Großschweidnitz
Großschweidnitz (obersorbisch Swóńca; Oberlausitzer Mundart Schweenz[2]) ist eine sächsische Gemeinde im Landkreis Görlitz. Sie liegt südlich der Stadt Löbau, zu deren Verwaltungsgemeinschaft sie gehört.
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Bundesland: | Sachsen | |
Landkreis: | Görlitz | |
Verwaltungsgemeinschaft: | Löbau | |
Höhe: | 304 m ü. NHN | |
Fläche: | 7,47 km2 | |
Einwohner: | 1263 (31. Dez. 2020)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 169 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 02708 | |
Vorwahl: | 03585 | |
Kfz-Kennzeichen: | GR, LÖB, NOL, NY, WSW, ZI | |
Gemeindeschlüssel: | 14 6 26 150 | |
Gemeindegliederung: | 2 Ortsteile | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Ernst-Thälmann-Str. 63 02708 Großschweidnitz | |
Website: | ||
Bürgermeister: | Jons Anders | |
Lage der Gemeinde Großschweidnitz im Landkreis Görlitz | ||
Geografie
Der als Waldhufendorf gegründete Ort Großschweidnitz zieht sich in der Talaue des Großschweidnitzer Wassers vom Höllengrund, der Einmündung der Litte bis zur Grenze Kleinschweidnitz und dem Nonnenberg hin. Er ist von Grünflächen sowie umfangreichem und zum Teil altem Baumbestand durchsetzt. Das sich nach Nordosten anschließende Gebiet von Kleinschweidnitz hat unregelmäßige, ungleiche und blockartige Grundstücke mit verstreut liegenden Häusern. Untypisch für die Oberlausitz gibt es im Ort kaum Umgebindehäuser, aber eine große Dorfschule, sehr viele villenähnliche Bürgerhäuser und ein schönes Eisenbahnviadukt von 1847. Anziehungspunkt für Wanderer ist der „Höllengrund“, ein sagenumwobenes Felsental mit Bergbach und einem einsamen „Waldhaus“.
Großschweidnitz besteht aus den zwei Ortsteilen Großschweidnitz und Kleinschweidnitz, sowie Seitenschweidnitz, was Kleinschweidnitz zugezählt wird.
Geschichte
Groß- und Kleinschweidnitz wurden erstmals 1306 urkundlich als zwei getrennte Dörfer erwähnt. Großschweidnitz war ursprünglich ein reines Bauerndorf, in dem im 18. und 19. Jahrhundert das Mühlenhandwerk Einzug hielt. In Groß- und Kleinschweidnitz gab es zwölf Wassermühlen und eine Windmühle, aber kaum den Erwerbszweig der Handweberei. Über drei Jahrhunderte wurde das dörfliche Leben durch zwei Rittergüter geprägt. Das Ortsbild von Großschweidnitz ist vielgestaltig und spiegelt in der Bebauung die Entwicklung des Dorfes wider.
Mit dem Bau der Duncan’s Leinenindustrie 1869/70 und Heil- und Pflegeanstalt (heute Sächsisches Krankenhaus) von 1902 bis 1904 kam es verstärkt zum Häuser- und Siedlungsbau und damit auch zum Bevölkerungszuwachs von Groß- und Kleinschweidnitz. 1897 erfolgte der Bau einer neuen Dorfschule im Ortsinneren (heute Ernst-Thälmann-Str. 63). Die Heil- und Pflegeanstalt selbst wurde im Pavillonstil auf einem etwa 30 ha großen Areal errichtet. Die aufwendig restaurierten, gelben Klinker- und andere Bauten des Krankenhauses stehen in einer weitestgehend zaunlosen Parklandschaft. Sie sind eines der größten Baudenkmäler östlich von Dresden.
Die im Jahr 1904 fertiggestellte und in den letzten Jahren umfassend restaurierte Kirche prägt maßgeblich das Dorfbild. Die Entstehung des Bleichereibetriebes und der Anstalt veränderte die Bevölkerungsstruktur des Dorfes wesentlich. Immer mehr Industriearbeiter, Krankenhauspersonal und Gewerbetreibende wurden ansässig. 1937 erfolgte der Zusammenschluss der beiden Gemeinden Groß- und Kleinschweidnitz zur Gemeinde Großschweidnitz mit einer zentral gelegenen Gemeindeverwaltung an der heutigen Käthe-Kollwitz-Straße 6.
