Johann Sinnhuber
Hans Johann „Hanns“ Sinnhuber (* 27. März 1887 auf Gut Wilkoschen bei Gumbinnen, Ostpreußen; † 23. Oktober 1979 in Augsburg)[1] war ein deutscher General der Artillerie im Zweiten Weltkrieg.
Leben
Johann Sinnhuber war ein Sohn des Gutsbesitzers und Salzburger Exulanten Eduard Sinnhuber (1840–1927). Seine älteren Brüder waren der spätere Arzt Franz und der spätere Ingenieur Hermann.[2]
Nach dem Abitur am Humanistischen Gymnasium der Friedrichsschule in Gumbinnen trat Joannes Sinnhuber Mitte April 1907 als Fahnenjunker in das Feldartillerie-Regiment Nr. 52 der Preußischen Armee in Königsberg ein. Im Oktober 1907 kam er an die Kriegsschule nach Danzig und wurde Ende 1907 zum Fähnrich befördert. Im Juli 1908 bestand er das Offiziersexamen und kam zu seinem Truppenteil zurück. Ende 1908 wurde er als Leutnant im Feldartillerie-Regiment Nr. 52 auf eigenen Wunsch in die Reserve versetzt.[3] Vom Wintersemester 1909 bis Sommersemester 1913 studierte er neue Sprachen, Nationalökonomie und Jura in München, Lausanne, Berlin und Königsberg. Zeitgleich zum Studium nahm er an Reserveübungen teil und stellte im Januar 1914 seinen Antrag zur Reaktivierung. Ab April 1914 wurde er zur einjährigen Dienstleistung befohlen. Mit der Mobilmachung 1914 war Sinnhuber Ordonnanzoffizier der I. Abteilung des Feldartillerie-Regiments Nr. 52 in Gumbinnen. Mitte August 1914, während der Schlacht bei Gumbinnen, wurde er Adjutant der II. leichten Feldhaubitz-Abteilung des Regiments. Für seinen Einsatz bei einer Patrouille mit Feindkontakt erhielt er das Eiserne Kreuz I. Klasse verliehen. Von Ostpreußen wurde er erst nach Polen, dann in die Karpaten und zurück nach Polen verlegt. Ab November 1915 war er als Oberleutnant Regimentsadjutant des Artillerie-Regiments 52. Anfang März 1916 ging er an die Westfront, kämpfte bei Verdun und nahm an der Erstürmung Fort Vaux teil. Es folgte erneut die Verlegung an die Ostfront. Mit dem Wechsel als Adjutant zur I. Feldartillerie-Brigade endete seine lange Zuordnung zum Regiment 52. Mitte Januar 1918 folgte seine Beförderung zum Hauptmann.
Nach Ende des Krieges schloss er sich dem ostpreußischen Grenzschutz an und war im November 1918 an der Befreiung von Königsberg von der Volksmarinedivision beteiligt.
Er wurde in die Reichswehr übernommen und am 1. Februar 1923 Chef der 4. Batterie des 1. Artillerie-Regiments in Königsberg. Gleichzeitig war er bis 1927 Kommandoführer der Heereshandwerkerschule Königsberg. Ab Februar 1927 war er als 1. Adjutant in den Stab der 1. Infanterie-Division versetzt, wurde nach der Umwandlung Korps-Adjutant, hier im Juni 1929 zum Major befördert. Im August 1933 wurde er zum Kommandeur der II. Abteilung des 3. Artillerie-Regiments in Frankfurt (Oder) ernannt und wurde im Oktober 1933 Oberstleutnant. Ab Oktober 1934 war er, ab September 1935 Oberst, Kommandeur des neu aufgestellten Artillerie-Regiments Elbing, welches ein Jahr später in Artillerie-Regiment 21 umbenannt wurde.
