Knochenmühle
Eine Knochenmühle ist eine Mühle, die in der Regel Tierknochen mahlt oder stampft. Knochenmehl wurde als organischer Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt.
Geschichte
Knochenmühlen gibt es seit der frühen Neuzeit, aber erst im beginnenden 19. Jahrhundert, als die traditionelle Dreifelderwirtschaft durch moderne agrarische Bewirtschaftung unter Einsatz von Düngemitteln ersetzt wurde, wurde Knochenmehl im industriellen Maßstab hergestellt. Knochenmehl eignet sich aufgrund seiner Mineralhaltigkeit und chemischen Zusammensetzung gut als Pflanzendünger. Um 1828 gab es im gesamten Rheinland 29 Knochenmühlen, davon die meisten im Bergischen Land. Üblicherweise wurden diese durch Wasserkraft angetrieben.
Ab 1900 wurde das Knochenmehl durch das Thomasmehl ersetzt, das beim Thomasstahl-Verfahren anfiel.
Die Knochen wurden teilweise über Hunderte von Kilometern mittels Karren antransportiert (z. B. aus Ostpreußen zur Bücheler Knochenmühle bei Kürten) und anschließend bis zu zwei Jahre zum Trocknen gelagert. Die so abgelagerten und anschließend gemahlenen Knochen wurden teilweise auch als Hühnerfutter verwertet, das Knochenöl war in der Feinmechanik sehr begehrt.
Erneut eingesetzt wurden die Knochenmühlen in der Zeit des Nationalsozialismus, als die Machthaber im Sinne der Autarkie eigenproduzierte Düngemittel förderten.[1] Knochenmühlen kamen auch bei der Sonderaktion 1005 zum Einsatz, als das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete 1942–1944 die Spuren der während der Aktion Reinhardt ermordeten Juden beseitigte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen fast alle Knochenmühlen. In Westfalen sind noch wenige Knochenmühlen erhalten, darunter die Knochenmühle in Fretter bei Finnentrop, die Knochenmühle Meinerzhagen-Mühlhofe und die Knochenmühle in Isingheim.
England
Die Knochenmühle Narborough war eine Wassermühle am Fluss Nar im Westen der englischen Grafschaft Norfolk. Die ausgegrabenen Überreste von Friedhöfen und Grabstätten aus Hamburg wurden in der Mühle von Kings Lynn zu landwirtschaftlichem Dünger verarbeitet. Ähnlich makaber klingt der Text einer Eintragung in einem ökonomischen Lexikon des 19. Jahrhunderts:
„… In England, Belgien und Frankreich ist bis jetzt das Düngen mit Knochenmehl am allgemeinsten und die Engländer haben noch bis in die neueste Zeit ganze Schiffsladungen Knochen aus Deutschland, selbst 1816 von dem Schlachtfelde bei Waterloo, geholt, um sie in England zu Knochenmehl zu verarbeiten und teuer zu verkaufen“[2]
Bestattungswesen
Nach der Kremierung von Leichen verbleiben teilweise grobstückige Überreste. Nachdem große metallische Bestandteile (z. B. künstliche Gelenke) ausgesondert wurden, werden die verbliebenen Überreste in einer Trommel durch große Stahlkugeln zu Totenasche zerkleinert, die danach in Urnen abgefüllt werden kann.
Medizin
Wenn körpereigenes Knochenmaterial während einer Operation zerkleinert und wiederverwendet werden soll, kommen chirurgische Knochenmühlen zum Einsatz.
Begriffsübertragung
- Die zeitgenössische Beschreibung der außerordentlich verlustreichen Schlacht um Verdun (1916) als „Knochenmühle“ hat sich bis heute im Sprachgebrauch gehalten.
- Der Volksmund verwendet gelegentlich die Bezeichnung „Knochenmühle“ für Orte, an denen sehr anstrengende Arbeit geleistet wird.[3]
- Im Volksmund als Knochemiehl (Knochenmühle) wurden auch die Triebwagen der ersten kommerziellen deutschen Straßenbahn-Linie der Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft (FOTG) bezeichnet. Der Antrieb über Zahnräder, die Spurweite von 1000 mm, die aus Holz gefertigten Räder mit Radreifen aus Stahl und die fehlende Federung führten zu unruhigen Laufeigenschaften und der Bezeichnung Knochemiehl.
Literatur
- Herbert Nicke: „Bergische Mühlen“, Martina Galunder Verlag, Wiehl, 1998, ISBN 3-931251-36-5
Einzelnachweise
- Elisabeth Vaupel: Wertvolle Knochen. Ein Thema im Schulunterricht der NS-Zeit. In: Kultur & Technik 3/2017, S. 54–59 (PDF)
- Wilhelm Hoffmann (Hrsg.): Allgemeine Enzyklopädie für Kaufleite, Fabrikanten … Leipzig 1853. Stichwort „Knochen“
- Duden online: Knochenmühle, siehe Bedeutung 2.