuch. Straßburg 1500, Blatt 52r (Digitalisat)
- Otto Brunfels: Contrafeyt Kreüterbuch. Straßburg 1532, S. 191 (Digitalisat); Hieronymus Bock: New Kreütter Buch. Straßburg 1539, Buch I, Cap. 103 (Digitalisat); Leonhart Fuchs: New Kreütterbuch. Straßburg 1543, Cap. 147 (Digitalisat)
- De materia medica, Buch III, Kapitel 165, 166 (Digitalisat)
Weblinks
- Ajuga reptans L., Kriech-Günsel. FloraWeb.de
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Kriechender Günsel. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Ajuga reptans L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora.
- Verbreitung auf der Nordhalbkugel aus: Eric Hultén, Magnus Fries: Atlas of North European vascular plants. 1986, ISBN 3-87429-263-0 bei Den virtuella floran. (schwed.)
- Thomas Meyer: Günsel Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
- Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 561 (Erstbeschreibung).
- Literatur zu Ajuga reptans in den Kew Bibliographic Databases. (englisch)