Ab März 1938 war er als Artillerie-Kommandeur 18 (ArKo 18) in Liegnitz eingesetzt, im April 1939 zum Generalmajor befördert und blieb dies auch nach Beginn des Zweiten Weltkriegs. Von Ende Mai 1940 war er Kommandeur die 28. Infanterie-Division.[4] Die Division führte er u. a. im Westfeldzug und dem Krieg gegen die Sowjetunion. Im April 1941 folgte seine Beförderung zum Generalleutnant. Bis Mai 1943 blieb er Kommandeur der 28. Infanterie-Division und hatte bis dahin auch die ersten beiden Ladoga-Schlachten mitgemacht. Mitte Juli 1943 übernahm Sinnhuber als Kommandierender General das LXXXII. Armeekorps, welches zur Zeit der alliierten Landung in der Normandie in Nordfrankreich lag. Nach einer Auseinandersetzung mit Gauleiter Bürkel über Befehlsbefugnisse wurde Sinnhuber auf Drängen Himmlers im September 1944 in die Führerreserve versetzt. Anfang Oktober 1944 musste er sich u. a. wegen Kritik am Führer vor dem Kriegsgericht in Torgau verantworten und in der Folge erhielt er erst mal keine weitere Kommandierung. Das Verfahren wurde Anfang 1945 aus Mangel an strafbaren Handlungen eingestellt, sodass er ab Februar 1945 zum Kommandierenden General des Verteidigungsbereiches Hamburg-Bremen befohlen wurde. Himmler intervenierte und das Personalamt sah eine Verwendung in gleicher Eigenschaft an der Italienfront vor. Durch die Kapitulationsverhandlungen wurde diese Stelle aber nicht mehr durch Sinnhuber angetreten. Bei Werfer, nahe dem Ort von wo seine Vorfahren vor über 200 Jahren nach Ostpreußen gingen, kam er in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Kurze Zeit später wurde er mit einem US-amerikanischen Sonderauftrag versehen, welcher die Unterbringung der Kriegsgefangenen in den Alpentälern koordinieren sollte. Hierfür konnte er Waffen, Rangabzeichen und Orden behalten und wurde mit einem amerikanischen Ausweis ausgestattet. Anschließend bildete er in Augsburg einen Verbindungsstab zum Oberbefehlshaber General Patton. Es gelang ihm mit Hilfe der Amerikaner seine nach Thüringen evakuierte Familie nach Augsburg zu holen. Durch den Eisenhower-Erlass wurde er dann doch interniert. Anfang 1946 kam er nach mehreren Lagerwechseln nach Allendorf bei Marburg, wo die US-amerikanische Besatzungsbehörde deutsche Generäle zur Historical Division zusammenzogen. Er wurde Vorsitzender des Ehrenrates der Generale.
Mitte Mai 1947 wurde Sinnhuber aus dem automatischen Arrest entlassen. Er verdingte sich mit Gelegenheitsarbeiten und fand Anstellung bei einer Wirtschaftszeitung, zunächst als Abonnement-Werber. Von 1951 bis 1958 war er als Verlagsvertreter im Raum Nordbayern aktiv. Er blieb aber in Augsburg wohnen.
Anschließend befasste er sich nach seinem Ruhestand mit der Korrespondenz mit ehemaligen Kameraden. 1965 verlor er aufgrund eines Sturzes einen Teil seiner Sehkraft, sodass er viel seiner Freiheit verlor. 1971 starb seine Frau aufgrund eines Unfalls.
Ende April 1922 heiratete Hanns Sinnhuber Lotte Przikling (1901–1971).
Auszeichnungen (Auswahl)
- Eisernes Kreuz (1914) II. (10. Oktober 1914) und I. Klasse
- Österreichisches Militär-Verdienstkreuz am 29. Dezember 1917
- Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern am 15. April 1918
- Deutsches Kreuz in Gold am 27. August 1942
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes am 5. Juli 1941[5]
- Ehrennadel des Johanniterordens
Literatur
- Horst-Günter Benkmann: Wege und Wirken: Salzburger Emigranten und ihre Nachkommen. Salzburger Verein, 1988, S. 201–206.
- Wolf Keilig: Das deutsche Heer 1939–1945. Gliederung, Einsatz, Stellenbesetzung. Band 3, Podzun, Bad Nauheim 1956, S. 319.
Einzelnachweise
- Todesanzeige im Ostpreußenblatt vom 3. November 1979, S. 23.
- Horst-Günter Benkmann: Wege und Wirken: Salzburger Emigranten und ihre Nachkommen. Salzburger Verein, 1988, S. 201 (google.de [abgerufen am 15. November 2020]).
- Militär-Wochenblatt. E. S. Mittler, Juli 1908, S. 3644 (google.de [abgerufen am 15. November 2020]).
- Samuel W. Mitcham Jr: German Order of Battle: 291st-999th Infantry Divisions, Named Infantry Divisions, and Special Divisions in WWII. Stackpole Books, 2007, ISBN 978-0-8117-4844-5, S. 244 (google.de [abgerufen am 15. November 2020]).
- Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939–1945. Die Inhaber des Eisernen Kreuzes von Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine, Waffen-SS, Volkssturm sowie mit Deutschland verbündete Streitkräfte nach den Unterlagen des Bundesarchivs. 2. Auflage. Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2.