Im Sächsischen Krankenhaus Großschweidnitz kam es im Zusammenhang mit der Aktion Brandt, der zweiten Phase der nationalsozialistischen „Euthanasie“ zur Tötung von über 5.000 Kranken (Dissertation Krumpolt), unter denen sich auch 192 Frauen und Männer befanden, die zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden waren. Auf dem Friedhof wurde ein Gedenkstein, gestaltet von dem Bildhauer D. Hermann, für Opfer errichtet. Ein Opfer der Euthanasiemorde war Marianne Schönfelder aus Dresden, die Tante des Malers Gerhard Richter.
Am 8. Mai 1945 erfolgte die Sprengung des mittleren Viadukt-Bogens durch die Wehrmacht. Durch schnelle Reparaturarbeiten konnte der Erste Zug bereits am 4. August das Viadukt überqueren.[3]
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die, mittlerweile Duncan's Leinenindustrie AG heißende Leinenindustrie in sozialistisches Eigentum überführt und an das Kombinat Hirschfelder Leinen- und Textilindustrie angegliedert. 1990 wurde der Betrieb geschlossen. 1995 bis 1996 wurde die Engelei, wie sie im Volksmund genannt wird, fast vollständig abgerissen. Der 65 m hohe Schornstein des Maschinenhauses und der Kohlebunker wurden durch die Oswald & Küchler Sprengtechnik GmbH gesprengt.[4]
Nach 1993 entstand in Großschweidnitz ein Neubaugebiet mit über 40 Häusern unweit des Sachsenfreundes an der S148. Mit dem Bau einer neuen Kläranlage zwischen Kleinschweidnitz und Seitenschweidnitz erfolgte gleichzeitig der grundlegende Ausbau des öffentlichen Strom-, Gas-, Telefon- und Wassernetzes im Ort.
Im Jahr 2002 musste die örtliche Schule, welche zu DDR-Zeiten eine Polytechnische Oberschule und nach der Wende eine Grundschule war, nach etwa 100 Jahren Schulbetrieb, auf Grund von Schülermangel schließen. In dem Gebäude kam anschließend die Gemeindeverwaltung unter.
Infolge des Hochwassers 2010 kam es zu einem Schaden von ca. 1,9 Mio. Euro in der Gemeinde. Es wurden drei Brücken völlig zerstört und zwei irreparabel beschädigt. Daraufhin wurde eine Erneuerung des Hochwasserschutzes erforderlich.[5]
Ortsnamenformen
Der Ortsname veränderte sich von 1306: Swoynitz, 1306: ambae (=lat. beide) Sweynicz, 1374: Große Swoynicz, 1419: Swoynitz magnum, Sweynicz, 1420: Großen Sweydnitcz, 1471: Grosse Swoynicz, 1478: Große Swenitz, 1569: Groß Schweidnicz, 1816: Groß Schwei(d)nitz[6] bis zu Großschweidnitz.
Verwaltungszugehörigkeit
1777: Bautzener Kreis, 1843: Landgerichtsbezirk Löbau, 1856: Gerichtsamt Löbau, 1875: Amtshauptmannschaft Löbau, 1952: Kreis Löbau, 1994: Landkreis Löbau-Zittau, 2008: Landkreis Görlitz
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohner[6] | ||
1777 | 13 besessene Mann, 6 Gärtner, 28 Häusler, 2 Wüstungen | ||
1834 | 471 | ||
1871 | 660 | ||
1890 | 665 | ||
1910 | 1.596 | ||
1925 | 1.695 | ||
1939 | 2.545 | ||
1946 | 2.577 | ||
1950 | 3.083 | ||
1964 | 3.031 | ||
1990 | 1.777 | ||
2000 | 1.514 | ||
2008 | 1.388 | ||
2009 | 1.356 | ||
2010 | 1.352 | ||
2012 | 1.338 | ||
2013 | 1.340 | ||
2018 | 1.287 |
Politik
Geschichte
Die ersten Gemeinderatswahlen fanden in Kleinschweidnitz am 24. April 1839 und in Großschweidnitz am 11. Mai 1839 statt. Gewählt wurden jeweils fünf Vertreter aus fünf Schichten des Ortes. Diese wählten den Gemeindeältesten und den Gemeindevorstand, welcher ab 1924 als Bürgermeister bezeichnet wurde. Die Bürgermeister ab 1924 in Großschweidnitz waren:
- Emil Dehner (1924–1928)
- Kurt Reinhold (1929–1938), ab 1936 auch für Kleinschweidnitz
- Paul Penther (1938–1945)
- Theodor Pappert (1945–1956)
- Heinz Richter (1956–1970)
- Rudolph Pelz (1970–1983)
- Heinz Hartmann (1983–1984, Stellvertreter)
- Klaus Krische (1984–1994)
- Thomas Konietzny (1994–2008)
- Jons Anders (2008–heute)
Gemeinderatswahl
Bei der Gemeinderatswahl am 26. Mai 2019 gingen alle 12 Sitze des Gemeinderates an die Kandidaten der Wählervereinigung Vereine Großschweidnitz (Stimmenanteil 98,7 %). Die Wahlbeteiligung lag bei 60,2 Prozent.[7]
Partnerschaft
Großschweidnitz befindet sich seit dem 2. November 1990 in einer Partnerschaft mit der schwäbischen Gemeinde Klosterlechfeld.[8]
Gedenkstätten
- Gedenkstein auf dem Anstaltsfriedhof für die „Euthanasie“-Opfer
- Mahnmal an der Dorfstraße nahe dem Heinz-Bahner-Stadion für Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus
- Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges an der Ernst-Thälmann-Straße
- Mahnmal an den Ersten Weltkrieg an der Litte nahe dem Fachkrankenhaus.
Verkehr
Großschweidnitz liegt direkt an der Staatsstraße 148, der Bundesstraße 178 und der Bahnstrecke Zittau–Löbau; allerdings fahren hier keine Personenzüge.
Literatur
- Festchronik: 700 Jahre Großschweidnitz. Großschweidnitz 2006.
- Dick de Mildt (Hrsg.): Staatsverbrechen vor Gericht, Festschrift Christiaan Frederik Rüter zum 65. Geburtstag. University Press, Amsterdam 2003.
- Jürgen Schreiber: Ein Maler aus Deutschland: Gerhard Richter. Das Drama einer Familie. Pendo-Verlag, München 2005, ISBN 3-86612-058-3
- Krumpolt, Holm: „Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Psychiatriepolitik auf die sächsische Landesheilanstalt Großschweidnitz im Zeitraum 1939–1945“, Dissertation an der Universität Leipzig, 1995.
- Cornelius Gurlitt: Großschweidnitz. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 34. Heft: Amtshauptmannschaft Löbau. C. C. Meinhold, Dresden 1910, S. 176.
Weblinks
- Webseite der Gemeinde Großschweidnitz
- Universität Amsterdam: Dokumentation von Urteilen gegen Verbrechen 1939–1945
- Großschweidnitz-Fotos
- Die ehemalige Königlich-Sächsische Heil- und Pflegeanstalt Großschweidnitz (seit 1902) wurde ab 1939/40 zur Tötungsanstalt (NS-Patientenmorde, Aktion Brandt) - Gedenken in Großschweidnitz (2017, Seite im Aufbau)
Einzelnachweise
- Bevölkerung des Freistaates Sachsen nach Gemeinden am 31. Dezember 2020 (Hilfe dazu).
- s - Oberlausitzer Woerterbuch. Abgerufen am 24. Juli 2019.
- Peter Emerich: Viaduckt Großschweidnitz. In: www.loebaufoto.de. Peter Emerich, 2. Juni 2018, abgerufen am 2. Juni 2018.
- Oswald & Küchler Sprengtechnik GmbH: Sprengung SchornsteinKohlebunker. In: http://www.sprengtechnik-pirna.de/. Oswald & Küchler Sprengtechnik GmbH, 2. Juni 2018, abgerufen am 2. Juni 2018.
- Gemeinde Großschweidnitz: Ortsblatt September 2010. (PDF) In: grossschweidnitz.de. Gemeinde Großschweidnitz, 1. September 2010, abgerufen am 2. Juni 2018.
- Großschweidnitz im Digitalen Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen
- Wahlergebnis Gemeinde Großschweidnitz
- 1.8 Partnerschaft: Großschweidnitz. Abgerufen am 15. März 2018.